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  • 13.02.2025 · IWW-Abrufnummer 246514

    Sozialgericht Magdeburg: Urteil vom 02.12.2024 – S 20 AL 193/21

    Es entspricht dem Wesen der Stellung eines GmbH-Geschäftsführers, dass es den Gesellschaftern, die dem Geschäftsführer das Wohl und Wehe der Gesellschaft in besonderer Weise anvertrauen, nicht vorrangig auf die Ableistung einer bestimmten Zahl an Arbeitsstunden, sondern auf auf das Ergebnis des Arbeitseinsatzes des Geschäftsführers ankommt.

    Ist in dem Anstellungsvertrag eines GmbH-Geschäftsführers eine bestimmte Arbeitszeitdauer nicht vereinbart, so lässt sich im Rahmen der Regelnungen über das Kurzarbeitgeld mangels Bezugspunkt ein Arbeitsausfall und daraus resultierend ein arbeitsausfallbedingter Entgeltausfall nicht festellen.


    Tenor:

    Die Klage wird abgewiesen.

    Eine Kostenerstattung findet nicht statt.
    Tatbestand

    Die Klägerin begehrt die Bewilligung von Kurzarbeitergeld (KUG) für ihre Geschäftsführerin.

    Die Anzeigen der Klägerin über Arbeitsausfall u. a. für die Monate März 2021 und April 2021 wurden mit Anerkennungsbescheiden der Beklagten vom 10.12.2020 bzw. 07.04.2021 bewilligt.

    Mit den Leistungsanträgen für die Monate März und April 2021 wurden auch KUG-Leistungen für die Geschäftsführerin der Klägerin, Frau K., die auch Mitgesellschafterin der Klägerin ist, beantragt.

    Frau K. war zunächst ab dem 01.01.2019 als Leiterin Vertrieb bei der Klägerin angestellt. Der sodann aufgrund der durch Gesellschafterbeschluss vom 21.01.2019 erfolgten Berufung zur Geschäftsführerin geschlossene Geschäftsführeranstellungsvertrag enthält unter anderem folgende Regelungen:

    § 1 Abs. 1: Der Geschäftsführer führt die Geschäfte der Gesellschaft und hat die verantwortliche Leitung und Überwachung des gesamten Geschäftsbetriebs nach Maßgabe der Gesetze, des Gesellschaftsvertrags, der Beschlüsse der Gesellschafterversammlung und einer etwaigen durch Geschäftsordnung für die Geschäftsführung. Unabhängig von einem durch Beschluss der Gesellschafterversammlung oder einer etwaigen Geschäftsordnung begründeten Geschäftsverteilung (§ 1 Abs. 5) obliegen dem Geschäftsführer, ggf. gemeinsam mit den weiteren Geschäftsführern die Leitung und Überwachung der Gesellschaft im Ganzen.

    § 4: Der Geschäftsführer ist an eine bestimmte Arbeitszeit nicht gebunden. Die Arbeitszeit richtet sich vielmehr nach den betrieblichen Erfordernissen und ist vom Geschäftsführer frei und eigenverantwortlich zu gestalten.

    § 5 Abs. 1: Der Geschäftsführer ist verpflichtet, seine gesamte Arbeitskraft und seine gesamten Kenntnisse und Erfahrungen der Gesellschaft zur Verfügung zu stellen.

    § 7 Abs. 1: Der Geschäftsführer erhält für seine Tätigkeit ein festes Monatsgehalt von 5000 € brutto, das jeweils am Monatsletzten zu zahlen ist

    § 7 Abs. 5: Eine Vergütung von Überstunden, Sonn-, Feiertags- und sonstiger Mehrarbeit erfolgt nicht.

    § 16 Abs. 2: Vertragsänderungen bedürfen eines Gesellschafterbeschlusses sowie der Schriftform.

    Auf die KUG-Leistungsanträge der Klägerin für die Monate März 2021 und April 2021 wurden mit Bescheiden der Beklagten vom 07.05.2021 und 18.05.2021 und KUG-Leistungen vorläufig gewährt, jedoch nicht für die Geschäftsführerin der Klägerin.

