21.10.2020 · IWW-Abrufnummer 218432
Vergabekammer Rheinland: Beschluss vom 26.02.2020 – VK 46/19
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
VK 46/19 - B
26.02.2020
B e s c h l u s s
In dem Nachprüfungsverfahren
der XXXXX,
Antragstellerin,
‒ Verfahrensbevollmächtigter: Rechtsanwalt XXXXX ‒
gegen
XXXXX,
Antragsgegner,
hat die Vergabekammer Rheinland durch das hauptamtliche Mitglied XXXXX auf die mündliche Verhandlung vom 18.02.2020 beschlossen:
- Es wird festgestellt, dass die am 25.09.2019 erfolgte Aufhebung des Vergabeverfahrens die Antragstellerin in ihren Rechten verletzt hat. Im Übrigen wird der Nachprüfungsantrag zurückgewiesen.
- Die Kosten des Verfahrens und die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Verfahrensbeteiligten tragen die Antragstellerin und der Antragsgegner je zur Hälfte.
- Die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten durch die Antragstellerin war notwendig.
- Die Gebühr für die Tätigkeit der Vergabekammer wird auf XXXXX € festgesetzt.
G r ü n d e :
I.
Der Antragsgegner schrieb mit Bekanntmachung vom 12.07.2019 Fassadenbauarbeiten im offenen Verfahren EU-weit aus. Alleiniges Zuschlagskriterium war der Preis. Die Auftragssumme wurde im Vergabevermerk mit Stand vom 10.07.2019 mit XXXXX € netto veranschlagt, im Kostenvoranschlag des Generalplaners mit XXXXX € netto.
Von 25 zur Angebotsabgabe aufgeforderten Unternehmen gaben lediglich zwei Angebote ab. Dasjenige der Antragstellerin lautete auf eine Angebotsendsumme von XXXXX € brutto und war damit ‒ unter Berücksichtigung angebotener Preisnachlässe ‒ mehr als XXXXX Mio. € günstiger als das Konkurrenzangebot, überstieg jedoch die Gesamtsumme des vom Antragsgegner erstellten bepreisten Leistungsverzeichnisses um über XXXXX Mio. €.
Unter dem 04.10.2019 teilte der Antragsgegner der Antragstellerin mit, das Vergabeverfahren sei aufgehoben worden, da kein Angebot eingegangen sei, das den Ausschreibungsbedingungen entspreche. Die Preise des Angebots der Antragstellerin stünden in offenbarem Missverhältnis zur Leistung. Es seien nur Angebote mit unangemessen hohen Preisen eingereicht worden. Es sei beabsichtigt, ein (weiteres) offenes Verfahren durchzuführen.
Mit Schreiben vom 07.10.2019 rügte die Antragstellerin, eine Aufhebung sei unzulässig. Ihr Angebot sei günstig kalkuliert und stelle mit deutlichem Abstand das wirtschaftlichste Angebot dar. Der Antragsgegner habe die Angemessenheit des von ihr angebotenen Preises nicht aufgeklärt. Sollte dieser von der Kostenschätzung des Antragsgegners abweichen, seien die Kosten zu niedrig geschätzt worden.
Nach Einschaltung eines Rechtsanwalts vertiefte dieser unter dem 18.10.2019 für die Antragstellerin die erhobene Rüge. Diese habe vor Angebotsabgabe eine externe Kostenschätzung veranlasst. Nachdem sie den Angebotspreis des anderen Bieters erfahren habe, habe sie einen eigenen Kalkulationsfehler vermutet und einen erheblichen Verlust bei der Bauausführung befürchtet. Sie habe daraufhin sämtliche kalkulatorischen Annahmen geprüft sowie Angebote von Zulieferern eingeholt. Die Kalkulation habe sich jedoch als absolut korrekt erwiesen. Die Diskrepanz zur Kostenschätzung des Antragsgegners könne nur darauf beruhen, dass in dieser Schätzung nicht alle Leistungen und technischen Spezifikationen des Leistungsverzeichnisses berücksichtigt worden seien.
Mit Schreiben vom 30.10.2019 half der Antragsgegner der Rüge nicht ab. Die Aufhebung des Vergabeverfahrens sei nicht nur wirksam, sondern auch rechtmäßig. Im Sinne des § 17 EU Abs. 1 Nr. 1 VOB/A liege kein der Ausschreibung entsprechendes Angebot vor, da alle eingegangenen Angebote unangemessen hoch seien. Auf ein derartiges Angebot dürfe gemäß § 16d EU Abs. 1 Nr. 1 VOB/A der Zuschlag nicht erteilt werden. Unangemessen hoch seien solche Angebote, die in einem auffälligen Missverhältnis zu der Kostenermittlung des Auftraggebers stünden. Die Kostenermittlung des Generalplaners des Antragsgegners habe ergeben, dass das Angebot der Antragstellerin 115 % über den bepreisten Leistungsverzeichnissen des Generalplaners aus 2017 und 86,7 % über einer nachgeholten Kostenermittlung mit BKI-Kennwerten aus 2018 liege. Selbst wenn man annehmen wollte, dass die Kostenermittlungen aufgrund der Vergabe in 2019 zu indexieren wären, läge das Angebot der Antragstellerin immer noch weit über 50 % über der so indexierten Kostenermittlung. Der Rügeerwiderung beigefügt war die Stellungnahme eines Architekturbüros vom 24.10.2019 zur Kostenberechnung. Laut dieser Stellungnahme ermittelte sich das angesetzte Budget aus einer auf insgesamt XXXXX € netto lautenden Kostenberechnung aus dem Jahr 2012, aus der durch verschiedene Modifikationen ‒ unter anderem angenommene Kostensteigerungen von 3 % und 5 % ‒ das verpreiste Leistungsverzeichnis vom 14.05.2019 entwickelt worden war. Ferner werden in der genannten Stellungnahme in Bezug auf die ausgeschriebene Gesamtleistung sowie auf einzelne Teilleistungen der Kostenvoranschlag des Antragsgegners und die Angebotspreise der Antragstellerin den jeweiligen Mittelwerten und Spannbreiten des Baukostenkatalogs des Baukosteninformationszentrums Deutscher Architektenkammern (BKI-Baukostenkatalog) gegenübergestellt.
Das Angebot der Antragstellerin liege hier jeweils im oberen Bereich der Spannbreite oder (zum Teil deutlich) darüber. In der Gesamtsumme überschreite es den im BKI-Baukostenkatalog für das erste Quartal 2018 für Fenster und Außentüren niedergelegten Mittelwert um 86,7 %.
Die Antragstellerin hat am 14.11.2019 einen Nachprüfungsantrag gestellt mit dem hauptsächlichen Begehren festzustellen, dass die Aufhebung des Vergabeverfahrens unwirksam sei und der Antragsgegner bei fortbestehender Beschaffungsabsicht ihr Angebot unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung der Vergabekammer in vergaberechtsfehlerfreier Weise zu berücksichtigen habe, hilfsweise festzustellen, dass die Aufhebung des Vergabeverfahrens sie in ihren Rechten verletzt habe. Der Nachprüfungsantrag sei zulässig. Insbesondere habe sie, die Antragstellerin, ein Feststellungsinteresse. Sie könne ihre Zuschlagschance nur wahren, wenn die Unwirksamkeit der Aufhebung festgestellt werde, und müsse überdies zur Wahrung eines Anspruchs auf Schadensersatz zunächst den Primärrechtsschutz des Nachprüfungsverfahrens in Anspruch nehmen. Der Nachprüfungsantrag sei auch begründet, da keine ordnungsgemäße, den Marktverhältnissen entsprechende Kostenschätzung des Antragsgegners vorliege, die zur Ermittlung einer unangemessenen Höhe des Angebotspreises herangezogen werden könnte. Der Vermerk des Generalplaners vom 24.10.2019 stelle keine Kostenschätzung im Sinne des § 3 VgV dar, wie sich bereits aus dem Datum seiner Erstellung ergebe. Die dort angeführte Kostenberechnung aus dem Jahr 2012 sei veraltet und lasse sich nicht einfach indexieren, sondern hätte neu erstellt werden müssen. Im Jahr 2019 habe der Antragsgegner jedoch keine neue Kostenermittlung vorgenommen, sondern lediglich die Zahlen aus der Kostenberechnung aus 2012 aufgeteilt und den Positionen des Leistungsverzeichnisses zugeordnet. Dabei enthalte das nunmehrige Leistungsverzeichnis Leistungen, die in der Kostenberechnung aus 2012 nicht aufgeführt seien, was an verschiedenen Beispielen dargestellt wird. Die Kostenberechnung spiegele damit nicht die tatsächliche Bauaufgabe gemäß dem Leistungsverzeichnis wider. Die vom Generalplaner zu ihrer Aktualisierung berücksichtigten Kostensteigerungen seien überdies zu niedrig angesetzt. Aus den auf der Homepage des BKI veröffentlichten Zahlen ergebe sich eine Steigerung des Baupreisindexes zwischen Januar 2012 und August 2019 von insgesamt 21,54 %. Die in der Rügeerwiderung angesprochene weitere Indexierung sei der Höhe nach unklar und habe jedenfalls der Auftragswertschätzung nicht zugrunde gelegen. Die vom Generalplaner für das geforderte Vogelschutzglas angesetzte Kostenmehrung von XXXXX € sei nicht auskömmlich. Indem die Ausschreibung die Verwendung von Siebdrucken auf Ebene 1 der Scheibe verlange, sei der übliche Standard verlassen.
