KG Berlin
21. Zivilsenat
27.08.2019
Tenor
- Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Landgerichts vom 16. November 2018 wie folgt abgeändert:
Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin 32.353,11 € nebst Zinsen in Höhe von acht Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus 21.433,32 € seit dem 5. Mai 2016, aus 1.494,85 € seit dem 8. November 2016 und aus 9.424,94 € seit dem 24. Oktober 2017 zu zahlen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen. - Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
- Die Kosten des Rechtsstreits haben in Abänderung der Kostenentscheidung des Landgerichts die Klägerin zu 1/3, die Beklagte zu 2/3 zu tragen.
- Dieses und fortan auch das angefochtene Urteil sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Jede Partei darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleitung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Gegenseite vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
- Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I.
1
Die Klägerin nimmt die Beklagten aus einem Bauvertrag auf die Zahlung von Mehrvergütung nach Leistungsänderung in Anspruch.
2
Die Beklagten planten im Jahr 2013 den Umbau des Bahnhofs B... . Die dazu erforderlichen Bau- und Planungsleistungen teilten sie in einzelne Vergabepakete auf, die sie öffentlich ausschrieben. Das umfangreiche Vergabepaket 12 betrifft den “Umbau xxx”. Zu den Ausschreibungsunterlagen gehörten unter anderem ein Leistungsverzeichnis über 1059 Seiten (Anlage K 3) und diverse Pläne. Die Klägerin unterbreitete den Beklagten ein Angebot zu einer Vergütung von rund 27,2 Mio. € (netto), für das die Beklagten ihr im Jahr 2013 den Zuschlag erteilten. In § 3.2.4.8 des Vertrages vereinbarten die Parteien, dass die VOB/B Vertragsbestandteil ist. Wegen der Einzelheiten des Vertragsinhalts wird auf die Anlagen K 1 und K 2 verwiesen.
3
Aufgrund dieses Bauvertrags hat die Klägerin unter anderem eine Eisenbahnüberführung über die K... Straße zu errichten. Den Ausschreibungsunterlagen war ein Plan beigefügt, der die Überführung im Maßstab 1:100 in mehreren Querschnitten zeigt (Anlage B 5). Auf diesen Querschnitten sind die auf Bohrpfählen ruhenden Widerlager zu beiden Seiten der Überführung eingetragen. Auf der jeweiligen Hangseite dieser Widerlager sind unterschiedlich große Bereiche schraffiert und mit “Füllbeton” bzw. “Verfüllung (Magerbeton)” bezeichnet. Im Leistungsverzeichnis wird in den Positionen, die sich auf die Herstellung dieser Eisenbahnüberführung beziehen, die Verfüllung einzelner Bereiche hinter den Widerlagern mit Magerbeton nicht erwähnt.
4
Die von der Klägerin zu errichtende Brückenkonstruktion war an ihren Außenseiten jedenfalls teilweise durch gesonderte Bauteile aus Stahlbeton, sog. Randkappen abzuschließen. Die Klägerin hatte unterscheidende Typen von Randkappen einzubauen, die sich in den Abmessungen unterscheiden. Alle Randkappen sollten im Querschnitt eine Vertiefung aufweisen, sodass sie einen parallel zu den Gleisen verlaufenden Kabelkanal ausbilden. Den Ausschreibungsunterlagen waren Pläne beigefügt, die die Querschnitte der unterschiedlichen Randkappen zeigten (Anlage B 10). Auf sämtlichen Querschnitten ist über dem Kabelkanal eine Abdeckung eingetragen. Im Leistungsverzeichnis sind die diversen Randkappen in den Positionen 14.6.30, 17.7.60, 18.7.60, 19.6.90, 20.6.80 und 21.7.140 aufgeführt. Lediglich in den Titeln 17 und 18 folgt den Positionen 17.7.60 und 18.7.60 eine weitere Leistungsposition über die Herstellung der Abdeckung des Kabelkanals in Fertigbeton, die die Klägerin auch bepreiste (Positionen 17.7.70 und 18.7.70). In den Titeln 14, 19, 20 und 21 wird die Herstellung von Abdeckungen für die Randkappen nicht extra ausgewiesen. In den Plänen wird aber auch für diese Randkappen eine Abdeckung ausgewiesen.
5
Im Verlauf der Bauarbeiten wies die Klägerin am 28. August 2015 auf die Notwendigkeit hin, auf der Hangseite hinter dem westlichen bzw. dem östlichen Widerlager der Eisenbahnüberführung eine Auffüllung aus Magerbeton herzustellen und beanspruchte hierfür eine Mehrvergütung (Anlagen K 6 und K 8). Die Beklagte antwortete hierauf mit Schreiben vom 5. Januar 2016 (Anlagen K 7). wie folgt, wobei die Klägerin als “AN” (= Auftragnehmer) bezeichnet wird:
6
“Aus dem genannten Grund sind die (...) angezeigten zusätzlichen Leistungen vorerst nur dem Grunde nach gerechtfertigt und dementsprechend anzuerkennen unter dem Vorbehalt, dass der AN die Notwendigkeit prüfbar aufführt.”
7
Am 13. April 2016 legte die Klägerin der Beklagten das Nachtragsangebot Nr. 282 vor. In diesem berechnete sie für die Magerbetonauffüllungen eine Mehrvergütung von insgesamt 20.418,88 €, für eine weitere zusätzliche Leistung, die Überbauung eines im Baufeld liegenden alten Kanals (“xxx”) eine Mehrvergütung von 1.494,85 € (Anlage K 10). Die Höhe der Mehrvergütung leitete sie anhand ihrer Kalkulation näher her, wegen der Einzelheiten wird auf die Anlage K 10 verwiesen.
