13.09.2021 · IWW-Abrufnummer 224647
Vergabekammer Sachsen: Beschluss vom 17.03.2021 – 1/SVK/031-20
1. Der Auftraggeber hat die Tatbestandsvoraussetzungen des Ausschlusses wegen unzulässiger Beeinflussung des Vergabeverfahrens nach § 124 Abs. 1 Nr. 9 GWB nachzuweisen.
2. § 124 Abs. 1 Nr. 9 GWB bestimmt, dass Unternehmen jederzeit ausgeschlossen werden können, wenn die entsprechenden Tatbestandsalternativen nachweislich erfüllt sind. Hinsichtlich des „ob“ des Ausschlusses steht dem Auftraggeber somit ein Ermessensspielraum (Ausschlussermessen) zu. Dieser ist für die Vergabekammer nur eingeschränkt überprüfbar. Von Bedeutung ist insbesondere, ob die Vergabestelle ihr Ermessen überhaupt und ordnungsgemäß ausgeübt hat, ob der Sachverhalt zutreffend und vollständig ermittelt worden ist oder ob die Entscheidung durch sachfremde Erwägungen wie Willkür bestimmt worden ist.
3. Bei einem Ausschluss gemäß § 124 Abs. 1 Nr. 9 GWB ist der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz zu beachten. Dabei sind u. a. die gravierende Rechtsfolge des Ausschlusses und deren Konsequenzen für den Bieter zu berücksichtigen und ob dem Bieter zuvor die Möglichkeit zur Stellungnahme eingeräumt wurde.
4. Wird ein Bieter im Rahmen der Aufklärung aufgefordert, die von ihm vorgesehenen Fabrikate und Produkte zu benennen, ist darin eine Aufforderung zur Konkretisierung des Angebots zu sehen. Durch die Antwort wird das Angebot auf die benannten Produkte und Fabrikate festgelegt. Ein weiterer Austausch bereits konkret benannter Produkte nach Ablauf der Angebotsfrist ist nicht mehr möglich.
Beschluss
In dem Vergabenachprüfungsverfahren
Neubau Schulgebäude mit 2-Feld-Sporthalle ‒ XX-Straße, Fachlos 304 Fassade Klinker
Verfahrensbeteiligte:
XXX,
Verfahrensbevollmächtigte: XXX,
- Antragstellerin -
Gegen
XXX,
- Auftraggeberin -
weitere Beteiligte
XXX,
Verfahrensbevollmächtigte: XXX, Beigeladene -
hat die 1. Vergabekammer des Freistaates Sachsen nach der mündlichen Verhandlung vom 4. März 2021 durch die Vorsitzende Frau xxx, den hauptamtlichen Beisitzer Herrn xxx und den ehrenamtlichen Beisitzer Herrn Dr. xxx am 17.03.2021 beschlossen:
- Es wird festgestellt, dass die Antragstellerin in ihren Rechten verletzt ist.
- Die Auftraggeberin wird verpflichtet, den Ausschluss des Angebots der Antragstellerin zurückzunehmen. Es wird der Auftraggeberin untersagt, den Zuschlag auf das Angebot der Beigeladenen zu erteilen.
- Die Auftraggeberin und die Beigeladene tragen die Kosten (Gebühren und Auslagen) des Verfahrens gesamtschuldnerisch. Die Kosten werden auf xxx EUR festgesetzt. Die Auftraggeberin ist von der Zahlung der Gebühren befreit.
- Der Auftraggeberin und die Beigeladene tragen die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Aufwendungen der Antragstellerin je zur Hälfte. Im Übrigen tragen die Beteiligten ihre Aufwendungen selbst.
- Die Hinzuziehung eines Verfahrensbevollmächtigten für die Antragstellerin wird für notwendig erklärt.
I
3. Hilfsweise andere zur Wahrung der Rechte der Antragstellerin gebotene Maßnahmen zu treffen.
II
Der Antrag ist zulässig und begründet.
A. Der Antrag ist zulässig.
1. Die 1. Vergabekammer des Freistaates Sachsen ist gemäß § 2 der Verordnung der Sächsischen Staatsregierung über Einrichtung, Organisation Vergabekammern des Freistaates Sachsen (SächsVgKVO) für den Antrag zuständig.
2. Die geplante Gesamtauftragssumme überschreitet den maßgeblichen Schwellenwert, § 106 Abs. 1 GWB i. V. m. Artikel 4 a) der Richtlinie 2014/24/EU i. V. m. Artikel 1 Absatz 1 a) der delegierten Verordnung (EU) 2019/1828.
3. Die Antragstellerin ist gemäß § 160 Abs. 2 GWB antragsbefugt.
Nach § 160 Abs. 2 Satz 1 GWB ist der Nachprüfungsantrag zulässig, wenn ein Unternehmen ein Interesse am Auftrag hat und eine Verletzung in seinen Rechten nach § 97 Abs. 6 GWB geltend macht.
Diesem Erfordernis ist genügt, wenn mit dem Nachprüfungsantrag eine Verletzung vergaberechtlicher Vorschriften schlüssig vorgetragen wird. Darüber hinaus ist es gemäß § 160 Abs. 2 Satz 1 GWB erforderlich, dass mit dem Nachprüfungsantrag auch dargelegt wird, dass dem Unternehmen durch die behauptete Verletzung der Vergabevorschriften ein Schaden entstanden ist oder zu entstehen droht.
Diesen Anforderungen genügt der Vortrag der Antragstellerin. Sie legte im Nachprüfungsantrag und in der vorherigen Rüge dar, dass das Angebot der Beigeladenen aus mehreren Gründen auszuschließen sei und dann ihr eigenes auf Rang 2 liegendes Angebot den Zuschlag erhalten müsse. Dadurch hat die Antragstellerin schlüssig vorgetragen, dass sie in ihren Rechten verletzt ist und ihr durch den beabsichtigten Zuschlag auf das Angebot der Beigeladenen ein Schaden zu entstehen drohe. Soweit die Antragstellerin später im Nachprüfungsverfahren vom der Auftraggeberin vom Wettbewerb ausgeschlossen wurde, hat sie sich dem entgegengestellt.
4. Die Antragstellerin ist mit den geltend gemachten Verstößen gegen das Vergaberecht nicht präkludiert, § 160 Abs. 3 Nr. 2 und 3 GWB.
Ein Nachprüfungsantrag ist unzulässig, soweit Verstöße gegen Vergabevorschriften, die in der Bekanntmachung und den Vergabeunterlagen erkennbar sind, nicht spätestens bis zur Angebotsabgabe gegenüber dem Auftraggeber gerügt werden, § 160 Abs. 3 Nr. 3 GWB bzw.
5. Die weiteren Zulässigkeitsvoraussetzungen liegen vor.
Der Antrag wurde innerhalb der Frist des § 160 Abs. 3 Nr. 4 GWB eingereicht und entspricht im Übrigen den Anforderungen des § 161 GWB.
B. Der Antrag ist begründet.
Der Ausschluss der Antragstellerin war rechtswidrig (1.). Das Angebot der Beigeladenen ist auszuschließen, da es die Vergabeunterlagen abändert (2. a) und geforderte Angaben nicht fristgerecht getätigt wurden (2. b). Deshalb ist die Wertung erneut unter Beachtung der Rechtsauffassung der Vergabekammer vorzunehmen (3.).
1. Ausschluss Antragstellerin rechtswidrig
Die Auftraggeberin konnte die Antragstellerin hier nicht nach § 124 Abs. 1 Nr. 9 GWB vom Vergabeverfahren ausschließen.