Passende Basisgläser seien nicht ausgeschrieben. Es sei notwendig, die äußere Scheibe zu beschichten (Sonnen- und Wärmeschutz), das benötigte Basisglas vorzuspannen und zusätzlich den Siebdruck auf Ebene 1 auszuführen, wodurch auch die Beschichtung wesentlich teurer werde. Die Mehrkosten lägen bei etwa XXXXX €/m² und damit insgesamt bei rund XXXXX € netto. Das Angebot der Antragstellerin entspreche den aktuellen Marktverhältnissen. Bei der Betrachtung der BKI-Kennwerte ziehe der Generalplaner zunächst fälschlicherweise diejenigen des „LB 026 Fenster, Außentüren inkl. 029, 032“ heran, obwohl es vorliegend nicht einfach um Fenster, Außentüren und Beschläge hierzu gehe, sondern zusätzlich um Metallbauarbeiten, eine vorgehängte hinterlüftete Fassade, Rollladenarbeiten und Demontagearbeiten. Bringe man die entsprechenden Beträge in Abzug, ergebe sich für den Leistungsbereich 026 nur noch ein Angebotspreis von XXXXX € je Quadratmeter Bruttogeschossfläche. Selbst bei Einbeziehung der Pfosten-Riegel-Konstruktion steige dieser Preis nur auf XXXXX €/m², was 91 % des mittleren Kostenkennwerts entspreche und den eigenen Ansatz des Generalplaners um lediglich 4,3 Prozentpunkte, d.h. in einem zu vernachlässigenden Ausmaß übersteige. Die vom Generalplaner betrachtete „KG 335 Außenwandbekleidungen außen“ könne nicht uneingeschränkt als Bewertungskriterium herangezogen werden, da sie alle Varianten einer Außenwandbekleidung umfasse, von einfachsten Putzoberflächen bis hin zu komplizierten und teuren Metall- bzw. Glasfassaden. Im Streitfall gehe es um eine vorgehängte hinterlüftete Fassade aus den Materialien Faserzement, Edelstahlhalter, Aluminium-Profile und Dämmung. Eine solche aufwändige Konstruktion sei mit einem simplen Putz nicht vergleichbar; ein zulässiger Preis hierfür würde oberhalb des BKI-Maximalwertes liegen. Die vom Generalplaner herangezogene Baukostenposition Neubau „Nr. 24 Metall-Glas-Fenster, zweiflüglig, bis 4,5 m²“ passe schon deshalb nicht, weil die ausgeschriebenen Fensterelemente eine Größe von 4,7 m² hätten und damit in einer anderen Referenzgruppe lägen. Davon abgesehen liege das Angebot der Antragstellerin insoweit in der marktgängigen Bandbreite. Dies gelte auch für die Kostenposition „Nr. 28 Pfosten-Riegel-Fassade, Metall“. Hier komme hinzu, dass zur ausgeschriebenen Leistung auch eine Stahlunterkonstruktion gehöre, die diesen Leistungsbereich komplexer und schwieriger mache und ihn preislich über den Mittelwert hinaushebe. Unabhängig von diesen Details sei in der Praxis anerkannt, dass die BKI-Werte nicht mehr der tatsächlichen Marktlage entsprächen. Darüber hinaus stelle die Aufhebung des Vergabeverfahrens eine Scheinaufhebung dar, da der Antragsgegner sein Beschaffungsvorhaben in einem neuen Vergabeverfahren weiterverfolgen und dabei nicht das Leistungsverzeichnis ändern, sondern lediglich einen günstigeren Preis erzielen wolle, was de facto auf ein sonst unzulässiges Nachverhandeln abziele, bei dem sich jeder Wettbewerber auf die bislang angebotenen Preise einstellen könne und ein geheimer Wettbewerb nicht mehr möglich sei. Daher sei die Aufhebung nicht nur rechtswidrig, sondern unwirksam.
Der Antragsgegner beantragt, den Nachprüfungsantrag zurückzuweisen. Der Antrag sei unzulässig. Seiner Zulässigkeit stehe zwar nicht die erfolgte Aufhebung des Vergabeverfahrens entgegen, wohl aber deren Rechtswirksamkeit. Für diese sei nicht maßgeblich, ob die Kostenermittlungen das Generalplaners richtig gewesen seien, sondern lediglich, ob es ermessensfehlerfrei sei, sich auf der Grundlage dieser Kostenermittlungen für die Aufhebung entschieden zu haben. Das sei der Fall. Der Generalplaner habe richtigerweise nach DIN 276 in der HOAI-Leistungsphase 3 die Kostenberechnung bis zur 2. Gliederungsebene und damit nur nach Grobelementen aufgeschlüsselt vorgenommen. Da die Bauaufgabe sich seither nicht verändert habe, habe keine Veranlassung bestanden, die Kostenberechnung zu überarbeiten. Die vom Generalplaner innerhalb des Rahmens der BKI-Kennwerte angesetzten Beträge seien fachlich nicht zu kritisieren und stellten schon gar nicht einen Fehler bei der Ausübung des Aufhebungsermessens dar. BKI-Kennwerte seien nach wie vor maßgebliche Grundlage für eine fachlich ordnungsgemäße Kostenermittlung; sie beruhten auf einer regelmäßig aktualisierten Basis konkreter abgerechneter Vergleichsobjekte. Demgegenüber sei der Sachvortrag der Antragstellerin unsubstantiiert. Die Antragstellerin lege nicht einmal dar, welche Kostenansätze aus ihrer Sicht „richtig“ sein könnten. Ihr Vorbringen, ihr Angebot liege innerhalb der BKI-Kennwerte, sei im Hinblick auf die Ordnungsmäßigkeit der Ermessensausübung unerheblich. Davon abgesehen überschreite ihr Gesamtangebot deutlich den Höchstsatz des entsprechenden BKI-Kennwertes. Auch wenn die entsprechende Feststellung erst nach der Aufhebungsentscheidung erfolgt sei, dokumentiere sie doch deren fundierte Grundlage in Form einer belastbaren Kostenermittlung. Die insoweit erhobenen Beanstandungen der Antragstellerin seien unbegründet. Im Hinblick auf das Vogelschutzglas habe sie anscheinend die bei 66 % der Gläser nicht ausgeschriebene Glasvorspannung mit einkalkuliert. Bei der Kostengruppe 334 „Außentüren und -fenster“ habe der Generalplaner einzelne Titel dem Gesamttitel zugeschlagen, da der Leistungsumfang nur ca. 30 % betrage. Die von ihm berücksichtigten Kennwerte der Kostengruppe 335 bezögen sich auf eine hochwertige Fassade des Referenzgebäudes. Bei der Baukostenposition Nr. 24 entspreche das ausgeschriebene Fenster am ehesten der vom Generalplaner herangezogenen Referenzgruppe, wobei die minimale Größenüberschreitung dadurch ausgeglichen werde, dass die Herstellung einer großen Stückzahl identischer Fenster besonders wirtschaftlich sei. Bei der Kostenposition Nr. 28 werde die Forderung nach einer Stahlunterkonstruktion dadurch kompensiert, dass es sich um großformatige Verglasungen mit wenigen Riegel- und Pfostenprofilen und nur wenigen Öffnungsflügeln handele. Selbst wenn man die Einzelbeanstandungen der Antragstellerin hypothetisch als richtig zugrunde lege, übersteige der von ihr angebotene Gesamtpreis eine dergestalt nachgebesserte Kostenermittlung immer noch um 69 % und damit in einer die Aufhebung der Ausschreibung rechtfertigenden Höhe. Es sei daher unverändert beabsichtigt, die Leistungen erneut auszuschreiben.
