18.10.2021 · IWW-Abrufnummer 225271
Vergabekammer Baden-Württemberg: Beschluss vom 12.04.2021 – 1 VK 3/21
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Vergabekammer Karlsruhe
Tenor
I.
1
Mit EU-weiter Bekanntmachung vom 01.07.2020 hat die Vergabestelle die Ingenieurplanungsleistungen für den Ersatzneubau der BBC-Brücke im Verhandlungsverfahren ausgeschrieben. Neben anderen Bietern haben sowohl die Antragstellerin als auch die Beigeladene fristgerecht ein Angebot abgegeben.
2
Die Zuschlagskriterien waren wie folgt in den Vergabeunterlagen angegeben:
3
Zuschlagskriterien
4
1.
Personelle Besetzung
Gewichtung = 15 %
-
Projektleiter/in
Darlegung des persönlichen Erfahrungshintergrundes (u.a. Referenzprojekte) bzw. der persönlichen Kenntnisse (z.B. Darlegung des beruflichen Werdegangs, Darlegung der Fortbildungsmaßnahmen) sowie der Einbindung in andere Projekte (zeitliche Verfügbarkeit)
Gewichtung = 5 %
-
Stellvertretende/r Projektleiter/in
Darlegung des persönlichen Erfahrungshintergrundes (u.a. Referenzprojekte) bzw. der persönlichen Kenntnisse (z.B. Darlegung des beruflichen Werdegangs, Darlegung der Fortbildungsmaßnahmen) sowie der Einbindung in andere Projekte (zeitliche Verfügbarkeit)
Gewichtung = 2,5 %
-
Projektbearbeiter/innen (Mitarbeiter für die einzelnen Aufgaben)
Darstellung der zeitlichen Verfügbarkeit und der Einbindung in anderen Projekten. Darstellung der konkret vorgesehenen Aufgabenverteilung innerhalb des Projektteams.
Darlegung des persönlichen Erfahrungshintergrundes (u.a. Referenzprojekte) bzw. der persönlichen Kenntnisse (z.B. Darlegung des beruflichen Werdegangs, Darlegung der Fortbildungsmaßnahmen) sowie der Einbindung in andere Projekte (zeitliche Verfügbarkeit)
Gewichtung = 5 %
-
Darstellung der kurzfristigen Verfügbarkeit vor Ort in Planungs - und Ausführungsphase
Gewichtung = 2,5 %
5
2.
Qualitätssicherung / Fachtechnische Lösungsansätze
G ewichtung = 20 %
Darstellung der Herangehensweise an komplexe fachtechnische Aufgabenstellungen. Die Darstellung soll durch Zeichnungen, Skizzen, Diagramme, Tabellen u. ä., die die Arbeitsweise verdeutlichen, erfolgen.
Es sollen Ansätze der Problemlösungen und Lösungsmöglichkeiten anhand von Arbeitsbeispielen in folgenden Maßnahmenbereichen vorgestellt werden, die im Auftragsfall für die ausschreibungsgegenständliche Maßnahme Anwendung finden.
-
Ablauf- und Projektorganisation / Terminsicherung
Gewichtung = 10 %
Es werden Aussagen zur Darstellung der Arbeitsweise, wie Terminkontrollmechanismen, Angaben zum Vorgehen bei der Grob- und Detailterminplanung, sowie Ansätze zur Problemlösung, wie Umgang mit angekündigten und nicht angekündigten Verzögerungen, mit der Untermalung durch Beispiele erwartet.
-
Kosten- und Optimierungsmaßnahmen
Gewichtung = 5 %
Es werden Aussagen zur Darstellung der Arbeitsweise, wie Vorgehen, Methoden und Werkzeuge zu Erstellung und Überprüfung der Kostenermittlungen nach DIN 276, Kostenkontrolle/Vergleich der bepreisten Leistungsverzeichnisse mit Kostenberechnung, sowie Ansätze zur Problemlösung, wie Umgang mit Änderungen und daraus resultierenden Nachträgen (Claimmanagement), mit der Untermalung durch Beispiele erwartet.
-
Qualitätssicherung
Gewichtung = 5 %
6
Es werden Aussagen zur Darstellung der Arbeitsweise, wie Instrumente zur Optimierung der Prozesse, Bemusterungsvorgänge, Einbindung des AG in die Qualitätsprozesse, sowie Ansätze zur Problemlösung, wie Kontrollinstrumente, Umgang mit Schnittstellen, mit der Untermalung durch Beispiele erwartet.
7
3.
Strukturelle Herangehensweise an das konkrete Projekt / Projektanalyse
Gewichtung = 25 %
-
Analyse der Projektaufgabe mit Darstellung der erwarteten Schwierigkeiten bzw. Herausforderungen
Gewichtung = 15 %
-
Darstellung von möglichen Lösungsansätzen der zu erwartenden Herausforderungen
Gewichtung = 10 %
8
4.
Honorarangebot
Gewichtung = 40 %
-
Der Preis steht im Wettbewerb. Die Honorarkonditionen sind mittels des zur Verfügung gestellten Honorarformblattes anzubieten.
Gewichtung = 40 %
Das Honorar wird wie folgt gewertet:
Das im Vergleich günstigste Honorarangebot erhält 5 Punkte. Die Punktzahlen aller weiteren Angebote werden wie folgt ermittelt: Der Preis des günstigsten Angebots wird durch den Preis des jeweiligen, zu wertenden Angebots dividiert und das Ergebnis mit 5 multipliziert. Das Ergebnis wird auf 2 Stellen nach dem Komma gerundet.
9
Die Zuschlagskriterien 1. bis 3. werden jeweils mit Punkten 1 bis 5 bewertet und wie zuvor dargestellt prozentual gewichtet. Es wird darauf hingewiesen, dass auch Zwischenwerte, z.B. 2,5 Punkte seitens des Wertungsgremiums vergeben werden können. Insgesamt können also mit Gewichtung maximal 500 Punkte vergeben werden.
10
Die Punkte werden wie folgt ermittelt:
11
5 Punkte: sehr gut
12
4 Punkte: gut
13
3 Punkte: befriedigend
14
2 Punkte: ausreichend
15
1 Punkt: mangelhaft
16
Mit dem vorliegenden Nachprüfungsantrag verfolgt die Antragstellerin in erster Linie eine Neubewertung ihres Angebots bei den qualitativen Zuschlagskriterien, indem sie in jeder Kategorie die Bestbenotung erhalten will, obwohl sie bereits unter allen Bewerbern in diesem Bereich im Ergebnis die meisten Punkte erhalten hatte.
17
Mit ihrem Nachprüfungsantrag vom 03.02.2021 hat die Antragstellerin nach voriger erfolgloser Rüge beantragt:
18
1. der Antragsgegnerin zu untersagen, den Zuschlag auf das Angebot der Beizuladenden zu erteilen;
19
2. die Antragsgegnerin zu verpflichten, das Angebot der Antragstellerin unter Berücksichtigung der in der nachfolgenden rechtlichen Würdigung benannten Punkte neu zu werten und die Bieter über das Ergebnis der Neu-Wertung gemäß § 134 Abs. 1 GWB erneut zu unterrichten;
20
3. hilfsweise, die Antragsgegnerin zu verpflichten, das Ausschreibungsverfahren aufzuheben bzw. in den Stand vor Vergaberechtsverstoß zurückzuversetzen und ‒ sofern die Antragsgegnerin an dem Beschaffungsvorhaben festhält ‒ das Vergabeverfahren unter Beachtung der Rechtsauffassung der Vergabekammer insoweit zu wiederholen;
21
4. der Antragsgegnerin die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen; einschließlich der zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Aufwendungen der Antragstellerin;
22
5. die Hinzuziehung des Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin für notwendig zu erklären
23
Als Rügen führt sie umfangreich folgende Vergaberechtsverstöße aus:
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Die Wertung sei rechtsfehlerhaft bei diversen Einzelkriterien, es seien nicht bekanntgemachte Unterkriterien gebildet worden, die Aufklärung bei dem Angebot der Beigeladenen sei rechtsfehlerhaft erfolgt.
25
Die für den Zuschlag vorgesehene Bieterin wurde durch Beschluss der Vergabekammer vom 10.02.2021 zum Verfahren beigeladen.
26
Die Vergabekammer hat der Antragstellerin und der Beigeladenen jeweils am 16.02.2021 unter Wahrung der Geschäftsgeheimnisse Akteneinsicht erteilt.
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Mit der Antragserwiderung vom 15.02.2021 hat die Antragsgegnerin beantragt:
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1. Die Anträge Nr. 1 bis 5 der Antragstellerin vom 03.02.2021 werden zurückgewiesen.
29
2. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.
30
Sie tritt dem Nachprüfungsantrag umfassend entgegen und verteidigt die Wertung mit neuen Argumenten, die in der bisherigen Bewertungsmatrix nicht explizit benannt worden waren.
31
Mit Schreiben vom 17.02.2021 hat die Beigeladene sich ohne Antragstellung sachlich dem Nachprüfungsantrag voll entgegengestellt.