8
Mit Abschlagsrechnungen vom 19. September 2016 und dem 5. Oktober 2016 stellte die Klägerin der Beklagten für die Leistungen des Nachtrags 282 eine Mehrvergütung von 17.532,59 € in Rechnung (Anlage K 12), wovon 1.494,85 € auf die Überbauung des xxx, der Rest auf die Magerbetonauffüllungen entfallen. Die Abweichung gegenüber dem Nachtragsangebot ist auf geringere Mengen zurückzuführen.
9
Bereits mit Schreiben vom 4. Februar 2015 hatte die Beklagte der Klägerin mitgeteilt, dass nicht nur bei den Randkappen der Positionen 17.7.60 und 18.7.60, sondern auch bei den Randkappen der Titel 14, 19, 20 und 21, der durch die aneinandergereihten Kappen entstehende Kabelkanal abzudecken sei, obgleich das Leistungsverzeichnis im Unterschied zu den Positionen 17.7.70 und 18.7.70 hierfür keine gesonderte Position vorsehe. Ferner teilte die Beklagte der Klägerin mit, dass sie die Klägerin auch hinsichtlich der Randkappen der Titel 14, 19, 20 und 21 mit Kabelkanalabdeckungen beauftrage (Anlage K 15). Die Abdeckungen für diese Titel weisen aufgrund anderer konstruktiver Erfordernisse eine andere Breite auf als die der Positionen 17.7.70 und 18.7.70.
10
Die Klägerin zeigte der Beklagten an, dass durch die Abdeckung der übrigen Kabelkanäle Mehrkosten entstehen würden und legte ihr unter dem 4. Dezember 2015 das entsprechende Nachtragsangebot 233 über eine Mehrvergütung von 30.489,13 € vor, in dem sie die Höhe der Mehrvergütung anhand ihrer Kalkulation herleitete (Anlage K 17). Mittlerweile führte die Klägerin Kanalabdeckungen gemäß dieses Nachtragsangebots aus und legte hierüber die Abschlagsrechnungen vom 30. März 2016 über eine Mehrvergütung von 21.433,32 € (Anlage K 18) und vom 21. September 2017 über weitere 9.424,94 € (Anlage K 20).
11
Die Klägerin hat ihre Leistungen aufgrund des streitgegenständlichen Bauvertrags bislang weder abgeschlossen, noch hat sie eine Schlussrechnung erteilt.
12
Die Klägerin hat die Beklagte vor dem Landgericht auf Zahlung eines Abschlags in Höhe von 17.532,59 € + 21.433,32 € + 9.424,94 € = 48.390,85 € nebst Zinsen in Anspruch genommen. Sie meint, ihr stehe für die Leistungen ihrer Nachtragsangebote 282 und 233 eine Mehrvergütung in entsprechender Höhe zu. Da ihre Leistungen noch nicht abgeschlossen seien, sei sie berechtigt, eine Vergütungsklage über diese Mehrvergütung auf ihre entsprechenden Abschlagsrechnungen zu stützen. Die Beklagte hat vor dem Landgericht die Ansicht vertreten, die Ausführung der Magerbetonauffüllungen, der Überbauung des xxx und sämtlicher Kabelkanalabdeckungen hätte bereits in die vereinbarte Vergütung von (rund) 27,2 Mio. € einkalkuliert werden müssen, der Klägerin stehe insoweit kein zusätzlicher Vergütungsanspruch zu.
13
Das Landgericht hat sich der Argumentation der Klägerin angeschlossen und die Beklagte mit Urteil vom 16. November 2018 gemäß dem Klageantrag verurteilt.
14
Dagegen wendet sich die Beklagte mit ihrer Berufung. Zu deren Begründung bezieht sie sich auf ihr erstinstanzliches Vorbringen, akzeptiert allerdings die vom Landgericht zuerkannte Mehrvergütung für die Überbauung des xxx.
15
Die Beklagte beantragt,
16
das Urteil des Landgerichts dahin abzuändern, dass die die Klage mit Ausnahme der Position “Überbauung des xxx” abgewiesen wird,
17
sowie hilfsweise
18
das Urteil des Landgerichts mit Ausnahme der Position “Überbauung des xxx” aufzuheben und an den Rechtsstreit an das Landgericht zurückzuverweisen.
19
Die Klägerin beantragt,
20
die Berufung zurückzuweisen,
21
hilfsweise
22
mit der Maßgabe, dass die Verpflichtung der Beklagten festgestellt wird, die nach den Nachtragsangeboten 282 und 233 abgerechneten streitgegenständlichen Leistungen der Klägerin nach einer künftigen Teilschlussrechnung oder Schlussrechnung zu vergüten.
II.
23
Die zulässige Berufung der Beklagten hat teilweise Erfolg, im Übrigen ist sie unbegründet.
24
Wegen der streitgegenständlichen Bauleistungen steht der Klägerin eine Abschlagszahlung auf ihren Vergütungsanspruch in Höhe von 32.353,11 € zu. Soweit ihr das Landgericht eine höhere Abschlagszahlung zugesprochen hat, ist das Urteil dahin abzuändern, dass die zulässige Klage als unbegründet abgewiesen wird.
1.
25
Die Klägerin kann mit ihrer Klage Abschlagszahlungen in Höhe des Wertes von nachgewiesenen vertragsgemäßen Leistungen beanspruchen (§
16 Abs. 1 Nr. 1 VOB/B). Die Möglichkeit zur Abrechnung von Abschlagszahlungen ist nicht dadurch weggefallen, dass die Klägerin ihre Arbeiten abgeschlossen hätte und deshalb ihren Vergütungsanspruch in einer Schlussrechnung darzulegen hätte. Vielmehr ist unstreitig, dass die Vertragsdurchführung gegenwärtig noch nicht beendet ist.