Nach dieser Vorschrift können öffentliche Auftraggeber unter Berücksichtigung des Grund-satzes der Verhältnismäßigkeit ein Unternehmen zu jedem Zeitpunkt des Vergabeverfahrens von der Teilnahme eines Vergabeverfahrens ausschließen, wenn das Unternehmen versucht hat, die Entscheidungsfindung des öffentlichen Auftraggebers in unzulässiger Weise zu beeinflussen (a), versucht hat, vertrauliche Informationen zu erhalten, durch die es unzulässige Vorteile beim Vergabeverfahren erlangen könnte (b), oder fahrlässig oder vorsätzlich irreführende Informationen übermittelt hat, die die Vergabeentscheidung des öffentlichen Auftraggebers erheblich beeinflussen könnten, oder versucht hat, solche Informationen zu übermitteln (c).
Im Streitfall ‒ wie hier - muss die Vergabestelle den Nachweis der Tatbestandsvorausset-zungen des Ausschlussgrundes führen (vgl. Opitz in: Burgi/Dreher, § 124 GWB Rn. 41).
Liegen die Voraussetzungen des Tatbestandes vor bzw. ist der Auftraggeber der Auffassung, dass diese vorliegen, hat er hinsichtlich des „ob“ des Ausschlusses eine Ermessenscheidung zu treffen und dabei insbesondere den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz zu wahren.
Vorliegend wurden weder die Tatbestandsvoraussetzungen nachgewiesen (a), das Ermessen ausgeübt (b) noch der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz gewahrt (c). Dies führt dazu, dass der Ausschluss der Antragstellerin aus mehreren unabhängig voneinander bestehenden Gründen rechtswidrig ist.
a) Tatbestandsvoraussetzungen nicht nachgewiesen
Die Auftraggeberin hat den Ausschluss der Antragstellerin im laufenden Nachprüfungsverfahren wie folgt begründet:
„Die Antragstellerin (XX Baugesellschaft GmbH) hat durch ihr Verhalten, indem sie den Ziegelhersteller der Beigeladenen (Klinker XX GmbH (Klinker XX GmbH zur Rücknahme seines Angebotes bewegt hat, in wettbewerbswidriger Art und Weise in den Wettbewerb eingegriffen. Ohne das Eingreifen der Antragstellerin hätte eine verbindliche Zusage der Fa. HX zur Lieferung der geforderten Ziegel vorgelegen. Erst auf Betreiben der Antragstellerin hat diese die Zusage widerrufen.
Die Antragstellerin hat durch die Nachfrage bei den Lieferanten des Baumaterials die Lieferanten der Mitbewerber erfahren und dadurch vertrauliche Informationen erlangt. Durch diese Information und die Falschinformation der Antragstellerin, dass der gewählte Lieferant nicht in der Lage sei, die in der Ausschreibung geforderten Ziegel zu liefern, hat die Antragstellerin des Weiteren versucht, die Auftraggeberin in ihrer Vergabeentscheidung zu beeinflussen.
Aus diesem Grund wird die ihr Unternehmen (Antragstellerin) nach § 124 GWB wegen unzulässiger Wettbewerbsbeeinflussung vom Vergabeverfahren ausgeschlossen.
Ausschlussschreiben der Auftraggeberin vom 17.12.2021
aa) zum ersten Absatz des Ausschlussschreibens:
Nach § 124 Abs. 1 Nr. 9 a) GWB kann der Versuch eines Unternehmens, die Entscheidungsfindung des öffentlichen Auftraggebers in unzulässiger Weise zu beeinflussen, zum Ausschluss aus dem Vergabeverfahren führen.
Wann von einem Versuch der unzulässigen Beeinflussung der Entscheidungsfindung des öffentlichen Auftraggebers auszugehen ist, ist weder in den europäischen Vergaberichtlinien noch in den deutschen vergaberechtlichen Vorschriften näher definiert. Es handelt sich um einen Auffangtatbestand zu den § 124 Abs. 1 Nr. 9 b) und c).
Unter Berücksichtigung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes nach § 124 Abs. 1 GWB wird man insgesamt verlangen müssen, dass die Art und Weise des Versuchs der Beeinflussung der Entscheidungsfindung des öffentlichen Auftraggebers dem Schweregrad nach einer schweren Verfehlung im Sinne von § 124 Abs. 1 Nr. 3 GWB entspricht. Schwere Verfehlungen nach § 124 Abs. 1 Nr. 3 GWB sind dabei erhebliche Rechtsverstöße, in Betracht kommen vor allem auf den Geschäftsverkehr bezogene Verstöße gegen strafrechtliche oder gewerberechtliche Bestimmungen wie bspw. Steuerhinterziehung. Diese müssen zudem vorsätzlich oder zumindest groß Fahrlässigkeit ausgeführt werden (Stolz in: Ziekow/Völlink, § 124 GWB Rn. 48 und 23).
Der Vorwurf, wonach die Antragstellerin den Ziegelhersteller HX dazu bewegt habe, seine Lieferzusage gegenüber der Beigeladenen zurückzuziehen, ist eine durch nichts ansatzweise belegte Behauptung. Die Auftraggeberin hat dafür weder Beweise oder Indizien noch irgendeine schlüssige Erklärung vorgebracht.
Nachdem im Nachprüfungsverfahren in den verschiedenen Schriftsätzen der Auftraggeberin und der Beigeladenen die Rede von einer Sonderproduktion im Hinblick auf die von der Beigeladenen angebotenen Ziegel war, hat die Antragstellerin im Schriftsatz vom 30.11.2020 vorgetragen, dass die Ziegelei HX keine Sonderproduktion anbietet. Daraufhin wandte sich die Vergabekammer an die Ziegelei HX und diese nahm mit Schreiben vom 10.12.2020 Stellung.
In dieser Stellungnahme führt die Ziegelei HX aus, dass man für das streitige Vergabeverfahren 2 Angebote für den Standardziegel „NF Weimar“ am 29.06.2020 und am 30.06.2020) erstellt hat. Dieses Produkt entspricht zwar den optischen, nicht jedoch den technischen Anforderungen des LV (dies ist soweit unstreitig). Daher hat die Ziegelei geprüft, ob man die hohen technischen Anforderungen des LV durch eine Modifizierung des Standardproduktes „NF Weimar“ erreichen könne (mittels Sonderproduktion). Dies war nicht möglich. Als dies für die Ziegelei feststand, hat die Ziegelei HX die Beteiligten darüber informiert und die Angebote am 09.07.2020 zurückgezogen sowie explizit einen beteiligten Händler darauf hingewiesen, dass er seinerseits die von ihm erstellten Angebote ebenfalls zurückziehen möge.
Die Vergabekammer hat an dieser Schilderung der Ziegelei HX keinerlei Zweifel.
Daraus ergibt sich zunächst, dass die ursprünglichen Angebote der Ziegelei HX bereits am 09.07.2020 zurückgezogen wurden. Dies war weit vor Ablauf der Angebotsabgabefrist für das streitige Vergabeverfahren am 17.07.2020 und der Submission der Angebote am 20.07.2020. Erst aus dem Submissionsprotokoll war für die Antragstellerin ersichtlich, wer das auf Rang 1 liegende Angebot abgegeben hat. Erst zu diesem Zeitpunkt konnte die Antragstellerin wissen, wer sich überhaupt am Vergabeverfahren beteiligt hat. Es ist schlicht unschlüssig und nicht nachvollziehbar, warum und wie die Antragstellerin zuvor, d. h. ohne diese Kenntnis, wer ihre Konkurrenten überhaupt sind, dafür gesorgt haben soll, dass die Ziegelei HX ein Angebot bzw. eine Lieferzusage gegenüber der Beigeladenen zurückgezogen habe. Für die Vergabekammer ist auch kein Grund erkennbar, warum die Ziegelei HX - unterstellt es wäre so ‒ dies überhaupt hätte tun sollen.