32
Auf den rechtlichen Hinweis der Vergabekammer vom 19.02.2021 hat die Antragsgegnerin die Wertung mit Wertungsmatrix vom 01.03.2021 neu erstellt und den Beteiligten jeweils ihre Wertung mit Schreiben vom 02.03.2021 übersandt.
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Die Beteiligten haben mit Schreiben vom 24.03.21 und vom 30.03.2021 die Zustimmung zur Entscheidung nach Lage der Akten erteilt. Die Beigeladene hat zusätzlich nunmehr auch förmlich die Zurückweisung des Nachprüfungsantrags beantragt.
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Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die umfangreichen Schriftsätze aller Beteiligten samt Anlagen und die Vergabeunterlagen der Antragsgegnerin, die der Vergabekammer vorlagen, verwiesen.
35
Die 5-Wochenfrist des § 167 Abs. 1 Satz 1 GWB wurde durch Verfügungen des Vorsitzenden vom 05.03.2021 bis zum 31.03.2021 und vom 30.03.21 bis zum 16.04.2021 verlängert.
II.
36
Die Vergabekammer konnte nach § 166 Abs. 1 Satz 3 GWB ohne mündliche Verhandlung entscheiden, da alle Beteiligten einer Entscheidung nach Lage der Akten zugestimmt haben.
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Der Nachprüfungsantrag ist überwiegend zulässig, aber nicht begründet und war daher zurückzuweisen.
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A. Zulässigkeit
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1.) Das Vergabenachprüfungsverfahren ist statthaft. Gemäß §§ 155, 156 Abs. 2 GWB unterliegt die Vergabe öffentlicher Aufträge der Nachprüfung durch die Vergabekammern. Die Antragsgegnerin ist öffentlicher Auftraggeber nach §§ 98, 99 Nr. 1 GWB.
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2.) Der Schwellenwert nach §§ 106 Abs. 1, 2 Nr. 1 GWB ist erreicht. Die örtliche und sachliche Zuständigkeit der Vergabekammer Baden-Württemberg ergibt sich aus § 159 Abs. 3 GWB, § 1 VNPVO.
41
3.) Die Antragstellerin ist ihren Rügeobliegenheiten nach § 160 Abs. 3 Nr. 2 GWB größtenteils nachgekommen.
42
Dies ist für die Rügen einzeln zu betrachten. Die Rügen zu den Einzelbewertungen und zur behaupteten fehlerhaften Angebotsaufklärung konnte die Antragstellerin erst nach Mitteilung der Ergebnisse im Zuge der beabsichtigten Zuschlagsentscheidung erheben.
43
Dies gilt nicht für die Rüge der nicht bekanntgemachten Bildung von gleichgewichteten Unterkriterien. Bereits aus den Vergabeunterlagen ergab sich, dass hierzu keine Angabe ersichtlich war, wie und in welchem Verhältnis die Antragsgegnerin diese Themenvorgaben werten wollte. Hätte die Antragstellerin dies interessiert, hätte sie bei Angebotserstellung auf diesen Punkt aufmerksam werden und dies rügen müssen.
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4.) Die Antragstellerin ist nach § 160 Abs. 2 GWB als Unternehmen auch antragsbefugt. Sie hat ein Angebot abgegeben und verfolgt ihre Interessen im Nachprüfungsantrag weiter.
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Folgte man der Auffassung nicht, dass die Rüge der nicht bekanntgegebenen gleichgewichten Unterkriterien präkludiert ist, wäre hier die Antragsbefugnis insoweit zu verneinen gewesen, weil die Antragstellerin trotz Hinweises der Vergabekammer nichts dafür vorgetragen hat, wie sie ihr Angebot anders strukturiert hätte, wenn sie die gleiche Gewichtung der Unterkriterien gekannt hätte. Hätte sie das Angebot aber nicht anders abgegeben, fehlt es ersichtlich an einer Chancenverschlechterung durch diesen Vergabeverstoß, sodass sie sich nicht mit Erfolg darauf berufen kann.
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5.) Die Antragstellerin hat den Antrag entsprechend § 160 Abs. 3 Nr. 4 GWB innerhalb von 15 Kalendertagen nach der Mitteilung vom 26.01.2021, der Rüge nicht abhelfen zu wollen, am 03.02.2021 und mithin innerhalb von 15 Kalendertagen bei der Vergabekammer eingereicht.
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B. Begründetheit
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Die Rügen sind jedoch unbegründet, sodass die Antragstellerin nicht in ihren Rechten nach § 97 VI GWB verletzt ist. Der Nachprüfungsantrag war daher im Ergebnis zurückzuweisen.
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a) Fehlerhafte Aufklärung beim Angebot der Beigeladenen
50
Eine Aufklärungspflicht bestand schon deshalb nicht, da die Grenze von 20% des Angebots der Beigeladenen zu dem nächsthöheren Angebot - wenn auch knapp bereits nicht erreicht ist. Die Vergabekammer ist der Auffassung, dass wenn keine Aufklärungspflicht besteht, der Auftraggeber mithin ohne rechtliche Pflicht überobligatorisch eine Aufklärung betreibt, dies keinen relevanten Vergaberechtsverstoß darstellen kann, da er auch ohne Rechtsverstoß in zulässiger Weise ganz auf die Aufklärung hätte verzichten können, sodass dieser Vergaberechtsverstoß schon keine Chancenbeeinträchtigung bewirken könnte.
51
Darüber hinaus hat sich die Antragsgegnerin nach Auffassung der Kammer den Angebotspreis sowohl in den Teilen als auch in der Gesamtsumme detailliert erklären und begründen lassen und dann in rechtlich nicht zu beanstandender Weise das Ergebnis gewürdigt.
52
Die Preisbildung und der Endpreis des Angebots der Beigeladenen waren daher auch nach Auffassung der Kammer nicht zu beanstanden.
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b) Angegriffene Wertung
54
Entgegen der Auffassung der Antragstellerin dürfte die von der Antragsgegnerin vorgenommene Neubewertung der Angebote insgesamt zulässig sein. Diese stellt keine Heilung der von der Kammer angeführten Dokumentationsmängel dar, sondern beinhaltet eine Wiederholung eines Verfahrensschrittes der Wertung, der dem Auftraggeber grundsätzlich erlaubt ist. Dies ergibt sich bereits daraus, dass das Ziel des Nachprüfungsantrags darauf gerichtet ist, diese Wiederholung der Wertung zu erreichen. Außer der Zuschlagerteilung darf der Auftraggeber grundsätzlich jede Verfahrenshandlung vornehmen, wie sich systematisch im Umkehrschluss aus § 169 Abs. 1 in Verbindung mit Abs. 3 GWB ergibt, denn nach diesen Vorschriften ist dem Auftraggeber nur die Zuschlagserteilung verwehrt und die Vergabekammer darf nur auf gesondert zu begründenden Antrag in Ausnahmefällen ansonsten in das Verfahren eingreifen. Da der Auftraggeber das Verfahren auch vollständig aufheben könnte und zur Zuschlagserteilung grundsätzlich nicht verpflichtet ist, vgl. § 63 Abs. 1 Satz 2 VgV, muss es ihm daher erst recht möglich sein, das Verfahren teilweise zur Fehlerbehebung zu wiederholen.
55
Von einer derartigen zulässigen Teilrückversetzung ist vorliegend auszugehen, da die Wertung insgesamt überarbeitet wurde. Die Begründungen für die Punktevergabe wurden auch nicht nur bei einem Bieter neu formuliert. Die Wertungsmatrix wurde zusätzlich vom selben Wertungsgremium neu datiert und erneut eigenhändig unterschrieben.
56
Als rechtlicher Maßstab für die Überprüfung der Angebotswertung des Auftraggebers durch die Vergabekammer gilt:
57
Dem öffentlichen Auftraggeber steht bei der Bewertung und Benotung ein Beurteilungsspielraum zu. Seine diesbezüglichen Bewertungsentscheidungen sind in diesem Rahmen insbesondere auch daraufhin überprüfbar, ob die jeweiligen Noten im Vergleich ohne Benachteiligung des einen oder anderen Bieters plausibel vergeben wurden (BGH, Beschluss vom 04.04.2017 ‒ X ZB 3/17 ‒ Rn. 53, juris). Dabei trifft die Vergabekammer jedoch keine eigene Wertungsentscheidung, sondern überprüft die Entscheidung der Vergabestelle auf Grundlage der zuvor aufgestellten vergaberechtlichen Anforderungen. Hierzu gehört die vollständige und zutreffende Sachverhaltsermittlung sowie die Beachtung der von der Vergabestelle selbst aufgestellten Vorgaben. Darüber hinaus dürfen keine sachwidrigen und gegen allgemeine Bewertungsgrundsätze verstoßenden Erwägungen angestellt werden (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 16.10.2019, Verg 6/19 ‒ Rn. 102, juris).
