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  • 26.06.2014 · IWW-Abrufnummer 141842

    Oberlandesgericht Stuttgart: Urteil vom 25.09.2012 – 10 U 67/12

    1. Ein Vermessungsingenieur ist verpflichtet, vor Leistungen der Bauvermessung (Auspflocken der Baugrube und Einschneiden des Schnurgerüsts) die aktuellen Grundstücksgrenzen zu ermitteln.

    2. Ein Bauherr muss den Vermessungsingenieur über eine länger zurück liegende Änderung der Grundstücksgrenzen (hier: rund 3 Jahre) nicht aufklären.

    3. Schon die vom Ausführungsplan abweichende Lage des Gebäudes im Verhältnis zu den Grundstücksgrenzen stellt einen Mangelfolgeschaden der fehlerhaften Bauvermessung dar.

    4. In die Abwägung, ob einem an den Kosten der Beseitigung eines Überbaus bemessenen Schadensersatzanspruch der Einwand der Unverhältnismäßigkeit entgegensteht, sind das Verschulden des Schädigers, seine finanziellen Möglichkeiten, die Höhe der Kosten für die Beseitigung des Überbaus und die Belastung des nachbarschaftlichen Verhältnisses bei der beabsichtigten Eigennutzung des Gebäudes einzustellen.


    Oberlandesgericht Stuttgart

    Urt. v. 25.09.2012

    Az.: 10 U 67/12

    Tenor:

    1.

    Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts Heilbronn vom 3.05.2012, Az. 3 O 192/11 I, wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die Feststellung Bereitstellungszinsen nicht umfasst.
    2.

    Der Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
    3.

    Das Berufungsurteil und das Urteil erster Instanz sind vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht die Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in dieser Höhe leisten.
    4.

    Die Revision wird nicht zugelassen.

    Berufungsstreitwert: bis 40.000,-- €
    Gründe

    I.

    Die Kläger begehren die Feststellung der Schadensersatzpflicht des Beklagten wegen fehlender Überprüfung und Berücksichtigung des tatsächlichen Grenzverlaufs beim Abstecken der Baugrube und dem Einschneiden des Schnurgerüsts.

    Mit Schreiben vom 22.4.2008 beauftragten die Kläger den Beklagten mit Vermessungsleistungen (Grundlagenermittlung, Geländeaufnahme, Lageplan zum Bauantrag, Abstandsflächenplan, Absteckung für den Erdaushub und Schnurgerüst einschneiden) für ein Pauschal-Gesamthonorar vom 2.000,-- € brutto. Die Leistungen bis zum Lageplan zum Bauantrag hat der Beklagte bereits im Jahr 2008 erbracht. Dabei sollte das Neubauvorhaben abweichend von der bestehenden Grenze zum Flurstück Nr. X entlang einer projektierten Grenze errichtet werden, die der Beklagte bereits gestrichelt im Lageplan eingezeichnet hatte (Anlage K 4). Die Baugenehmigung für das Neubauvorhaben der Kläger wurde am 4.11.2008 auf der Grundlage des Lageplans des Beklagten erteilt. Die Verschwenkung der Grundstücksgrenze wurde ohne Mitwirkung des Beklagten in der Folgezeit katastermäßig und grundbuchmäßig vollzogen, wobei die Verschwenkung etwas größer ausfiel als vom Beklagten noch gestrichelt in seinem Lageplan im Jahr 2008 eingezeichnet worden war.

    Am 30.8.2010 bat das Ingenieurbüro S., das für die Klägerin die Werkplanung machen sollte, den Beklagten um Dateien mit den Grundstücksgrenzen und dem Baufenster, "um das Haus richtig im Grundstück zu platzieren, was später auch für Ihre Absteckung und fürs Einschneiden wichtig ist". Am gleichen Tag übersandte das Büro des Beklagten eine Datei mit den Daten seiner Bestandsaufnahme. Am 9.3.2011 übermittelte das Büro des Beklagten auf Anfrage des Ingenieurbüros S. die Daten der Bestandsaufnahme erneut mit dem Hinweis, dass die Daten aus dem Jahr 2008 stammten und der Beklagte für deren Aktualität nicht garantieren könne. Am 18.4.2011 übersandte das Büro S. die Arbeitspläne für das Bauvorhaben der Kläger an den Beklagten mit der Bitte, die Baugrube auszupflocken und das Schnurgerüst einzuschneiden. Dieser Aufforderung kam der Beklagte nach, wobei die ihm übersandten Arbeitspläne, die er vermessungstechnisch umsetzte, sich nicht an der aktuellen, sondern der ursprünglichen Grundstücksgrenze orientiert hatten. Dies hatte zur Folge, dass bei der Bauausführung das Gebäude entgegen den Arbeitsplänen nicht entlang der tatsächlichen Grundstücksgrenze zum Flurstück Nr. X errichtet wurde, sondern an der südöstlichen Ecke ein Überbau von bis zu 6 cm entstanden und das Gebäude an der nordöstlichen Ecke ca. 52 cm hinter der Grenze zurückgeblieben ist. Nachdem bereits die Decke über dem UG ausgeführt worden war, haben die Grundstücksnachbarn den Überbau festgestellt und am 6.6.2011 gerügt.

    Bezüglich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes erster Instanz wird auf den Tatbestand des Urteils des Landgerichts Heilbronn vom 3.5.2012 verwiesen.

    Mit diesem Urteil hat das Landgericht der Klage stattgegeben. Weil zum Zeitpunkt der Klageerhebung der Rückbau des Überbaus noch nicht vollständig abgeschlossen gewesen sei, sei die Feststellungsklage insgesamt zulässig. Der Beklagte sei fehlerhaft beim Einschneiden des Schnurgerüsts und beim Auspflocken der Baugrube von der alten, nicht mehr maßgebenden Grundstücksgrenze ausgegangen. Nachdem der Beklagte bei der Erstellung des Lageplans im Jahr 2008 gewusst habe, dass die Kläger eine Verlegung der Grundstücksgrenze beabsichtigten, habe er vor Durchführung weiterer vermessungstechnischer Leistungen im Jahr 2011 überprüfen müssen, ob sich die Grundstücksgrenze zwischenzeitlich geändert habe. Dann wäre es nicht zum Überbau gekommen. Den Klägern falle ein Mitverschulden nicht zur Last. Nachdem der Beklagte von der bevorstehenden Verlegung der Grundstücksgrenze gewusst habe, seien die Kläger nicht verpflichtet gewesen, ihn darüber nochmals ausdrücklich zu informieren. Bauunternehmer und Architekt seien keine Erfüllungsgehilfen der Kläger als Bauherren gegenüber dem Beklagten gewesen. Zum ersetzenden Schaden der Kläger gehörten die Kosten des Rückbaus des Überbaus. Die Grundstücksnachbarn seien nicht zur Duldung des Rückbaus verpflichtet gewesen, weil sie ohne den Rückbau ihre eigenen Baupläne nicht hätten verwirklichen können. Es sei wahrscheinlich, dass aufgrund des Rückbaus Eingriffe in die Statik erforderlich werden, die zu erstattungspflichtigen Kosten führten. Durch die Pflichtverletzung des Beklagten seien adäquat kausale Bauzeitverzögerungen eingetreten, die zu einer Belastung der Kläger mit Bereitstellungszinsen führen könnten. Auch diese habe der Beklagte zu ersetzen. Höhere Baukosten wegen der zeitlichen Verzögerung habe der Beklagte ebenfalls zu ersetzen. Eine eventuelle Mitverantwortung der Bauunternehmerin sei im Gesamtschuldnerausgleich zu prüfen.