Weiterhin ist darauf hinzuweisen, dass es seitens der Ziegelei HX gegenüber der Beigeladenen gar kein ursprüngliches Angebot bzw. keine Lieferzusage gab, die auf Betreiben der Antragstellerin zurückgezogen hätte werden können. Die Beigeladene hat hierzu selbst vorgetragen, die Ziegel nicht über die Ziegelei HX direkt, sondern einen Baustoffhändler beziehen zu wollen.
Die Auftraggeberin hat die oben genannte Behauptung im weiteren Nachprüfungsverfahren und in der mündlichen Verhandlung weder fundiert untersetzt noch ansatzweise ein Indiz geschweige denn einen Beweis vorgetragen bzw. erbracht. Es ist bezeichnend, dass die Vergabekammer den diesbezüglichen Sachverhalt im Nachprüfungsverfahren aufklären musste, obwohl es Sache der Auftraggeberin ist, die Tatbestandsvoraussetzungen nachzuweisen und zuvor den Sachverhalt korrekt zu ermitteln bzw. dies zumindest zu versuchen, bevor sie zur schärfsten Sanktion des Vergaberechts greift.
Soweit die Auftraggeberin in diesem Zusammenhang auf das Schreiben der Firma HX vom 29.07.2020 abstellt, welches die Beigeladene im Vergabeverfahren vorgelegt hat, ist hierzu Folgendes auszuführen.
Nach der Rüge der Antragstellerin verlangte die Auftraggeberin von der Beigeladenen die Angabe der kalkulierten Fabrikate mit Ausweisung bestimmter Produkteigenschaften, um überprüfen zu können, ob der angebotene Ziegel die technischen Vorgaben des LV erfüllt. Daraufhin wandte sich die Beigeladene an die Ziegelei HX. Diese bestätigte daraufhin im Schreiben vom 29.07.2020 bestimmte technische Eigenschaften „für die von uns angebotene Sondersortierung Oberschule DX H“. Es ist zutreffend, dass dieses Schreiben vom 29.07.2020 zeitlich nach dem ursprünglichen Angebotsrückzug (09.07.2020) der Ziegelei HX gegenüber denjenigen, denen ein Angebot unterbreitet wurde, gefertigt wurde. Aus diesem Schreiben kann aber nicht geschlussfolgert werden, dass bis zum heutigen Zeitpunkt eine „verbindliche Zusage“ der Lieferung von Ziegeln mit den benannten Eigenschaften an die Beigeladene oder deren Großhändler besteht. Zum einen werden in dem Schreiben vom 29.07.2020 nur technische Eigenschaften bestätigt, nicht jedoch, dass gegenüber der Beigeladenen und/oder deren Händler eine Lieferzusage besteht. Zum anderen hat die Ziegelei HX gegenüber der Vergabekammer im Schreiben vom 10.12.2020 nachvollziehbar dargelegt, dass dieses Schreiben irrtümlicherweise durch einen Urlaubsvertreter des zuständigen Vertriebsmitarbeiters gefertigt wurde und man die dadurch entstandenen Irritationen bedauere und klarstelle, dass es zu dem streitigen Vergabeverfahren keine gültigen Angebote und keine Lieferzusage gibt.
Soweit diesbezüglich von der Auftraggeberin auf die Vertretungsbefugnis (Prokura) des Ausstellers des Schreibens der Ziegel HX vom 29.07.2020 abgestellt wird und sinngemäß dazu argumentiert wurde, dass deshalb eine verbindliche Lieferzusage der Ziegelei HX bestanden habe, mag dies nicht zu überzeugen. Zum einen gibt der Inhalt des Schreibens dies nicht her. Zum anderen wurde von der Ziegelei HX schlüssig durch die Geschäftsführung im Schreiben vom 10.12.2020 dargelegt, dass es sich bei der Erstellung des Schreibens vom 29.07.2020 um einen Irrtum gehandelt habe.
Es mag ja zutreffen, dass man im Rahmen der Wertung der Angebote bis zu einem bestimmten Zeitpunkt zulässigerweise davon ausgehen durfte, dass das Angebot der Beigeladenen zuschlagsfähig war. Spätestens jedoch mit dem Vortrag der Ziegelei HX im Nachprüfungsverfahren hat sich das vorherige Schreiben vom 29.07.2020 aber nach Auffassung der Vergabekammer erledigt, da es auf einem Irrtum beruhte. Dies ist aber nicht der Antragstellerin anzulasten.
Schlussendlich ist die Vergabekammer hier nicht davon überzeugt, dass die Beigeladene versucht haben soll, die Entscheidungsfindung der Auftraggeberin zu beeinflussen. Beweise und Indizien für die Behauptung der Auftraggeberin im ersten Absatz des Ausschlussschreibens wurden nicht vorgelegt bzw. vorgetragen. Es mangelt bereits an einem Nachweis, dass dies überhaupt so stattgefunden hat. Somit kommt ein Ausschluss nach § 124 Abs. 1 Nr. 9 a) GWB nicht in Betracht. Auch eine Subsumtion unter § 124 Abs. 1 Nr. 9 c) GWB scheidet aus.
bb) zum zweiten Absatz des Ausschlussschreibens
Die Auftraggeberin nennt in ihrem Ausschlussschreiben im zweiten Absatz weitere Gründe für den Ausschluss der Antragstellerin. Diese begründen ebenfalls keinen rechtmäßigen Ausschluss vom Vergabeverfahren.
(1) Nachfrage bei Lieferanten
Gemäß § 124 Abs. 1 Nr. 9 b) GWB kann ein Unternehmen ausgeschlossen werden, wenn es versucht hat, vertrauliche Informationen zu erhalten, durch die es unzulässige Vorteile beim Vergabeverfahren erlangen könnte.
Erfasst vom Tatbestandsmerkmal vertrauliche Informationen sind alle Informationen, die nur einem bestimmten Personenkreis zugänglich sind, insbesondere Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse der Konkurrenzangebote. Dazu können auch Bezugsquellen zählen (Conrad in: Müller-Wrede, § 124 GWB Rn. 183-184).
Die Antragstellerin soll sich nach Auffassung der Auftraggeberin durch Nachfragen bei ihrem Lieferanten den Lieferanten der Beigeladenen erfahren und somit vertrauliche Informationen erlangt haben.
Allerdings reicht es für den Ausschluss eines Unternehmens nicht aus, pauschal zu behaupten, dass es sich angeblich vertrauliche Informationen beschafft habe, sondern der Versuch der Informationsbeschaffung muss vom Auftraggeber, der das Vorliegen des Ausschlusstatbestands darlegen muss, objektiv nachgewiesen werden (Hausmann/von Hoff in: Kulartz/Kus/Portz/Prieß § 124 GWB Rn. 66).
Dies hat die Auftraggeberin hier nicht. Allein die pauschale Behauptung im Ausschlussschreiben reicht dafür nicht aus. Es geht aus dieser Behauptung z. B. auch nicht hervor, wer der Lieferant ist und warum er Kenntnis von den Angeboten aller anderen Mitbewerber haben soll.