58
Ausgehend von diesem rechtlichen Maßstab ist die Bewertung der Antragsgegnerin nicht zu beanstanden.
59
Bereits im Ansatz zu widersprechen ist der Argumentation der Antragstellerin, die Antragsgegnerin müsse jeden Punktabzug begründen oder die volle Punktzahl vergeben. Richtig ist vielmehr, dass ein Auftraggeber jede Bewertung aussagekräftig begründen muss und nur die tatsächlich erreichte Qualität mit Punkten bewerten darf. Es wäre weder mit dem Wettbewerbsprinzip noch dem Gleichheitsgrundsatz vereinbar, wenn ein qualitativ schlechteres Angebot nur aufgrund einer Argumentationsschwäche des Auftraggebers einem besseren gleichgestellt würde. Die fehlerhafte Begründung als Vergaberechtsverstoß würde daher im Nachprüfungsverfahren zur Verpflichtung zur Neubewertung, nicht aber zum Zuschlag an das schlechtere Angebot führen. Darüber hinaus verbleibt jedoch ein Beurteilungsspielraum, der nur eingeschränkt überprüfbar ist.
60
Die Vergabestelle hat sich vorliegend an die von ihr aufgestellten Vorgaben und die von ihr bekannt gemachte Gewichtung der Zuschlagskriterien gehalten. Dazu im Einzelnen:
61
aa) Bewertung personelle Besetzung Projektleiter
62
Die Antragsgegnerin hat hier nicht die volle Punktzahl vergeben, was sie damit begründete, dass der vorgesehene Projektleiter nur eine befriedigende Berufserfahrung habe und nicht erkennbar sei, dass die Projektleitung für eine angegebene Referenz von dem Projektleiter beansprucht werden könne. Dass eine deutlich kürzere Berufserfahrung im Vergleich zu den Angeboten der anderen Bieter mit geringeren Punkten bewertet wird, ist nach Auffassung der Kammer nicht zu beanstanden. Soweit die Antragstellerin der Auffassung ist, dass die genannte Referenz als Projektleiter hätte berücksichtigt werden müssen, kann dem nicht gefolgt werden. Zu Recht hat die Auftraggeberin diese Referenz nicht berücksichtigt, weil sie in den Unterlagen auch anderen Teammitgliedern ohne Zuordnung zu deren Eigenschaft als Projektmitglied zugeordnet war. Dass die Referenz dem vorgesehenen Projektleiter in ebendieser Eigenschaft zuzurechnen sei, wurde nicht explizit angegeben. Es ist auch eher abwegig dies anzunehmen, weil dieselbe Referenz auch für den Büroinhaber (wie auch für andere Teammitglieder) angegeben war und nicht unterstellt werden kann, dass der Projektleiter zum damaligen Zeitpunkt als relativer Berufsanfänger trotz Beteiligung seines Chefs hier die Führungsrolle im Team innegehabt haben sollte. Hinzu kommt, dass nach den Zuschlagskriterien eine genaue Darlegung gefordert war.
63
Werden die Leistungsmerkmale in der Präsentation nicht eindeutig dargestellt, ist ein Punkteabzug nach Meinung der Kammer sogar geboten. Die Präsentation betrifft nämlich die Angebotsinhalte in qualitativer Hinsicht. Bleiben hier Zweifel über die versprochene Leistungsqualität, kann der Auftraggeber dies schon deswegen nicht positiv werten, weil er damit keinen eindeutigen vertraglichen Anspruch erhält, der ein Mehr gegenüber den Angeboten der anderen Wettbewerber darstellt. Wenn die Antragstellerin demgegenüber meint, dass Informationen, die an irgendeiner Stelle in der Präsentation enthalten sind, zu berücksichtigen wären, kann dem nicht gefolgt werden. Dies wäre nur dann der Fall, wenn sie im Rahmen der Auslegung eindeutig als versprochenes Qualitätsmerkmal anzusehen wären. Finden sich diese Informationen an anderer Stelle als Antwort auf eine andere Fragestellung kann mitnichten der Schluss gezogen werden, dass die Antragstellerin hiermit ein Qualitätsversprechen für ein anderes Zuschlagskriterium abgeben wollte. Ist die Auslegung mithin nicht zwingend, ist das Angebot insoweit unklar. Dies rechtfertigt jedenfalls nicht die volle Punktzahl. Darüber hinaus wird diese Form der Präsentation mit verstreuten Informationen schon der Aufgabenstellung nicht gerecht. Gefordert war hier eine Darlegung. Dies beinhaltet eine themenspezifische Aufbereitung und Präsentation der Inhalte. Dies schließt es aus, dass an anderer Stelle der Präsentation Inhalte aufgeführt werden, denen Aussagewert für die vorige Fragestellung zukommen soll.
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Dass der Antragstellerin mit derartigen Auslegungen nicht gefolgt werden kann, gilt umso mehr, als die Antragstellerin die Gliederung der Zuschlagskriterien in ihrer Präsentation übernommen und daran ausgerichtet hatte und die Bewertung der Antragstellerin insgesamt überdurchschnittlich gut ausgefallen ist, aber eben nicht ganz die volle Punktzahl erhalten hat.
65
bb) Bewertung stv. Projektleiter
66
Auch hier hat die Antragsgegnerin nicht die vollen Punkte vergeben aus den gleichen Gründen wie beim vorigen Punkt. Dies ist aus den bereits oben genannten Gründen nicht zu beanstanden.
67
cc) Projektbearbeiter
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Gerade beim Projektteam haben sich die geforderten Darlegungen ausdrücklich auf die einzelnen Projektmitarbeiter bezogen. Auch das Argument, dass die Teammitglieder für Tragwerksplanung und Objektplanung über vergleichsweise wenig Berufserfahrung verfügen, verbietet insbesondere auch im Vergleich mit den anderen Angeboten die Bewertung mit der vollen Punktzahl. Die Bewertung der Antragsgegnerin ist damit auch in diesem Punkt nicht zu beanstanden.
69
dd) Personelle Verfügbarkeit, kurzfristige Verfügbarkeit vor Ort
70
Ausweislich der Vergabeunterlagen hat die Antragsgegnerin hier differenziert zwischen Planungs- und Ausführungsphase. Die scheinbare Abweichung zwischen Wertungsmatrix (wo der Zusatz vor Ort fehlte) und den Zuschlagskriterien hatte die Antragstellerin nicht gerügt. Da die Zuschlagskriterien insgesamt sehr viel detaillierter waren, waren diese zu berücksichtigen. Die Wertungsmatrix hatte insoweit nur die Aufgabe, Stichworte zu benennen. Eine nachträgliche Verschärfung scheidet schon deswegen aus, weil diese Vorgabe zeitgleich in den Vergabeunterlagen auftauchte. Im Übrigen hat die Antragstellerin diese Vorgabe auch keineswegs missverstanden. In ihrer Folie 25 hat sie in der Überschrift den Zusatz (vor Ort) in Beantwortung dieses Kriteriums selbst als Obersatz angegeben.
71
Wie die Kammer bereits im rechtlichen Hinweis ausgeführt hatte, ist es unerheblich, ob eine Vorgabe der „Verfügbarkeit vor Ort“ in der Planungsphase Sinn macht. Wird dieses Kriterium nicht gerügt, ist es bei der Wertung zur Anwendung zu bringen.
72
Die elektronische Verfügbarkeit mittels Kommunikationsmittel musste daher unberücksichtigt gelassen werden, die Entfernung wurde zutreffend berücksichtigt. Da das Baubüro in der Ausführungsphase von allen Bietern ständig besetzt zu halten ist, hätte dieses Kriterium bei der von der Antragstellerin gewählten Auslegung keinerlei Differenzierungspotential, so dass dieser Punkt keinen Punktegewinn ergeben würde, sondern allen Bietern zugutekommen dürfte und insofern Zweifel angebracht wären, ob allein das Vorhalten eines Baubüros hier gemeint sein kann. Die Punktevergabe ist daher nicht zu beanstanden.
73
ee) Ablauf und Projektorganisation
74
Entgegen der Auffassung der Antragstellerin war hier die konkrete Anwendung auf die vorliegende Baumaßnahme gefordert („Es sollen Ansätze der Problemlösungen und Lösungsmöglichkeiten anhand von Arbeitsbeispielen.... vorgestellt werden, die im Auftragsfall auf die ausschreibungsgegenständliche Maßnahme Anwendung finden.“ Hervorhebung durch die Kammer).
75
Die Antragsgegnerin hatte hier die Punktevergabe mit 4 Punkten damit begründet, dass die Antragstellerin nicht auf die Fristen des Projekts eingegangen sei. Dies ist nach Auffassung der Kammer nicht zu beanstanden. Folie 24 bezog sich auf die zeitliche Verfügbarkeit der Projektarbeiter, nicht aber auf das hier abgefragte Kriterium. Hätte diese Folie zur Bewertung mit herangezogen werden sollen, hätte die Antragstellerin den Bezug durch einen Verweis herstellen müssen. Insoweit wird auf die vorstehenden Ausführungen oben bei aa) verwiesen. Daher ist der Punkteabzug gerechtfertigt.
