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  • 22.03.2017 · IWW-Abrufnummer 192743

    Oberlandesgericht München: Urteil vom 09.08.2016 – 9 U 4338/15 Bau

    Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


    Oberlandesgericht München

    Urt. v. 09.08.2016

    Az.: 9 U 4338/15 Bau

    In dem Rechtsstreit

    xxx

    wegen Schadensersatz

    erlässt das Oberlandesgericht München - 9. Zivilsenat - durch die Richterin am Oberlandesgericht ... als Einzelrichterin auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 26.07.2016 folgendes

    Endurteil

    Tenor:

    I. Die Berufung der Beklagten gegen das Endurteil des Landgerichts München I vom 15.10.2015, Az.: 8 O 13200/11, wird zurückgewiesen.

    II. Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens einschließlich der Kosten der Streithelfer.

    III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe desselben Betrages leistet. Das in Ziffer I. genannte Urteil des Landgerichts München I ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.

    IV. Die Revision gegen dieses Urteil wird nicht zugelassen.

    V. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 22.612,-- Euro festgesetzt.

    Gründe

    I.

    Die Berufung der Beklagten richtet sich gegen das Urteil des Landgerichts München I vom 15.10.2015. In diesem Urteil wurden die Beklagten verurteilt, an die Klägerin 22.612,-- Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 01.07.2011 zu bezahlen. Ferner wurde festgestellt, dass die Beklagten samtverbindlich verpflichtet sind, der Klägerin den weiteren über Ziffer 1. hinausgehenden Schaden aus fehlerhafter Ausführung des Brandschutzes am Anwesen P.straße 66 in München in Höhe von zwei Drittel zu ersetzen. Im Übrigen wurde die Klage abgewiesen.

    Die Klägerin macht Schadensersatzansprüche gegen die Beklagten aus behaupteter schuldhafter Verletzung eines Architektenvertrages geltend.

    Die Klägerin ist Bauträgerin und errichtete in den Jahren 1999 bis 2001 auf dem Grundstück in der P.straße 66 in München 26 Wohnungen in zwei Häusern mit fünf Geschossen bzw. drei Geschossen in Haus B bestehendes Gebäude mit Tiefgarage, das in Eigentumswohnungen aufgeteilt und an Selbstnutzer und Anleger veräußert wurde. Die Fertigstellung erfolgte im Jahr 2001, die Abnahme des Gemeinschaftseigentums durch die WEG fand am 30.09.2001 statt.

    Mit der Planung des Bauvorhabens beauftragte die Klägerin die Streithelfer Marino und Neuchl. Diese waren verpflichtet, die Grundleistung gemäß § 15 HOAI Phase 1 bis 5 zu erbringen. Die Beklagten wurden beauftragt, die Leistungsphasen 6, 7 und 8 zu erbringen, von der Leistungsphase 5 sollte nur der Ausführungsplan hinsichtlich Aussparungs- und Leitungsführungspläne erbracht werden. Die Beklagten wurden aufgrund deren Angebot vom 07.06.1999 beauftragt (Anlage K1). Im Zuge der Bauausführung wurde in Abstimmung mit den Planern, den Streithelfern Marino und Neuchl die Planung der Schachtwände im Bereich der Bäder geändert. Die ursprünglich geplante Ausführung der Schachtwände im Mauerwerk wurde in eine Trockenbaukonstruktion abgeändert und so ausgeführt. Entgegen der Ausschreibung der Beklagten wurden jedoch die Durchführungen der Elektroleitungen ohne Brandschutzmaßnahmen ausgeführt. Die Deckendurchbrüche entsprechen nicht den Brandschutzanforderungen.

    Im Übrigen wird zur Ergänzung des Tatbestandes Bezug genommen auf die angefochtene Entscheidung gemäß § 540 Abs. 1 ZPO.

    Mit der Berufung rügt die Beklagte, dass in der Genehmigungs- und Ausführungsplanung vorgesehen gewesen sei, dass die Versorgungsschächte im Bereich der Bäder und Küchen als Mauerwerk geführt würden, so sei es auch eingezeichnet gewesen. Im weiteren Verlauf hätten die Streithelfer Marino und N. die Versorgungsleitungsführung in Trockenbauweise umgeändert, ein Brandschutz sei dann eben nicht vorgesehen gewesen. Es träfe keinesfalls zu, dass die Streithelfer Marino und N. und die Beklagten seit vielen Jahren in der Weise zusammenarbeiten würden, dass die Streithelfer die Planung bis einschließlich der Werkplanung erstellen und die Beklagten sodann die Ausschreibung und die darin enthaltene Festlegung der Anforderungen an den Brandschutz und dessen Ausführung übernähmen. In keinem einzigen Fall seien die technischen Details der Brandschutzabschottungen in den Werkplänen der Streithelfer enthalten gewesen. Diese seien stets von den Beklagten übernommen worden. Dies sei unrichtig. Das Landgericht habe jedoch den Antrag auf Tatbestandsberichtigung zurückgewiesen.