    Dagegen wendet sich die Berufung des Beklagten. Das erstinstanzliche Urteil lasse eine Abgrenzung der Verantwortungsbereiche vermissen. Aufgrund der Ausführungspläne des Ingenieurbüros Sch., in denen die ursprünglich projektierte Grenze nicht eingezeichnet gewesen sei, habe der Beklagte davon ausgehen dürfen, dass die Verschwenkung letztendlich nicht realisiert worden und es beim ursprünglichen Grenzverlauf verblieben sei. Dem Beklagten habe eine vollständige und sachlich richtige Ausführungsplanung zur Verfügung gestellt werden müssen. Der planende Architekt habe sich die notwendige Gewissheit über die Grundstücksgrenzen zu verschaffen gehabt, was eine fundamentale Voraussetzung für eine ordnungsgemäße Ausführungsplanung sei. Die planenden Architekten hätten völlig verkannt, dass ihnen eine eindeutige Information hinsichtlich des Verlaufs der Grundstücksgrenze nicht vorgelegen sei und es zwingend weiterer Nachforschungen bedurft hätte. Mit einem solchen Fehler habe der Beklagte nicht rechnen müssen. Die Leistungen des Beklagten durch das Abstecken der Baugrube und das Einschneiden des Schnurgerüsts seien bereits der Bauausführung zuzuordnen. Ähnlich wie bei einem Statiker als Sonderfachmann habe der Beklagte als Vermessungsingenieur vertrauen dürfen, dass ihm korrekte Ausführungspläne übergeben worden seien.

    Hinsichtlich des Mitverschuldens der Kläger sei zu berücksichtigen, dass diese verpflichtet gewesen seien, die für eine ordnungsgemäße Herstellung des Bauwerks notwendigen und zumutbaren Informationen zu geben. Sie habe die Obliegenheit getroffen, dem Beklagten als Vermessungsingenieur zum Einschneiden des Schnurgerüsts und Auspflocken der Baugrube zuverlässige Ausführungspläne mit dem tatsächlichen und aktuellen Grenzverlauf zur Verfügung zu stellen. Die Bedeutung der Ausführungspläne habe sich für den Beklagten nicht lediglich in der Darstellung der Außenmaße des Gebäudes erschöpft, sondern auch die Grundstücksgrenzen umfasst. Vorliegend sei nicht lediglich der Planungsbereich betroffen, denn die Leistungen des Beklagten hätten bereits den Beginn der Bauausführung markiert. Das Versäumnis des Ingenieurbüros S., fehlerfreie Ausführungspläne für die Leistungen des Beklagten zu liefern, müssten sich die Kläger nach § 278 BGB zurechnen lassen. Aus unerfindlichen Gründen hätten die Kläger die Änderung des Grundstücksgrenzverlaufs an keinen der am Bau Beteiligten weitergegeben. Nachdem über einen Zeitraum von mehr als zwei Jahren zwischen dem Jahr 2008 und dem 30.8.2010 der Kontakt zwischen dem Beklagten und den Klägern wegen des Bauvorhabens abgebrochen gewesen sei, habe der Beklagte erwarten dürfen, dass die Kläger ihn auf den aktuellen Stand des Bauvorhabens bringen würden, was nicht geschehen sei.

    Die Kläger seien zum Rückbau des Überbaus nicht verpflichtet. Vorsatz oder grobe Fahrlässigkeit sei den Klägern als Überbauenden hier nicht vorzuwerfen. Eine Zurechnung eines Verschuldens des Beklagten analog § 166 BGB sei ausgeschlossen, weil der Beklagte als Vermessungsingenieur nicht die Rolle eines Repräsentanten und Sachwalters des Bauherrn gehabt habe. Für das Ingenieurbüro S. sei eine Zurechnung zu verneinen, weil es von der Bauunternehmerin und nicht von den Klägern direkt beauftragt worden sei und damit als Erfüllungsgehilfe der Bauunternehmerin und nicht als Sachwalter der Kläger anzusehen sei. Das Fehlverhalten des Architekturbüros S. sei im Übrigen nicht grob fahrlässig. Die Nachbarn hätten ihren Widerspruch gegen den Überbau nicht rechtzeitig vorgebracht. Zum Zeitpunkt des Widerspruchs seien mit der Errichtung der Bodenplatte und der aufgehenden Wände des Untergeschosses sowie dem Einbau der Decke des Untergeschosses schon erhebliche Werte geschaffen worden, die durch den von den Nachbarn geforderten Rückbau zerstört werden müssten. Bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 912 Abs. 1 BGB habe der Nachbar den Überbau ohne weiteres zu dulden. Im Übrigen sei der Beseitigungsanspruch des Nachbarn aus § 1004 BGB unter dem Gesichtspunkt der faktischen oder praktischen Unmöglichkeit gemäß § 275 Abs. 2 BGB begrenzt. Bei Kosten für die Beseitigung des Überbaus von netto 11.000,-- € müsse unter Berücksichtigung der minimalen Beeinträchtigung des Nachbargrundstücks auf einer Fläche von lediglich 0,036 m2 Unverhältnismäßigkeit angenommen werden. Der Rückbau erfolge deshalb im vorauseilenden Gehorsam, so dass dessen Kosten nicht zu einer Belastung des Beklagten führen dürften.

    Der Beklagte beantragt:

    Unter Abänderung des am 03.05.2012 verkündeten Urteils des Landgerichts Heilbronn, Geschäftsnummer 3 O 192/11, wird die Klage abgewiesen.

    Die Kläger beantragen,

    die Berufung zurückzuweisen.