76
dd) Darstellung von möglichen Lösungsansätzen:
77
Hier hatte die Antragstellerin nicht die volle Punktzahl, sondern nur 4 Punkte erhalten, weil der Auftraggeber den konkreten Bezug des Lösungsansatzes zum vorliegenden Fall vermisst hat.
78
Die Darstellung von Lösungsansätzen impliziert nach Auffassung der Kammer nicht nur die Benennung von Varianten, sondern auch deren konkrete Anwendbarkeit auf die vorliegende Maßnahme. Gerade wenn die Antragstellerin eine Vielzahl von Lösungsmöglichkeiten benennt, drängt sich bereits die Frage auf, welchen Mehrwert dies für den Auftraggeber ohne konkreten Bezug zu der konkreten Maßnahme bieten soll. Es geht nicht darum, den Auftraggeber mit einer Vielzahl von abstrakten Varianten zu beeindrucken, sondern Hinweise auf die zu bewältigende Aufgabe anzubieten. Dass die Antragstellerin ohne jeden Bezug zur geplanten Maßnahme Lösungsmöglichkeiten präsentiert hätte, hat die Antragsgegnerin weder behauptet, noch so gewertet. Auch das Protokoll über die mündliche Verhandlung weist an dieser Stelle nicht die konkrete Übertragbarkeit des Lösungsansatzes auf die Problemstellung aus, sondern spricht nur pauschal von Erläuterungen. Diese pauschale Inbezugnahme ist aber nicht die in der Aufgabenstellung geforderte Darstellung.
79
Das Protokoll hat als Dokument aber die Vermutung der Vollständigkeit und Richtigkeit für sich, zumal die Antragstellerin auf die Zusendung des Protokollentwurfs mit Änderungswünschen reagiert hatte und insofern das Protokoll in der jetzigen Form akzeptiert hat. Es fehlt damit an dem Transfer auf das vorliegende Projekt. Ein anderer Bieter hat diesen Transfer geleistet und deshalb dort die volle Punktzahl erhalten
80
Darin liegt auch entgegen der Auffassung der Antragstellerin keine nachträgliche Verschärfung des Wertungsmaßstabes. Bei Auslegung der gestellten Aufgabe war klar ersichtlich, dass hier eine kreative Bearbeitung mit dem Transfer zur konkreten Aufgabe gefragt war.
81
Das OLG Karlsruhe hat in seiner Rechtsprechung die funktionale Aufgabenstellung wie nachfolgend umschrieben, vgl. zuletzt Beschluss vom 29.03.2021,15 Verg 2/21 Seite 7 des Entscheidungsabdrucks. Verlangt der Auftraggeber von den Bietern die Erstellung von Konzepten, gleicht das Verfahren einem Verfahren mit funktionaler Leistungsbeschreibung. Bei funktionalen Leistungsbeschreibungen geht es dem Auftraggeber darum, die technisch, gestalterisch, ökologisch oder wirtschaftlich beste Lösung dadurch zu finden, dass er den Bietern die konkrete Art und Weise der Lösung zu ihrer kreativen Beurteilung überlässt. Sie ist dadurch gekennzeichnet, dass in dieser nur der Zweck und die zu erreichenden Ziele vorgegeben werden. In solchen Fällen gilt der Grundsatz, dass die Lösung eindeutig oder erschöpfend zu beschreiben ist, nur eingeschränkt, da eine funktionale Leistungsbeschreibung den Auftragsgegenstand nicht in gleicher Weise beschreiben kann wie eine konventionelle Beschreibung. Einem solchen Verfahren ist immanent, dass der Auftraggeber die Einzelheiten nicht abschließend festlegt oder verbindliche Vorgaben macht.
82
Eine Übererfüllung dieses Wertungskriteriums kommt daher nicht in Betracht, denn es gibt von vornherein bei diesem Kriterium nicht für alle Bieter die Möglichkeit der 100% igen Erfüllung mit voller Punktzahl, weil der Auftraggeber gerade keine abschließende verbindliche Vorstellung von der Lösung hat. Die Auffassung der Antragstellerin würde damit auch dem Wettbewerbsprinzip, nach dem gerade Differenzierungen angestrebt werden, per se nicht gerecht. Die Bieter sollen vorliegend vielmehr die Möglichkeit erhalten, sich durch ein Mehr an Leistung zu profilieren.
83
Insoweit ist eine Benotung, die an dieser Stelle Differenzierungen vornimmt, gerechtfertigt. Sie ist jedenfalls durch den Beurteilungsspielraum gedeckt und daher nicht zu beanstanden.
84
Der Antragstellerin ist auch insoweit nicht zu folgen, als sie moniert, dass die Antragsgegnerin bei der vorigen Bewertung für 2 Kritikpunkte denselben Abzug bei diesem Kriterium vorgenommen hatte wie jetzt für nur einen Kritikpunkt. Unabhängig davon, dass die nunmehr weggelassene Begründung falsch war, wie die Antragstellerin selbst gerügt hatte, ist allein erheblich, wie die Bewertung jetzt erfolgt ist und ob diese Begründung die Benotung trägt, denn die Wiederholung der Wertung diente ja der Fehlerkorrektur. Umgekehrt könnte sich auch die Frage stellen, ob bei 2 Kritikpunkten vorher nicht vielmehr eine geringere Benotung geboten gewesen wäre. Dass die jetzige Bewertung nicht zu beanstanden ist, ist aufgrund der obigen Ausführungen nach Auffassung der Kammer jedoch der Fall.
85
Selbst wenn man an dieser Stelle der oben dargelegten Argumentation der Vergabekammer nicht folgen und in der Benotung mit 4 Punkten bei diesem Kriterium einen Vergaberechtsverstoß sehen würde, führte dieser Verstoß nicht zum Erfolg des Nachprüfungsantrags. Wie bereits im rechtlichen Hinweis angedeutet und von der Beigeladenen und der Antragsgegnerin richtigerweise vorgetragen, wäre bei Anwendung des von der Antragstellerin zugrunde gelegten Maßstabes auch der Beigeladenen an dieser Stelle die volle Punktzahl zu vergeben. Damit würde der Punkteabstand zwischen der Antragstellerin und der Beigeladenen nicht geringer, sodass sich dieser Vergabeverstoß nicht auswirken würde. Nach § 168 Abs. 1 GWB könnte die Vergabekammer einen Vergaberechtsverstoß jedoch nur dann zum Anlass einer Verpflichtung des Auftraggebers nehmen und in das Verfahren eingreifen, wenn dieser Verstoß sich auf die Chancen des Antragstellers negativ ausgewirkt hätte. Dieser Gedanke käme auch bei anderen Kriterien ‒ wie die Beigeladene ausgeführt hat ‒ zum Tragen.
86
Die Kammer hat sich im Übrigen durch Vergleich der Wertungen davon überzeugt, dass die Bewertungen gegenüber allen Bietern in gleicher Weise vergeben wurden.
III.
87
Die Kostenentscheidung beruht auf § 182 Abs. 3 und 4 GWB.
88
Da die Antragstellerin unterliegt, hat sie die Kosten der Vergabekammer sowie die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Aufwendungen der Antragsgegnerin und der Beigeladenen zu tragen, vgl. § 182 Abs. 3 Satz 1 GWB.
89
Die Kammer stellt bei der Verfahrenskostenfestsetzung nach § 182 Abs. 1 GWB in Verbindung mit §§ 3, 9 VwKostG auf ihren personellen und sachlichen Aufwand und den wirtschaftlichen Wert des Verfahrens für Antragstellerin ab. Unter Zugrundlegung der wirtschaftlichen Bedeutung des Auftrags - die sich am Bruttoangebotswert der Antragstellerin bemisst - und des durchschnittlichen Aufwands bei Anwendung der Gebührentabelle des Bundes, die auch die Vergabekammer Baden-Württemberg aus Gründen der einheitlichen Handhabung der Gebührenberechnung zugrunde legt, wird eine Gebühr von XXX Euro als angemessen festgesetzt.
90
Die Hinzuziehung eines Anwaltes für die Beigeladene war gemäß § 182 Abs. 4 Satz 4 GWB für notwendig zu erklären, da Beigeladene sich regelmäßig wie Antragsteller eines Rechtsanwaltes für das Nachprüfungsverfahren bedienen dürfen und eine Ausnahme von dieser Regel für den vorliegenden Fall nicht ersichtlich ist. Der Beigeladenen waren Kosten zu erstatten, da sie sich zu dem Verfahren inhaltlich geäußert hat und damit ein Kostenrisiko eingegangen ist.
91
Gem. § 182 Abs. 4 Satz 5 GWB findet ein gesondertes Kostenfestsetzungsverfahren nicht statt.
12.04.2021
Beschluss
Tenor
- Der Nachprüfungsantrag wird zurückgewiesen.