Zudem hält die Vergabekammer die Schilderung der Antragstellerin zum diesbezüglichen Sachverhalt für nachvollziehbar und schlüssig. Danach habe die Antragstellerin selbst erwogen ein Produkt der Ziegelei HX anzubieten. Sie stand deshalb mit der Ziegelei HX in Kontakt und es wurde ihr in diesem Zusammenhang mitgeteilt, dass das Standardprodukt „NF Weimar“ nicht den Anforderungen des LV entspreche und später dann, dass es auch keine Sonderproduktion mit einem den Anforderungen des LV entsprechenden Produkt geben werde. Daraufhin habe sie vermutet und entsprechend gerügt, dass ihre Konkurrenten dennoch ‒ um Preisvorteile zu erlangen ‒ das Standardprodukt der Ziegelei HX anbieten. Nach Erhalt des Informationsschreibens wurde diese Rüge auf die Beigeladene hin spezifiziert und im Nachprüfungsverfahren wurde schließlich eingewandt, dass es auch keine Sonderproduktion der Ziegelei HX geben werde, nachdem in den Schriftsätzen der Auftraggeberin von einer Sonderproduktion die Rede gewesen sei.
Dieses von der Antragstellerin geschilderte Verhalten stellt keinen Versuch der Beschaffung vertraulicher Informationen dar. Vielmehr hat die Antragstellerin ihr vorhandenes Wissen genutzt, um eine im Ergebnis berechtigte Rüge auszusprechen.
Einzelheiten hierzu können aber dahinstehen und sind auch nicht entscheidungserheblich, da die Auftraggeberin für die von ihr ausgesprochene Behauptung darlegungs- und beweispflichtig ist und diese Anforderungen nicht erfüllt hat.
Unabhängig davon steht hier auch nicht die potentielle Erlangung unzulässiger Vorteile beim Vergabeverfahren im Raum, denn die Rüge trifft im Ergebnis zu (siehe unten).
(2) Falschinformation
Nach § 124 Abs. 1 Nr. 9 c) GWB können Öffentliche Auftraggeber unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit ein Unternehmen zu jedem Zeitpunkt des Vergabeverfahrens von der Teilnahme an einem Vergabeverfahren ausschließen, wenn das Unternehmen fahrlässig oder vorsätzlich irreführende Informationen übermittelt hat, die die Vergabeentscheidung des öffentlichen Auftraggebers erheblich beeinflussen könnten, oder versucht hat, solche Informationen zu übermitteln.
Eine Information ist irreführend i. S. v. § 124 Abs. 1 Nr. 9 GWB, wenn sie aus objektiver Sicht dazu geeignet ist, beim öffentlichen Auftraggeber als Adressaten der Erklärung einen Irrtum über den Inhalt oder die Richtigkeit der mit ihr erklärten tatsächlichen Umstände hervorzurufen. Allerdings führen nicht sämtliche irreführenden Informationen eines Unternehmens zu einer Ausschlussmöglichkeit gemäß § 124 Abs. 1 Nr. 9 lit. c) GWB. Vielmehr müssen die übermittelten irreführenden Informationen dazu geeignet sein, die Vergabeentscheidung des öffentlichen Auftraggebers erheblich zu beeinflussen. Dies ist immer dann der Fall, wenn sie geeignet ist, den öffentlichen Auftraggeber zu einer anderen ‒ falschen ‒ Vergabeentscheidung zu verleiten. Darunter fallen z. B. falsche oder irreführende Angaben zu Ausschlussgründen anderer Bieter oder zu deren Eignung. Ein Ausschluss ist in diesem Fall aber nicht zulässig, wenn das Unternehmen die Hinweise für berechtigt erachten durfte und somit weder fahrlässig noch vorsätzlich gehandelt hat (Stolz in: Ziekow/Völlink, § 124 GWB Rn. 52).
Die Auftraggeberin macht der Antragstellerin weiter zum Vorwurf, dass diese ihr eine Falschinformation übermittelt habe und so versucht habe, die Auftraggeberin in der Vergabeentscheidung zu beeinflussen. Die Falschinformation bestehe darin, dass die Antragstellerin fälschlicherweise behaupte, dass „der gewählte Lieferant (der Beigeladenen) nicht in der Lage sei, die in der Ausschreibung geforderten Ziegel zu liefern“.
Im Rahmen des Nachprüfungsverfahrens hat die Antragstellerin im Schriftsatz vom 30.11.2020 vorgebracht, dass die Ziegelei HX alle Angebote und Lieferzusagen bereits am 09.07.2020 zurückgezogen habe und die Beigeladene mithin nicht über einen Lieferanten verfügt, um keine falsche oder irreführende Information. Vielmehr hat die Ziegelei HX genau dies der Vergabekammer gegenüber mit Schreiben vom 10.12.2020 bestätigt.
Zudem müsste die Antragstellerin vorsätzlich oder fahrlässig in Bezug auf falsche bzw. irreführende Informationen gehandelt haben (Conrad in: Müller-Wrede, § 124 GWB Rn 188). Wenn sie - wie hier - die Informationen jedoch für berechtigt erachten durfte, handelt sie nicht vorsätzlich oder fahrlässig (vgl. Stolz in: Ziekow/Völlink, § 124 GWB, Rn. 52).
Die Vergabekammer sieht daher hier keinen unlauteren Versuch, das Vergabeverfahren zu beeinflussen.
b) Ermessensfehler
Unabhängig davon, dass die tatbestandlichen Voraussetzungen für die Eröffnung der Möglichkeit des Ausschlusses schon nicht vorliegen (siehe oben), hat die Auftraggeberin auf der Rechtsfolgenseite ihr Ermessen hinsichtlich des Ausschlusses fehlerhaft ausgeübt.
§ 124 Abs. 1 Nr. 9 GWB bestimmt, dass Unternehmen jederzeit ausgeschlossen werden können, wenn die entsprechenden Tatbestandsalternativen nachweislich erfüllt sind.
Hinsichtlich des „ob“ des Ausschlusses steht dem Auftraggeber somit ein Ermessensspielraum zu. Diese ist für die Vergabekammer nur eingeschränkt überprüfbar. Von Bedeutung ist insbesondere, ob die Vergabestelle ihr Ermessen überhaupt und ordnungsgemäß ausgeübt hat, ob der Sachverhalt zutreffend und vollständig ermittelt worden ist oder ob die Entscheidung durch sachfremde Erwägungen wie Willkür bestimmt worden ist (vgl. Opitz in: Burgi/Dreher, § 124 GWB Rn. 14-19 m. w. N.). Der öffentliche Auftraggeber hat also, wenn er einen Ausschlusstatbestand des § 124 GWB als erfüllt ansieht, unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls zu prüfen und abzuwägen, ob der Ausschluss eine sachlich gerechtfertigte und mit dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz zu vereinbarende Reaktion auf den Anlass ist (OLG Karlsruhe, Beschluss vom 16.12.2020 - 15 Verg 4/20 -, juris).
Dem Ausschlussschreiben vom 17.12.2020 sind keinerlei Ermessenserwägungen zu entnehmen. Eine Dokumentation zu dem Vorgang existiert nicht. Es wurden der Vergabekammer hierzu kein weiteren später angefertigten Teile der Vergabeakte übergeben und wie in der mündlichen Verhandlung von der Auftraggeberin bestätigt, existieren dazu auch keine weiteren. Es findet sich somit nirgends ein Anhaltspunkt dafür, dass sich die Auftraggeberin überhaupt mit der Frage der Ermessensausübung beschäftigt hätte. Dies ist ein Ermessensausfall.