    Der vom Beklagten geschuldete Erfolg, das Schnurgerüst so einzuschneiden, dass das Gebäude bei Umsetzung der Werkplanung exakt entsprechend dem Verlauf der tatsächlichen Grenze errichtet werde, sei nicht eingetreten. Die dem Beklagten zur Verfügung gestellten Ausführungspläne hätten alle zur Erbringung der von ihm geschuldeten Leistungen notwendigen Informationen beinhaltet. Öffentlich bestellte Vermessungsingenieure hätten Zugriff auf die Daten des Landesvermessungsamtes. Hier würden Karten für das gesamte Land vorgehalten, die nach dem Gauß-Krüger-Koordinatensystem aufgebaut seien. In diesen Karten seien die aktuellen Grenzverläufe wiedergegeben und die sogenannten Vermessungspunkte (nicht Grenzpunkte) enthalten. Der Vermessungsingenieur ermittle in seinem Büro die Lage des nächsten Vermessungspunktes. Verfüge der Vermessungsingenieur über aktuelles Kartenmaterial, ergebe sich auch der aktuelle Grenzverlauf. Der Vermessungsingenieur könne die Lage der südöstlichen Grundstücksecke im Gauß-Krüger-Koordinatensystem ermitteln. Ausgehend vom Vermessungspunkt stecke er die im Büro ermittelten Daten ab. Dazu habe der Beklagte keine Angaben zum konkreten Grenzverlauf in den Ausführungsplänen benötigt. Hinsichtlich der Ermittlung des tatsächlichen Grenzverlaufs enthalte der Werkplan keinerlei relevanten Vorgaben. Daher müssten sich die Kläger Pflichtverletzungen des Architekten nach §§ 278, 254 BGB gegenüber dem Beklagten nicht anspruchsmindernd entgegenhalten lassen. Aufgrund seiner Tätigkeit in der Vergangenheit habe der Beklagte gewusst, dass eine Änderung des tatsächlichen Grenzverlaufs projektiert gewesen sei. Er habe ohne weiteres erkennen können, dass die Frage, ob es zu einer Änderung des Grenzverlaufs gekommen sei, für die Mangelfreiheit der von ihm zu erbringenden Leistung von elementarer Bedeutung sei.

    Wenn der Beklagte mit seiner E-Mail vom 9.3.2011 Bedenken geäußert habe, habe er gegen seine Pflichten verstoßen, weil die Bedenken gegenüber dem Objektplaner angemeldet wurden und dieser darauf nicht reagiert habe. Die Bedenken hätten dann direkt gegenüber dem Besteller angemeldet werden müssen.

    Durch die mangelhafte Werkleistung des Beklagten sei ein Mangelfolgeschaden aufgrund der fehlerhaften Lage des Gebäudes entstanden. Erstattungsfähig seien alle Aufwendungen zur Beseitigung des Mangelfolgeschadens. Die Frage, ob die Kosten für den Rückbau des Überbaus erstattungsfähig seien, sei damit keine Frage des Schadensbegriffs nach § 249 BGB, sondern allenfalls im Rahmen des § 254 BGB relevant. Selbst wenn den Nachbarn kein Beseitigungsanspruch zugestanden wäre, hätten die Beklagten nicht gegen ihre Schadensminderungspflicht verstoßen. Angesichts der über den eigentlichen Überbau hinausgehenden Beeinträchtigungen der Nachbarn im Hinblick auf die Nutzung ihres Grundstücks habe ein nicht unerhebliches Risiko bestanden, dass auf der Basis des Urteils des BGH vom 19.9.2008 eine Duldungspflicht der Nachbarn im Hinblick auf den Überbau ausscheide. Die Kläger seien deshalb nicht gehalten gewesen, sich auf einen Rechtsstreit mit ihren Nachbarn einzulassen. Darüber hinaus hätte ein solcher Rechtsstreit eine Verfahrensdauer von jedenfalls zwei Jahren mit sich gebracht, in denen die Kläger weiter zur Miete hätten wohnen und das Kostenrisiko dieses Rechtsstreits mit ca. 15.000,-- € tragen müssen. Die Bauunterbrechung habe Kosten in Höhe von mindestens 14.400,- € verursacht. Darüber hinaus sei die Lebensqualität aufgrund eines guten Nachbarschaftsverhältnisses zu berücksichtigen.

    Die Voraussetzungen des § 275 Abs. 2 BGB lägen nicht vor, weil ein krasses Missverhältnis zwischen der Beeinträchtigung des Nachbargrundstückes und den Aufwendungen für den Rückbau nicht bestehe. Wäre der Rückbau nicht erfolgt, hätten die Nachbarn das Grundstück nicht gemäß ihrer Planung bebauen können. Die Einrede der Unverhältnismäßigkeit treffe nur den Aufwand für die Nachbesserung, nicht die Mangelfolgeschäden, für die § 635 Abs. 3 BGB nicht einschlägig sei. Ein Anspruch auf Erstattung der Kosten für den Rückbau des Überbaus wäre nur ausgeschlossen, wenn die Forderung auf Ersatz dieser Kosten gegen Treu und Glauben verstoßen würde.

    Wären die Arbeiten am Wärmedämmverbundsystem entsprechend der ursprünglichen Planung ausgeführt worden, wäre ein den öffentlich-rechtlichen Vorgaben widersprechender "Zwickel" zwischen den beiden Doppelhaushälften entstanden. Um den öffentlich-rechtlichen Vorgaben zu entsprechen, habe das Wärmedämmverbundsystem in diesem Bereich keilförmig erweiternd ausgeführt werden müssen. Die hiermit einhergehenden Kosten stellten einen adäquat-kausalen Schaden dar.

    Im Zuge des Rückbaus habe im UG eine zusätzliche Stütze eingebaut werden müssen.

    Die Streithelferin ist der Ansicht, der Beklagte hafte den Klägern auf Schadensersatz, weil er wegen einer Pflichtverletzung das Schnurgerüst bei Umsetzung der Werkplanung nicht exakt entsprechend der tatsächlichen Grenze eingeschnitten habe. Es sei Aufgabe des Beklagten gewesen, den tatsächlichen Grenzverlauf zu ermitteln. Nur der Beklagte habe über das Landesvermessungsamt die tatsächliche Grundstücksgrenze ermitteln können. Den adäquat kausalen Schaden habe das Landgericht zutreffend ermittelt.

    Der Senat hat durch die mündliche Anhörung des Sachverständigen F. Beweis erhoben. Bezüglich der Ausführungen des Sachverständigen wird auf das Sitzungsprotokoll vom 18.09.2012 verwiesen.

    II.

    Die zulässige Berufung des Beklagten ist unbegründet. Zur Klarstellung war lediglich der im Feststellungsausspruch erster Instanz beispielhaft aufgeführte Schaden wegen Bereitstellungszinsen zu streichen, weil nach dem Sachstand zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung zweiter Instanz ein solcher Schaden weder entstanden ist noch entstehen wird.

    1.