- Die Antragstellerin hat die Kosten des Verfahrens sowie die der Antragsgegnerin und der Beigeladenen zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Aufwendungen zu tragen.
- Die bei der Vergabekammer angefallenen Verfahrenskosten werden auf XXX festgesetzt.
- Die Hinzuziehung eines Verfahrensbevollmächtigten durch die Beigeladene wird für notwendig erklärt.
Gründe
1
Mit EU-weiter Bekanntmachung vom 01.07.2020 hat die Vergabestelle die Ingenieurplanungsleistungen für den Ersatzneubau der BBC-Brücke im Verhandlungsverfahren ausgeschrieben. Neben anderen Bietern haben sowohl die Antragstellerin als auch die Beigeladene fristgerecht ein Angebot abgegeben.
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Die Zuschlagskriterien waren wie folgt in den Vergabeunterlagen angegeben:
3
Zuschlagskriterien
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1.
Personelle Besetzung
Gewichtung = 15 %
-
Projektleiter/in
Darlegung des persönlichen Erfahrungshintergrundes (u.a. Referenzprojekte) bzw. der persönlichen Kenntnisse (z.B. Darlegung des beruflichen Werdegangs, Darlegung der Fortbildungsmaßnahmen) sowie der Einbindung in andere Projekte (zeitliche Verfügbarkeit)
Gewichtung = 5 %
-
Stellvertretende/r Projektleiter/in
Darlegung des persönlichen Erfahrungshintergrundes (u.a. Referenzprojekte) bzw. der persönlichen Kenntnisse (z.B. Darlegung des beruflichen Werdegangs, Darlegung der Fortbildungsmaßnahmen) sowie der Einbindung in andere Projekte (zeitliche Verfügbarkeit)
Gewichtung = 2,5 %
-
Projektbearbeiter/innen (Mitarbeiter für die einzelnen Aufgaben)
Darstellung der zeitlichen Verfügbarkeit und der Einbindung in anderen Projekten. Darstellung der konkret vorgesehenen Aufgabenverteilung innerhalb des Projektteams.
Darlegung des persönlichen Erfahrungshintergrundes (u.a. Referenzprojekte) bzw. der persönlichen Kenntnisse (z.B. Darlegung des beruflichen Werdegangs, Darlegung der Fortbildungsmaßnahmen) sowie der Einbindung in andere Projekte (zeitliche Verfügbarkeit)
Gewichtung = 5 %
-
Darstellung der kurzfristigen Verfügbarkeit vor Ort in Planungs - und Ausführungsphase
Gewichtung = 2,5 %
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2.
Qualitätssicherung / Fachtechnische Lösungsansätze
G ewichtung = 20 %
Darstellung der Herangehensweise an komplexe fachtechnische Aufgabenstellungen. Die Darstellung soll durch Zeichnungen, Skizzen, Diagramme, Tabellen u. ä., die die Arbeitsweise verdeutlichen, erfolgen.
Es sollen Ansätze der Problemlösungen und Lösungsmöglichkeiten anhand von Arbeitsbeispielen in folgenden Maßnahmenbereichen vorgestellt werden, die im Auftragsfall für die ausschreibungsgegenständliche Maßnahme Anwendung finden.
-
Ablauf- und Projektorganisation / Terminsicherung
Gewichtung = 10 %
Es werden Aussagen zur Darstellung der Arbeitsweise, wie Terminkontrollmechanismen, Angaben zum Vorgehen bei der Grob- und Detailterminplanung, sowie Ansätze zur Problemlösung, wie Umgang mit angekündigten und nicht angekündigten Verzögerungen, mit der Untermalung durch Beispiele erwartet.
-
Kosten- und Optimierungsmaßnahmen
Gewichtung = 5 %
Es werden Aussagen zur Darstellung der Arbeitsweise, wie Vorgehen, Methoden und Werkzeuge zu Erstellung und Überprüfung der Kostenermittlungen nach DIN 276, Kostenkontrolle/Vergleich der bepreisten Leistungsverzeichnisse mit Kostenberechnung, sowie Ansätze zur Problemlösung, wie Umgang mit Änderungen und daraus resultierenden Nachträgen (Claimmanagement), mit der Untermalung durch Beispiele erwartet.
-
Qualitätssicherung
Gewichtung = 5 %
6
Es werden Aussagen zur Darstellung der Arbeitsweise, wie Instrumente zur Optimierung der Prozesse, Bemusterungsvorgänge, Einbindung des AG in die Qualitätsprozesse, sowie Ansätze zur Problemlösung, wie Kontrollinstrumente, Umgang mit Schnittstellen, mit der Untermalung durch Beispiele erwartet.
7
3.
Strukturelle Herangehensweise an das konkrete Projekt / Projektanalyse
Gewichtung = 25 %
-
Analyse der Projektaufgabe mit Darstellung der erwarteten Schwierigkeiten bzw. Herausforderungen
Gewichtung = 15 %
-
Darstellung von möglichen Lösungsansätzen der zu erwartenden Herausforderungen
Gewichtung = 10 %
8
4.
Honorarangebot
Gewichtung = 40 %
-
Der Preis steht im Wettbewerb. Die Honorarkonditionen sind mittels des zur Verfügung gestellten Honorarformblattes anzubieten.
Gewichtung = 40 %
Das Honorar wird wie folgt gewertet:
Das im Vergleich günstigste Honorarangebot erhält 5 Punkte. Die Punktzahlen aller weiteren Angebote werden wie folgt ermittelt: Der Preis des günstigsten Angebots wird durch den Preis des jeweiligen, zu wertenden Angebots dividiert und das Ergebnis mit 5 multipliziert. Das Ergebnis wird auf 2 Stellen nach dem Komma gerundet.
9
Die Zuschlagskriterien 1. bis 3. werden jeweils mit Punkten 1 bis 5 bewertet und wie zuvor dargestellt prozentual gewichtet. Es wird darauf hingewiesen, dass auch Zwischenwerte, z.B. 2,5 Punkte seitens des Wertungsgremiums vergeben werden können. Insgesamt können also mit Gewichtung maximal 500 Punkte vergeben werden.
10
Die Punkte werden wie folgt ermittelt:
11
5 Punkte: sehr gut
12
4 Punkte: gut
13
3 Punkte: befriedigend
14
2 Punkte: ausreichend
15
1 Punkt: mangelhaft
16
Mit dem vorliegenden Nachprüfungsantrag verfolgt die Antragstellerin in erster Linie eine Neubewertung ihres Angebots bei den qualitativen Zuschlagskriterien, indem sie in jeder Kategorie die Bestbenotung erhalten will, obwohl sie bereits unter allen Bewerbern in diesem Bereich im Ergebnis die meisten Punkte erhalten hatte.
17
Mit ihrem Nachprüfungsantrag vom 03.02.2021 hat die Antragstellerin nach voriger erfolgloser Rüge beantragt:
18
1. der Antragsgegnerin zu untersagen, den Zuschlag auf das Angebot der Beizuladenden zu erteilen;
19
2. die Antragsgegnerin zu verpflichten, das Angebot der Antragstellerin unter Berücksichtigung der in der nachfolgenden rechtlichen Würdigung benannten Punkte neu zu werten und die Bieter über das Ergebnis der Neu-Wertung gemäß § 134 Abs. 1 GWB erneut zu unterrichten;
20
3. hilfsweise, die Antragsgegnerin zu verpflichten, das Ausschreibungsverfahren aufzuheben bzw. in den Stand vor Vergaberechtsverstoß zurückzuversetzen und ‒ sofern die Antragsgegnerin an dem Beschaffungsvorhaben festhält ‒ das Vergabeverfahren unter Beachtung der Rechtsauffassung der Vergabekammer insoweit zu wiederholen;
21
4. der Antragsgegnerin die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen; einschließlich der zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Aufwendungen der Antragstellerin;
22
5. die Hinzuziehung des Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin für notwendig zu erklären
23
Als Rügen führt sie umfangreich folgende Vergaberechtsverstöße aus:
24
Die Wertung sei rechtsfehlerhaft bei diversen Einzelkriterien, es seien nicht bekanntgemachte Unterkriterien gebildet worden, die Aufklärung bei dem Angebot der Beigeladenen sei rechtsfehlerhaft erfolgt.
25
Die für den Zuschlag vorgesehene Bieterin wurde durch Beschluss der Vergabekammer vom 10.02.2021 zum Verfahren beigeladen.
26
Die Vergabekammer hat der Antragstellerin und der Beigeladenen jeweils am 16.02.2021 unter Wahrung der Geschäftsgeheimnisse Akteneinsicht erteilt.
27
Mit der Antragserwiderung vom 15.02.2021 hat die Antragsgegnerin beantragt:
28
1. Die Anträge Nr. 1 bis 5 der Antragstellerin vom 03.02.2021 werden zurückgewiesen.
29
2. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.
30
Sie tritt dem Nachprüfungsantrag umfassend entgegen und verteidigt die Wertung mit neuen Argumenten, die in der bisherigen Bewertungsmatrix nicht explizit benannt worden waren.