Aufgrund einer Hinweis- und Aufklärungsverfügung der Kammer vom 20.12.2019 zur Sach- und Rechtslage trägt der Antragsgegner nunmehr des Weiteren vor, zwar habe es zwischen dem Zeitpunkt der Kostenberechnung in 2012 und der Erstellung des bepreisten Leistungsverzeichnisses infolge Fortschreibung der Planung Änderungen des Leistungsumfangs gegeben, was näher ausgeführt wird. Die Entscheidung über die Aufhebung des Vergabeverfahrens sei jedoch allein auf der Grundlage des bepreisten Leistungsverzeichnisses vom 14.05.2019 getroffen worden. Das Leistungsverzeichnis beruhe auf einer in vollem Umfang originären Kostenermittlung, bei der die Massen gemäß den Ausschreibungspositionen neu ermittelt worden seien. Die dabei eingesetzten Einheitspreise hätten gemäß den Erfahrungen des Generalplaners den aktuellen Preisen entsprochen; der Generalplaner verfüge über Mitarbeiter, die sowohl Architekten als auch zertifizierte Fachingenieure Fassade seien und jahrelang speziell auf diesem Gebiet arbeiteten. Erst im rückblickenden Vergleich des neu erstellten Kostenvoranschlags mit dem bisherigen Kostenbudget auf der Basis der Kostenberechnung habe sich eine Kostensteigerung in Höhe von ca. 5 % gezeigt. Abweichungen zwischen der Kostenberechnung aus dem Jahr 2012 einerseits und dem genannten Leistungsverzeichnis andererseits seien daher für die Entscheidung im Nachprüfungsverfahren ebenso irrelevant wie die Frage einer ausreichenden Indexierung der Kostenberechnung. Selbst wenn die der Aufhebungsentscheidung zugrunde liegende Kostenermittlung den vergaberechtlichen Anforderungen nicht genügt hätte, sei der Nachprüfungsantrag gleichwohl unbegründet, da auch bei einer ordnungsgemäßen Kostenermittlung das Vergabeverfahren hätte aufgehoben werden können. Der Generalplaner habe im Januar 2020 nochmals eine Kostenberechnung vorgenommen, die soweit möglich auf BKI-Kennwerten aus dem BKI-Handbuch 2018 beruhe. Der Angebotspreis der Antragstellerin übersteige den sich danach für die ausgeschriebene Leistung ergebenden Gesamtbetrag um 85 %.
Hierauf entgegnet die Antragstellerin, es sei nicht erkennbar, wie gerade das konkrete Projekt bepreist worden sei und wo sich entsprechende Nachweise befänden. Eine Marktpreisrecherche habe der Antragsgegner zu keinem Zeitpunkt durchgeführt. Sein nunmehriger Sachvortrag, das bepreiste Leistungsverzeichnis sei vollkommen neu erstellt worden, decke sich nicht mit dem Vermerk des Generalplaners vom 24.10.2019 und werde bestritten. Angesichts größerer Leistungsänderungen zwischen Kostenberechnung und bepreistem Leistungsverzeichnis und zwischenzeitlich eingetretener Preissteigerungen sei die geringe Abweichung der Gesamtsumme des Leistungsverzeichnisses von derjenigen der Kostenberechnung nicht nachvollziehbar. Überdies fehle ein Sicherheitsaufschlag. Die notwendige Interessenabwägung sei nicht erfolgt; das Angebot sei nicht mit der Antragstellerin aufgeklärt worden. Die vom Antragsgegner nunmehr vorgelegte Kostenermittlung auf der Basis von BKI-Kennwerten sei ohne Berücksichtigung zwischenzeitlicher Qualitäts- und Massensteigerungen erfolgt. Die BKI-Werte stellten nicht konkret auf die ausgeschriebenen Leistungen ab, sondern gäben nur allgemeine Durchschnittswerte an, die einen Vergleich nicht zuließen. Die ausgeschriebene Baumaßnahme weiche in verschiedenen ‒ von der Antragstellerin näher aufgeführten ‒ Punkten von den im BKI-Handbuch beschriebenen Leistungen ab. Zudem befänden sich die dort wiedergegebenen Preise auf dem Stand des ersten Quartals 2018 und müssten mit einem Index erhöht werden. Die Angebotspreise der Antragstellerin seien demgegenüber angemessen.
Die Kammer hat das Verfahren nach Anhörung der Verfahrensbeteiligten einem ihrer hauptamtlichen Mitglieder zur alleinigen Entscheidung übertragen.
In der mündlichen Verhandlung hat die Antragstellerin auf entsprechenden Hinweis der Kammer ihre Anträge in der Hauptsache dahin neu gefasst, die Aufhebung des Vergabeverfahrens aufzuheben, hilfsweise festzustellen, dass die Aufhebung des Vergabeverfahrens sie in ihren Rechten verletzt habe.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Verfahrensakte und die Vergabeakte Bezug genommen.
Der Nachprüfungsantrag ist zulässig.
Der im Antragsschriftsatz angekündigte Hauptantrag der Antragstellerin auf Feststellung der Unwirksamkeit der Aufhebung des Vergabeverfahrens ist auszulegen als Antrag, die Aufhebung der Ausschreibung aufzuheben. Die dahingehende Neufassung des Antrags in der mündlichen Verhandlung hat lediglich eine Klarstellung des ursprünglich Gewollten beinhaltet.
Die Auslegung eines Nachprüfungsantrags richtet sich nach den allgemeinen Grundsätzen für die Auslegung prozessualer Erklärungen und damit nach § 133 BGB,
s. OLG Düsseldorf, Beschl.v. 29.12.2001 ‒ Verg 22/01 ‒, juris, Rdnr. 33; Beschl.v. 21.12.2016 ‒ VII-Verg 5/16 ‒, juris, Rdnr. 18; VK Arnsberg, Beschl.v. 13.12.2012 ‒ VK 16/12 ‒, juris, Rdnr. 64; VK Südbayern, Beschl.v. 12.02.2015 ‒ Z3-3-3194-1-58-12/14 ‒, juris, Rdnr. 103. Nach der genannten Bestimmung ist der wirkliche Wille zu erforschen und nicht an dem buchstäblichen Sinn des Ausdrucks zu haften. Entscheidend ist demzufolge der erklärte Wille, wie er aus der Antragsbegründung, den sonstigen Begleitumständen und nicht zuletzt der Interessenlage hervorgeht. Im Zweifel gilt, was nach Maßstäben der Rechtsordnung vernünftig ist und der recht verstandenen Interessenlage des Verfahrensbeteiligten entspricht,
st. Rspr.; s. z.B. BGH, Beschl.v. 12.04.2016 ‒ VI ZB 63/14 ‒, juris, Rdnr. 11; Beschl.v. 29.03.2018 ‒ I ZB 54/17 ‒, juris, Rdnr. 9; Urt.v. 08.03.2019 ‒ V ZR 330/17 ‒, juris, Rdnr. 11; OLG Düsseldorf, Beschl.v. 06.06.2018 ‒ VII-Verg 51/17 ‒, VERIS, sub II 2 a.
Die Antragstellerin hat ausweislich der Begründung ihres Nachprüfungsantrags mit ihrem Hauptantrag für den Fall einer fortbestehenden Beschaffungsabsicht des Antragsgegners ihre Chance wahren wollen, auf ihr vorliegendes Angebot den Zuschlag zu erhalten. Bei einem solchen Verfahrensziel kann mit einem Nachprüfungsantrag grundsätzlich die Aufhebung einer vom Auftraggeber vorgenommenen Aufhebung des Vergabeverfahrens, mithin zu dessen Fortführung begehrt werden,
s. BGH, Beschl.v. 18.02.2003 ‒ X ZB 43/02 ‒, juris, Rdnr. 19; OLG Düsseldorf, Beschl.v. 10.11.2010 ‒ VII-Verg 28/10 ‒, juris, Rdnr. 44; OLG Bremen, Beschl.v. 29.01.2016 ‒ 2 Verg 3/15 ‒, juris, Rdnr. 147.
Eine Feststellung der Unwirksamkeit der Aufhebung eines Vergabeverfahrens ist im Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen dagegen nicht vorgesehen.
Im Übrigen sind Bedenken gegen die Zulässigkeit des Nachprüfungsantrags nicht ersichtlich.
Der Nachprüfungsantrag ist nur teilweise begründet.
1. Die erfolgte Aufhebung des Vergabeverfahrens ist durch § 17EU Abs. 1 VOB/A nicht gedeckt.
Gemäß § 17EU Abs. 1 Nr. 3 VOB/A kann eine Ausschreibung aus schwerwiegenden Gründen aufgehoben werden. Derartige Gründe können bestehen, wenn eine vor der Ausschreibung vorgenommene Kostenschätzung der Vergabestelle aufgrund der bei ihrer Aufstellung vorliegenden und erkennbaren Daten als vertretbar erscheint und die im Vergabeverfahren abgegebenen Gebote deutlich darüber liegen,
s. BGH, Urt.v. 20.11.2012 ‒ X ZR 108/10 ‒, juris, Rdnr. 17 f., zur inhaltsgleichen Bestimmung des § 26 Nr. 1 Buchst. c VOB/A 2006.
In den Blick zu nehmen sind dabei ‒ ebenso wie bei der Prüfung, ob Angebotspreise unangemessen niedrig sind,
s. dazu BGH, Beschl.v. 18.05.2004 ‒ X ZB 7/04 ‒, juris, Rdnr. 25; OLG Düsseldorf, Beschl.v. 09.02.2009 ‒ VII-Verg 66/08 ‒, juris, Rdnr. 60; Beschl.v. 30.04.2014 ‒ VII-Verg 41/13 ‒, juris, Rdnr. 23, ‒ nicht Einzelpositionen, sondern die geschätzten Gesamtkosten einerseits und die Gesamtpreise der jeweiligen Angebote andererseits,
s. OLG Karlsruhe, Beschl.v. 27.07.2009 ‒ 15 Verg 3/09 ‒, juris, Rdnr. 25; OLG Koblenz, Beschl.v. 28.06.2017 ‒ Verg 1/17 ‒, juris, Rdnr. 25; OLG Dresden, Beschl.v. 28.12.2018 ‒ Verg 4/18 ‒, juris, Rdnr. 43.