Die Auftraggeberin hat zudem den Sachverhalt nicht zutreffend und hinreichend ermittelt bzw. überhaupt den Versuch dazu unternommen. Es hätte sich in Anbetracht der von der Auftraggeberin beabsichtigten Sanktionsschärfe vorliegend nach Auffassung der Vergabekammer aufgedrängt, vorher einmal selbst beim Ziegelhersteller HX nachzufragen, wie der Sachstand hinsichtlich der Lieferfähigkeit sich darstellt und ob Angebote bzw. Lieferzusagen vorhanden sind. Schließlich ging die Auftraggeberin im Rahmen der Rügeerwiderung und weiten Teilen des Nachprüfungsverfahrens davon aus, dass die Beigeladene Ziegel des Herstellers HX anbietet, mithin für mehrere 100.000 EUR diese in der Schule der Auftraggeberin verbaut werden (sollten). Stattdessen hat die Auftraggeberin, nachdem die Vergabekammer das Schreiben der Firma HX an die Vergabekammer vom 10.12.2021 samt eines rechtlichen Hinweises vom 14.12.2020 übermittelt hatte, in bemerkenswerter Eile ohne weitere Sachverhaltsaufklärung die Antragstellerin am 17.12.2020 vom Vergabeverfahren ausgeschlossen. Dies genügt hier nicht den Anforderungen an eine hinreichende Sachverhaltsermittlung und stellt einen weiteren Ermessensfehler dar.
c) Verhältnismäßigkeitsgrundsatz nicht gewahrt
Der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz wurde von der Auftraggeberin weder erkannt noch beachtet.
Gemäß § 124 Abs. 1 Nr. 9 GWB hat der öffentliche Auftraggeber bei der Anwendung dieser Norm den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz zu beachten. Dies ist wie bei jedem anderen fakultativen Ausschlussgrund wegen der gravierenden Rechtsfolge des Ausschlusses und dessen mögliches überschießen in zeitlicher Hinsicht (§ 126 GWB) angezeigt.
Im Rahmen der Verhältnismäßigkeit sind u. a. die gravierende Rechtsfolge des Ausschlusses und deren Konsequenzen für den Bieter zu berücksichtigen und ob dem Bieter zuvor die Möglichkeit zur Stellungnahme eingeräumt wurde (Conrad in: Müller-Wrede, § 124 GWB, Rn. 13).
Die Antragstellerin wurde hier nicht vor dem Ausschluss angehört. Anhaltspunkte dafür, dass die Auftraggeberin in ihre Entscheidung die möglichen schweren Auswirkungen des Ausschlusses für die Antragstellerin berücksichtigt und in ihre Entscheidung irgendwie eingestellt hätte gibt es nicht. Auch hierzu liegt keinerlei Dokumentation vor. Weder in den Schriftsätzen im Nachprüfungsverfahren noch in der mündlichen Verhandlung wurden irgendwelche Aspekte erwähnt, welche auf eine Ermessensausübung und Berücksichtigung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes schließen lassen.
Insgesamt hält die Vergabekammer daher den Ausschluss der Antragstellerin für rechtswidrig.
2. Angebot Beigeladene
Das Angebot der Beigeladenen ist auszuschließen, da dieses die Vergabeunterlagen ändert (a) und die Aufklärungsfragen der Auftraggeberin nicht hinreichend beantwortet wurden (b). eine Entscheidung über den Ausschluss des Angebots der Beigeladenen wegen einer vermeintlich unzutreffenden Angabe des Umsatzsteuersatzes kann dahinstehen (c).
a) Änderung der Vergabeunterlagen - Klinker
Nach § 16 EU Nr. 2 VOB/A i. V. m. § 13 EU Abs. 1 Nr. 5 VOB/A sind Angebote, die die Vergabeunterlagen ändern, auszuschließen.
Der Begriff der Änderungen an den Vergabeunterlagen ist weit auszulegen (OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 21.02.2012 ‒ 11 Verg 11/11, m. w. N., juris). Von einer Änderung an den Vergabeunterlagen ist immer dann auszugehen, wenn das vom Bieter abgegebene Angebot von den Vergabeunterlagen abweicht, d. h. wenn sich Angebot und Nachfrage nicht decken (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 29.03.2006 - Verg 77/05 -, juris). Eine Änderung an den Vergabeunterlagen liegt vor, wenn der Bieter ein Produkt anbietet, welches von den eindeutigen Anforderungen an die ausgeschriebene Leistung abweicht (OLG Schleswig, Beschluss vom 11.05.2016 - Verg 3/16 ‒ juris).
Dies ist hier der Fall, weil es für die von der Beigeladenen angebotenen Ziegel keine Angebote bzw. Lieferzusagen des Herstellers gibt.
aa) Vergabeunterlagen
Die Vergabeunterlagen sahen in der streitigen LV Position 02.10 vor, dass die angebotenen Ziegel verschiedene hohe technische Eigenschaften zu erfüllen hatten. Die Bieter mussten in dieser LV-Position ‒ wie in allen anderen Positionen ‒ lediglich den Einheitspreis und den Gesamtpreis angeben. Es bestand mithin im LV keine Verpflichtung zur Angabe von Hersteller/Typangaben. Allerdings sah das LV für die streitige Position 02.10 zugleich vor
„mit dem Angebot ist das Datenblatt und Musterfoto des angebotenen Klinkermaterials beizulegen,“
LV Position 02.10
Die Beigeladene hat in ihrem Angebot einen Einheitspreis und einen Gesamtpreis angegeben. Ein Datenblatt der angebotenen Klinker und Musterfotos waren dem Angebot nicht beigefügt. Bis zu diesem Zeitpunkt war der Angebotsinhalt bezüglich der LV-Position 02.10 unbestimmt.
bb) Konkretisierung des Angebots durch Nachforderung und Aufklärung
Im Rahmen der Angebotswertung forderte die Auftraggeberin die Beigeladene mit Nachricht vom 03.08.2020 auf, für die Position 02.10 ein „Musterfoto des angebotenen Klinkermaterials“ vorzulegen. Daraufhin übermittelte die Beigeladene ein Schreiben mit 2 Musterfotos. Diese waren beschriftet mit „NF Sondersortierung Oberschule DX“.
Unabhängig davon hat die Auftraggeberin die Beigeladene nach Angebotsabgabe mit Schreiben vom 28.07.2020 dazu aufgefordert, zur Prüfung der „Gleichwertigkeit der geplanten Produktfabrikate“ Angaben zu den „kalkulierten Fabrikaten mit Ausweisung der ausgeschriebenen Produkteigenschaften“ für die streitige Position 02.10 zu tätigen.
Dies ist ein zulässiges Aufklärungsbegehren im Sinne des § 15 EU Abs. 1 Nr. 1 VOB/A. Das Vorgehen des Auftraggebers, die Leistung in der Form auszuschreiben, dass mit dem Angebot keine Fabrikats- oder Typangaben abgefragt werden und eine diesbezügliche Abfrage auf die Aufklärung verlagert wird, ist nicht zu beanstanden (VK Sachsen, Beschluss vom 05.05.2016 ‒ 1/SVK/007-16 -, juris, OLG München, Beschluss vom 10.04.2014 - Verg 1/14 -, juris).
Auf die Aufklärungsfrage hin antwortete die Beigeladene mit Schreiben vom 03.08.2020. In diesem Schreiben hieß es:
„in der Anlage die Bestätigung des Herstellers zu den Produkteigenschaften des ausgeschriebenen Klinkers entsprechend der Pos. 02.0010. Der Stein ist eine Sonderproduktion und wird den optischen Wünschen angepasst.“
Dem Schreiben war als Anlage beigefügt ein Schreiben der Ziegelei HX vom 29.07.2020. In diesem wurde dann ausgeführt:
„hiermit bestätigen wir Ihnen folgende technische Daten für die von uns angebotene Sondersortierung NF Sortierung Oberschule DX HS.