    Hiergegen legte die Klägerin Widerspruch ein, der sich gegen die Ablehnung von Leistungen für die Geschäftsführerin der Klägerin richtet. Der Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid der Beklagten vom 22.07.2021 abgewiesen. Wegen der Einzelheiten des Widerspruches und des Widerspruchsbescheides wird auf die in der Verwaltungsakte befindlichen Unterlagen verwiesen.

    Mit der am 20.08.2021 erhobenen Klage verfolgt die Klägerin ihr Ziel der Gewährung von KUG-Leistungen für die Geschäftsführerin weiter.

    Die Klägerin beantragt,

    die Bescheide der Beklagten vom 07.05.2021 und 18.05.2021, in Form des Widerspruchsbescheids vom 26.05.2021 hinsichtlich der Ablehnung der Zahlung des Kurzarbeitergeldes für die Geschäftsführerin der Beklagten, Frau K., aufzuheben.

    Die Beklagte beantragt,

    die Klage abzuweisen.

    Ein KUG-Anspruch der Geschäftsführerin bestehe nicht. Insoweit sei zu berücksichtigen, dass ausweislich des Anstellungsvertrages der Entgeltanspruch an keine Arbeitszeit gekoppelt sei, sodass der Entgeltanspruch in der vertraglich vereinbarten Höhe unabhängig von der geleisteten Arbeitszeit bestehe. Darüber hinaus sei nicht plausibel, dass bei der Geschäftsführerin der höchste Arbeitsausfall eingetreten sein solle.

    Ausweislich des in der Verwaltungsakte der Beklagten befindlichen Bescheides vom 17.04.2024 erfolgte mit diesem eine endgültige Entscheidung über die Leistungsanträge der Klägerin für die Zeiträume April 2020 bis September 2021, mit dem die bislang vorläufig bewilligten Leistungen als endgültig festgestellt wurden. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsakten der Beklagten ergänzend verwiesen. Diese sind Gegenstand der Entscheidungsfindung gewesen.

    Die Beteiligten haben ihr Einverständnis zu einer Entscheidung des Gerichts ohne mündliche Verhandlung erklärt.
    Entscheidungsgründe

    Die Klage war abzuweisen, denn sie ist zwar zulässig, aber unbegründet.

    Verfahrensgegenständlich sind ausweislich des Klagantrages und gemäß § 96 SGG die Bescheide vom 07.05.2021 und 18.05.2021 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26.05.2021 in der Fassung des Bescheides über die endgültige Leistungsbewilligung vom 17.04.2024, soweit eine Leistungsablehnung für die Geschäftsführerin der Klägerin erfolgte.

    Die angefochtenen Bescheide sind insoweit rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten.

    Die Anspruchsvoraussetzungen für die Gewährung von KUG für die Geschäftsführerin der Klägerin liegen nicht vor.

    Gemäß § 95 Abs. 1 SGB III haben Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer Anspruch auf Kurzarbeitergeld, wenn

    1. ein erheblicher Arbeitsausfall mit Entgeltausfall vorliegt,

    2. die betrieblichen Voraussetzungen erfüllt sind,

    3. die persönlichen Voraussetzungen erfüllt sind und

    4. der Arbeitsausfall der Agentur für Arbeit angezeigt worden ist.

    Vorliegend mangelt es an der Erfüllung der Anspruchsvoraussetzung nach § 95 Abs. 1 Nr. 1 SGB III, denn für die Geschäftsführerin liegt kein erheblicher Arbeitsausfall mit gemäß § 105 SGB III zu berücksichtigendem Entgeltausfall vor.

    Nach § 105 SGB III beträgt das Kurzarbeitergeld

    1. für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die beim Arbeitslosengeld die Voraussetzungen für den erhöhten Leistungssatz erfüllen würden, 67 Prozent,

    2. für die übrigen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer 60 Prozent der Nettoentgeltdifferenz im Anspruchszeitraum.