Für die Schätzung muss die Vergabestelle oder der von ihr beauftragte Fachmann Methoden wählen, die ein wirklichkeitsnahes Schätzungsergebnis ernsthaft erwarten lassen. Die Gegenstände der Schätzung und der ausgeschriebenen Maßnahme müssen deckungsgleich sein. Maßgeblich dafür sind im Ausgangspunkt die Positionen des Leistungsverzeichnisses, das der konkret durchgeführten Ausschreibung zugrunde liegt. Das Ergebnis der Schätzung ist verwertbar, soweit sie mit diesem Leistungsverzeichnis übereinstimmt. Es ist gegebenenfalls anzupassen, soweit die der Schätzung zugrunde gelegten Preise oder Preisbemessungsfaktoren im Zeitpunkt der Bekanntmachung des Vergabeverfahrens nicht mehr aktuell waren und sich nicht unerheblich verändert hatten,
s. BGH, Urt.v. 20.11.2012, a.a.O., Rdnr. 19 f.; OLG Düsseldorf, Beschl.v. 29.08.2018 ‒ VII-Verg 14/17 ‒, juris, Rdnr. 38. Dabei hat der Auftraggeber für etwaige Fehler eines von ihm mit der Kostenermittlung beauftragten Fachmanns nach dem Rechtsgedanken des § 278 BGB einzustehen,
s. BGH, Urt.v. 08.09.1998 ‒ X ZR 99/96 ‒, juris, Rdnr. 20; OLG Celle, Beschl.v. 10.03.2016 ‒ 13 Verg 5/15 ‒, juris, Rdnr. 26. Wann ein vertretbar geschätzter Auftragswert so „deutlich“ überschritten ist, dass eine sanktionslose Aufhebung der Ausschreibung nach § 17EU Abs. 1 Nr. 3 VOB/A gerechtfertigt ist, lässt sich nicht durch allgemein verbindliche Werte nach Höhe oder Prozentsätzen festlegen. Vielmehr ist eine alle Umstände des Einzelfalls einbeziehende Interessenabwägung vorzunehmen. Dabei ist davon auszugehen, dass einerseits den öffentlichen Auftraggebern nicht das Risiko einer deutlich überhöhten Preisbildung weit jenseits aller vertretbaren Schätzung der Auftragswerte zugewiesen werden darf, sondern sie in solchen Fällen zur sanktionsfreien Aufhebung des Vergabeverfahrens berechtigt sein müssen, dass andererseits das Institut der Aufhebung des Vergabeverfahrens nicht zu einem für die Vergabestellen latent verfügbaren Instrument zur Korrektur der in öffentlichen Ausschreibungen bzw. offenen Verfahren erzielten Submissionsergebnisse geraten darf. Außerdem ist zu berücksichtigen, dass § 17EU Abs. 1 Nr. 3 VOB/A nach Sinn und Zweck der Regelung eng auszulegen ist und dass auch mit angemessener Sorgfalt durchgeführte Schätzungen nur Prognoseentscheidungen sind, von denen die nachfolgenden Ausschreibungsergebnisse erfahrungsgemäß mitunter nicht unerheblich abweichen. Das Ausschreibungsergebnis muss deshalb in der Regel ganz beträchtlich über dem Schätzungsergebnis liegen, um die Aufhebung zu rechtfertigen,
s. BGH, Urt.v. 20.11.2012, a.a.O., Rdnr. 21.
Die gleichen Maßstäbe gelten, wenn die Aufhebung wie im vorliegenden Fall auf § 17EU Abs. 1 Nr. 1 VOB/A i.V.m. § 16dEU Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 VOB/A gestützt wird,
s. OLG Düsseldorf, Beschl.v. 13.03.2019 ‒ VII-Verg 42/18 ‒, juris, Rdnr. 27, 31. Für das Vorliegen der tatsächlichen Voraussetzungen einer Aufhebung der Ausschreibung ist im Nachprüfungsverfahren der Auftraggeber darlegungs- und beweisbelastet,
s. OLG Düsseldorf, Beschl.v. 03.01.2005 ‒ VII-Verg 72/04 ‒, juris, Rdnr. 12; Beschl.v. 31.10.2007 ‒ VII-Verg 24/07 ‒, juris, Rdnr. 38; Beschl.v. 31.01.2018 ‒ VII-Verg 41/16 ‒, juris, Rdnr. 59; Beschl.v. 20.12.2019 ‒ VII-Verg 18/19 ‒, BA S. 12; OLG Karlsruhe, Beschl.v. 27.07.2009, a.a.O., Rdnr. 30, 32, 35; KG, Beschl.v. 17.10.2013 ‒ Verg 9/13 ‒, juris, Rdnr. 40; OLG Celle, Beschl.v. 10.03.2016, a.a.O., Rdnr. 21, 57. Im Streitfall ist nicht feststellbar, dass der Aufhebung des Vergabeverfahrens eine vertretbare Kostenermittlung des Antragsgegners zugrunde lag.
Die Aufhebung des Vergabeverfahrens durch den Antragsgegner stützte sich ausweislich des entsprechenden Vergabevermerks vom 25.09.2019 auf Ziffer 4.4 des Vergabevermerks 2 des Generalplaners vom 13.09.2019. Dort wird ausgeführt, das Angebot der Antragstellerin liege bei ca. 215 % des „Kostenvoranschlags zur Ausschreibung in Höhe von brutto XXXXX €“. Dieser Betrag wird ebenda mit „verpreistes LV / Budget“ vom „14.05.2019“ gekennzeichnet. Er ergibt sich aus einer Berechnung, die überschrieben ist mit dem Satz „das angesetzte Budget ermittelt sich aus der ursprünglichen Kostenberechnung aus 2012 wie folgt:“. Anschließend wird eine Gesamtsumme von XXXXX € netto einer Kostenberechnung vom 05.07.2012 zugeordnet und dieser Betrag durch Modifikationen ‒ Kostensteigerungen von 3 % und „ca. 5 %“, „Änderungen aus Lenkungskreis“ vom 29.09.2016 (- XXXXX € netto) und „Mehrung Vogelschutz“ vom 14.05.2019 (+ XXXXX € netto) ‒ auf den Stand vom 14.05.2019 (XXXXX € netto) aktualisiert.
Soweit die vom Antragsgegner zur Verfahrensakte gereichte Kostenberechnung vom 05.07.2012 eine andere Gesamtsumme ausweist als den entsprechenden im Vermerk vom 13.09.2019 zugrunde gelegten Betrag von XXXXX € netto, steht dem eine tatsächliche Reduzierung des Leistungsumfangs gegenüber. Die Kostenberechnung vom 05.07.2012 sieht in der Kostengruppe 38032 (Verglasungsarbeiten) eine Nettosumme von XXXXX € vor, von der XXXXX € brutto (d.h. XXXXX € netto) auf „Grundkosten“ und XXXXX € brutto (d.h. XXXXX € netto) auf „Sonderkosten“ entfallen, und in der Kostengruppe 38030 (Rollladenarbeiten, Sonnenschutz- und Verdunklungsanlagen) eine Nettosumme von XXXXX €, von der XXXXX € brutto (d.h. XXXXX € netto) „Grundkosten“ darstellen und XXXXX € brutto (d.h. XXXXX € netto) „Sonderkosten“. Die Differenz von XXXXX € netto zwischen dem im Vermerk vom 13.09.2019 genannten Betrag in Höhe von XXXXX € netto und der sich aus der vorgelegten Kostenberechnung vom 05.07.2012 ergebenden Gesamtsumme für die Kostengruppen 38032 und 38030 in Höhe von XXXXX € netto entspricht betragsmäßig den in der Kostenberechnung vom 05.07.2012 angegebenen „Sonderkosten“ für die Kostengruppe 38030. Die letztgenannten „Sonderkosten“ werden in der vom Antragsgegner ebenfalls vorgelegten, dieselben vorgenannten Beträge ausweisenden, aber stärker ausdifferenzierten Kostenberechnung vom 15.05.2012 einem „Brandschutzvorhang E 90 Breite / Höhe 8,50m / 3,65m“ zugeordnet.
Dieser Brandschutzvorhang ist nicht mehr Gegenstand des nunmehrigen Leistungsverzeichnisses, so dass gegen die Außerachtlassung der entsprechenden Kosten im Leistungsverzeichnis nichts zu erinnern ist.
Vergaberechtlich zu beanstanden ist indessen, dass die Preise des Leistungsverzeichnisses vom 02.02.2017 bis zur Ausschreibung im Sommer 2019 nicht mehr aktualisiert worden sind. Dieser Sachverhalt ergibt sich zweifelsfrei aus dem Vermerk vom 13.09.2019, laut dem sich die Nettosumme des verpreisten Leistungsverzeichnisses vom 14.05.2019 von derjenigen des verpreisten Leistungsverzeichnisses vom 02.02.2017 lediglich durch den auf den zusätzlichen Vogelschutz entfallenden Differenzbetrag von XXXXX € netto unterscheidet. Ausweislich des Baupreisindexes des Statistischen Bundesamtes sind die Baupreise sowohl für Bürogebäude als auch für gewerbliche Betriebsgebäude in den fast zweieinhalb Jahren zwischen den beiden genannten Zeitpunkten jedoch um ca. 10 % und damit nicht unerheblich gestiegen. Diese mutmaßlich auch das ausgeschriebene Vorhaben ‒ in welchem Ausmaß auch immer ‒ erfassende Preissteigerung durfte der Antragsgegner vor Bekanntmachung des Vergabeverfahrens nicht unberücksichtigt lassen, s. OLG Düsseldorf, Beschl.v. 20.12.2019, a.a.O., BA S. 13.