Zunächst ist das Vorgehen der Auftraggeberin, die Leistung in der Form auszuschreiben, dass mit dem Angebot keine Konkretisierung des angebotenen Produktes verlangt wurde und eine diesbezügliche Abfrage auf die Aufklärung verlagert wird, nicht zu beanstanden.
Wird der Bieter aber sodann aufgefordert, die von ihm vorgesehenen Fabrikate und Produkte zu benennen, ist darin eine Aufforderung zur Konkretisierung des Angebots zu sehen und nicht eine Aufforderung zu einer unverbindlichen Darstellung möglicher Alternativen, wie die Leistung beispielsweise erbracht werden könnte (VK Sachsen, Beschluss vom 05.05.2016 ‒ 1/SVK/007-16 -, juris). Die Auftraggeberin hat hier um Angabe der konkret kalkulierten Fabrikate gebeten. Durch die Antwort hat die Beigeladene ihr Angebot auf dieses Fabrikat festgelegt. Es handelt sich um eine verbindliche Festlegung des insoweit bisher noch nicht konkretisierten Angebotsinhalts.
Soweit hier von der Beigeladenen und später auch von der Auftraggeberin eingewendet wurde, dass trotz der konkreten Aufklärung und Festlegung keine Konkretisierung eingetreten sei, folgt dem die Vergabekammer nicht. Denn die Aufklärung wäre sinnlos, wenn der Bieter nachträglich erklären könnte, er wolle das von ihm benannte Produkt gar nicht liefern, sondern nur ein (anderes) Produkt mittlerer Art und Güte im Sinne des § 243 BGB (vgl. OLG München, Beschluss vom 10.04.2014 - Verg 1/14 -, juris). Nach Ablauf der Angebotsfrist ist eine Änderung des Angebots ausgeschlossen. Dies gilt auch, wenn der Bieter im Rahmen einer zulässigen Aufklärung nach § 15 VOB/A bestimmte Produkte mitgeteilt hat, die den Vorgaben der Ausschreibung nicht entsprechen. Mit einem Austausch bereits konkret benannter Produkte nach Ablauf der Angebotsfrist im Rahmen der Angebotsaufklärung gemäß § 15 EU VOB/A würde eine Nachverhandlungsphase eröffnet, die gerade nicht im Sinne des Gesetzgebers im offenen Verfahren stattfinden soll, die die Vergleichbarkeit der Angebote unterläuft und darüber hinaus das Gebot der Gleichbehandlung und des fairen Wettbewerbs verletzt (OLG München, Beschluss vom. 25.11.2013 - Verg 13/13; VK Südbayern, Beschluss vom 15.05.2015 - Z3-3-3194-1-05-01/15 ‒ und Beschluss vom 18.10.2013 - Z3-3-3194-1-30-08/13 - ,jeweils juris).
Der Vortrag der Auftraggeberin ist diesbezüglich auch widersprüchlich. Diese wollte ausweislich des Aufklärungsschreibens vom 28.07.2020 die Gleichwertigkeit der geplanten Fabrikate“ prüfen, hat dies dann getan und der Antragstellerin auf deren Rüge hin am 25.09.2020 erwidert:
Aufgrund des Hinweises ihrer Mandantin forderten wir die Firma Klinker XX GmbH nach § 15 EU VOB/A zur Aufklärung und Einreichung von Unterlagen zur Prüfung der Gleichwertigkeit des angebotenen Ziegels auf. Die eingereichten Unterlagen der Firma Klinker XX GmbH belegen (inkl. Bestätigung des Herstellers und Musterfotos) … der von der Firma Klinker XX GmbH angebotene Ziegel entspricht den technischen Anforderungen des Leistungsverzeichnisses.
Warum diese Prüfung der Gleichwertigkeit des angebotenen Ziegels mit den Vorgaben des LV nun nach Auffassung der Auftraggeberin entbehrlich sein soll und dieser Prüfungsschritt in das Stadium der Vertragserfüllung (bzw. „auf die Baustelle“) verlagert werden soll, erschließt sich der Vergabekammer nicht. Die Auftraggeberin hat genau diesen Prüfungsschritt im Vergabeverfahren durchgeführt und für sich beantwortet. Dazu war die konkrete Festlegung auf ein Produkt eines Herstellers nötig, ansonsten wäre eine solche Prüfung sinnlos und ein gefundenes Ergebnis wertlos. Auch sahen die Vergabeunterklagen von vornherein vor, dass ein Datenblatt des angebotenen Klinkermaterials bereits mit Angebotsabgabe vorzulegen war. Auch dies spricht nach dem Dafürhalten der Vergabekammer gegen die Möglichkeit, den Angebotsinhalt unbestimmt zu lassen.
cc) keine Übereinstimmung des von der Beigeladenen angebotenen Ziegels mit den Vorgaben des LV
Legt sich ‒ wie hier die Beigeladene - im Rahmen der Angebotsaufklärung auf ein bestimmtes Produkt fest, welches nicht in allen Punkten den Anforderungen des Leistungsverzeichnisses entspricht, ist das Angebot zwingend auszuschließen (OLG München, Beschluss vom 25.11.2013 - Verg 13/13 -, juris).
Das Angebot der Beigeladenen entspricht nicht den Vorgaben des Leistungsverzeichnisses, da der benannte Ziegel der Ziegelei HX nicht angeboten und produziert wird.
Die Ziegelei HX hat gegenüber der Vergabekammer mit Schreiben vom 10.12.2020 dargelegt, dass deren Standardprodukt „NF Weimar“ die technischen Anforderungen des LV nicht erfüllt. Deshalb habe man geprüft, ob man die Anforderungen des LV durch eine Modifizierung dieses Standardprodukt erreichen könne. Dies sei nicht möglich gewesen. Darüber habe man dann die Beteiligten am 09.07.2020 informiert. Zum Submissionszeitpunt (20.07.2020) kein gültiges Angebot und keine Lieferzusage der Ziegelei HX vor. Man habe einen beteiligten Händler ausdrücklich darauf hingewiesen, dass er seinerseits ggf. über dieses Material erstellte Angebote zurückziehen möge. Das Schreiben der Ziegelei HX vom 30.07.2020, mit dem technische Eigenschaften bestätigt worden, beruhe auf einem Irrtum. Der Urlaubsvertreter des zuständigen Vertriebsmitarbeiters habe dieses wegen eines internen Missverständnisses versandt.
Am Abschluss des Schreibens heißt es:
„Um auch an dieser Stelle noch bestehende Unklarheiten zu beseitigen, möchten wir verbindlich bestätigen, dass es aus unserem Haus keine gültigen Angebote und keine Lieferzusage zu diesem Projekt gibt.“
Im Betreff dieses Schreiben wurde ausdrücklich auf die „Nachfrage wegen Sonderproduktion für Oberschule DX“ der Vergabekammer Bezug genommen.