    Die Voraussetzungen für den erheblichen Arbeitsausfall regelt § 96 SGB III, der lautet:

    (1) 1Ein Arbeitsausfall ist erheblich, wenn

    1. er auf wirtschaftlichen Gründen oder einem unabwendbaren Ereignis beruht,

    2. er vorübergehend ist,

    3. er nicht vermeidbar ist und

    4. im jeweiligen Kalendermonat (Anspruchszeitraum) mindestens ein Drittel der in dem Betrieb beschäftigten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer von einem Entgeltausfall von jeweils mehr als 10 Prozent ihres monatlichen Bruttoentgelts betroffen ist; der Entgeltausfall kann auch jeweils 100 Prozent des monatlichen Bruttoentgelts betragen.

    2Bei den Berechnungen nach Satz 1 Nummer 4 sind Auszubildende nicht mitzuzählen.

    (2) Ein Arbeitsausfall beruht auch auf wirtschaftlichen Gründen, wenn er durch eine Veränderung der betrieblichen Strukturen verursacht wird, die durch die allgemeine wirtschaftliche Entwicklung bedingt ist.

    (3) 1Ein unabwendbares Ereignis liegt insbesondere vor, wenn ein Arbeitsausfall auf ungewöhnlichen, von dem üblichen Witterungsverlauf abweichenden Witterungsverhältnissen beruht. 2Ein unabwendbares Ereignis liegt auch vor, wenn ein Arbeitsausfall durch behördliche oder behördlich anerkannte Maßnahmen verursacht ist, die vom Arbeitgeber nicht zu vertreten sind.

    (4) 1Ein Arbeitsausfall ist nicht vermeidbar, wenn in einem Betrieb alle zumutbaren Vorkehrungen getroffen wurden, um den Eintritt des Arbeitsausfalls zu verhindern. 2Als vermeidbar gilt insbesondere ein Arbeitsausfall, der 1.überwiegend branchenüblich, betriebsüblich oder saisonbedingt ist oder ausschließlich auf betriebsorganisatorischen Gründen beruht,2.durch die Gewährung von bezahltem Erholungsurlaub ganz oder teilweise verhindert werden kann, soweit vorrangige Urlaubswünsche der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer der Urlaubsgewährung nicht entgegenstehen, oder3.durch die Nutzung von im Betrieb zulässigen Arbeitszeitschwankungen ganz oder teilweise vermieden werden kann.

    3 Die Auflösung eines Arbeitszeitguthabens kann von der Arbeitnehmerin oder dem Arbeitnehmer nicht verlangt werden, soweit es

    1. vertraglich ausschließlich zur Überbrückung von Arbeitsausfällen außerhalb der Schlechtwetterzeit (§ 101 Absatz 1) bestimmt ist und den Umfang von 50 Stunden nicht übersteigt,

    2. ausschließlich für die in § 7c Absatz 1 des Vierten Buches genannten Zwecke bestimmt ist,

    3. zur Vermeidung der Inanspruchnahme von Saison-Kurzarbeitergeld angespart worden ist und den Umfang von 150 Stunden nicht übersteigt,

    4. den Umfang von 10 Prozent der ohne Mehrarbeit geschuldeten Jahresarbeitszeit einer Arbeitnehmerin oder eines Arbeitnehmers übersteigt oder5.länger als ein Jahr unverändert bestanden hat.

    4 In einem Betrieb, in dem eine Vereinbarung über Arbeitszeitschwankungen gilt, nach der mindestens 10 Prozent der ohne Mehrarbeit geschuldeten Jahresarbeitszeit je nach Arbeitsanfall eingesetzt werden, gilt ein Arbeitsausfall, der im Rahmen dieser Arbeitszeitschwankungen nicht mehr ausgeglichen werden kann, als nicht vermeidbar.

    Für die Geschäftsführerin der Klägerin lässt sich ein im Rahmen der KUG-Regelungen relevanter Arbeitsausfall nicht feststellen.

    Die Regelungen des KUG verfolgen neben überindividuellen Zielen (Erhalten von Arbeitsplätzen und Stammbelegschaft; Abwehr von Massenarbeitslosigkeit) auch das individuelle Ziel der Entgeltersatzfunktion (Böttiger/Körtek/Schaumberg, SGB III, 3. Aufl., § 95 Rn. 9). Der Anspruch auf KUG setzt daher den - teilweisen - Verlust des Entgeltanspruchs voraus (a.a.O., Rn. 14).