Überdies vermag die Kammer nicht mit hinreichender Sicherheit festzustellen, wie der Generalplaner die Kostenansätze des bepreisten Leistungsverzeichnisses vom 02.02.2017 bestimmt hat. Auf die Hinweisverfügung der Kammer vom 20.12.2019 hat der Antragsgegner unter Bezugnahme auf eine von ihm eingeholte Stellungnahme des Generalplaners behauptet, Massenansätze und angesetzte Einheitspreise seien bei Erstellung des bepreisten Leistungsverzeichnisses neu ermittelt worden. Dieser Sachvortrag ist jedoch nicht recht zu vereinbaren mit der ausführlichen Herleitung der Auftragssumme für den 14.05.2019 im Vermerk des Generalplaners vom 13.09.2019. Die dortige betragsmäßige Anknüpfung an die Kostenberechnung aus dem Jahr 2012 wäre sinnlos, wenn sämtliche Massen und Einheitspreise Anfang 2017 eigenständig neu ermittelt worden wären; die alte Kostenberechnung wäre dann überholt gewesen und hätte für die zu beurteilende Frage, ob die vorliegenden Angebote überhöht sind, keine Bedeutung gehabt, wie der Antragsgegner nunmehr selbst vorträgt. Verstärkt werden diese Zweifel durch den im Vermerk des Generalplaners vom 24.10.2019 enthaltenen Satz, es seien in 2015 Preissteigerungen in Höhe von 3 % und 2017 in Höhe von 5 % „angenommen“ worden. Auch diese Formulierung legt nahe, dass der Generalplaner Anfang 2017 zwar die Massenansätze aufgrund der Fortschreibung der Planung überarbeitet, jedoch ‒ gegebenenfalls von Ausnahmen für erstmals aufgenommene Leistungen abgesehen ‒ nicht die angesetzten Einheitspreise neu ermittelt, sondern die im Jahr 2012 zugrunde gelegten Preise durch die genannten „angenommenen“ Steigerungsprozentsätze lediglich pauschal erhöht hat. Dass es sich hier nicht nur um ein Formulierungsversehen handelt, legt die im selben Vermerk vertretene Auffassung des Generalplaners nahe, er habe „mit dem Anfang 2017 vorgelegten verpreisten Leistungsverzeichnis Preissteigerungen aufgrund der Marktlage, soweit einschätzbar angemessen berücksichtigt“. Es drängt sich danach der Eindruck auf, dass Anfang 2017 nicht etwa für sämtliche einzelnen Leistungspositionen die absolute Höhe des Einheitspreises neu ermittelt worden, sondern weit überwiegend lediglich eine relative Preissteigerung im Vergleich zur Kostenberechnung aus 2012 geschätzt worden ist. Erst nach dem Hinweis der Kammer im Nachprüfungsverfahren, es sei fraglich, ob eine bloße Aktualisierung der Kostenberechnung ohne originäre Kostenermittlung vor der Ausschreibung dem vergaberechtlichen Erfordernis einer hinreichend belastbaren und aktuellen Schätzung genüge, hat der Antragsgegner sich erstmals darauf berufen, alle Preise seien bei Erstellung des verpreisten Leistungsverzeichnisses neu ermittelt worden.
s. OLG Karlsruhe, Beschl.v. 27.07.2009, a.a.O., Rdnr. 35.
Unter diesen Umständen kann der Antragsgegner die von ihm geltend gemachte Unwirtschaftlichkeit des Angebots der Antragstellerin nicht allein damit begründen, dass es die vorliegenden Kostenermittlungen des Generalplaners um etwa 100 % übersteigt,
vgl. OLG Düsseldorf, Beschl.v. 20.12.2019, a.a.O., BA S. 12, wonach allein die Tatsache, dass im dort entschiedenen Fall der Gesamtpreis des günstigsten wertbaren Angebots mehr als doppelt so hoch lag wie die Schätzung des Auftragswerts durch den Auftraggeber, für die Annahme eines unwirtschaftlichen Ergebnisses der Ausschreibung nicht ausreichte. Es kann danach offenbleiben, ob es den vergaberechtlichen Anforderungen an eine methodisch vertretbare Kostenermittlung genügen würde, Preise, die sieben Jahre vor der Auftragsbekanntmachung einer Kostenberechnung zugrunde gelegt wurden, lediglich pauschal nach der Maßgabe eines allgemeinen Baupreisindexes zu aktualisieren und den Positionen des Leistungsverzeichnisses zuzuordnen.
Auch die weiteren Einwände der Antragstellerin, die einzelne Ansätze der Kostenermittlung des Antragsgegners betreffen, bedürfen keiner Prüfung mehr.
Unabhängig davon, dass wie dargelegt eine methodisch vertretbare Kostenermittlung des Antragsgegners nicht festgestellt werden kann, dürfte die getroffene Aufhebungsentscheidung auch deshalb rechtswidrig sein, weil der Antragsgegner soweit ersichtlich im Rahmen der Ermessensausübung die gegen eine Aufhebung sprechenden Interessen der Antragstellerin nicht berücksichtigt und andere Maßnahmen als eine Aufhebung des Vergabeverfahrens nicht in Betracht gezogen hat,
s. dazu OLG Karlsruhe, Beschl.v. 27.09.2013 ‒ 15 Verg 3/13 ‒, juris, Rdnr. 49 f.; OLG Düsseldorf, Beschl.v. 29.08.2018, a.a.O., Rdnr. 70.
2. Der Nachprüfungsantrag bleibt auch nicht etwa deshalb erfolglos, weil das Angebot der Antragstellerin ohnehin nicht bezuschlagt werden dürfte.
Zwar ist für den sachlichen Erfolg eines Nachprüfungsantrags neben einer Rechtsverletzung die Feststellung einer zumindest nicht ausschließbaren Beeinträchtigung der Auftragschancen des Antragstellers unerlässlich. Dies ergibt sich unter anderem aus der Bestimmung des § 168 Abs. 1 Satz 1 GWB, wonach die Vergabekammer die geeigneten Maßnahmen trifft, um eine Rechtsverletzung zu beseitigen und eine Schädigung der betroffenen Interessen zu verhindern. Droht wegen einer Rechtsverletzung kein Schaden, mithin keine Beeinträchtigung der Aussichten auf den Erhalt des Auftrags, sind die Vergabenachprüfungsinstanzen nicht berechtigt, in das Vergabeverfahren einzugreifen,
s. OLG Düsseldorf, Beschl.v. 18.04.2018 ‒ VII-Verg 28/17 ‒, juris, Rdnr. 62. Vor diesem Hintergrund würde es an einer Verringerung der Zuschlagschance der Antragstellerin fehlen, wenn deren Angebot einen unangemessen hohen Preis aufwiese und deshalb gemäß § 16dEU Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 VOB/A ohne Rücksicht auf etwa fehlerhafte Ermessenserwägungen zwingend auszuschließen wäre,
vgl. OLG Düsseldorf, Beschl.v. 17.08.2011 ‒ VII-Verg 55/11 ‒, juris, Rdnr. 5; VK Bund, Beschl.v. 08.02.2017 ‒ VK1-140/16 ‒, juris, Rdnr. 42. Dabei sind auf die Prüfung des Ausschlussgrundes die gleichen Grundsätze anzuwenden wie auf die Überprüfung der Aufhebungsentscheidung, da es andernfalls zu einem Wertungswiderspruch zwischen den Bestimmungen des § 16dEU Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 VOB/A einerseits und des § 17EU Abs. 1 VOB/A andererseits käme. Dies schließt das Erfordernis einer Interessenabwägung ein,
s. OLG München, Beschl.v. 07.03.2013 ‒ Verg 36/12 ‒, juris, Rdnr. 73 f. In diesem Zusammenhang ist für die Beurteilung mangels belastbarer Kostenschätzung auf die Differenz zwischen dem von der Antragstellerin angebotenen Preis und dem angemessenen Wert der Leistung abzustellen,
s. BGH, Urt.v. 20.11.2012, a.a.O., Rdnr. 23; OLG Celle, Beschl.v. 10.03.2016, a.a.O., Rdnr. 62. Die Darlegungs- und Beweislast für die einen Ausschluss rechtfertigenden Tatsachen trifft auch hier den Auftraggeber,
s. OLG Düsseldorf, Beschl.v. 31.10.2007, a.a.O., Rdnr. 38. Insoweit beruft sich der Antragsgegner vornehmlich auf BKI-Kostenkennwerte. Grundsätzlich ist gegen eine Heranziehung derartiger allgemeiner Kennwerte vergaberechtlich nichts zu erinnern,