Für die Vergabekammer ergibt sich daraus, dass die Beigeladene für das von ihr angebotene Produkt „NF Sondersortierung Oberschule DX“ kein Angebot und keine Lieferzusage des Herstellers dieses Produktes besitzt. Über andere Hersteller kann sie dieses Produkt nicht beziehen. Es handelt sich nicht um ein Standardprodukt, welches bereits im Markt verfügbar ist und über Baustoffhändler bezogen werden könnte. Dementsprechend kann die Beigeladene die Anforderungen des LV nicht erfüllen, da sie einen Ziegel angeboten hat, für den der Hersteller dieses Ziegels keine Angebote und keine Lieferzusage ausgesprochen hat. Damit deckt sich die Forderung des LV Lieferung und Einbau eines Ziegels mit den entsprechenden technischen Eigenschaften nicht mit dem Inhalt des Angebots der Beigeladenen. Dies stellt eine Änderung der Vergabeunterlagen im Sinne des § 13 EU Abs. 1 Nr. 5 VOB/A dar.
Nach Auffassung der Vergabekammer kann man das Schreiben der Ziegelei HX vom 10.12.2020 nicht anders verstehen. Eine andere Auslegung dieses Schreibens ist nicht möglich, da der Inhalt klar ist.
Soweit die Beigeladene hierzu maßgeblich in der mündlichen Verhandlung ausgeführt hat, dass der Lieferzeitpunkt ja noch in der Zukunft liegt, man auch andere Ziegel, die den Anforderungen des LV entsprechen, liefern könnte und es sich im Übrigen auch nicht um eine produktneutrale Ausschreibung handele, ändert dies nichts am dargestellten Ergebnis. Wenn der Auftraggeber die Vergabeunterlagen wie vorliegend gestaltet und bereits zum Angebotsabgabezeitpunkt ein Datenblatt und Musterfoto des angebotenen Ziegels verlangt, er dann im Rahmen der Wertung eine Prüfung der Gleichwertigkeit des angebotenen Ziegels mit den Vorgaben des LV durchführt und zu einem Ergebnis kommt, kann die Beigeladene zum einen nicht mehr das angebotenen Produkt nachträglich auswechseln und zum anderen müssen die Anforderungen des LV dann erfüllt sein und soweit ein Nachprüfungsverfahren eingeleitet wird, von der Vergabekammer bestätigt werden. Dies war hier aus den genannten Gründen nicht möglich. Der Vortrag bezüglich einer angeblichen nicht produktneutralen Ausschreibung ist widersprüchlich, da die Beigeladene selbst mehrfach erklärt hat, dass auch andere Ziegel die technischen Anforderungen des LV erfüllen und die Beigeladene diese liefern könne.
b) konkludente Aufklärungsverweigerung
Das Angebot der Beigeladenen ist unabhängig von dem unter 2. a) gefundenen Ergebnis auch wegen verweigerter Aufklärung im Sinne des § 15 EU Abs. 2 VOB/A auszuschließen.
Gemäß § 15 EU Abs. 2 VOB/A ist das Angebot eines Bieters auszuschließen, soweit dieser die geforderten Aufklärungen und Angaben verweigert oder er die ihm dafür gesetzte angemessene Frist unbeantwortet verstreichen lässt.
Die Beigeladene wurde mit Schreiben der Auftraggeberin vom 28.07.2020 mitgeteilt, dass man die die Gleichwertigkeit der geplanten Produktfabrikate prüfen wolle und hierzu Angaben zu den kalkulierten Fabrikaten mit Ausweisung der ausgeschriebenen Produkteigenschaften verlange. Diese bezogen sich auf:
* Farbton Klinker: beigeweiß-grau, im Kohle-Salzbrandverfahren
* Wasseraufnahme < 3%
* Druckfestigkeitsklasse 48
* Rohdichteklasse 1,8
* Mauerwerksdicke 11,5 cm
* Mörtelgruppe DIN 1053-1 Ila
Schreiben der Auftraggeberin vom 28.07.2020
In dem Schreiben wurde der Beigeladenen eine Frist bis spätestens zum 03.08.2020 gewährt und zugleich darauf hingewiesen, dass bei Nichteinreichung bzw. verspäteter Einreichung das Angebot von der Wertung ausgeschlossen wird.
Von der Antragstellerin wurde diese Anfrage mit Schreiben vom 03.08.2020 beantwortet. In dieser wird hinsichtlich der geforderten Angaben zu den Produkteigenschaften des angebotenen Ziegels auf eine beigefügte Bestätigung des Herstellers HX vom 29.07.2020 verwiesen. In dieser wurden zu den technischen Produkteigenschaften folgende Angaben gemacht:
Farbe: beigeweiß-grau
Wasseraufnahme <3%
Druckfestigkeit > 48
Rohdichte 1.8
Kohle-Salz Brandverfahren
Schreiben der Ziegelei HX vom 29.07.2020
Angaben zur Mauerwerksdichte und Mörtelgruppe waren dem Schreiben der Ziegelei HX und dem Schreiben der Beigeladenen nicht zu entnehmen.
Eine ausdrückliche Verweigerung des zulässigen Aufklärungsbegehrens lässt sich nicht feststellen. Jedoch kann diese auch konkludent erfolgen (OLG Frankfurt, Beschluss vom 12.11.2013 - 11 Verg 14/13 -, juris; VK Bund, Beschluss vom 14.11.2003 ‒ VK 1-109/03 -, juris), bspw., wenn dem Auftraggeber Einzelangaben vorenthalten werden, die für die Aufklärung nötig sind oder dann, wenn ein Bieter zwar Angaben macht, diese aber nicht verwertbar oder ‒ wie hier ‒ unzureichend sind (vgl. VK Lüneburg Beschluss vom 03.11.2011 - VgK‒47/2011 -, juris, VK Südbayern Beschluss vom 04.10.2010 - Z3‒3‒3194‒1‒45‒07/10 -, juris).
Vorliegend hat die Beigeladene das Aufklärungsbegehren nicht hinreichend beantwortet, da Angaben zur Mauerwerksdichte und Mörtelgruppe des von ihr angebotenen Ziegels nicht gemacht wurden. Diese Einzelangaben hatte die Auftraggeberin jedoch auch explizit angefordert. Damit sind die Angaben unzureichend und dies stellt eine konkludente Aufklärungsverweigerung durch teilweise Nichtbeantwortung der gestellten Fragen innerhalb der gesetzten angemessenen Frist dar.
Auf die gesetzte und angemessene Ausschlussfrist sowie die Folgen der Nichtbeantwortung ‒ Ausschluss des Angebotes ‒ wurde die Beigeladene in dem Schreiben der Auftraggeberin vom 28.07.2020 hinreichend deutlich hingewiesen.
Rechtsfolge des § 15 EU Abs. 2 VOB/A ist der zwingende Angebotsausschluss. Ein Ermessen besteht insoweit nicht.
c) Änderung der Vergabeunterlagen - Umsatzsteuer
Eine Entscheidung darüber, ob die Beigeladene die Vergabeunterlagen dadurch geändert hat, dass sie im Angebot einen Umsatzsteuersatz von 16 % angegeben hat, kann vor dem Hintergrund des zuvor Ausgeführten dahinstehen.
III
1. Die Auftraggeberin und die Beigeladene haben die Kosten gesamtschuldnerisch zu tragen, § 182 Abs. 3 Satz 1 und 2 GWB.
Die Auftraggeberin und die Beigeladene haben als Unterliegende die Kosten (Gebühren und Auslagen) des Nachprüfungsverfahrens gemäß § 182 Abs. 3 Satz 1 und 2 GWB als Gesamt-schuldner zu tragen.
Die Beigeladene ist als Unterlegene anzusehen, da sie sich aktiv am Verfahren beteiligt hat, eigene Anträge gestellt hat und mit diesen erfolglos geblieben ist.