26
Über den Feststellungsantrag der Klägerin hat der Senat nicht zu entscheiden, da ihr Anspruch auf Abschlagszahlung dem Grunde nach berechtigt und somit die für den Hilfsantrag gestellte Bedingung nicht eingetreten ist.
2.
27
Der Anspruch auf Abschlagszahlung beläuft sich auf insgesamt 32.353,11 €. Dieser Betrag ermittelt sich wie folgt:
a)
28
Für den Nachtrag 282 kann die Klägerin eine Abschlagszahlung von 1.494,85 € beanspruchen.
aa)
29
Dieser Betrag steht der Klägerin für die Überbauung des xxx zu. Die Beklagte greift die dahingehende Entscheidung des Landgerichts nicht mehr mit der Berufung an.
bb)
30
Ein weitergehender Vergütungsanspruch steht der Klägerin wegen des Nachtrags 282 nicht zu.
31
Sie hat keinen Anspruch auf eine Mehrvergütung wegen der Magerbetonauffüllungen hinter dem westlichen und dem östlichen Widerlager der Eisenbahnüberführung. Diese Leistungen sind bereits Gegenstand des ursprünglichen Auftrags, den die Beklagte der Klägerin erteilt hat, und somit in der Vergütung von 27,2 Mio. € enthalten. Wenn die Beklagte deshalb im Verlauf der Arbeiten von der Klägerin die Durchführung dieser Auffüllungen verlangte, liegt hierin nur ein Bestehen auf Vertragserfüllung und keine Änderung oder Erweiterung der vertraglichen Leistungen.
(1)
32
Für die Abgrenzung, welche Arbeiten von der vertraglich vereinbarten Leistung erfasst sind und welche Leistungen zusätzlich zu vergüten sind, kommt es auf den Inhalt der Leistungsbeschreibung an (vgl. BGH, Urteil vom 27.7.2006,
VII ZR 202/04,
BGHZ 168, 368 ff; Urteil vom 28.2.2002,
VII ZR 376/00, Urteil vom 23. Juni 1994,
VII ZR 163/93). Welche Leistungen von dieser erfasst sind, ist durch Auslegung der vertraglichen Vereinbarung der Parteien zu ermitteln, §§
133,
157 BGB (vgl. BGH, Urteil vom 27.7.2006,
VII ZR 202/04,
BGHZ 168, 368 ff; Urteil vom 28.2.2002,
VII ZR 376/00, Urteil vom 11.11.1993,
VII ZR 47/93,
BGHZ 124, 64; KG, Urteil vom 09. Mai 2017,
21 U 97/15, Rn. 42; Kniffka/Koeble, Kompendium des Baurechts, 2. Auflage, 5. Teil Rdn. 67 ff; Kniffka, BauR 2015, 1893 ff). Dabei ist das gesamte Vertragswerk zugrunde zu legen, es kommt also nicht nur auf den Inhalt eines Leistungsverzeichnisses an, sondern auch auf Pläne, Zeichnungen oder sonstige Umstände, auf die die Parteien bei der Bestimmung der auszuführenden Leistungen Bezug genommen haben.
33
Enthält diese Leistungsbeschreibung Unklarheiten, gibt es keine allgemeine Regel, wonach diese zu Lasten einer bestimmten Vertragspartei zu lösen wären. Weder lässt sich allgemein sagen, dass jede Unklarheit einen Verstoß gegen die Pflicht des Auftraggebers zu möglichst erschöpfender Leistungsbeschreibung darstelle und deshalb zu seinen Lasten zu lösen sei, noch wäre es richtig, eine Pflicht des Unternehmers zu postulieren, auf Unklarheiten in der Leistungsbeschreibung hinzuweisen, sodass offen gebliebene Punkte zu seinen Lasten gehen müssten. Je umfangreicher und detaillierter eine Bauleistung ist, desto weniger lässt sich vermeiden, dass die Leistungsbeschreibung von einer Partei mit mehr oder weniger Berechtigung in einzelnen Punkten als ungenau empfunden wird. Deshalb kann es keine allgemeine Regel geben, wonach solche Unklarheiten, die möglicherweise nur subjektiv empfunden sind, kategorisch zu Lasten einer Seite zu lösen wären. Vielmehr kommt es darauf an, wie die Leistungsbeschreibung im konkreten Einzelfall aus Sicht einer objektiven Partei zu verstehen ist. Beruht die Unklarheit auf einem Widerspruch zwischen einer allgemeineren und einer spezielleren Beschreibung der Leistungen des Unternehmers, wird die Auslegung in vielen Fällen ergeben, dass der spezielleren Beschreibung der Vorrang gebührt. Besteht die Unklarheit in einem Widerspruch zwischen dem Textteil der Leistungsbeschreibung, dem Leistungsverzeichnis, und einem Plan, lässt sich allerdings nicht allgemein sagen, wie dieser Widerspruch aufzulösen ist. Auch wenn die einzelnen Positionen des Leistungsverzeichnisses unmittelbar die Grundlage des vom Unternehmer angebotenen Preises darstellen ‒ bei einem Einheitspreisvertrag in der Form, dass sie einzeln mit Preisen versehen werden ‒ kann eine Leistung, die nicht explizit im Leistungsverzeichnis erwähnt wird, dafür aber in einem Plan eingetragen ist, als von der vereinbarten Vergütung erfasst gelten. Dies kommt insbesondere dann in Betracht, wenn aus Sicht einer objektiven Vertragspartei dem Plan eine besondere Bedeutung für die Bestimmung der vertraglichen Leistung und ihrer Vergütung zukommt. Das ist dann der Fall, wenn es um Leistungen geht, die für die Funktionalität der Werkleistung und die durch die Vertragserfüllung entstehenden Kosten von größerer Bedeutung sind. Denn dann ist aus Sicht einer objektiven Partei davon auszugehen, dass ein Unternehmer, der zur Erstellung eines Vertragsangebots die Leistungsbeschreibung durchgeht, sich nicht darauf beschränkt, den Text der Einzelpositionen des Leistungsverzeichnisses zu bepreisen, sondern dass er dabei auch die Pläne zu Rate zieht und auswertet. Sofern ihm dabei das im Textteil fehlende Element der geschuldeten Leistung auffallen muss, besteht für den Unternehmer Anlass, es bei der Preisbildung einzukalkulieren. Dann kann er hierfür keinen Vergütungsnachtrag beanspruchen.