s. zu BKI-Kostenkennwerten: VK Thüringen, Beschl.v. 08.08.2017 ‒ 250-4002-5960/2017-E-011-SM ‒, juris, Rdnr. 161; zu einer anderen gewerblichen Datenbank auf der Basis des Standardleistungsbuchs-Bau: OLG Düsseldorf, Beschl.v. 13.03.2019, a.a.O., Rdnr. 2, 32; zum Standardleistungsbuch-Bau selbst: VK Sachsen, Beschl.v. 10.07.2019 ‒ 1/SVK/018-19 ‒, juris, Rdnr. 21, 122. Allerdings können die BKI-Kostenkennwerte nicht schematisch übernommen werden, sondern müssen entsprechend den spezifischen Planungsbedingungen überprüft und gegebenenfalls angepasst werden, wie in den Benutzerhinweisen der BKI-Produkte ausdrücklich festgehalten wird. Es handelt sich bei den BKI-Daten um Orientierungswerte und nicht um Kostenrichtwerte im Sinne von Vorgaben für die Kostenplanung. Zu berücksichtigen sind insoweit beispielsweise die Bauwerksqualität und der Baumarkt (Zeit, regionaler Baumarkt, Vergabeart). Eine belastbare Kostenermittlung erfordert daher die Betrachtung derjenigen Objekte, aus denen die Kostenkennwerte abgeleitet worden sind. Die hierfür nötigen Angaben zu diesen Vergleichsobjekten sind in den Unterlagen des BKI enthalten,
s. zum Vorstehenden Kalusche/Bielefeld, Hinweise zur Baukonjunktur, Ziffer 4, im Internet abrufbar unter www.bki.de/hinweise-zur-baukonjunktur.html. Eine derartige vergleichende Betrachtung ist insbesondere geboten, wenn die Kostenermittlung nicht allein dem Interesse des Bauherrn an einer Abschätzung seiner voraussichtlichen Kosten dienen soll ‒ so dass der Bauherr über die von ihm gewünschte Genauigkeit der Prognose selbst entscheiden kann ‒, sondern wie hier dem Ziel, Vergabeentscheidungen (Angebotsausschluss, Verfahrensaufhebung) zum Nachteil Dritter ‒ der Bieter ‒ vergaberechtlich zu rechtfertigen. In einer solchen Konstellation bedarf es der Schaffung einer verlässlichen Entscheidungsgrundlage,
s. OLG Karlsruhe, Beschl.v. 27.09.2013, a.a.O., Rdnr. 32. Gerade bei komplexeren Bauteilen wie einer Fassade dürfen dementsprechend die Details der konkret zu erbringenden Leistung nicht außer Acht gelassen werden,
s. VK Sachsen, Beschl.v. 10.07.2019, a.a.O., Rdnr. 113, 122, zum Standardleistungsbuch-Bau. In seiner Stellungnahme vom 24.10.2019 hat der Generalplaner den Gesamtpreis des Angebots der Antragstellerin mit dem BKI-Kostenkennwert für Instituts- und Laborgebäude (Leistungsbereich 026 Fenster, Außentüren inkl. 029, 032) verglichen und dabei eine Überschreitung des mittleren Kennwerts um 86,7 % festgestellt. Die in dieser Stellungnahme außerdem vorgenommenen Vergleiche hinsichtlich einzelner Kostengruppen bedürfen hier keiner näheren Erörterung, da es, wie oben dargelegt, für die Unangemessenheit eines Angebotspreises allein auf den Gesamtpreis ankommt. Auf die Hinweis- und Aufklärungsverfügung der Kammer vom 20.12.2019 hat der Antragsgegner im Januar 2020 durch den Generalplaner außerdem eine Kostenberechnung auf der Grundlage von Kostenkennwerten des Handbuchs „BKI ‒ Baukosten Bauelemente Neubau 2018“ erstellen lassen, aus der sich eine Auftragssumme in Höhe von XXXXX € netto für die Fassade zuzüglich XXXXX € netto für die Dachabdichtung, insgesamt also XXXXX € netto ergibt.
Beide Berechnungen des Generalplaners begegnen allerdings durchgreifenden Bedenken.
Zwar ist nachvollziehbar, dass der Generalplaner bei der Anwendung der BKI-Kostenkennwerte etwaigen regionalen Einflüssen nicht durch Berücksichtigung eines Regionalfaktors Rechnung getragen hat, da dieser sich aktuell für den Ort der ausgeschriebenen Baumaßnahme auf XXXXX, d.h. nahezu auf 1 beläuft und daher im Streitfall vernachlässigt werden kann,
s. Anlage 1 zum Gesetz zur Regelung des Belastungsausgleichs zum Gesetz zur Neuregelung der Dauer der Bildungsgänge im Gymnasium NRW (Belastungsausgleichsgesetz G 9 ‒ BAG-G 9 NRW) vom 02.07.2019 (GV.NRW. S. 319). Vergaberechtlich zu beanstanden ist jedoch, dass die vom Generalplaner aus den BKI-Kostenkennwerten abgeleiteten Beträge die zwischen Anfang 2018 und Mitte 2019 eingetretenen Baupreissteigerungen (laut Baupreisindex des Statistischen Bundesamtes durchschnittlich ca. 5,6 %) außer Acht lassen, da sich die vom Generalplaner benutzten BKI-Unterlagen auf dem Stand des ersten Quartals 2018 befinden, die Auftragsbekanntmachung hingegen erst im Juli 2019 erfolgte.
Des Weiteren hat der Generalplaner ‒ bei seiner Betrachtung des Leistungsbereichs 026 im Oktober 2019 ausschließlich, bei der Kostenberechnung vom Januar 2020 fast durchweg ‒ den jeweiligen Mittelwert der BKI-Kostenkennwerte zugrunde gelegt. Eine auf den einzelnen Kennwert bezogene Begründung dafür hat der Antragsgegner nicht angegeben. Im Hinblick auf die in der Stellungnahme des Generalplaners vom 24.10.2019 herangezogenen BKI-Kennwerte hat der Antragsgegner die von der Kammer in ihrer Verfügung vom 20.12.2019 erbetene Erläuterung unter Einbeziehung der den Kennwerten zu Grunde liegenden Vergleichsobjekte sogar ausdrücklich abgelehnt. Ein solcher pauschaler Ansatz der mittleren Kostenkennwerte ist, wie bereits in der Verfügung vom 20.12.2019 angesprochen, methodisch nicht vertretbar. Die Preisspanne zwischen den vom BKI angegebenen unteren und oberen Beträgen ist oft beträchtlich. Bei den vom Generalplaner des Antragsgegners im Januar 2020 herangezogenen Kostenpositionen liegt der obere Wert mehrfach um 80-90 % höher als der untere, im Falle des unter dem 24.10.2019 betrachteten Leistungsbereichs 026 sogar um ca. 250 %. Diese Abweichungen erklären sich überwiegend durch qualitative Unterschiede der bei der Berechnung der Kostenkennwerte berücksichtigten Bauobjekte, daneben durch örtliche Bedingungen der Baustelle u.ä. Dies ergibt sich bereits aus dem oben zitierten Artikel auf der Homepage des BKI, ist der Kammer aber auch auf telefonische Nachfrage nochmals vom BKI bestätigt worden. Auf regionale Preisunterschiede sind die genannten Differenzen hingegen nicht zurückzuführen, da regionale Einflussfaktoren aus den im BKI-Handbuch angegebenen Beträgen bereits herausgerechnet sind (weshalb sie anschließend durch Multiplikation mit dem einschlägigen Regionalfaktor wieder einbezogen werden müssen). Für eine sachgerechte Anwendung der BKI-Kostenkennwerte ist es daher unerlässlich, bei der Kostenermittlung insbesondere die qualitativen Merkmale des geplanten Bauvorhabens durch einen Vergleich mit den den Kostenkennwerten zu Grunde liegenden Objekten zu berücksichtigen. Dies hat der Generalplaner soweit ersichtlich sowohl bei der Betrachtung des Leistungsbereichs 026 im Oktober 2019 als auch bei der Kostenberechnung vom Januar 2020 unterlassen. Jedenfalls hat der insoweit darlegungsbelastete Antragsgegner hierzu nichts vorgetragen.
Wie die Antragstellerin im Hinblick auf die Kostenberechnung vom Januar 2020 darüber hinaus zutreffend geltend macht, stimmt bei einigen betroffenen Gebäudeelementen die beabsichtigte Bauausführung nicht mit der den BKI-Kennwerten zu Grunde gelegten überein. Auffällig ist im Übrigen, das die in der Kostenberechnung vom 15.05.2012 jeweils angesetzten Quadratmeterpreise für einzelne Bauelemente um bis zu 100 % und mehr von denjenigen der Kostenermittlung von Januar 2020 abweichen. Diese gravierenden Differenzen sind durch bloße Änderungen der Baupreise nicht zu erklären und deuten darauf hin, dass die betreffenden im Januar 2020 herangezogenen Kostenkennwerte die Besonderheiten der streitbefangenen Baumaßnahme nicht berücksichtigen.