    Mit der Berufung räumen die Beklagten ein, dass sie nicht dem Brandschutz im Rahmen der Bauüberwachung genügend Aufmerksamkeit geschenkt hätten. Der Verschuldensanteil sei jedoch im Rahmen des § 254 BGB deutlich niedriger anzusetzen. Im übrigen seien Planungskosten hier bei der fiktiven Schadensberechnung nicht in Ansatz zu bringen. Im Übrigen fehle es an einem Feststellungsinteresse für den weitergehenden Feststellungsantrag.

    Die Beklagten beantragen daher mit Schriftsatz Bl. 199 vom 26.01.2016, das Urteil des Landgerichts München I aufzuheben und die Klage abzuweisen.

    Die Berufungsbeklagten beantragen,

    die Berufung zurückzuweisen, da sie das landgerichtliche Urteil für zutreffend erachten.

    Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf die wechselseitigen Schriftsätze der Parteien Bezug genommen sowie auf die in der mündlichen Verhandlung erteilten Hinweise, vgl. Protokoll Bl. 355 vom 26.7.2016.

    II.

    Die zulässige Berufung hat keinen Erfolg. Der Klägerin steht ein Anspruch auf Schadensersatz gemäß § 635 a. F., Artikel 229 § 5 Satz 1 EGBGB zu, der jedoch gemäß § 254 BGB anteilig um den Mitverschuldensanteil der Klägerin gekürzt werden muss. An der Höhe der Schadensberechnung ergeben sich ebenfalls keine Bedenken, so dass die Berufung zurückzuweisen war.

    I. Der Klägerin steht ein Anspruch auf Schadensersatz gemäß § 635 BGB a. F., Artikel 229 § 5 EGBGB zu, da die Leistung der Beklagten mangelhaft war. Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass die für die Herstellung der Brandsicherheit erforderlichen Abschottungen lediglich bei der Abluft durchgeführt wurden, bei den übrigen Leitungen sind brandsichere Abschottungen nicht vorhanden. Dies ist ein Mangel im Brandschutz, wie bereits erstinstanzlich durch den Gerichtssachverständigen R. festgestellt. Im Rahmen der Genehmigungsplanung sind die Vorgaben des Brandschutzes zu planen und mit der Genehmigungsbehörde abzustimmen. Eigenständige Brandschutzpläne waren nach Angaben des Sachverständigen R. damals nicht üblich gewesen. Aus der Genehmigungsplanung hätte sich ergeben müssen, ob Brandschutzanforderungen an die Decken- oder Schachtwände zu stellen sind. Im Rahmen der Werkplanung werden die Details in der Regel nicht in die Werkpläne eingezeichnet. Der Sachverständige gab an, das sei schon damals zum Zeitpunkt der Planung des Bauwerks so gewesen und gälte auch heute noch so. Heutzutage lägen aber in der Regel Brandschutzpläne, die dazu weitere Auskunft geben. Dass in den Werkplänen Angaben nicht vorhanden sind, liegt daran, dass regelmäßig auch die Ausschreibung (Phase 6) von dem Werkplaner vorgenommen wird. Im Rahmen der Ausschreibung werden dann diese Anforderungen definiert.

    Hier bestand die Besonderheit, dass derjenige, der die Werkplanung erstellt hat (die Streithelfer M. und N.) nicht mit der Ausschreibung befasst war. Diese hätten daher in der Werkplanung einen entsprechenden Hinweis auf die brandschutztechnischen Anforderungen aufnehmen müssen. Die Beklagte war hier mit der Ausschreibung sowie mit der Überwachung beauftragt. Bereits in der Ausschreibung hätte den Beklagten bewusst sein müssen, dass Brandschutz nicht aufgenommen war. Im Übrigen ist im Rahmen der Überwachung stets für Brandschutz zu sorgen. Im Rahmen der Werkplanung hätte der Brandschutz im Plan aufgenommen werden müssen. Die Umsetzung liegt jedoch nach den Angaben des Sachverständigen in den Händen des Ausschreibenden bzw. des Überwachenden. Mit diesen Aufgaben waren die Beklagten beauftragt.