(2)
34
Nach diesen Vorgaben sind aus Sicht einer objektiv urteilenden Vertragspartei die Magerbetonauffüllungen bereits in der ursprünglichen Werkvergütung enthalten. Zwar ist unstreitig, dass sie in den Positionen des Leistungsverzeichnisses, die sich auf die Herstellung der Widerlagerwände beziehen, nicht explizit erwähnt ist, wobei die Parteien den genauen Wortlaut dieser Positionen nicht im Einzelnen vorgetragen haben. Allerdings ist auf den Plänen, die ebenfalls Grundlage der Leistungsbeschreibung in der Ausschreibung waren (Anlage B 5), die Magerbetonauffüllungen eingetragen und als solche bezeichnet. Wenn es ein Bauunternehmer übernimmt, eine Eisenbahnüberführung zu errichten, dann ist die Herstellung des Rohbaus dieser Konstruktion, zu der das Widerlager gehört, von zentraler Bedeutung für den Umfang der Leistungen und die dadurch entstehenden Kosten, von denen sich ein Unternehmer ein Bild verschaffen muss, um ein Angebot für seine Leistungen unterbreiten zu können. Aus diesem Grund wird ein Unternehmer, der die einzelnen Positionen des Leistungsverzeichnisses durchgeht, dies nicht tun, ohne dabei die zu den Ausschreibungsunterlagen gehörende Darstellung der Eisenbahnüberführung zu berücksichtigen, in der Form, Anordnung sowie Maße und Dimensionen der einzelnen Bauteile eingezeichnet sind. Da der Unternehmer mit dem in Rede stehenden Vertrag nicht nur mit einzelnen Teilleistungen, sondern der vollständigen Errichtung der Eisenbahnüberführung beauftragt werden sollte, ist für ihn erkennbar, dass dazu nach den Planungen auch die Verfüllung bestimmter näher bezeichneter Räume hinter den Widerlagerwänden mit Magerbeton gehört und er folglich diese Leistung in die entsprechenden Positionen des Leistungsverzeichnisses einzukalkulieren hat. Die fehlende Erwähnung des Wortes “Magerbetonauffüllung” im Text ist vor diesem Hintergrund unschädlich, denn ein Leistungsverzeichnis beschreibt die von einem Unternehmer auszuführenden Leistungen häufig nur grob in Stichworten und muss deshalb in vielen Fällen näher ausgelegt werden. Ebenso unerheblich ist, dass die Magerbetonauffüllung vor dem Hintergrund des Gesamtumfangs der vertraglichen Leistung von eher untergeordneter Bedeutung ist. Entscheidend ist, dass sie in Zusammenhang mit Bauleistungen steht, die für die Funktionalität, die Kosten und den wirtschaftlich erfolgreichen Abschluss eines Bauvorhabens von zentraler Bedeutung sind und dass sie auf dem maßgeblichen Plan unschwer als Bestandteil der beauftragten Leistung zu erkennen war.
35
Da die Klägerin diese Auffüllungen daher von Anfang an einpreisen musste, kann sie hierfür keine zusätzliche Vergütung beanspruchen.
(3)
36
Indem die Beklagte von der Klägerin die Magerbetonauffüllungen verlangte, hat sie weder die beauftragten Leistungen geändert (§
2 Abs. 5 VOB/B), eine zusätzliche Leistung (§
2 Abs. 6 VOB/B) begehrt oder vergütungspflichtig beauftragt. Vielmehr liegt in diesem Verlangen aus Sicht einer objektiven Vertragspartei lediglich der Abruf einer bereits vereinbarten Leistung, der keine Mehrvergütung auszulösen vermag. Dies gälte selbst dann, wenn die Beklagte der Klägerin entgegen dieser Erkenntnis wegen der in Rede stehenden Leistung ausdrücklich eine Mehrvergütung zugesagt haben sollte; vor dem Hintergrund der Auslegung der vertraglichen Preisvereinbarung ist eine solche Zusage nicht bindend, solange in ihr nicht der Verzichts- bzw. Vergleichswille des Bestellers zum Ausdruck kommt (vgl. BGH, Urteil vom 8. März 2012,
VII ZR 177/11; Urteil vom 26. April 2005,
X ZR 166/04), woran es hier fehlt (vgl. Anlage K 7).
b)
37
Für den Nachtrag 233 kann die Klägerin eine Abschlagszahlung von 30.858,26 € beanspruchen.