    Der Vertrag über vermessungstechnische Leistungen zwischen den Parteien, aus dem die Kläger ihre Ansprüche herleiten, wurde bereits im Jahr 2008 abgeschlossen (vgl. Anlage K 1 und K 2 sowie Anhörung der Parteien in der Verhandlung vom 1.3.2012, Sitzungsprotokoll Seite 2). Soweit der Beklagte auf die HOAI Bezug nimmt, ist daher die HOAI a. F. und nicht die HOAI 2009 anzuwenden, wobei allerdings vorliegend Honoraransprüche des Beklagten nicht streitig, sondern vollständig erfüllt sind.

    2.

    a)

    Der Beklagte hatte auftragsgemäß den Klägern einen fehlerfreien Lageplan zum Bauantrag und einen Abstandsflächenplan zu übergeben. Dies beinhaltete auch die Verpflichtung, auf Anforderung des Planers, der für die Kläger bzw. deren Generalunternehmerin die Werkplanung für das Gebäude zu erstellen hatte, fehlerfreie Pläne zur Verfügung zu stellen. Der Beklagte hat unbestritten dargelegt, dem Ingenieurbüro Sch. die aus den durchgeführten Vermessungsleistungen vorhandene Datei mit E-Mail vom 30.8.2010 und 9.3.2011 (Anlage B 2 und B 3) zur Verfügung gestellt zu haben. Die übersandte Datei enthielt allerdings keine Darstellung der "projektierten Grenze", weil nur die Daten der Bestandsaufnahme übersandt worden waren. Dafür spricht neben den Angaben des Vertreters des Beklagten in der mündlichen Verhandlung vom 18.09.2012 die handschriftliche Bezeichnung der übersandten Datei in den Anlagen B 2 und B 3, laut denen ein Bestandsplan und damit nicht der Lageplan mit der Darstellung der projektierten Grenze (Anlage K 4) beigefügt worden war. Zwar war dem Beklagten unstreitig zu diesem Zeitpunkt eine Umsetzung des geplanten Grundstückstauschs und damit der Änderung der früheren Grundstücksgrenze nicht positiv bekannt. Nachdem der Beklagte die projektierte Grenze bereits gestrichelt im Lageplan zum Bauantrag eingezeichnet hatte und er damit rechnen musste, dass das Ingenieurbüro S. die Ausführungsplanung gemäß dem Bauantrag und einer darauf beruhenden Baugenehmigung erstellen wollte, wäre er jedoch gehalten gewesen, dem Ingenieurbüro Sch. in geeigneter Weise die beabsichtigte Änderung der Grundstücksgrenze zur Kenntnis zu bringen, um seine gegenüber den Klägern vertraglich geschuldete Informationspflicht fehlerfrei zu erfüllen. Dies gilt umso mehr, als der Beklagte sich um die Durchführung der neuen Grenzvermessung bei der Gemeinde F. beworben hatte, auch wenn er dabei letztlich nicht zum Zug gekommen war.

    Allerdings hatte der Beklagte am 9.03.2011 die Datei mit den Daten der Bestandsaufnahme an das Ingenieurbüro S. nochmals übersandt und dabei darauf hingewiesen, dass die Daten aus dem Jahr 2008 stammten und keine Garantie für deren Aktualität übernommen werde. Eine Begrenzung dieses Hinweises auf Versorgungsleitungen ist der E-Mail nicht zu entnehmen, vielmehr bezieht sich dieser Hinweis auf alle übermittelten Daten der Bestandsaufnahme aus dem Jahr 2008. Erst danach wurden dem Beklagten die Arbeitspläne für das Auspflocken der Baugrube und das Einschneiden des Schnurgerüsts vom Ingenieurbüro S. übersandt. Angesichts der Kenntnis des Beklagten von der konkreten, bereits zeichnerisch dargestellten Absicht der Kläger, einen Grundstückstausch an einer ihrer Grundstücksgrenzen vorzunehmen, war dieser Hinweis zu kurz und nicht ausreichend aussagekräftig. Bei einem aussagekräftigen Hinweis hätte das Ingenieurbüro S. über seine eventuellen allgemeinen Verpflichtungen hinaus eine konkrete Veranlassung gehabt, die vom Beklagten übermittelten Daten zu überprüfen und wäre dabei auf die noch in größerem Umfang als ursprünglich vorgesehen geschwenkte Grundstücksgrenze gestoßen und hätte diese in seiner Ausführungsplanung berücksichtigt. Wegen der Verletzung seiner leistungsbezogenen Informationspflicht gegenüber dem Bauherrn bzw. dem vom Bauherrn zur Errichtung des Bauvorhaben eingeschalteten Unternehmer haftet der Beklagte aus §§ 634 Nr. 4, 281 Abs. 1, 280 Abs. 1 BGB auf Ersatz der durch die unzureichende Information entstandenen Folgeschäden.

    b)

    Darüber hinaus hat der Beklagte schuldhaft seine Leistungspflicht gegenüber den Klägern verletzt, weil er die aktuellen Grundstücksgrenzen vor der Bauvermessung nicht ermittelt hat und deshalb das von ihm geschuldete Werk, nämlich das Auspflocken der Baugrube und das Einschneiden des Schnurgerüsts, mangelhaft war. Auch deshalb ergibt sich ein Schadensersatzanspruch der Kläger nach den §§ 634 Nr. 4, 281 Abs. 1, 280 Abs. 1 BGB, ohne dass dafür eine Frist zur Mängelbeseitigung gesetzt werden musste, weil der geltend gemachte Schaden einen Mangelfolgeschaden darstellt, der durch eine Nacherfüllung nicht mehr beseitigt werden kann.

    aa)

    Dem Beklagten waren vom Planer der Generalunternehmerin im April 2011 Arbeitspläne für das UG und das EG in Dateiform zum Auspflocken der Baugrube und dem Einschneiden des Baugerüsts übermittelt worden. Am 21.04.2011 erfolgte durch den Beklagten die Absteckung und am 5.05.2011 das Einschneiden des Schnurgerüsts (zu den Daten vgl. Anlage K 6), wobei der Beklagte dabei von den im Rahmen der Bestandsaufnahme im Jahr 2008 erhobenen veralteten Daten zu den Grundstücksgrenzen ausgegangen ist (vgl. Sitzungsprotokoll vom 18.09.2012 S. 3f).

    Nach den Ausführungen des Sachverständigen in seiner Anhörung vom 18.09.2012 benötigt ein Vermessungsingenieur zum Bestimmen der Punkte für das Abstecken der Baugrube und das Einschneiden des Schnurgerüsts in der Praxis die Kenntnis vom Grenzverlauf, auch wenn dieser nur digital vorhanden ist. Dies gilt insbesondere im vorliegenden Fall, wenn das zu errichtende Gebäude an der Grundstücksgrenze "angedockt" werden soll. Dazu hat ein Vermessungsingenieur Zugriff auf die Daten des Landesvermessungsamtes, mit denen von den am Bau Beteiligten nur er die aktuellen Grundstücksgrenzen vor Ort im Gelände ermitteln kann. Dabei darf er grundsätzlich seiner Bauvermessung vor Ort nur Daten des Landesvermessungsamtes zu Grunde legen, die er zeitnah zu seiner Vermessungsleistung eingeholt bzw. überprüft hat. Hier hatte der Beklagte der Bauvermessung im Jahr 2011 die von ihm rund 3 Jahre zuvor im Jahr 2008 beim Landesvermessungsamt abgefragten Koordinaten des Grundstücks zu Grunde gelegt. Diese Daten waren damit nicht zeitnah zur Bauvermessung erhoben worden.