    II. Die Klägerin muss sich hier einen Mitverschuldensanteil von 1/3 zurechnen lassen, da die von ihr beauftragten Werkplaner M. und N. die notwendigen Brandschutzangaben nicht in die Werkplanung aufgenommen haben. Der Anteil ist mit 1/3 zu bemessen. Liegt ein Mitverschulden des Geschädigten vor, hängt der Umfang der Ersatzpflicht von einer Abwägung der Umstände des Falles ab, wobei insbesondere auf das Maß der beiderseitigen Verursachung abzustellen ist. Es kommt für die Haftungsverteilung wesentlich darauf an, ob das Verhalten des Schädigers oder das des Geschädigten den Eintritt des Schadens in einem höheren Maße wahrscheinlich gemacht hat (BGH NJW-RR 2000, 272 [BGH 12.10.1999 - XI ZR 294/98] und NJW 1998, 1137 [BGH 20.01.1998 - VI ZR 59/97]). Im Rahmen dieser Mitwirkungshandlungen hat der Auftraggeber, also die Klägerin, dem Unternehmer zuverlässige Pläne und Unterlagen zur Verfügung zu stellen. Sind diese mangelhaft, muss er sich ein Verschulden des planenden Architekten gemäß §§ 254, 278 zurechnen lassen (vgl. BGH NJW 2009, 582 [BGH 27.11.2008 - VII ZR 206/06]). Der bauaufsichtsführende Architekt hat eine herausgehobene Stellung unter den Baubeteiligten. Ihm obliegt es, für eine mangelfreie Realisierung des Bauvorhabens zu sorgen. Dazu gehört auch, in den durch die Aufgabe vorgegebenen Grenzen die Prüfung der ihm vorgelegten Pläne, ob diese geeignet sind, das Bauwerk mangelfrei entstehen zu lassen. Diese herausgehobene Stellung rechtfertigt es jedoch nicht, die Mitwirkung des Bestellers im Rahmen der Haftung entgegen §§ 254, 278 gänzlich unberücksichtigt zu lassen (BGH NJW 2009, 582 [BGH 27.11.2008 - VII ZR 206/06]). Wird nun hier der Verursachungsanteil der Beklagten berücksichtigt, so waren diese mit einem geringen Anteil an der Leistungsphase 5 und im Übrigen mit der Leistungsphase 6 bis 8 beauftragt. Zur Leistungsphase 6 gehört die Ausschreibung, auch bei der Ausschreibung muss der Brandschutz im Auge behalten werden. Zusätzlich waren sie mit der vollständigen Bauüberwachung beauftragt, so dass an dieser Stelle spätestens hätte auffallen und erkannt werden müssen, dass der Brandschutz nicht in der notwendigen Form gewährleistet ist. Dabei kommt es nicht darauf an, wie und in welchem Umfang die Beklagten mit den Streithelfern M. und N. bisher und bei früheren Bauvorhaben arbeitsteilig zusammenarbeiteten oder nicht. Es ergibt sich daraus auch kein größerer Haftungsanteil. Der Haftungsanteil der Beklagten rührt aus dem Aufgabengebiet der Beklagten, nämlich die Beauftragung mit den Leistungsphasen 6 bis 8 sowie der Leistungsphase 5 her. Wie der Sachverständige ausführt, kommt es gerade in der Leistungsphase 6 bei der Ausschreibung darauf an, dass der Brandschutz mitausgeschrieben wird. Insofern ist der Verursachungsanteil der Beklagten höher anzusetzen als der der Klägerin zuzurechnende Verursachungsanteil der planenden Architekten, der Streithelfer M. und N. Das Landgericht hat diese Quote zutreffend mit zwei Drittel Haftungsanteil bemessen.

    III. Fehlerhaft ist auch nicht der Ansatz der Planungskosten im Rahmen des Schadensersatzes. Im Rahmen des Schadensersatzes können die Aufwendungen berechnet werden, die zur vertragsgemäßen Herstellung des Werkes notwendig sind (BGH Urteil vom 28.06.2007, BauR 2007, 1567). Dazu gehören alle Kosten, die sicher anfallen werden. Diese Schäden können im Übrigen gemäß § 287 ZPO geschätzt werden.

    Der vom Sachverständigen angesetzte Betrag von 4.000,-- Euro für Architektenkosten erscheint nicht unangemessen. Der Planungskoordinations- und Bauleitungsanteil wurde mit 15 % der gesamten Nettosumme angesetzt. Diese Bemessung begegnet keinen Bedenken.

    III.

    Ein Feststellungsinteresse gemäß § 256 Abs. 2 ZPO ist zu bejahen. Es ist nicht auszuschließen, dass bei der Beseitigung des Schadens weitere Kosten anfallen. Insoweit besteht ein Feststellungsinteresse der Klägerin. Auch hier ist der Mitverschuldensanteil der Klägerin zu berücksichtigen.

    Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 91, 97 ZPO.

    Die Revision wird nicht zugelassen, da die Voraussetzungen des § 542 Abs. 2 ZPO nicht erfüllt sind. Die vorliegende Sache hat keine über den Einzelfall hinausreichende Bedeutung. Eine Entscheidung des Revisionsgerichts ist auch nicht zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung geboten.

    Die Festsetzung des Streitwertes beruht auf den §§ 63 Abs. 2, 47, 48 Abs. 1 GKG, 3 ZPO.

    Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

    Verkündet am 09.08.2016