38
Wegen der mit diesem Nachtrag abgerechneten Abdeckungen der Kabelkanäle in den Randkappen gemäß der Titel 14, 19, 20 und 21 des Leistungsverzeichnisses steht der Klägerin eine zusätzliche Vergütung in dieser Höhe aus §
2 Abs. 6 VOB/B zu.
aa)
39
Indem die Beklagte die Klägerin zur Ausführung dieser Abdeckungen aufforderte, verlangte sie von ihr eine zusätzliche Leistung gemäß §
2 Abs. 6 VOB/B. Anders als die Magerbetonauffüllungen hinter den Widerlagerwänden waren diese Abdeckungen bei den Bauteilen der Titel 14, 19, 20 und 21 nicht in die von den Parteien bei Auftragserteilung vereinbarten Vergütung einzupreisen. Dies ergibt die Auslegung der Leistungsbeschreibung aus der Sicht einer objektiven Vertragspartei.
(1)
40
Für diese Auslegung ist zunächst bedeutsam, dass im Leistungsverzeichnis nicht nur eine Position über die Kabelkanalabdeckung hinsichtlich der Randkappen der Titel 14, 19, 20 und 21 fehlt, so wie die Erwähnung der Magerbetonauffüllungen fehlt. Es kommt hinzu, dass andere Kanalabdeckungen, nämlich diejenigen der Randkappen der Titel 17 und 18, in eigenen Positionen des Leistungsverzeichnisses aufgeführt sind und von der Klägerin bepreist wurden. Wenn diese Abdeckungsposition in den anderen Titeln fehlt, lässt dies den Schluss zu, dass die Abdeckung dort ‒ aus welchen Gründen auch immer ‒ nicht ausgeführt werden soll. Zwar kann ein Bieter, der die zu den Ausschreibungsunterlagen gehörenden Pläne anschaut, bei genauer Betrachtung feststellen, dass dort bei sämtlichen Randkappen, auch denjenigen der Titel 14, 19, 20 und 21 eine Abdeckung auf dem Kabelkanal eingetragen ist. Dieses Plandetail deutet in der Tat darauf hin, dass das Leistungsverzeichnis unvollständig ist, wenn es für diese Titel die entsprechende Position nicht enthält. Anders als bei den Magerbetonauffüllungen ist dieser Widerspruch zwischen Leistungsverzeichnis und Zeichnungen, aber nicht derart deutlich und bedeutsam, dass er einem Bieter ins Auge springen muss. Aus der bloßen Erkennbarkeit des Widerspruchs bei genauer Lektüre aller Unterlagen kann nicht bereits abgeleitet werden, dass er jedem Unternehmer auffallen muss und von ihm folglich sämtliche Abdeckungen einzupreisen sind. Denn stellte man in diesem Sinne auf die bloße Erkennbarkeit ab, liefe dies auf die einseitige Zuweisung des Risikos von Unklarheiten an den Unternehmer hinaus. Dies ist ebenso unberechtigt wie der umgekehrte Ansatz, wonach der Besteller die Verantwortung für jeden Widerspruch und jede Unklarheit tragen soll. Diese einseitigen Lösungen sind deshalb nicht überzeugend, weil sie von der betroffenen Vertragspartei bei Aufstellung bzw. Auswertung der Leistungsbeschreibung vollkommene Fehlerfreiheit verlangen, was lebensfern ist und deshalb nicht als Ansatz taugt, um einen Vertrag aus objektiver Sicht auszulegen. Stattdessen kommt es aus Sicht des Senats darauf an, ob der Widerspruch zwischen Leistungsverzeichnis und Plan so gewichtig ist, dass er einem Unternehmer im Zuge der Bepreisung des Leistungsverzeichnisses auffallen muss, wobei dem Unternehmer ‒ genau wie dem Besteller ‒ zuzubilligen ist, dass unstimmige Details von nachrangiger Bedeutung übersehen werden können.
(2)
41
Bei der in den Plänen eingetragenen Abdeckung der Kabelkanäle in sämtlichen Randkappen, die in den Leistungsverzeichnissen bei den Titeln 14, 19, 20 und 21 fehlt, handelt es sich um solch ein unstimmiges Detail von nachrangiger Bedeutung. Natürlich hätte es einem Unternehmer bei der Auswertung der Leistungsbeschreibung auffallen können und er hätte ‒ ggf. nach Nachfrage bei der Beklagten ‒ zu dem Schluss kommen können, das offenbar bei sämtlichen Randkappen die Kabelkanäle abzudecken und diese Leistung also einzukalkulieren ist. Diese Erkenntnis hilft aber nicht weiter, denn mit dem gleichen Recht ließe sich den Beklagten vorhalten, dass sie das Fehlen der entsprechenden Positionen in den Titeln 14, 19, 20 und 21 ihres Leistungsverzeichnisses hätten bemerken können. Entscheidend ist, dass die Abdeckung der Kabelkanäle für die Kosten und den wirtschaftlich erfolgreichen Abschluss eines Bauvorhabens nicht von zentraler Bedeutung ist. Sie mag auch eine wichtige Funktion erfüllen (Abdeckung der Kabel, Ermöglichung eines Notwegs), aber es handelt es sich um eine verhältnismäßig einfache und nicht sehr kostenträchtige Baumaßnahme. Auch ihre Eintaktung in den Bauablauf ist nicht sehr bedeutsam, vielmehr kann eine fehlende oder vergessene Abdeckung ohne zusätzlichen Aufwand in der erforderlichen Anzahl nachgefertigt und nachträglich verlegt werden. Deshalb ist nach Einschätzung des Senats davon auszugehen, dass ein Unternehmer bei der Auswertung und Bepreisung des Leistungsverzeichnisses dem Aspekt der Abdeckung der Kabelkanäle keine übergroße Aufmerksamkeit beimisst, er deshalb den Widerspruch zwischen Plan zu dem Leistungsverzeichnis nicht bemerken muss. Somit kann er sich bei der Bepreisung am Leistungsverzeichnis orientieren, das nicht durch Details aus den Plänen ergänzt ist. Dies führt zu dem Ergebnis, dass bei den Randkappen der Titel 14, 19, 20 und 21 die Kanalabdeckung aus Sicht einer objektiven Vertragspartei nicht eingepreist ist.