    Nachdem der Veränderungsnachweis bereits im Jahr 2008 vollzogen worden war, hätte die vom Beklagten einzuholende zeitnahe Auskunft des Landesvermessungsamtes zu den Koordinaten des Grundstücks der Kläger im Jahr 2011 die Kenntnis der neuen Grundstücksgrenze gebracht. Bei dann vermessungstechnisch fehlerfreier Leistung wäre die von der Werkplanung abweichende Lage des Gebäudes vermieden und das Bauwerk entlang der Grundstücksgrenze errichtet worden.

    bb)

    Im Übrigen begründeten hier die besonderen Umstände des Einzelfalls eine besondere Verpflichtung des Beklagten, die in den Arbeitsplänen enthaltene Grundstücksgrenze zum Flurstück X hin zu überprüfen. Der Beklagte wusste aus seinen Arbeiten zur Erstellung eines Lageplans zum Bauantrag (Anlage K 4), dass eine Verschwenkung der Grundstücksgrenze zum Flurstück X geplant war. Er hatte die projektierte Grenze in seinem Lageplan berücksichtigt und sich für die Vermessung der neuen Grenze bei der Gemeinde F. beworben. Aus der Lage des Wohnhauses im Lageplan war auch für ihn zu entnehmen, dass das Wohnhaus an der Grundstücksgrenze errichtet werden sollte. Der Beklagte musste daher davon ausgehen, dass die geplante Grenzverschwenkung für die Realisierung des Bauvorhabens erforderlich sein wird. Nach dem Vortrag des Beklagten war den ihm übersandten Arbeitsplänen für das UG und das EG zu entnehmen, dass das Gebäude an der ursprünglichen Grundstücksgrenze aus dem Jahr 2008 errichtet werden sollte. Der neue Grenzverlauf sei nicht berücksichtigt worden.

    Diese Auffälligkeit zu der noch im Jahr 2008 bestehenden und dem Beklagten bekannt gemachten Planung hätte dem Beklagten Anlass geben müssen, die Richtigkeit des ihm vorgegebenen Grundstücksgrenzverlaufs aus den Arbeitsplänen zu hinterfragen. Zu Recht hat deshalb der Beklagte eingeräumt, dass man schon daran habe denken können nachzufragen, ob diese Grenzänderung vorgenommen worden ist (Seite 4 des Sitzungsprotokolls vom 1.3.2012, Bl. 109). Er erklärte weiter: Dies haben wir nicht gemacht. Dies wurde bei uns schlicht übersehen." Wenn der Beklagte hinsichtlich der mit der Arbeitsplanung übermittelten Grundstücksgrenzen Bedenken hatte oder diese bei Anwendung der erforderlichen Sorgfalt haben musste, so musste er ihnen nachgehen und hätte zumindest Rückfrage bei den Klägern halten müssen, um sich zu vergewissern, dass in Abweichung zum Bauantrag die alten Grundstücksgrenzen maßgeblich sein sollten (vgl. BGH VersR 1967, 260 bei Bedenken des Architekten gegen eine statische Berechnung). Die auffällige Abweichung der Arbeitsplanung von der ursprünglichen Planung der Kläger, die zum Bauantrag geführt hatte, begründete daher eine Verpflichtung des Beklagten, auf diesen Umstand hinzuweisen und die damit verbundenen Unklarheiten zu beseitigen. Dieser aus dem Vertrag mit den Klägern herrührenden Verpflichtung ist der Beklagte nicht gerecht geworden.

    cc)

    Das anspruchsbegründende Verschulden des Beklagten wird vermutet. Seiner Einlassung in der mündlichen Verhandlung vom 1.3.2012, es sei schlicht übersehen worden, bezüglich der beabsichtigten Grenzänderung nachzufragen, bestätigt das vermutete Verschulden des Beklagten.

    Damit ist der Beklagte den Klägern dem Grunde nach zum Schadensersatz verpflichtet.

    3.

    Der Schadensersatzanspruch der Kläger ist nicht durch ein Mitverschulden der Kläger gemäß § 254 Abs. 1 BGB gekürzt.

    a)

    Die Kläger mussten den Beklagten nicht darüber aufklären, dass die Grundstücksgrenzverschwenkung wie im Jahr 2008 geplant bis zur Bauausführung bzw. bis zum Auspflocken der Baugrube und dem Einschneiden des Schnurgerüsts verwirklicht worden war. Ohne besondere Anhaltspunkte durften die Kläger darauf vertrauen, dass der Beklagte die aktuellen Grenzen pflichtgemäß selbständig ermitteln würde. Dies gilt hier umso mehr, als die Kläger wussten, dass der Beklagte von der Absicht einer Grenzänderung im Zusammenhang mit ihrem Bauwunsch im Jahr 2008 Kenntnis hatte.

    Eine Hinweispflicht des Bauherrn auf eine Grenzänderung besteht dann, wenn zeitnah zur Vermessungsleistung sich die Grundstücksgrenze geändert hat und der Bauherr nicht ausschließen kann, dass der Vermessungsingenieur bei der Abfrage beim Landesvermessungsamt überholte Koordinaten übermittelt erhält oder der Vermessungsingenieur zwar zeitnah, aber inzwischen überholte Daten zu den Grundstücksgrenzen eingeholt hat und mit einer erneuten Abfrage der Koordinaten des Grundstücks durch den Vermessungsingenieur aus der Sicht eines verständigen Bauherrn nicht zu rechnen ist. Ein solcher eine Hinweispflicht begründender Sachverhalt liegt hier nicht vor, denn die Grenzänderung lag zum Zeitpunkt der Bauvermessung immerhin schon fast 3 Jahre zurück.

    b)

    Den Klägern ist auch nicht ein eventuelles Mitverschulden der Generalunternehmerin wegen der von ihr übernommenen und mit Hilfe des Ingenieurbüros S. als ihres Erfüllungsgehilfen gemäß § 278 BGB vorgenommenen Planung nach §§ 278, 254 BGB zuzurechnen. Dem Fachplaner hat der Architekt rechtzeitig einwandfreie planerische Unterlagen und Ausführungszeichnungen im Rahmen der Ausführungsplanung zur Verfügung zu stellen (Locher / Koeble / Frick HOAI 9. Aufl. § 15 RN 143).