31
Mit Schreiben vom 17.02.2021 hat die Beigeladene sich ohne Antragstellung sachlich dem Nachprüfungsantrag voll entgegengestellt.
32
Auf den rechtlichen Hinweis der Vergabekammer vom 19.02.2021 hat die Antragsgegnerin die Wertung mit Wertungsmatrix vom 01.03.2021 neu erstellt und den Beteiligten jeweils ihre Wertung mit Schreiben vom 02.03.2021 übersandt.
33
Die Beteiligten haben mit Schreiben vom 24.03.21 und vom 30.03.2021 die Zustimmung zur Entscheidung nach Lage der Akten erteilt. Die Beigeladene hat zusätzlich nunmehr auch förmlich die Zurückweisung des Nachprüfungsantrags beantragt.
34
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die umfangreichen Schriftsätze aller Beteiligten samt Anlagen und die Vergabeunterlagen der Antragsgegnerin, die der Vergabekammer vorlagen, verwiesen.
35
Die 5-Wochenfrist des § 167 Abs. 1 Satz 1 GWB wurde durch Verfügungen des Vorsitzenden vom 05.03.2021 bis zum 31.03.2021 und vom 30.03.21 bis zum 16.04.2021 verlängert.
II.
36
Die Vergabekammer konnte nach § 166 Abs. 1 Satz 3 GWB ohne mündliche Verhandlung entscheiden, da alle Beteiligten einer Entscheidung nach Lage der Akten zugestimmt haben.
37
Der Nachprüfungsantrag ist überwiegend zulässig, aber nicht begründet und war daher zurückzuweisen.
38
A. Zulässigkeit
39
1.) Das Vergabenachprüfungsverfahren ist statthaft. Gemäß §§ 155, 156 Abs. 2 GWB unterliegt die Vergabe öffentlicher Aufträge der Nachprüfung durch die Vergabekammern. Die Antragsgegnerin ist öffentlicher Auftraggeber nach §§ 98, 99 Nr. 1 GWB.
40
2.) Der Schwellenwert nach §§ 106 Abs. 1, 2 Nr. 1 GWB ist erreicht. Die örtliche und sachliche Zuständigkeit der Vergabekammer Baden-Württemberg ergibt sich aus § 159 Abs. 3 GWB, § 1 VNPVO.
41
3.) Die Antragstellerin ist ihren Rügeobliegenheiten nach § 160 Abs. 3 Nr. 2 GWB größtenteils nachgekommen.
42
Dies ist für die Rügen einzeln zu betrachten. Die Rügen zu den Einzelbewertungen und zur behaupteten fehlerhaften Angebotsaufklärung konnte die Antragstellerin erst nach Mitteilung der Ergebnisse im Zuge der beabsichtigten Zuschlagsentscheidung erheben.
43
Dies gilt nicht für die Rüge der nicht bekanntgemachten Bildung von gleichgewichteten Unterkriterien. Bereits aus den Vergabeunterlagen ergab sich, dass hierzu keine Angabe ersichtlich war, wie und in welchem Verhältnis die Antragsgegnerin diese Themenvorgaben werten wollte. Hätte die Antragstellerin dies interessiert, hätte sie bei Angebotserstellung auf diesen Punkt aufmerksam werden und dies rügen müssen.
44
4.) Die Antragstellerin ist nach § 160 Abs. 2 GWB als Unternehmen auch antragsbefugt. Sie hat ein Angebot abgegeben und verfolgt ihre Interessen im Nachprüfungsantrag weiter.
45
Folgte man der Auffassung nicht, dass die Rüge der nicht bekanntgegebenen gleichgewichten Unterkriterien präkludiert ist, wäre hier die Antragsbefugnis insoweit zu verneinen gewesen, weil die Antragstellerin trotz Hinweises der Vergabekammer nichts dafür vorgetragen hat, wie sie ihr Angebot anders strukturiert hätte, wenn sie die gleiche Gewichtung der Unterkriterien gekannt hätte. Hätte sie das Angebot aber nicht anders abgegeben, fehlt es ersichtlich an einer Chancenverschlechterung durch diesen Vergabeverstoß, sodass sie sich nicht mit Erfolg darauf berufen kann.
46
5.) Die Antragstellerin hat den Antrag entsprechend § 160 Abs. 3 Nr. 4 GWB innerhalb von 15 Kalendertagen nach der Mitteilung vom 26.01.2021, der Rüge nicht abhelfen zu wollen, am 03.02.2021 und mithin innerhalb von 15 Kalendertagen bei der Vergabekammer eingereicht.
47
B. Begründetheit
48
Die Rügen sind jedoch unbegründet, sodass die Antragstellerin nicht in ihren Rechten nach § 97 VI GWB verletzt ist. Der Nachprüfungsantrag war daher im Ergebnis zurückzuweisen.
49
a) Fehlerhafte Aufklärung beim Angebot der Beigeladenen
50
Eine Aufklärungspflicht bestand schon deshalb nicht, da die Grenze von 20% des Angebots der Beigeladenen zu dem nächsthöheren Angebot - wenn auch knapp bereits nicht erreicht ist. Die Vergabekammer ist der Auffassung, dass wenn keine Aufklärungspflicht besteht, der Auftraggeber mithin ohne rechtliche Pflicht überobligatorisch eine Aufklärung betreibt, dies keinen relevanten Vergaberechtsverstoß darstellen kann, da er auch ohne Rechtsverstoß in zulässiger Weise ganz auf die Aufklärung hätte verzichten können, sodass dieser Vergaberechtsverstoß schon keine Chancenbeeinträchtigung bewirken könnte.
51
Darüber hinaus hat sich die Antragsgegnerin nach Auffassung der Kammer den Angebotspreis sowohl in den Teilen als auch in der Gesamtsumme detailliert erklären und begründen lassen und dann in rechtlich nicht zu beanstandender Weise das Ergebnis gewürdigt.
52
Die Preisbildung und der Endpreis des Angebots der Beigeladenen waren daher auch nach Auffassung der Kammer nicht zu beanstanden.
53
b) Angegriffene Wertung
54
Entgegen der Auffassung der Antragstellerin dürfte die von der Antragsgegnerin vorgenommene Neubewertung der Angebote insgesamt zulässig sein. Diese stellt keine Heilung der von der Kammer angeführten Dokumentationsmängel dar, sondern beinhaltet eine Wiederholung eines Verfahrensschrittes der Wertung, der dem Auftraggeber grundsätzlich erlaubt ist. Dies ergibt sich bereits daraus, dass das Ziel des Nachprüfungsantrags darauf gerichtet ist, diese Wiederholung der Wertung zu erreichen. Außer der Zuschlagerteilung darf der Auftraggeber grundsätzlich jede Verfahrenshandlung vornehmen, wie sich systematisch im Umkehrschluss aus § 169 Abs. 1 in Verbindung mit Abs. 3 GWB ergibt, denn nach diesen Vorschriften ist dem Auftraggeber nur die Zuschlagserteilung verwehrt und die Vergabekammer darf nur auf gesondert zu begründenden Antrag in Ausnahmefällen ansonsten in das Verfahren eingreifen. Da der Auftraggeber das Verfahren auch vollständig aufheben könnte und zur Zuschlagserteilung grundsätzlich nicht verpflichtet ist, vgl. § 63 Abs. 1 Satz 2 VgV, muss es ihm daher erst recht möglich sein, das Verfahren teilweise zur Fehlerbehebung zu wiederholen.
55
Von einer derartigen zulässigen Teilrückversetzung ist vorliegend auszugehen, da die Wertung insgesamt überarbeitet wurde. Die Begründungen für die Punktevergabe wurden auch nicht nur bei einem Bieter neu formuliert. Die Wertungsmatrix wurde zusätzlich vom selben Wertungsgremium neu datiert und erneut eigenhändig unterschrieben.
56
Als rechtlicher Maßstab für die Überprüfung der Angebotswertung des Auftraggebers durch die Vergabekammer gilt:
57
Dem öffentlichen Auftraggeber steht bei der Bewertung und Benotung ein Beurteilungsspielraum zu. Seine diesbezüglichen Bewertungsentscheidungen sind in diesem Rahmen insbesondere auch daraufhin überprüfbar, ob die jeweiligen Noten im Vergleich ohne Benachteiligung des einen oder anderen Bieters plausibel vergeben wurden (BGH, Beschluss vom 04.04.2017 ‒ X ZB 3/17 ‒ Rn. 53, juris). Dabei trifft die Vergabekammer jedoch keine eigene Wertungsentscheidung, sondern überprüft die Entscheidung der Vergabestelle auf Grundlage der zuvor aufgestellten vergaberechtlichen Anforderungen. Hierzu gehört die vollständige und zutreffende Sachverhaltsermittlung sowie die Beachtung der von der Vergabestelle selbst aufgestellten Vorgaben. Darüber hinaus dürfen keine sachwidrigen und gegen allgemeine Bewertungsgrundsätze verstoßenden Erwägungen angestellt werden (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 16.10.2019, Verg 6/19 ‒ Rn. 102, juris).