42
Der Fall liegt hier also anders als bei den Magerbetonauffüllungen. Gemessen am Gesamtumfang des Bauvorhabens führen diese zwar auch nicht zu erheblichen Mehrkosten, sie stehen aber in engem Zusammenhang mit der bedeutsamen Herstellung der Rohbaukonstruktion für die Eisenbahnüberführung, deren Einzelheiten bei der Kalkulation des Vertragsangebots auch im Hinblick auf die Planung des Bauablaufs bedeutsam waren. Da die Eintragung der Magerbetonauffüllung in den Plänen zudem beschriftet und deutlicher zu erkennen ist, als die nur bei genauem Hinsehen erkennbaren Kanalabdeckungen, meint der Senat, dass ein Unternehmer zwar die Ungenauigkeit des Leistungsverzeichnisses hinsichtlich des Magerbetons erkennen musste, bei den Abdeckungen hingegen nicht.
bb)
43
Der Mehrvergütungsanspruch der Klägerin wegen der Abdeckungen beläuft sich auf 30.858,26 €.
(1)
44
Grundlage des Mehrvergütungsanspruchs aus §
2 Abs. 5 und 6 VOB/B sind nach Auffassung des Senats die tatsächlichen Mehr- oder Minderkosten, die dem Unternehmer aufgrund der Leistungsänderung entstehen. Die Preiskalkulation des Unternehmers ist nur ein Hilfsmittel bei der Ermittlung dieser Kostendifferenz. Ist die Preisermittlung zwischen den Parteien umstritten, kommt es nicht auf die Kosten an, die der Unternehmer in seiner Kalkulation angesetzt hat, sondern auf diejenigen, die ihm bei Erfüllung des nicht geänderten Vertrages tatsächlich entstanden wären bzw. aufgrund der Leistungsänderung tatsächlich entstehen. Sind die Kostenansätze zur Ermittlung der tatsächlichen Mehrkosten eines Unternehmers, die er unter Bezugnahme auf seine Kalkulation vorträgt, unstreitig, können sie aber zur Ermittlung seiner Mehrvergütung herangezogen werden. Dies allerdings nicht, weil der Unternehmer so kalkuliert hat, sondern weil der Inhalt der Kalkulation unstreitig ist und er deshalb im Zweifel den maßgeblichen tatsächlichen Kosten entspricht (vgl. KG, Urteil vom 10. Juli 2018,
21 U 30/17).
45
Diese Sichtweise hält der Senat nach wie vor uneingeschränkt für zutreffend, zumal mittlerweile auch der Bundesgerichtshof ausdrücklich entschieden hat, dass für die Ermittlung des neuen Einheitspreises in der ähnlich gelagerten Fallgestaltung des §
2 Abs. 3 Nr. 2 VOB/B ebenfalls die tatsächlich erforderlichen Kosten zuzüglich angemessener Zuschläge maßgeblich sind und nicht eine “vorkalkulatorische Preisfortschreibung” (BGH, Urteil vom 8. August 2019,
VII ZR 34/18).
(2)
46
Die an der Entscheidung des Senats vereinzelt geäußerte Kritik (Roquette/Oriwol, BauR 2018, 1775; Bosse/Lederer, jurisPR-PrivBauR 11/2018, Anm. 2; Weise, NJW-Spezial 2018, 492) überzeugt nicht. Der Senat hat im Einzelnen und anhand von mehreren Berechnungsbeispielen dargelegt, dass der angeblich so tiefgreifende Unterschied zwischen der aus seiner Sicht richtigen Preisfortschreibung anhand tatsächlicher Mehrkosten und der sog. “vorkalkulatorischen Preisfortschreibung” nur für zwei Punkte Bedeutung haben kann, sofern die Parteien nicht explizit ein Berechnungsverfahren für die Preisermittlung vereinbart haben: Einerseits bei der Ermittlung der Bemessungsgrundlage für die Mehrvergütung - die änderungsbedingten Mehrkosten nach der Formel M = N - A -, zum anderen bei der Frage, ob ein eventueller Zuschlagsfaktor für die Preisermittlung der Kalkulation zu entnehmen ist oder ob er unter Berücksichtigung der tatsächlichen Kosten des Unternehmers aus den vereinbarten Preisen herzuleiten ist (vgl. KG, Urteil vom 10. Juli 2018,
21 U 30/17, Rz. 51 ff).
47
Die Urteilsbesprechungen von Roquette/Oriwol, Bosse/Lederer und Weise setzen sich mit diesen Überlegungen nur sehr oberflächlich auseinander. Wenn die Sichtweise des Senats offenbar den Denkgewohnheiten dieser Autoren widerspricht, wird man dies nicht als Einwand gelten lassen können. Denn im juristischen Diskurs zählen nicht Gewohnheiten, sondern das bessere Argument und die sorgfältige Auseinandersetzung mit den Argumenten der Gegenseite. Dies bringt es mit sich, dass man sich mitunter auf einen neuen Gedanken einlassen muss, was unbequem sein kann. Aber nur so ist Erkenntnisfortschritt möglich.