    Da ein Vermessungsingenieur für die Bauvermessung die Grundstücksgrenzen eigenständig feststellen muss (siehe oben Ziff. 2 b) aa)), müssen ihm jedoch die Grundstücksgrenzen vom Bauherrn oder an dessen Stelle vom planenden Architekten nicht vorgegeben werden.

    4.

    Danach hat der Beklagte dem Grunde nach den Klägern den Schaden aus der Ausrichtung des Gebäudes an der überholten Grundstücksgrenze vollständig zu ersetzen. Zutreffend ist das Landgericht davon ausgegangen, dass die Voraussetzungen des § 256 ZPO für ein Feststellungsurteil vorliegen.

    a)

    Die Errichtung des Gebäudes abweichend von den planerischen Vorgaben hinsichtlich der Lage zur Grundstücksgrenze stellt einen Mangelfolgeschaden der fehlerhaften Leistungen des Beklagten zum Auspflocken der Baugrube dar. Nach § 280 BGB hat der Beklagte alle unmittelbaren oder mittelbaren Nachteile seines schädigenden Verhaltens auszugleichen. Die Kläger haben grundsätzlich einen Anspruch darauf, dass das Gebäude so wie von ihnen geplant verwirklicht wird. Einen anderen Erfolg müssen sie nicht akzeptieren. Der Schadensersatzanspruch der Kläger gegen den Beklagten umfasst danach die Kosten, die erforderlich sind, dass das Gebäude so errichtet wird, wie es ohne die Pflichtverletzung des Beklagten geschehen wäre. Zu den zu ersetzenden notwendigen Aufwendungen für die Schadensbeseitigung gehören diejenigen Kosten, die der Besteller bei verständiger Würdigung für erforderlich halten durfte.

    b)

    Dem Anspruch der Kläger steht nicht schon der Unverhältnismäßigkeitseinwand aus § 635 Abs. 3 BGB entgegen. Die Einrede der Unverhältnismäßigkeit des für die Mangelbeseitigung erforderlichen Aufwandes betrifft nur den Aufwand für die Nachbesserung des Mangels des Werks des Beklagten und nicht die Mangelfolgeschäden. Der Überbau und die anderen Abweichungen von der Bauplanung sind kein Mangel des Werks des Vermessungsingenieurs, sondern dessen Folge. Der Umfang des Schadens richtet sich nach den §§ 249 ff BGB. Die Einrede der Unverhältnismäßigkeit aus § 635 Abs. 3 BGB ist gegenüber der Schadenshöhe nicht möglich (vgl. BGH BauR 2002, 1536, [...] RN 45).

    c)

    Nach der Rechtsprechung des BGH ist der Anspruch auf Mangelfolgeschäden wegen der Mangelhaftigkeit eines Werks, auch soweit die Mangelfolgeschäden am Bauwerk entstanden sind, dessen Errichtung das Werk des Unternehmers diente, ohne die Bauwerkserrichtung selbst zum Inhalt zu haben, auf Geldersatz gerichtet. Grundsätzlich besteht kein Anspruch des Unternehmers darauf, den Mangel des Bauwerks zu beseitigen (vgl. BGH BauR 2007, 2083, [...] RN 15 für die Mangelfolgeschäden einer fehlerhaften Planung eines Architekten; BauR 1996, 735, [...] RN 19 zur Naturalrestitution nur bei einer Schadensminderungspflicht des Bauherrn). Es kann dahingestellt bleiben, ob eine Naturalrestitution auch im vorliegenden Fall nicht verlangt und nur Geldersatz gefordert werden kann. Auch wenn ein Anspruch auf Naturalrestitution (§ 249 Abs. 1 BGB) nach der Rechtsprechung des BGH ausgeschlossen ist und die Voraussetzungen des § 249 Abs. 2 BGB nicht vorliegen, weil keine Sache beschädigt, sondern nicht ordnungsgemäß hergestellt wurde (BGHZ 186, 330, [...] RN 12), liegt dennoch ein Schadensersatzanspruch der Kläger wegen Mangelfolgeschäden nach §§ 280 Abs. 1, 249ff BGB in Höhe der Kosten der Herstellung des ursprünglich geplanten Zustands vor, der seine Grenze in dem auf den Schadensersatzanspruch zumindest entsprechend anwendbaren § 251 Abs. 2 S. 1 BGB (und nicht § 275 Abs. 2 BGB) findet. Im Übrigen haben die Kläger den Schaden selbst beseitigen lassen, nachdem der Beklagte eine Einstandspflicht trotz schriftlicher Aufforderung nicht anerkannt hat.

    § 251 Abs. 2 Satz 1 BGB räumt dem Ersatzpflichtigen eine Ersetzungsbefugnis ein; dieser darf den Gläubiger mit einer Geldentschädigung in Höhe der erlittenen Vermögenseinbuße abfinden, obwohl die Herstellung möglich wäre. Die Vorschrift verfolgt den Zweck, die Höhe der Ersatzpflicht nach oben zu begrenzen. Das Interesse des Geschädigten an einem vollständigen Schadensausgleich tritt unter den Voraussetzungen des § 251 Abs. 2 Satz 1 BGB hinter den Schutz des Ersatzpflichtigen vor unzumutbaren Belastungen zurück; der Geschädigte muss sich dann mit einer Kompensation durch Wertausgleich seines Schadens zufrieden geben (BGH NZM 2010, 442, [BGH 27.11.2009 - LwZR 11/09] [...] RN 11). Notwendige Voraussetzung für die Ersetzungsbefugnis des Ersatzpflichtigen ist die Unverhältnismäßigkeit des Aufwands für die Naturalrestitution. Die Aufwendungen für die Beseitigung des Werkmangels oder eines Mangelfolgeschadens am von den Bestellern errichteten Gebäude sind dann unverhältnismäßig, wenn der damit in Richtung auf die Beseitigung des Mangels erzielte Erfolg oder Teilerfolg bei Abwägung aller Umstände des Einzelfalls in keinem vernünftigen Verhältnis zur Höhe des dafür gemachten Geldaufwandes steht. Es muss für den Unternehmer unzumutbar sein, die vom Besteller in nicht sinnvoller Weise gemachten Aufwendungen tragen zu müssen. In einem solchen Fall würde es Treu und Glauben widersprechen, wenn der Besteller diese Aufwendungen dem Unternehmer anlasten könnte (BGH BauR 2006, 1736, [...] RN 16 m.w.N.; BGHZ 154, 301, [...] RN 15 zum Mangelschaden).

    aa)

    Eine Unverhältnismäßigkeit des Beseitigungsaufwands für den Überbau scheidet aus, wenn die Kläger gesetzlich zu dessen Beseitigung verpflichtet waren. Die Nachbarn der Kläger waren hier jedoch gemäß § 912 Abs. 1 BGB zur Duldung des Überbaues verpflichtet.