Auch diese Umstände lassen erkennen, dass der Generalplaner bei seiner Kostenermittlung von Januar 2020 die Aussagekraft des von ihm angesetzten jeweiligen Mittelwerts im Hinblick auf die hier streitbefangene Baumaßnahme unter Einbeziehung ihrer konkreten Eigenschaften im Vergleich zu den vom BKI ausgewerteten Objekten nicht überprüft hat.
Eine derartige unreflektierte Übertragung allgemeiner Kostenwerte auf die konkrete Ausschreibung erfüllt nicht die vergaberechtlichen Anforderungen an eine vertretbare Kostenermittlung,
s. BGH, Urt.v. 08.09.1998, a.a.O., Rdnr. 23; OLG Düsseldorf, Beschl.v. 29.08.2018, a.a.O., Rdnr. 38; Beschl.v. 20.12.2019, a.a.O., BA S. 12 f. Davon abgesehen fußt nach eigener Darstellung des Generalplaners ein nicht unerheblicher Teil der von ihm im Januar 2020 für die jeweiligen Positionen angesetzten Kosten gar nicht auf BKI-Kostenkennwerten, so dass insoweit die Herleitung der betreffenden Preise bereits im Ausgangspunkt nicht nachvollzogen werden kann.
Im Hinblick auf das Vorbringen des Antragsgegners sei in diesem Zusammenhang angemerkt, dass die Antragstellerin nicht gehalten war, die Angemessenheit ihrer Angebotspreise näher darzutun und zu beweisen bzw. die vom Generalplaner vorgenommenen Kostenansätze im Einzelnen substantiiert zu bestreiten und zu widerlegen. Die Darlegungs- und Beweislast trifft insoweit, wie oben ausgeführt, allein den Auftraggeber. Für die Annahme einer sekundären Darlegungslast der Antragstellerin,
s. dazu z.B. BGH, Beschl.v. 19.12.2000 ‒ X ZB 14/00 ‒, juris, Rdnr. 33, ist kein hinreichender Grund zu erkennen, da der Antragsgegner die für die Ermittlung objektiv angemessener Kosten maßgeblichen Tatsachen ebenso ermitteln kann wie die Antragstellerin. Es genügte daher, dass die Antragstellerin die Preise ihres Angebots als marktgerecht bezeichnet und damit die Richtigkeit der Kostenermittlung des Antragsgegners bestritten hat.
Unter diesen Umständen war es auch nicht Aufgabe der Kammer, im Rahmen der Amtsermittlung den objektiven Wert der ausgeschriebenen Leistung zu ermitteln, zumal die Vergabekammer sich gemäß § 163 Abs. 1 Satz 2 GWB bei der Sachaufklärung auf das beschränken kann, was von den Beteiligten vorgebracht wird oder ihr sonst bekannt sein muss. Für die Einholung etwa eines Sachverständigengutachtens sind die vom Antragsgegner vorgetragenen Anknüpfungstatsachen nicht ausreichend,
vgl. OLG Düsseldorf, Beschl.v. 13.03.2019, a.a.O., Rdnr. 37 f. Zu einer Beweiserhebung besteht auch vor dem Hintergrund keine Veranlassung, dass die Verfahrensbeteiligten gemäß § 167 Abs. 2 Satz 1 GWB an der Aufklärung des Sachverhalts mitzuwirken haben, wie es einem auf Förderung und raschen Abschluss des Verfahrens bedachten Vorgehen entspricht. Der Antragsgegner jedoch hat dem Aufklärungsersuchen der Kammer vom 20.12.2019 nur teilweise entsprochen und ‒ trotz Hinweises der Kammer auf die Darlegungslast des Auftraggebers ‒ eine darüber hinausgehende Sachaufklärung ausdrücklich mit dem Bemerken abgelehnt, eine solche würde zu einer Verzögerung des Vergabeverfahrens führen, an der er kein Interesse habe. Die unzureichende Mitwirkung des Antragsgegners bei der Sachverhaltsermittlung muss die Kammer nicht dadurch kompensieren, dass sie von sich aus mit Hilfe eines Sachverständigen den angemessenen Wert des verfahrensbetroffenen Auftrags erforscht, dies umso weniger, als es um Umstände geht, die aus dem eigenen Wahrnehmungs- und Verantwortungsbereich des Antragsgegners bzw. des von ihm eingeschalteten Generalplaners stammen und deshalb für den Antragsgegner ohne weiteres einer näheren Darlegung zugänglich sind,
s. OLG Düsseldorf, Beschl.v. 28.08.2001 ‒ Verg 27/01 ‒, juris, Rdnr. 55; Bungenberg, in: Pünder/Schellenberg, Vergaberecht, 3. Aufl. 2019, § 167 GWB Rdnr. 23. Ist sonach schon der angemessene Wert der streitbefangenen Bauleistung nicht feststellbar, tritt hier, wie die Kammer auch in der mündlichen Verhandlung zu bedenken gegeben hat, im Rahmen der für eine Verfahrensaufhebung erforderlichen Interessenabwägung zu Lasten des Antragsgegners der Umstand hinzu, dass bereits im Zeitpunkt der Ausschreibung keine preisgünstigen Angebote zu erwarten standen. Die bis zum 14.08.2019 laufende Angebotsfrist lag vollständig innerhalb der Sommer-Schulferien des Landes Nordrhein-Westfalen und bis auf die letzten drei Tage auch innerhalb der Sommerferien des dem Ort der Baumaßnahme benachbarten Bundeslandes Rheinland-Pfalz. Vor diesem Hintergrund war von vornherein damit zu rechnen, weniger Angebote zu erhalten als außerhalb dieser Haupturlaubszeit. Diese Gefahr hat sich ausweislich des Vermerks vom 13.09.2019 (Ziffer 4.4) auch verwirklicht; von 25 zur Angebotsabgabe aufgeforderten Unternehmen haben nur zwei Angebote eingereicht. Der Generalplaner hat in dem genannten Vermerk selbst vermutet, dass diese geringe Beteiligung am Vergabeverfahren auch daran gelegen habe, dass die Kalkulationszeit in der Urlaubszeit lag, wodurch unter Umständen auch Zulieferangebote nur schwer zu erlangen gewesen seien; bei Wiederholung des Vergabeverfahrens könnten aufgrund dessen wirtschaftlichere Angebote erwartet werden. Die Terminierung der Angebotsfrist auf die Hauptferienzeit fällt aber allein in den Verantwortungsbereich des Antragsgegners. Die nachteiligen Auswirkungen des gewählten Ausschreibungszeitraums auf die Preisbildung waren für einen vorausschauenden Auftraggeber bereits im Zeitpunkt der Auftragsbekanntmachung absehbar. Ist ein Auftraggeber an günstigen Angeboten interessiert, darf er die Ausschreibung nicht in die Sommerferien legen. Dies könnte bei einer Interessenabwägung zur Beantwortung der Frage, ob eine sanktionslose Aufhebung des Vergabeverfahrens oder der Ausschluss eines die angemessenen Kosten übersteigenden Angebots gerechtfertigt ist, nicht unberücksichtigt bleiben. Dem Interesse des Auftraggebers an der Vermeidung hoher Baupreise käme unter diesen Umständen nur ein erheblich verringertes Gewicht zu. Die Überschreitung des angemessenen Auftragswerts müsste daher vorliegend wesentlich deutlicher als sonst ausfallen, um den Ausschluss eines Angebots oder die Aufhebung des Vergabeverfahrens wegen überhöhter Preise zu rechtfertigen.
Dass der Gesamtpreis des Angebots der Antragstellerin den angemessenen Auftragswert nicht in einem derartigen sehr deutlichen Ausmaß übersteigt, das Angebot der Antragstellerin also wertbar ist, ist auch keine lediglich theoretische Möglichkeit, die hier womöglich vernachlässigt werden könnte. Wie der Stellungnahme des Generalplaners vom 24.10.2019 (dort unter Ziffer 1) zu entnehmen ist, liegt das Gesamtangebot der Antragstellerin gemessen an dem BKI-Kostenkennwert für Instituts- und Laborgebäude (Leistungsbereich 026 Fenster, Außentüren inkl. 029, 032) nur etwa 10 % oberhalb des vom BKI erfassten Maximalwerts, wobei die allgemeine Baupreissteigerung zwischen erstem Quartal 2018 und Sommer 2019 von, wie oben erwähnt, ca. 5,6 % in dem Kennwert noch nicht einmal enthalten ist.
Es ist mithin nicht auszuschließen, dass das Angebot der Antragstellerin wertungsfähig ist und damit die Aufhebung des Vergabeverfahrens ihre Chance auf den Auftrag beeinträchtigt hat. Ein Ausschlussgrund nach § 16dEU Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 VOB/A steht dem Erfolg des Nachprüfungsantrags demgemäß nicht entgegen,
s. OLG Düsseldorf, Beschl.v. 28.12.2011 ‒ VII-Verg 73/11 ‒, juris, Rdnr. 38; Beschl.v. 17.01.2018 ‒ VII-Verg 39/17 ‒, juris, Rdnr. 80. 3. Der von der Antragstellerin gestellte Hauptantrag, die Aufhebung des Vergabeverfahrens aufzuheben, ist allerdings nicht begründet.