48
Ist aber der Ausgangspunkt zutreffend, wonach sich vorkalkulatorische und tatsächliche Preisfortschreibung nur in der Ermittlung der Eingangsgrößen für die Preisfortschreibung unterscheiden, so hält es der Senat für zwingend, bei umstrittener Preisermittlung den tatsächlichen und nicht den kalkulierten Kostenansätzen den Vorzug zu geben. Andernfalls bestünde für den Unternehmer die Möglichkeit, durch eine Kalkulation, in der die Preisbestandteile von der Kostendeckung in den Zuschlag verschoben werden, sich eine erhöhte Mehrvergütung „herbeizukalkulieren“. Dafür gibt es kein berechtigtes Bedürfnis, solange die Parteien nicht unmissverständlich die Maßgeblichkeit einer solchen Kalkulation vereinbart haben. Davon ist im Regelfall aber gerade nicht auszugehen, denn nach der überzeugenden Rechtsprechung des BGH ist die Kalkulation des Unternehmers keine Geschäftsgrundlage des Bauvertrags ist und wird selbst dann nicht von Besteller in seinen Geschäftswillen aufgenommen, wenn sie bei Auftragserteilung offengelegt wird (BGH, Urteil vom 10. September 2009,
VII ZR 152/08, Rn. 36 m.w.N.).
49
Entgegen Roquette/Oriwol wird damit keineswegs allen Unternehmern Preisspekulation unterstellt (BauR 2018, 1775, 1780). Es geht lediglich darum, eine Methode der Preisermittlung zu vermeiden, die Preisspekulation ermöglicht. Die Richtigkeit dieses Ansatzes liegt nach Meinung des Senats auf der Hand. Auch den Wortlaut von §
2 Abs. 6 VOB/B hat der Senat nicht außer Acht gelassen. Dieser ist genau wie der Wortlaut von §
2 Abs. 5 VOB/B und derjenige von §
2 Abs. 3 VOB/B (vgl. hierzu BGH, Urteil vom 8. August 2019,
VII ZR 34/18) hinsichtlich der Entscheidung zwischen tatsächlicher und vorkalkulatorischer Preisfortschreibung nicht eindeutig. Hilft damit das Wortlautargument nicht weiter, kommt es zwingend auf systematische Überlegungen an, die den Ausschlag zugunsten der tatsächlichen Mehrkosten geben müssen, wie der Senat herausgearbeitet hat. Dass es dem Senat bei der Entwicklung dieses Ansatzes darum gegangen ist, aus der Systematik der VOB/B einen Ansatz zu entwickeln, der auch praxistauglich ist, wie Roquette/Oriwol zutreffend erkannt haben (BauR 2018, 1782), wird man ebenfalls nicht ernsthaft als Kritikpunkt gelten lassen können. Die Rechtswissenschaft ist eine praktische Disziplin, die sich im konkreten Fall bewähren muss. Unpraktikable Lösungen sind deshalb keineswegs Ausdruck eines gelungenen systematischen Ansatzes.
(3)
50
Wenn der Senat der Auffassung ist, dass es für die Ermittlung der Mehrvergütung auf die tatsächlichen Kosten des Unternehmers ankomme, folgt daraus keineswegs, dass seine Kalkulation damit ohne Belang wäre. Denn auch bei der Preisfortschreibung anhand der tatsächlichen Kosten ist es im Regelfall erforderlich, die vereinbarte Vergütung in ihre Bestandteile aufzugliedern, um den Deckungsbeitrag für die Kosten A zu ermitteln, der für die Ermittlung der Mehrkosten gemäß der Formel M= N ‒ A maßgeblich ist (vgl. KG, Urteil vom 10. Juli 2018,
21 U 30/17, Rz. 89 ff). Wenn der Unternehmer auch die durch die Leistungsänderung bedingten Kosten der geänderten Leistung (= Kosten N) kalkuliert haben sollte, so kann er auch insoweit auf seine Kalkulation Bezug nehmen. Die Mehrkosten sind dann im Ergebnis gemäß der Kalkulation zu ermitteln, aber nicht weil die Kalkulation im Streitfall maßgeblich wäre, sondern weil sie unstreitig geblieben ist und bessere Erkenntnisse über ihre tatsächlichen Kosten fehlen.
cc)
51
Im vorliegenden Fall beläuft sich die Mehrvergütung der Klägerin wegen der Kabelkanalabdeckungen auf 30.858,26 €.
(1)
52
Der Nachtrag 233 umfasst drei unterschiedliche Positionen über die Herstellung und den Einbau der Abdeckungen, nämlich die Positionen 62.33.0001 (= 01), 62.33.0002 (= 02) und 62.33.0003 (= 03). Die Positionen 01 und 02 beziehen sich auf unterschiedliche Abdeckungen mit einer Breite von 127,5 cm und belaufen sich auf einen Einheitspreis von 41,06 €. Die Position 03 bezieht sich auf eine Abdeckung von 77 cm Breite und beläuft sich auf 29,27 €.
(2)
53
Diese Einheitspreise hat die Klägerin wie folgt ermittelt:
54
Sie ist von den beiden bepreisten Abdeckungspositionen des Leistungsverzeichnisses ausgegangen, nämlich 17.7.70 über eine Abdeckung der Breite von 64 cm zu einem Preis von 26,82 € und 18.7.70 über eine Abdeckung der Breite von 100 cm zu einem Preis von 35,38 €. Diese beiden mit der Beklagten vereinbarten Preise hat die Klägerin anhand ihrer Kalkulation sodann wie folgt aufgegliedert:
55
Die Klägerin hat ihre Lohnkosten mit 30,00 € / h zuzüglich einer Umlage von 65,38 % angesetzt. Auf die verarbeiteten Stoffe nimmt sie eine Umlage von 25 % vor. In den Positionen 17.7.70 und 18.7.70 hat sie eine Arbeitszeit von 0,3 h vorgesehen, was bedeutet, dass die gemittelte Einbauzeit einer Platte einschließlich Vor- und Nacharbeiten 18 Minuten beträgt, was 9,00 €, bzw. 14,76 € einschließlich Umlage entspricht. Daneben hat die Klägerin für die einzubauende Platte der Breite 64 cm (Position 17.7.70) 9,65 € einkalkuliert, was 12,06 € einschließlich Umlage entspricht, bei einer Breite von 100 cm (Position 18.7.70) 16,50 €, bzw. 20,62 € einschließlich Umlage. Es errechnen sich die Einheitspreise von 26,82 € (Position 17.7.70) bzw. 35,38 € (Position 18.7.70).