2. Die Verfahrensgebühr wird auf xxx EUR festgesetzt und ist allein von der Beigeladenen zu tragen, § 182 Abs. 3 Satz 2 GWB.
Die Gebühr beträgt mindestens 2.500 EUR und soll den Betrag von 50.000 EUR nicht über-schreiten (§ 182 Abs. 2 Satz 1 und 2 GWB). Die Höhe der Gebühr bestimmt sich nach dem personellen und sachlichen Aufwand der erkennenden Vergabekammer unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen Bedeutung des Gegenstandes des Nachprüfungsverfahrens (§ 182 Abs. 2 GWB). Der Gesetzgeber hat mit dieser an § 80 Abs. 2 GWB orientierten Regelung klargestellt, dass - wie im Kartellverwaltungsverfahren - vorrangig auf die wirtschaftliche Bedeutung des Verfahrens abzustellen ist. Die Vergabekammern des Bundes haben eine Gebührenstaffel erarbeitet, die die erkennende Vergabekammer im Interesse einer bundeseinheitlichen Handhabung in der Regel übernimmt. Zur Bestimmung des wirtschaftlichen Interesses wird in der Regel auf den Angebotswert des Angebotes der Antragstellerin abgestellt. Ausgehend davon ergibt sich hier ein Auftragswert für den die Gebührentabelle der Vergabekammern des Bundes eine Gebühr in Höhe von xxx EUR vorsehen.
Auslagen, die nicht mit der Gebühr abgegolten wären, sind nicht angefallen.
Die Auftraggeberin haftet zusammen mit der Beigeladenen gesamtschuldnerisch für die von der Vergabekammer festgesetzte Verfahrensgebühr (insgesamt), § 182 Abs. 3 Satz 2 GWB. Diese gesamtschuldnerische Haftung mehrerer Kostenschuldner wurde zwingend vom Gesetzgeber in § 182 Abs. 3 Satz 2 GWB angeordnet. Deren Anordnung steht nicht im Ermessen der Vergabekammer. Dies hat gemäß § 421 BGB zur Folge, dass die Vergabekammer als Kostengläubigerin die Zahlung von jedem Schuldner ganz fordern kann. Dies hätte vorliegend die Konsequenz, dass allein die Beigeladene zur Erstattung des gesamten Betrags in Höhe von xxx EUR heranzuziehen wäre, da die Auftraggeberin als Gemeinde eine persönliche Gebührenfreiheit genießt.
Ein Beteiligter darf jedoch nicht zur Erstattung eines Gebührenanteils herangezogen werden, welcher auf einen zwar gesamtschuldnerisch mithaftenden, von der persönlichen Gebührenzahlungspflicht jedoch befreiten Kostenschuldner entfällt (Thüringer Oberlandesgericht, Beschluss vom 4. April 2003 ‒ 6 Verg 4/03 ‒, juris). Die Beigeladene, welche mit der Auftraggeberin gesamtschuldnerisch die Verfahrenskosten trägt, profitiert insoweit von der Gebührenbefreiung der Auftraggeberin, als auch sie nach allgemeinen Regeln des Kostenrechts (vgl. Oestreich/Winter/Hellstab, GKG, § 2, Rd. 23 m. w. N.) nicht zur Erstattung des auf die Auftraggeberin (intern) entfallenden Gebührenanteils herangezogen werden kann. Dieses Ergebnis beruht auf allgemeinen Ausgleichsregeln zur Gesamtschuld, wie sie im Bereich des materiellen Rechts überwiegend (vgl. etwa Palandt, § 426 BGB Rn. 18 ff., m. w. N.) und im Bereich des Kostenrechts ganz herrschend vertreten werden (Hartmann, Kostengesetze, § 2 GKG Rn. 22; OLG Oldenburg, Beschluss vom 2. Februar 1993 ‒ 5 U 76/89 ‒, juris, m. w. N.).
Die Verfahrensgebühr ist deshalb vorab um den anteiligen Betrag zu kürzen, der dem internen Haftungsanteil des Inhabers des Haftungsprivilegs in der Gesamtschuld entspräche (OLG Dresden, Beschluss vom 25. Januar 2005 ‒ WVerg 014/04 ‒, juris). Vorliegend hat dies zur Folge, dass die festgesetzte Verfahrensgebühr von xxx EUR weiter um den auf die Auftraggeberin (eigentlich) entfallenden Haftungsanteil zu kürzen ist. Dieser entspräche hier 50 %. Folglich ist die Verfahrensgebühr abschließend auf xxx EUR festzusetzen. Diesen Betrag hat dann allein die Beigeladene zu tragen.
Die Beigeladene hat den Betrag einzuzahlen.
3. Die Auftraggeberin und die Beigeladene haben die notwendigen Aufwendungen der Antragstellerin je zur Hälfte zu tragen, § 182 Abs. 4 Satz 1 GWB.
Gemäß 182 Abs. 4 Satz 1 GWB hat ein Beteiligter die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder ‒verteidigung notwendigen Aufwendungen seines Gegners zu tragen, soweit er im Verfahren unterliegt. Vorliegend sind die Auftraggeberin und die Beigeladene in diesem Verfahren die Unterlegenen. Daher haben sie die zur Rechtsverfolgung notwendigen Aufwendungen der Antragstellerin nach § 182 Abs. 4 Satz 1 GWB jeweils als Teilschuldner zu tragen.
4. Die Hinzuziehung eines Rechtsanwaltes durch die Antragstellerin war gemäß § 182 Abs. 4 Satz 4 GWB i. V. m. i. V. m. § 1 SächsVwVfZG und § 80 Abs. 2 VwVfG notwendig.
Ob die Zuziehung eines Bevollmächtigten erforderlich war und die hieraus entstandenen Kosten damit zu den notwendigen Aufwendungen der Antragstellerin i. S. d. § 80 Abs. 1 Satz 3 VwVfG gehören, ist nach dem individuellen Streitstoff des einzelnen Nachprüfungsverfahrens zu beurteilen (OLG Dresden, Beschluss vom 22. Februar 2010 - WVerg 1/10 -, juris).
Vorliegend wurde der Nachprüfungsantrag im Wesentlichen damit begründet, dass die Wertung des Angebots der Beigeladenen fehlerhaft erfolgt sei, dieses Angebot auszuschließen sei und der später erfolgte Ausschluss der Antragstellerin rechtswidrig sei. Es handelt sich dabei im Einzelfall um komplexe und schwierige Streitfragen des Vergaberechts.
Zudem handelt es sich bei dem Vergaberecht allgemein aufgrund vielfältiger europarechtlicher Überlagerung um ein wenig übersichtliches und zudem stetigen Veränderungen unterworfenes überdurchschnittlich kompliziertes Rechtsgebiet, das wegen des gerichtsähnlich ausgestalteten Verfahrens bei der Vergabekammer bereits prozessrechtliche Kenntnisse verlangt, einem hohem Zeitdruck unterliegt und für das in vielen Bereichen gesicherte Rechtsprechungsergebnisse noch nicht vorhanden sind. Deshalb ist die Beauftragung eines Rechtsanwaltes durch einen Bieter in vergaberechtlichen Streitigkeiten schon grundsätzlich als notwendig anzusehen (Krohn in: Burgi/Dreher, GWB, § 182 Rn. 45).
Im Ergebnis ist daher festzustellen, dass die Hinzuziehung eines Rechtsanwalts durch die Antragstellerin notwendig war.
IV
Gegen die Entscheidungen der 1. Vergabekammer des Freistaates Sachsen ist gemäß § 171 Abs. 1 GWB die sofortige Beschwerde zulässig.