    Eine Verringerung des vertraglichen Entgeltanspruchs der Geschäftsführerin ist vorliegend nicht gegeben.

    Gemäß § 7 Abs. 1 des Anstellungsvertrages erhält die Geschäftsführerin für ihre Tätigkeit ein festes Monatsgehalt. Eine gesonderte Vergütung für Überstunden, Sonn-, Feiertags- und sonstiger Mehrarbeit erfolgt gemäß § 7 Abs. 5 des Anstellungsvertrages nicht, dass durch im Vertrag genannten Bezüge die gesamte Tätigkeit der Geschäftsführerin abgegolten ist.

    Die Vergütung ist ausweislich des § 4 des Anstellungsvertrages nicht an eine bestimmte Arbeitszeit gebunden.

    Diese Vertragsgestaltung entspricht dem Wesen der Stellung als Geschäftsführer einer GmbH, welches sich dadurch auszeichnet, dass die GmbH-Gesellschafter dem Geschäftsführer die Geschicke der Gesellschaft weitgehend anvertrauen und von ihm erwarten, dass er sich mehr noch als andere Beschäftigte für die Gesellschaft einsetzten und mit deren Wohl und Wehe identifiziert. Daher kommt es den Gesellschaftern entscheidend auf das Ergebnis des Arbeitseinsatzes des Geschäftsführers an und nicht - jedenfalls nicht vorrangig - darauf, dass der Geschäftsführer eine bestimmte Anzahl von Stunden für die GmbH tätig ist (BFH vom 27.03.2001, I R 40/00 Rn. 11).

    Der vertraglichen Gestaltung lässt sich damit keine bestimmte Arbeitszeit der Geschäftsführerin entnehmen, sodass sich schon ein zeitliches Ausmaß eines Arbeitsausfalls nicht bestimmen lässt, da es hierfür an einer Bezugsgröße fehlt (vgl. FG Saarland vom 06.03.1987, I K 179/86, Rn. 14).

    Darüber hinaus ergibt sich, da der Geschäftsführervertrag die Vergütung der Geschäftsführerin gerade nicht an eine bestimmte Stundenzahl koppelt, aus unterschiedlichen Tätigkeitsdauern der Geschäftsführerin, wie oben ausgeführt, keine Änderung Ihres Vergütungsanspruchs.

    Das insoweit eine Änderung der vertraglichen Regelungen, die dem Schriftformerfordernis hätten Genüge tun müssen, vor den verfahrensgegenständlichen Zeiträumen vorgenommen wäre, ist weder vorgetragen, noch sonst ersichtlich.

    Ein Entgeltausfall der Geschäftsführerin der Klägerin ergibt sich auch nicht daraus, dass zwischen der Klägerin und der späteren Geschäftsführerin ein weiterer Anstellungsvertrag als Leiterin Vertrieb mit dem Beginn 01.01.2019 und einer festgelegten wöchentlichen Arbeitszeit von 40 Wochenstunden geschlossen wurde. Ausweislich der Angaben der Klägerin im Verwaltungsverfahren beruht dies darauf, dass der notarielle Termin zur Änderung der Gesellschafter einteile und Einberufung des neuen Geschäftsführers noch nicht feststand, sodass der Arbeitsvertrag als Basis für den späteren Geschäftsführervertrag gelte.

    Schon aus diesem Vortrag ergibt sich, dass der Geschäftsführervertrag und der Vertrag als Vertriebsleiterin nicht nebeneinander bestehen sollten, sondern dass der Vertrag als Leiterin Vertrieb durch den Geschäftsführervertrag abgelöst wurde. Darüber hinaus ergibt sich dieses auch daraus, dass die Klägerin offenkundig nur ein Gehalt, nämlich aus ihrer Geschäftsführertätigkeit bezogen hat.

    Ein Entgeltausfall der Geschäftsführerin der Klägerin liegt damit nicht vor.

    Die Klage war daher abzuweisen.

    Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.