    Diese Norm will die mit der Beseitigung eines Überbaus verbundene Zerschlagung wirtschaftlicher Werte vermeiden, die dadurch entsteht, dass sich der Abbruch eines überbauten Gebäudeteils meist nicht auf diesen beschränken lässt, sondern zu einer Beeinträchtigung und Wertminderung auch des bestehen bleibenden, auf eigenem Grund gebauten Gebäudeteils führt. Zu diesem Zweck stellt § 912 BGB das Interesse an dem Erhalt der Gebäudeeinheit über das Interesse des Nachbarn an der Durchsetzung seiner Eigentumsrechte, sofern der Überbauer nicht grob fahrlässig oder vorsätzlich gehandelt und der Nachbar dem Überbau nicht sofort widersprochen hat (BGH BauR 2009, 101, [...] RN 9).

    Der Nachbar hat den Überbau nicht zu dulden, wenn er vor oder sofort nach der Grenzüberschreitung Widerspruch erhoben hat. "Sofort" besagt etwas anderes als "unverzüglich" im Sinn des § 121 BGB. Die Frage der Rechtzeitigkeit des Widerspruchs beantwortet sich nach dem Zweckgedanken der Überbauvorschriften: Ohne Not sollen keine wirtschaftlichen Werte zerschlagen werden. Ausschlaggebend ist daher, ob nach den Umständen des jeweiligen Einzelfalls noch zeitig genug widersprochen wurde, um eine sonst bei Beseitigung des Überbaus zu befürchtende erhebliche Zerstörung zu vermeiden (vgl. BGHZ 59, 191, [...] RN 20). Der Überbau war hier schon fortgeschritten, nachdem nicht nur die Bodenplatte gesetzt war, sondern die Kellerwände betoniert und die Decke über dem Untergeschoss eingebaut war. Entscheidend ist für den vorliegenden Fall, ob sich eine Beseitigung des Überbaus nicht auf diesen beschränken lässt, sondern die Gebäudeeinheit beeinträchtigt und auf diese Weise zwangsläufig zu einem Wertverlust der innerhalb der Grundstücksgrenzen befindlichen Gebäudeteile führt (BGH BauR 2009, 101, [...] RN 10). Dies liegt hier vor, weil durch das Abspitzen des Überbaus die Statik des Gebäudes beeinträchtigt wurde und deshalb eine zusätzliche statische Maßnahme in den innerhalb der Grundstücksgrenzen befindlichen Gebäudeteil durchgeführt, nämlich eine Stütze eingebaut werden musste.

    Der Überbau wurde von den Klägern nicht grob fahrlässig oder gar vorsätzlich verursacht.

    Die Kläger hatten für den Lageplan den Beklagten als Vermessungsingenieur hinzugezogen. Die Planung und Durchführung des Baus haben die Kläger einer Generalunternehmerin übertragen. Sie durften erwarten, dass diese unter Hinzuziehung von Planer und Vermessungsingenieur das Gebäude fachgerecht und innerhalb der Grundstücksgrenzen errichten würde.

    Eine Zurechnung des Verschuldens des Beklagten und / oder der Generalunternehmerin einschließlich des ihr gemäß § 278 BGB zuzurechnenden Verschuldens des Ingenieurbüros S. müssen sich die Kläger im Rahmen des § 912 BGB nicht anrechnen lassen. Auf die rechtlichen Beziehungen zwischen Grundstücksnachbarn ist § 278 BGB nicht anzuwenden (BGH NJW 1977, 375, [...] RN 8). § 831 BGB ist auch nicht entsprechend auf § 912 BGB anzuwenden, weil diese Vorschrift nicht dem Recht der unerlaubten Handlung zugeordnet ist. Die Zurechnung Dritter hat der Bundesgerichtshof im Rahmen des § 912 BGB nur dann nach § 166 BGB analog angenommen, wenn der Dritte als Sachwalter des Bauherrn dessen Interessen insbesondere auch nach außen gegenüber den sonst am Bau Beteiligten oder durch den Bau Betroffenen zu wahren hat und er deshalb im Verkehr als der "Repräsentant" des Bauherrn gilt. Das Ingenieurbüro S. hatte keine unmittelbare vertragliche Beziehung mit den Klägern, sondern allein zur Generalunternehmerin, und war deshalb nicht "Repräsentant" der Kläger. Die Generalunternehmerin steht den Klägern als Bauherrn nur im Rahmen des vertraglichen Austauschverhältnisses gegenüber (vgl. BGH a.a.O. [...] RN 10). Auch ein Vermessungsingenieur ist nicht Sachwalter des Bauherrn oder dessen "Repräsentant", so dass das Verschulden des Beklagten den Klägern im Verhältnis zu den überbaubelasteten Nachbarn nicht zuzurechnen ist.

    bb)

    Der Überbau hatte für die Kläger und die Nutzung von deren Haus unmittelbar keinerlei nachteilige Folgen. Ein Wertverlust durch den Überbau ist nicht vorgetragen oder erkennbar. Im Hinblick allein auf das Integritätsinteresse der Kläger war die Beseitigung des Überbaus unverhältnismäßig.

    cc)

    § 251 Abs. 2 Satz 1 BGB enthält eine Begrenzung der Verpflichtung zum Schadensersatz unter dem Gesichtspunkt der Zumutbarkeit, bei deren Prüfung auch andere Umstände als das reine Wertverhältnis zu berücksichtigen sind. Da § 251 Abs. 2 Satz 1 BGB ein Ausfluss von Treu und Glauben ist, ist die Frage der Unverhältnismäßigkeit eine solche der Zumutbarkeit nach beiden Seiten, bei der auch der Grad des Verschuldens und immaterielle Interessen zu berücksichtigen sind (BGH NZM 2010, 442, [BGH 27.11.2009 - LwZR 11/09] [...] RN 21; Palandt-Grüneberg, BGB 71. Aufl. § 251 RN 6 m.w.N.).

    Entgegen der Auffassung der Kläger war es hier im Hinblick auf einen möglichen Rechtsstreit mit den Nachbarn und dessen Ausgang nicht unzumutbar, den Überbau zu belassen.