56
Die Einheitspreise 62.33.0001, 62.33.0002 und 62.33.0003 des Nachtrags ermittelt die Klägerin in der Form, dass sie die Arbeitskosten gegenüber den Positionen 17.7.70 und 18.7.70 unverändert lässt, was bedeutet, dass die Abdeckplatten der Nachtragspositionen, die eine andere Breite aufweisen, ebenfalls gemittelt in jeweils 18 Minuten eingebaut werden können. Sie modifiziert nur die Kosten der Abdeckplatte, die bei den Nachtragspositionen 01 und 02 mit 21,04 €, also 26,30 € einschließlich Umlage, und bei der Position 03 mit 11,61 €, also 14,51 € einschließlich Umlage angesetzt werden. Es errechnen sich die Einheitspreise von 41,06 € (Positionen 01 und 02) bzw. 29,27 € (Position 03). Zu den Einzelheiten vgl. die Anlage K 17.
(3)
57
Diese Darlegung der änderungsbedingten Mehrkosten durch die Klägerin ist schlüssig. Sie besagen, dass der Klägerin durch die hinzukommende Abdeckung der Kabelkanäle in den Randkappen der Titel 14, 19, 20 und 21 der Mehraufwand entstanden ist, der in der Herstellung bzw. Beschaffung der Abdeckplatten und ihrer Verlegung liegt. Diesen Mehraufwand ermittelt die Klägerin entsprechend den bepreisten Positionen des Leistungsverzeichnisses einzig mit dem Unterschied, dass sich die Kosten der Beschaffung einer Abdeckplatte je nach Breite der Platte unterscheiden.
58
Die Kalkulation der Klägerin ist unstreitig geblieben. Die Beklagte verweist lediglich darauf, dass die Klägerin ihre Mehrkosten nicht ordnungsgemäß aus der Kalkulation hergeleitet habe. Dies ist aber, wie dargelegt, in der Anlage K 17 geschehen. Ein Bestreiten liegt in dem Einwand der Beklagten nicht.
59
Deshalb ist weiter davon auszugehen, dass die Kalkulation der Klägerin die ihr durch die Leistung entstehenden tatsächlichen Kosten zutreffend wiedergibt. Denn dies ist die Hauptaufgabe einer jeden Preiskalkulation. Deshalb basieren die auf dieser Basis ermittelten Einheitspreise im Zweifel auf den tatsächlichen Mehrkosten. Da die Klägerin außerdem dieselben Umlagen auf Arbeits- und Materialkosten verwendet hat wie bei den Positionen 17.7.70 und 18.7.70, ist in ihren Nachtragspreis im Zweifel derselbe Zuschlagsfaktor auf die tatsächlichen Kosten eingeflossen wie in den mit der Beklagten vereinbarten Preis (vgl. KG, Urteil vom 10. Juli 2018,
21 U 30/17), was im Zweifel dem nach dem BGH jedenfalls für §
2 Abs. 3 Nr. 2 VOB/B maßgeblichen angemessenen Zuschlag entspricht (vgl. BGH, Urteil vom 8. August 2019,
VII ZR 34/18).
60
Die Anzahl der von der Klägerin eingebauten Abdeckplatten ist unstreitig, sodass sich der von ihr für den Nachtrag 233 geltend gemachte Gesamtbetrag errechnet.
dd)
61
Die Klägerin hatte der Beklagten ihren Mehrvergütungsanspruch gemäß §
2 Abs. 6 Nr. 1 VOB/B angekündigt, nämlich mit Schreiben vom 10. Februar 2015 (Anlage K 16).
3.
62
Der Zinsanspruch ergibt sich aus §§
280,
286,
288 Abs. 2 BGB, wobei zu beachten ist, dass sich die Zinshöhe noch auf acht Prozentpunkte über dem jeweiligen Basiszinssatz beläuft, da der Vertrag nicht nach dem 28. Juli 2014 geschlossen wurde (vgl. Art.
229 § 34 S. 1 EGBGB).
4.
63
Die Kostenentscheidung beruht auf §
92 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§
708 Nr. 10,
711 ZPO.
5.
64
Die Revision wird nicht zugelassen, da die Sache keine grundsätzliche Bedeutung hat und auch die Einheitlichkeit der Rechtsprechung keine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert. Zwar ist die Frage der Preisermittlung nach §
2 Abs. 5 und 6 VOB/B trotz des Urteils des Bundesgerichtshofs vom 8. August 2019 (
VII ZR 34/18) noch nicht vollständig geklärt, da sich dieses auf die Preisermittlung nach §
2 Abs. 3 Nr. 2 VOB/B bezieht. Da im vorliegenden Fall die zugrundegelegte Kalkulation der Klägerin aber in ihrem Inhalt nicht umstritten war, kommt - jedenfalls nach dem Verständnis des Senats - die Preisermittlung anhand tatsächlicher Mehrkosten zu demselben Ergebnis wie die “vorkalkulatorische Preisfortschreibung”.