58
Ausgehend von diesem rechtlichen Maßstab ist die Bewertung der Antragsgegnerin nicht zu beanstanden.
59
Bereits im Ansatz zu widersprechen ist der Argumentation der Antragstellerin, die Antragsgegnerin müsse jeden Punktabzug begründen oder die volle Punktzahl vergeben. Richtig ist vielmehr, dass ein Auftraggeber jede Bewertung aussagekräftig begründen muss und nur die tatsächlich erreichte Qualität mit Punkten bewerten darf. Es wäre weder mit dem Wettbewerbsprinzip noch dem Gleichheitsgrundsatz vereinbar, wenn ein qualitativ schlechteres Angebot nur aufgrund einer Argumentationsschwäche des Auftraggebers einem besseren gleichgestellt würde. Die fehlerhafte Begründung als Vergaberechtsverstoß würde daher im Nachprüfungsverfahren zur Verpflichtung zur Neubewertung, nicht aber zum Zuschlag an das schlechtere Angebot führen. Darüber hinaus verbleibt jedoch ein Beurteilungsspielraum, der nur eingeschränkt überprüfbar ist.
60
Die Vergabestelle hat sich vorliegend an die von ihr aufgestellten Vorgaben und die von ihr bekannt gemachte Gewichtung der Zuschlagskriterien gehalten. Dazu im Einzelnen:
61
aa) Bewertung personelle Besetzung Projektleiter
62
Die Antragsgegnerin hat hier nicht die volle Punktzahl vergeben, was sie damit begründete, dass der vorgesehene Projektleiter nur eine befriedigende Berufserfahrung habe und nicht erkennbar sei, dass die Projektleitung für eine angegebene Referenz von dem Projektleiter beansprucht werden könne. Dass eine deutlich kürzere Berufserfahrung im Vergleich zu den Angeboten der anderen Bieter mit geringeren Punkten bewertet wird, ist nach Auffassung der Kammer nicht zu beanstanden. Soweit die Antragstellerin der Auffassung ist, dass die genannte Referenz als Projektleiter hätte berücksichtigt werden müssen, kann dem nicht gefolgt werden. Zu Recht hat die Auftraggeberin diese Referenz nicht berücksichtigt, weil sie in den Unterlagen auch anderen Teammitgliedern ohne Zuordnung zu deren Eigenschaft als Projektmitglied zugeordnet war. Dass die Referenz dem vorgesehenen Projektleiter in ebendieser Eigenschaft zuzurechnen sei, wurde nicht explizit angegeben. Es ist auch eher abwegig dies anzunehmen, weil dieselbe Referenz auch für den Büroinhaber (wie auch für andere Teammitglieder) angegeben war und nicht unterstellt werden kann, dass der Projektleiter zum damaligen Zeitpunkt als relativer Berufsanfänger trotz Beteiligung seines Chefs hier die Führungsrolle im Team innegehabt haben sollte. Hinzu kommt, dass nach den Zuschlagskriterien eine genaue Darlegung gefordert war.
63
Werden die Leistungsmerkmale in der Präsentation nicht eindeutig dargestellt, ist ein Punkteabzug nach Meinung der Kammer sogar geboten. Die Präsentation betrifft nämlich die Angebotsinhalte in qualitativer Hinsicht. Bleiben hier Zweifel über die versprochene Leistungsqualität, kann der Auftraggeber dies schon deswegen nicht positiv werten, weil er damit keinen eindeutigen vertraglichen Anspruch erhält, der ein Mehr gegenüber den Angeboten der anderen Wettbewerber darstellt. Wenn die Antragstellerin demgegenüber meint, dass Informationen, die an irgendeiner Stelle in der Präsentation enthalten sind, zu berücksichtigen wären, kann dem nicht gefolgt werden. Dies wäre nur dann der Fall, wenn sie im Rahmen der Auslegung eindeutig als versprochenes Qualitätsmerkmal anzusehen wären. Finden sich diese Informationen an anderer Stelle als Antwort auf eine andere Fragestellung kann mitnichten der Schluss gezogen werden, dass die Antragstellerin hiermit ein Qualitätsversprechen für ein anderes Zuschlagskriterium abgeben wollte. Ist die Auslegung mithin nicht zwingend, ist das Angebot insoweit unklar. Dies rechtfertigt jedenfalls nicht die volle Punktzahl. Darüber hinaus wird diese Form der Präsentation mit verstreuten Informationen schon der Aufgabenstellung nicht gerecht. Gefordert war hier eine Darlegung. Dies beinhaltet eine themenspezifische Aufbereitung und Präsentation der Inhalte. Dies schließt es aus, dass an anderer Stelle der Präsentation Inhalte aufgeführt werden, denen Aussagewert für die vorige Fragestellung zukommen soll.
64
Dass der Antragstellerin mit derartigen Auslegungen nicht gefolgt werden kann, gilt umso mehr, als die Antragstellerin die Gliederung der Zuschlagskriterien in ihrer Präsentation übernommen und daran ausgerichtet hatte und die Bewertung der Antragstellerin insgesamt überdurchschnittlich gut ausgefallen ist, aber eben nicht ganz die volle Punktzahl erhalten hat.
65
bb) Bewertung stv. Projektleiter
66
Auch hier hat die Antragsgegnerin nicht die vollen Punkte vergeben aus den gleichen Gründen wie beim vorigen Punkt. Dies ist aus den bereits oben genannten Gründen nicht zu beanstanden.
67
cc) Projektbearbeiter
68
Gerade beim Projektteam haben sich die geforderten Darlegungen ausdrücklich auf die einzelnen Projektmitarbeiter bezogen. Auch das Argument, dass die Teammitglieder für Tragwerksplanung und Objektplanung über vergleichsweise wenig Berufserfahrung verfügen, verbietet insbesondere auch im Vergleich mit den anderen Angeboten die Bewertung mit der vollen Punktzahl. Die Bewertung der Antragsgegnerin ist damit auch in diesem Punkt nicht zu beanstanden.
69
dd) Personelle Verfügbarkeit, kurzfristige Verfügbarkeit vor Ort
70
Ausweislich der Vergabeunterlagen hat die Antragsgegnerin hier differenziert zwischen Planungs- und Ausführungsphase. Die scheinbare Abweichung zwischen Wertungsmatrix (wo der Zusatz vor Ort fehlte) und den Zuschlagskriterien hatte die Antragstellerin nicht gerügt. Da die Zuschlagskriterien insgesamt sehr viel detaillierter waren, waren diese zu berücksichtigen. Die Wertungsmatrix hatte insoweit nur die Aufgabe, Stichworte zu benennen. Eine nachträgliche Verschärfung scheidet schon deswegen aus, weil diese Vorgabe zeitgleich in den Vergabeunterlagen auftauchte. Im Übrigen hat die Antragstellerin diese Vorgabe auch keineswegs missverstanden. In ihrer Folie 25 hat sie in der Überschrift den Zusatz (vor Ort) in Beantwortung dieses Kriteriums selbst als Obersatz angegeben.
71
Wie die Kammer bereits im rechtlichen Hinweis ausgeführt hatte, ist es unerheblich, ob eine Vorgabe der „Verfügbarkeit vor Ort“ in der Planungsphase Sinn macht. Wird dieses Kriterium nicht gerügt, ist es bei der Wertung zur Anwendung zu bringen.
72
Die elektronische Verfügbarkeit mittels Kommunikationsmittel musste daher unberücksichtigt gelassen werden, die Entfernung wurde zutreffend berücksichtigt. Da das Baubüro in der Ausführungsphase von allen Bietern ständig besetzt zu halten ist, hätte dieses Kriterium bei der von der Antragstellerin gewählten Auslegung keinerlei Differenzierungspotential, so dass dieser Punkt keinen Punktegewinn ergeben würde, sondern allen Bietern zugutekommen dürfte und insofern Zweifel angebracht wären, ob allein das Vorhalten eines Baubüros hier gemeint sein kann. Die Punktevergabe ist daher nicht zu beanstanden.
73
ee) Ablauf und Projektorganisation
74
Entgegen der Auffassung der Antragstellerin war hier die konkrete Anwendung auf die vorliegende Baumaßnahme gefordert („Es sollen Ansätze der Problemlösungen und Lösungsmöglichkeiten anhand von Arbeitsbeispielen.... vorgestellt werden, die im Auftragsfall auf die ausschreibungsgegenständliche Maßnahme Anwendung finden.“ Hervorhebung durch die Kammer).
75
Die Antragsgegnerin hatte hier die Punktevergabe mit 4 Punkten damit begründet, dass die Antragstellerin nicht auf die Fristen des Projekts eingegangen sei. Dies ist nach Auffassung der Kammer nicht zu beanstanden. Folie 24 bezog sich auf die zeitliche Verfügbarkeit der Projektarbeiter, nicht aber auf das hier abgefragte Kriterium. Hätte diese Folie zur Bewertung mit herangezogen werden sollen, hätte die Antragstellerin den Bezug durch einen Verweis herstellen müssen. Insoweit wird auf die vorstehenden Ausführungen oben bei aa) verwiesen. Daher ist der Punkteabzug gerechtfertigt.