    Eine rechtliche Unsicherheit im Hinblick auf den Ausgang des Rechtsstreits ergibt sich insbesondere nicht aus der Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 19.9.2008 (AZ: V ZR 152/07). Nach dieser Entscheidung muss ein Überbau dann nicht geduldet werden, wenn er den Regeln der Baukunst nicht entspricht und deshalb - über die Grenzverletzung hinausreichende - Beeinträchtigungen des Nachbargrundstücks besorgen lässt (BGH a.a.O. [...] RN 16). Entgegen der Auffassung der Kläger ist nach dieser Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs mit der Zuerkennung eines Beseitigungsanspruchs nicht in jedem Fall bei verspäteter Erhebung eines Widerspruchs zu rechnen, wenn erhebliche Beeinträchtigungen vom Überbau ausgehen. Vielmehr verlangt die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs eine über den reinen Überbau hinausgehende Belastung, weil der Überbau nicht fachgerecht ausgeführt wurde und von der nicht fachgemäßen Ausführung weitere Beeinträchtigungen des überbauten Grundstücks ausgehen können. In einem solchen Fall kann der Überbau ohnehin nicht uneingeschränkt erhalten werden. Ein solcher Fall liegt hier jedoch nicht vor. Es verbleibt daher bei dem Grundsatz, dass unabhängig vom Maß der Beeinträchtigung die Erhebung eines sofortigen Widerspruchs zur Wahrung der Rechte aus § 912 BGB erforderlich ist. Es gibt keinerlei Anzeichen für eine Erweiterung dieser Rechtsprechung zugunsten des Überbaubelasteten, so dass es den Klägern zumutbar war, sich auf einen Rechtsstreit mit den Nachbarn einzulassen. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass die Kläger nicht selbst einen Rechtsstreit beginnen und führen mussten, sondern abwarten konnten, ob die Nachbarn gegen sie Klage auf Beseitigung des Überbaus erheben würden.

    Angesichts der Rechtslage wären die Kläger nicht gehindert gewesen, ihr Bauvorhaben weiterzuführen. Zwar gingen alle Beteiligten unstreitig bis zur Ermittlung des Umfangs des Überbaus durch den Beklagten am 7.11.2011 davon aus, dass bei einem Beseitigungsanspruch der Nachbarn ein Abbruch der Wand notwendig würde. Bis dahin wäre eine Fortführung des Bauvorhaben wegen verbleibender Risiken unzumutbar gewesen. Nach Kenntnis des Umfangs des Überbaus und der Konsequenz, dass im Fall eines Beseitigungsanspruchs lediglich die Außenwand teilweise abgespitzt und im Gebäude eine Stütze eingebaut werden musste, hätte mit dem Knick in den entlang der Grundstücksgrenze verlaufenden Wänden, wie nun tatsächlich geschehen, das Bauvorhaben fortgeführt und ggf. der Überbau im Fall einer Verurteilung bei noch offen gelassener Baugrube nachträglich abgespitzt werden können.

    Jedoch greift hier der Einwand der Unverhältnismäßigkeit gemäß § 251 Abs. 2 BGB nach Abwägung des Verschuldens des Beklagten, seiner finanziellen Möglichkeiten, der Höhe der Kosten für die Beseitigung des Überbaus und der Belastung des nachbarschaftlichen Verhältnisses bei der beabsichtigten Eigennutzung des Hauses durch die Kläger nicht durch.

    Nach den obigen Ausführungen fällt dem Beklagten ein erhebliches Verschulden zur Last, indem er trotz ihm bekannter Hinweise auf die Möglichkeit einer Änderung der Grundstücksgrenze sich bei der Bauvermessung auf veraltete Daten verlassen hat. Er hat damit grundlegende Regeln seines Faches unbeachtet gelassen.

    Durch den Rückbau des Überbaus sind Kosten in Höhe von 9.608,14 € entstanden (vgl. Anlage K 12). Diese Kosten sind angesichts des Werts des gesamten Bauvorhabens und der anderen entstandenen Schäden sowie der Vermögensverhältnisse des Beklagten, der für den vorliegenden Schaden versichert ist, nach Treu und Glauben vom Beklagten hinzunehmen.

    Ein Verbleiben des Überbaus hätte für das Verhältnis der Kläger zu ihren künftigen Nachbarn eine erhebliche Belastung bedeutet, die sie nach den gesamten Umständen nicht hinnehmen mussten. Für die Nachbarn hatte der geringe Überbau nämlich über die reine Inanspruchnahme ihres Grundstücks erhebliche Folgen für dessen Nutzung, die nachvollziehbar eine Verärgerung und damit eine Belastung des Nachbarschaftsverhältnisses hervorrufen konnten. Der Überbau hätte dazu geführt, dass die Nachbarn ihr Bauvorhaben nur mit einer geringeren Breite hätten ausführen können. Durch die Schräge des Überbaus hätte sich die Auswirkung mit der Länge der Baulichkeiten auf dem Grundstück der Nachbarn vergrößert, so dass gemäß der Planung in Anlage K 9 deren Doppelgarage im Eingangsbereich ca. 30 bis 40 cm zu breit und entsprechend zu kürzen gewesen wäre.

    5.

    Zum Schadenseintritt wird auf Ziff. II. 1 e) der Entscheidungsgründe des erstinstanzlichen Urteils verwiesen. Antragsgemäß war daher diese Schadensersatzpflicht festzustellen, ohne dass alle Schäden nach Art und Umfang im vorliegenden Verfahren auf Feststellung der Schadensersatzpflicht ermittelt werden mussten.

    Einer beispielhaften Aufzählung, welche Kosten insbesondere zu ersetzen sind, bedurfte es im Tenor nicht. Nachdem dies dennoch - antragsgemäß - in erster Instanz geschehen war, musste aus dem erstinstanzlichen Tenor der Schaden wegen Bereitstellungszinsen gestrichen werden, nachdem diese nach der Einlassung der Kläger nicht anfallen werden. Ein Unterliegen ist damit nicht verbunden, weil die Feststellung als solche in vollem Umfang erhalten bleibt und im Übrigen die in der mündlichen Verhandlung angesprochenen Fremdkosten von rund 36.000,- € und der Mietschaden der Kläger für 11 Monate den Streitwert des Feststellungsantrages bei Berücksichtigung von verbleibenden Unwägbarkeiten und einem Abschlag für das gegenüber einer Leistungsklage zurückbleibende Interesse ausfüllen.

    6.

    Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 97 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf den §§ 708 Nr. 10, 711, 709 Satz 2 ZPO.

    Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision nach § 543 Abs. 2 ZPO liegen nach abschließender Prüfung nicht vor, weil die Grundlagen für die Abwägung im Rahmen der Prüfung der Unverhältnismäßigkeit nach § 251 Abs. 2 BGB durch die Rechtsprechung des BGH gelegt sind und die tatrichterliche Prüfung im Einzelfall im Wesentlichen Aufgabe des Tatgerichts ist. Diese Abwägung stützt sich nicht allein auf das nachbarschaftliche Verhältnis, sondern umfasst verschiedene Gesichtspunkte, so dass der Entscheidung auch insoweit keine grundsätzliche Bedeutung im Sinn des § 543 Abs. 2 ZPO zukommt und keine Fortbildung des Rechts darstellt.

    RechtsgebietBGBVorschriften§ 251 Abs. 2 BGB; § 254 Abs. 1 BGB; § 280 Abs. 1 BGB; § 633 BGB; § 634 BGB