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  • 15.03.2024 · IWW-Abrufnummer 240330

    Vergabekammer Bund: Beschluss vom 07.12.2023 – VK 2-82/23

    1. Eine Wertungsmethode, nach der das Angebot mit der höchsten Punktzahl fünf Punkte und das Angebot mit der niedrigsten Punktzahl null Punkte erhält, ist vergaberechtswidrig, weil generell nicht auszuschließen ist, dass das für die Zuschlagserteilung maßgebende beste Preis-Leistungs-Verhältnis jedenfalls dann nicht korrekt ermittelt werden kann, wenn nur zwei Angebote vorliegen.
    2. Erkennbare Vergaberechgerechtsverstöße sind zu rügen. Erkennbar sind solche Verstöße, die von einem durchschnittlichen Unternehmen des angesprochenen, mithin fachkundigen, Bieterkreises bei üblicher Sorgfalt und üblichen Kenntnissen erkannt werden können.
    3. Einer üblichen Sorgfalt und üblichen Kenntnissen entspricht es jedenfalls, dass ein Bieter die für die Kalkulation seines Angebots relevanten Vorgaben der Vergabeunterlagen zur Kenntnis nimmt und aufmerksam aufarbeitet. Dazu gehört die Befassung mit den für die Zuschlagserteilung relevanten Vorgaben.
    4. Dass Wertungskriterien hinreichend bestimmt und diskriminierungsfrei sein müssen, damit Angebote vergleichbar sind und kalkuliert werden können, ist ein durchschnittlichen Bietern allgemein bekannter vergaberechtlicher Grundsatz.
    5. Geht es im Vergabenachprüfungsverfahren um die korrekte Anwendung der vom Auftraggeber vorgegebenen Wertzungskriterien und damit um Fragen der Anwendung des Vergaberechts, die zum originären Aufgabenkreis des Auftraggebers als Vergabestelle gehören, ist die Hinzuziehung eines Rechtsanwalts nicht notwendig.


    In dem Nachprüfungsverfahren

    (...)

    wegen der Vergabe "Entwurfsplanung für drei Überführungsbauwerke [...],

    hat die 2. Vergabekammer des Bundes auf die mündliche Verhandlung vom 22. November 2023 am 7. Dezember 2023

    beschlossen:

    1. Der Nachprüfungsantrag wird zurückgewiesen.

    2. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Nachprüfungsverfahrens (Kosten und Auslagen) sowie die zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Antragsgegnerin.


    Gründe:

    I.

    1. Die Antragsgegnerin (Ag) machte am 5. Juni 2023 die beabsichtigte Vergabe "Entwurfsplanung für drei Überführungsbauwerke [...]" im Rahmen eines Verhandlungsverfahrens mit Teilnahmewettbewerb im Supplement zum Amtsblatt der EU unionsweit bekannt. Zwischen [...] und der [...] sollen drei in die Zuständigkeit der Ag fallende Brückenbauwerke über die [...] erneuert werden, das sind [...]. Die Fertigstellung aller Ersatzbauten soll bis Ende 2027 erfolgt sein.

    Der Bekanntmachung zufolge sollten im Anschluss an den Teilnahmewettbewerb mindestens drei, maximal fünf Teilnehmer zur Angebotsabgabe aufgefordert werden. Die Ag forderte nach Abschluss der Auswertung der Teilnahmeanträge unter dem 07. August 2023 drei Unternehmen, die Antragstellerin (ASt), die Beigeladene (Bg) und einen weiteren Anbieter zur Abgabe eines Erstangebots bis zum 20. September 2023 auf.

    Dem beigefügten Formblatt "EU-Aufforderung Erstangebotsabgabe/Verhandlung" ([...]) war zu entnehmen, dass Zuschlagskriterien der Preis (Wichtung 40 %) und "Projektspezifische Lösungsansätze mit dem Schwerpunkt [...]" (Wichtung 60 %) waren. Bei der Wertung des Preises (Kriterium 1) sollte das günstigste Angebot 5 Punkte, ein fiktives Angebot mit dem 2,0-fachen des niedrigsten Preises 0 Punkte erhalten. Bei den dazwischen liegenden Angeboten sollte eine Interpolation erfolgen mit bis zu 3 Nachkommastellen.

    Zum Kriterium "Projektspezifische Lösungsansätze mit dem Schwerpunkt [...]" (Kriterium 2) ging aus dem Formblatt hervor:

    "Die Erläuterungskonzepte mit dem Schwerpunkt "[...]" werden wie folgt gewertet:

    Mit hoch bewertet werden:

    - Analysieren der Randbedingungen und Zwangspunkte 0-5 Punkte;

    - Erkennen der Aufgabenstellung 0-5 Punkte;

    - Sachgerechte Rückschlüsse 0-5 Punkte;

    - Gestaltung des Brückenbauwerks 0-5 Punkte;

    - Innovative Bauweisen 0-5 Punkte;

    Gesamtpunkte: max. 25 Punkte.

    Die Wertung der Einzelkriterien erfolgt in einer Spanne von 0-5 Punkten, wobei nur volle Punktzahlen vergeben werden.

    Die Wertung erfolgt unabhängig voneinander durch drei Ingenieure der Bauabteilung. Aus der Gesamtsumme der drei Einzelwertungen wird das arithmetische Mittel gebildet. Der Bewerber mit der höchsten Punktzahl erhält 5 Punkte. Der Bewerber mit der niedrigsten Punktzahl erhält 0 Punkte. Dazwischen wird linear interpoliert und mathematisch auf volle Punkte aufgerundet."

    Dem Formblatt zufolge behielt die Ag sich vor, den Auftrag auf der Grundlage der Erstangebote zu vergeben, ohne in Verhandlungen einzutreten.