Die Aufhebung eines Vergabeverfahrens ist grundsätzlich auch dann von den Bietern hinzunehmen, wenn dafür kein vergaberechtlich anerkannter Aufhebungsgrund vorliegt. Dies folgt aus den Grundsätzen der Vertragsfreiheit und der Privatautonomie. Bieter können eine Fortsetzung des Vergabeverfahrens und dessen Abschluss mit einem Zuschlag nur dann erzwingen, wenn der Auftraggeber über keinen sachlichen Grund für eine Aufhebung des Verfahrens verfügt, sondern er dieses Instrument in diskriminierender und daher rechtlich zu missbilligender Weise dazu einsetzt, durch die Aufhebung die formalen Voraussetzungen dafür zu schaffen, den Auftrag außerhalb des eingeleiteten Vergabeverfahrens einem bestimmten Bieter zukommen zu lassen,
s. OLG Düsseldorf, Beschl.v. 28.12.2016 ‒ VII-Verg 28/16 ‒, juris, Rdnr. 21. Eine derartige Scheinaufhebung lässt sich im vorliegenden Fall schon deshalb nicht feststellen, weil der Antragsgegner zwar zur Deckung seines Beschaffungsbedarfs den Auftrag umgehend neu vergeben will, aber nicht unter manipulativen Umständen, sondern in einem offenen, auch der Antragstellerin erneut eröffneten Wettbewerb,
s. BGH, Beschl.v. 20.03.2014 ‒ X ZB 18/13 ‒, juris, Rdnr. 21. Damit bezweckt der Antragsgegner, eine Wettbewerbsverfälschung zu korrigieren, die sich möglicherweise aus der ‒ durch die Terminierung der aufgehobenen Ausschreibung während der Haupturlaubszeit bedingten ‒ geringen Zahl der abgegebenen Angebote ergeben hat. Diese wirtschaftlich nachvollziehbare Absicht stellt einen hinreichenden sachlichen Grund dar, der eine Verpflichtung des Antragsgegners zur Fortführung des aufgehobenen Vergabeverfahrens durch die Vergabe-Nachprüfungsinstanzen ausschließt.
4. Begründet ist hingegen der hilfsweise gestellte Feststellungsantrag, da die Aufhebungsentscheidung des Antragsgegners sich, wie oben ausgeführt, als rechtswidrig erweist. Das erforderliche Feststellungsinteresse ergibt sich aus der von der Antragstellerin vorgetragenen Absicht, Schadensersatzansprüche zu wahren.
IV.
1. Gemäß § 182 Abs. 3 Satz 1 GWB hat ein Verfahrensbeteiligter die Kosten des Nachprüfungsverfahrens zu tragen, soweit er im Verfahren unterliegt. Für die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten gilt nach § 182 Abs. 4 Satz 1 GWB das gleiche. Hat wie hier ein Antragsteller mit seinem Hauptantrag beantragt, die Aufhebung des Vergabeverfahrens aufzuheben, und mit seinem Hilfsantrag, eine Verletzung seiner Rechte durch die Verfahrensaufhebung festzustellen, und hat nur der Hilfsantrag Erfolg, so ist in entsprechender Anwendung des § 92 Abs. 1 ZPO eine hälftige Kostenteilung angebracht,
s. OLG Düsseldorf, Beschl.v. 08.07.2009 ‒ VII-Verg 13/09 ‒, juris, Tenor und Rdnr. 23. Die Aufwendungen der Verfahrensbeteiligten gegeneinander aufzuheben wäre im Streitfall unangemessen, da der Antragstellerin durch die Einschaltung eines Rechtsanwalts höhere Kosten entstanden sind als dem Antragsgegner.
2. Die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten durch die Antragstellerin war angesichts der rechtlichen Schwierigkeiten des Falles notwendig.
3. Gemäß § 182 Abs. 1 GWB werden für Amtshandlungen der Vergabekammern Kosten (Gebühren und Auslagen) zur Deckung des Verwaltungsaufwandes erhoben. Die Höhe der Gebühren für das Nachprüfungsverfahren bestimmt sich gemäß § 182 Abs. 2 GWB nach dem personellen und sachlichen Aufwand der Vergabekammer unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen Bedeutung des Gegenstandes der Nachprüfung. Der Gebührenrahmen wurde vom Gesetzgeber für den Regelfall auf 2.500,00 € bis 50.000,00 € festgesetzt. Die Vergabekammern des Bundes haben eine Gebührenstaffel erarbeitet, die von der Vergaberechtsprechung gebilligt worden ist,
s. BGH, Beschl.v. 25.10.2011 ‒ X ZB 5/10 ‒, juris, Rdnr. 14 ff.; OLG Düsseldorf, Beschl.v. 06.07.2016 ‒ VII-Verg 44/13 ‒, juris, Rdnr. 3, 5, und die die Vergabekammern des Landes Nordrhein-Westfalen im Interesse einer bundeseinheitlichen Handhabung übernommen haben. Danach orientiert sich die Gebühr der Vergabekammer an der Bruttoangebotssumme des Angebots des Antragstellers als dem für die Bewertung maßgeblichen wirtschaftlichen Interesse am Nachprüfungsverfahren,
zur Berechnungsformel s. Krohn, in: Beck’scher Vergaberechtskommentar, Band 1: GWB 4. Teil, 3. Aufl. 2017, § 182 Rdnr. 14.
Ausgehend von einer Bruttoangebotssumme von XXXXX € errechnet sich vorliegend eine Gebühr von XXXXX €.
Der Antragsgegner ist nicht von der Zahlung der Gebühr befreit. Gebührenbefreiung genießen gemäß § 182 Abs. 1 GWB i.V.m. § 8 Abs. 1 Nr. 2 des Verwaltungskostengesetzes in der am 14.08.2013 geltenden Fassung die Länder und die juristischen Personen des öffentlichen Rechts, die nach den Haushaltsplänen eines Landes für Rechnung eines Landes verwaltet werden. Nach § 8 Abs. 3 des Verwaltungskostengesetzes in der genannten Fassung besteht die Gebührenfreiheit jedoch nicht für Sondervermögen i.S.d. Art. 110 Abs. 1 GG und für gleichartige Einrichtungen der Länder. Um eine derartige Einrichtung handelt es sich bei dem Antragsgegner. Er ist nach § 1 Abs. 1 BLBG NRW ein teilrechtsfähiges Sondervermögen des Landes Nordrhein-Westfalen mit eigener Wirtschafts- und Rechnungsführung, der von dem übrigen Vermögen des Landes getrennt zu halten ist. Dies schließt eine Gebührenbefreiung des Antragsgegners aus,
s. OVG NRW, Urt.v. 09.04.2008 ‒ 9 A 1311/06 ‒, juris, Rdnr. 22 ff. Gegen diese Entscheidung der Vergabekammer ist die sofortige Beschwerde zulässig.
Sie ist binnen einer Notfrist von zwei Wochen, die mit der Zustellung dieser Entscheidung beginnt, schriftlich bei dem Oberlandesgericht Düsseldorf, Cecilienallee 3, 40474 Düsseldorf, einzulegen.
Die sofortige Beschwerde ist zugleich mit ihrer Einlegung zu begründen. Die Beschwerdebegründung muss die Erklärung enthalten, inwieweit die Entscheidung der Vergabekammer angefochten und eine abweichende Entscheidung beantragt wird, und die Tatsachen und Beweismittel angeben, auf die sich die Beschwerde stützt. Die Beschwerdeschrift muss durch einen Rechtsanwalt unterschrieben sein. Dies gilt nicht für Beschwerden von juristischen Personen des öffentlichen Rechts.
Die sofortige Beschwerde kann auch durch Übertragung eines elektronischen Dokuments an die elektronische Poststelle des Beschwerdegerichts erhoben werden. Das elektronische Dokument muss für die Bearbeitung durch das Gericht geeignet sein. Es muss mit einer qualifizierten elektronischen Signatur der verantwortenden Person versehen sein oder von der verantwortenden Person signiert und auf einem sicheren Übermittlungsweg gemäß § 130a Absatz 4 ZPO eingereicht werden. Die für die Übermittlung und Bearbeitung geeigneten technischen Rahmenbedingungen bestimmen sich nach näherer Maßgabe der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (Elektronischer-Rechtsverkehr-Verordnung ‒ ERVV) vom 24.11.2017 (BGBl. I S. 3803). Hinweis: Weitere Informationen enthalten die Internetseite www.justiz.de sowie die Internetseite www.justiz.nrw.de.
Die sofortige Beschwerde hat aufschiebende Wirkung gegenüber der Entscheidung der Vergabekammer. Die aufschiebende Wirkung entfällt zwei Wochen nach Ablauf der Beschwerdefrist.
Mit der Einlegung der Beschwerde sind die anderen Beteiligten des Verfahrens vor der Vergabekammer vom Beschwerdeführer durch Übermittlung einer Ausfertigung der Beschwerdeschrift zu unterrichten.