76
dd) Darstellung von möglichen Lösungsansätzen:
77
Hier hatte die Antragstellerin nicht die volle Punktzahl, sondern nur 4 Punkte erhalten, weil der Auftraggeber den konkreten Bezug des Lösungsansatzes zum vorliegenden Fall vermisst hat.
78
Die Darstellung von Lösungsansätzen impliziert nach Auffassung der Kammer nicht nur die Benennung von Varianten, sondern auch deren konkrete Anwendbarkeit auf die vorliegende Maßnahme. Gerade wenn die Antragstellerin eine Vielzahl von Lösungsmöglichkeiten benennt, drängt sich bereits die Frage auf, welchen Mehrwert dies für den Auftraggeber ohne konkreten Bezug zu der konkreten Maßnahme bieten soll. Es geht nicht darum, den Auftraggeber mit einer Vielzahl von abstrakten Varianten zu beeindrucken, sondern Hinweise auf die zu bewältigende Aufgabe anzubieten. Dass die Antragstellerin ohne jeden Bezug zur geplanten Maßnahme Lösungsmöglichkeiten präsentiert hätte, hat die Antragsgegnerin weder behauptet, noch so gewertet. Auch das Protokoll über die mündliche Verhandlung weist an dieser Stelle nicht die konkrete Übertragbarkeit des Lösungsansatzes auf die Problemstellung aus, sondern spricht nur pauschal von Erläuterungen. Diese pauschale Inbezugnahme ist aber nicht die in der Aufgabenstellung geforderte Darstellung.
79
Das Protokoll hat als Dokument aber die Vermutung der Vollständigkeit und Richtigkeit für sich, zumal die Antragstellerin auf die Zusendung des Protokollentwurfs mit Änderungswünschen reagiert hatte und insofern das Protokoll in der jetzigen Form akzeptiert hat. Es fehlt damit an dem Transfer auf das vorliegende Projekt. Ein anderer Bieter hat diesen Transfer geleistet und deshalb dort die volle Punktzahl erhalten
80
Darin liegt auch entgegen der Auffassung der Antragstellerin keine nachträgliche Verschärfung des Wertungsmaßstabes. Bei Auslegung der gestellten Aufgabe war klar ersichtlich, dass hier eine kreative Bearbeitung mit dem Transfer zur konkreten Aufgabe gefragt war.
81
Das OLG Karlsruhe hat in seiner Rechtsprechung die funktionale Aufgabenstellung wie nachfolgend umschrieben, vgl. zuletzt Beschluss vom 29.03.2021,15 Verg 2/21 Seite 7 des Entscheidungsabdrucks. Verlangt der Auftraggeber von den Bietern die Erstellung von Konzepten, gleicht das Verfahren einem Verfahren mit funktionaler Leistungsbeschreibung. Bei funktionalen Leistungsbeschreibungen geht es dem Auftraggeber darum, die technisch, gestalterisch, ökologisch oder wirtschaftlich beste Lösung dadurch zu finden, dass er den Bietern die konkrete Art und Weise der Lösung zu ihrer kreativen Beurteilung überlässt. Sie ist dadurch gekennzeichnet, dass in dieser nur der Zweck und die zu erreichenden Ziele vorgegeben werden. In solchen Fällen gilt der Grundsatz, dass die Lösung eindeutig oder erschöpfend zu beschreiben ist, nur eingeschränkt, da eine funktionale Leistungsbeschreibung den Auftragsgegenstand nicht in gleicher Weise beschreiben kann wie eine konventionelle Beschreibung. Einem solchen Verfahren ist immanent, dass der Auftraggeber die Einzelheiten nicht abschließend festlegt oder verbindliche Vorgaben macht.
82
Eine Übererfüllung dieses Wertungskriteriums kommt daher nicht in Betracht, denn es gibt von vornherein bei diesem Kriterium nicht für alle Bieter die Möglichkeit der 100% igen Erfüllung mit voller Punktzahl, weil der Auftraggeber gerade keine abschließende verbindliche Vorstellung von der Lösung hat. Die Auffassung der Antragstellerin würde damit auch dem Wettbewerbsprinzip, nach dem gerade Differenzierungen angestrebt werden, per se nicht gerecht. Die Bieter sollen vorliegend vielmehr die Möglichkeit erhalten, sich durch ein Mehr an Leistung zu profilieren.
83
Insoweit ist eine Benotung, die an dieser Stelle Differenzierungen vornimmt, gerechtfertigt. Sie ist jedenfalls durch den Beurteilungsspielraum gedeckt und daher nicht zu beanstanden.
84
Der Antragstellerin ist auch insoweit nicht zu folgen, als sie moniert, dass die Antragsgegnerin bei der vorigen Bewertung für 2 Kritikpunkte denselben Abzug bei diesem Kriterium vorgenommen hatte wie jetzt für nur einen Kritikpunkt. Unabhängig davon, dass die nunmehr weggelassene Begründung falsch war, wie die Antragstellerin selbst gerügt hatte, ist allein erheblich, wie die Bewertung jetzt erfolgt ist und ob diese Begründung die Benotung trägt, denn die Wiederholung der Wertung diente ja der Fehlerkorrektur. Umgekehrt könnte sich auch die Frage stellen, ob bei 2 Kritikpunkten vorher nicht vielmehr eine geringere Benotung geboten gewesen wäre. Dass die jetzige Bewertung nicht zu beanstanden ist, ist aufgrund der obigen Ausführungen nach Auffassung der Kammer jedoch der Fall.
85
Selbst wenn man an dieser Stelle der oben dargelegten Argumentation der Vergabekammer nicht folgen und in der Benotung mit 4 Punkten bei diesem Kriterium einen Vergaberechtsverstoß sehen würde, führte dieser Verstoß nicht zum Erfolg des Nachprüfungsantrags. Wie bereits im rechtlichen Hinweis angedeutet und von der Beigeladenen und der Antragsgegnerin richtigerweise vorgetragen, wäre bei Anwendung des von der Antragstellerin zugrunde gelegten Maßstabes auch der Beigeladenen an dieser Stelle die volle Punktzahl zu vergeben. Damit würde der Punkteabstand zwischen der Antragstellerin und der Beigeladenen nicht geringer, sodass sich dieser Vergabeverstoß nicht auswirken würde. Nach § 168 Abs. 1 GWB könnte die Vergabekammer einen Vergaberechtsverstoß jedoch nur dann zum Anlass einer Verpflichtung des Auftraggebers nehmen und in das Verfahren eingreifen, wenn dieser Verstoß sich auf die Chancen des Antragstellers negativ ausgewirkt hätte. Dieser Gedanke käme auch bei anderen Kriterien ‒ wie die Beigeladene ausgeführt hat ‒ zum Tragen.
86
Die Kammer hat sich im Übrigen durch Vergleich der Wertungen davon überzeugt, dass die Bewertungen gegenüber allen Bietern in gleicher Weise vergeben wurden.
III.
87
Die Kostenentscheidung beruht auf § 182 Abs. 3 und 4 GWB.
88
Da die Antragstellerin unterliegt, hat sie die Kosten der Vergabekammer sowie die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Aufwendungen der Antragsgegnerin und der Beigeladenen zu tragen, vgl. § 182 Abs. 3 Satz 1 GWB.
89
Die Kammer stellt bei der Verfahrenskostenfestsetzung nach § 182 Abs. 1 GWB in Verbindung mit §§ 3, 9 VwKostG auf ihren personellen und sachlichen Aufwand und den wirtschaftlichen Wert des Verfahrens für Antragstellerin ab. Unter Zugrundlegung der wirtschaftlichen Bedeutung des Auftrags - die sich am Bruttoangebotswert der Antragstellerin bemisst - und des durchschnittlichen Aufwands bei Anwendung der Gebührentabelle des Bundes, die auch die Vergabekammer Baden-Württemberg aus Gründen der einheitlichen Handhabung der Gebührenberechnung zugrunde legt, wird eine Gebühr von XXX Euro als angemessen festgesetzt.
90
Die Hinzuziehung eines Anwaltes für die Beigeladene war gemäß § 182 Abs. 4 Satz 4 GWB für notwendig zu erklären, da Beigeladene sich regelmäßig wie Antragsteller eines Rechtsanwaltes für das Nachprüfungsverfahren bedienen dürfen und eine Ausnahme von dieser Regel für den vorliegenden Fall nicht ersichtlich ist. Der Beigeladenen waren Kosten zu erstatten, da sie sich zu dem Verfahren inhaltlich geäußert hat und damit ein Kostenrisiko eingegangen ist.
91
Gem. § 182 Abs. 4 Satz 5 GWB findet ein gesondertes Kostenfestsetzungsverfahren nicht statt.