    Die dem Formblatt als Anlage beigefügte Leistungsbeschreibung machte zu jeder der drei Brückenbaumaßnahmen detaillierte Angaben zu den Bauwerkskenndaten. Darüber hinaus fanden sich konkrete Vorgaben insbesondere zur Verkehrsführung und zur Gestaltung der jeweiligen Bauwerke. Durch Unterstreichung besonders hervorgehoben war die folgende Vorgabe:

    "In den Planungen ist ein maximaler Vorfertigungsgrad der Unterbauten und des Überbaus vorzusehen. Die Planung von innovativen Bauverfahren zur Erreichung des Ziels sind ausdrücklich erwünscht und vorzusehen.....Die Entwurfsplanung darf keine patent- oder urheberrechtlich geschützten Bauverfahren, Bauelemente oder Bauteile beinhalten, die bei der späteren Vergabe der Bauleistung einen Auftragnehmer-Bau bevorzugt, oder diesem einen Vorteil gegenüber anderen Mitbietern gewährt."

    ASt und Bg gaben fristgerecht ein Angebot ab. Nach der vorliegenden Angebotswertung war das Angebot der ASt zwar das preisgünstigste, erhielt bei der Wertung des Kriteriums 2 jedoch nur 0 Punkte. Im Formular "Angebotswertung Kriterium 2 - Zusammenfassung" begründete die Ag die diesbezügliche Wertung damit, dass das Angebot der ASt schlechter bewertet worden sei als das Angebot der Bg; da insgesamt nur zwei Angebote abgegeben worden seien, sei auf eine Interpolation der Wertungspunkte verzichtet worden.

    Mit Schreiben vom 12. Oktober 2023 teilte die Ag der ASt gem. § 134 GWB ihre Absicht mit, den Zuschlag auf das Angebot der Bg erteilen zu wollen. Nach der vorliegenden Angebotswertung habe dieses Angebot eine höhere Gesamtpunktzahl erreicht.

    Auf das Ersuchen der ASt hin, ihr nähere Informationen zur Wertung des Kriteriums 2 zu geben, stellte die Ag ihr eine Tabelle mit der Angebotswertung zur Verfügung, der sich die Einzelwertungen der 3 Juroren entnehmen ließen. Als Argument für die im Vergleich zur Bg geringere Bewertung wird darin u.a. bei zwei Unterkriterien angeführt, das Angebot der ASt sei ein Plagiat der patent- bzw. urheberrechtlich geschützten [...].

    Die ASt rügte mit Schreiben vom 13. Oktober 2023 die Angebotswertung. Darin machte sie u.a. geltend, die Annahme der Juroren, bei den eingereichten Plänen handele es sich um ein Plagiat der [...], sei ebenso unzutreffend wie die Annahme, das entsprechende Bauverfahren sei patent- bzw. urheberrechtlich geschützt. Mit Schreiben vom 19. Oktober 2023 rügte die ASt ergänzend die unterbliebene Interpolation. Darüber hinaus sei die Wertungssystematik bzgl. des Kriteriums 2 in denjenigen Fällen vergaberechtswidrig, in denen - wie hier - nur zwei Bieter Angebote abgegeben haben. Das unterlegene Angebot erhalte selbst bei geringsten qualitativen Unterschieden zum führenden Angebot nur 0 Punkte. Zur Begründung für ihre Auffassung verwies die ASt auf eine Entscheidung des OLG Düsseldorf vom 22. Januar 2014 (Verg 26/13).

    In einem Schreiben vom 19. Oktober 2023 lehnte die Ag es ab, dem Vorbringen der ASt abzuhelfen. Mit der Einschätzung der Juroren, das Angebot der ASt stelle ein Plagiat dar, habe lediglich zum Ausdruck gebracht werden sollen, dass es dem Konzept der ASt an Eigenständigkeit fehle und die Ursprünge des Konzepts nicht nachvollziehbar seien.

    2. Mit einem am 20. Oktober 2023 bei der Vergabekammer des Bundes eingegangenen Schriftsatz ihrer Verfahrensbevollmächtigten stellte die ASt einen Nachprüfungsantrag, welchen die Vergabekammer der Ag am selben Tag übermittelte.

    a) Die ASt meint, der Nachprüfungsantrag sei zulässig. Der Ansicht von Ag und Bg, die ASt habe ihren Rügeobliegenheiten nicht genügt, sei nicht zu folgen. Davon, dass nur zwei Bieter Angebote abgegeben haben, habe sie erst durch das Schreiben der Ag vom 11. Oktober 2023 Kenntnis erlangt. Erst aus diesem Schreiben sei für sie erkennbar gewesen, dass ihr Angebot, entgegen der bekanntgemachten Wertungsmatrix, bei dem Kriterium 2 nicht interpoliert, sondern mit 0 Punkte bewertet worden sei. Für die ASt sei erst zu diesem Zeitpunkt die Tragweite der Wertungsmatrix bzgl. des Kriteriums 2 in Situationen erkennbar gewesen, in denen nur zwei Angebote vorliegen.

    Der Nachprüfungsantrag sei auch begründet. Unter Hinweis auf den Beschluss des OLG Düsseldorf vom 22. Januar 2014 trägt sie vor, dass die Wertungsmatrix in Fällen, in denen - wie vorliegend - nur zwei Bieter Angebote abgegeben haben, ungeeignet sei, die Zuschlagsentscheidung zu begründen. Der Verzicht auf eine Interpolation in solchen Fällen habe zur Folge, dass das eine Angebot die volle Punktzahl (hier: 5 Punkte), das andere, unterlegene Angebot dagegen 0 Punkte erhalte. Eine solche "Alles oder Nichts"-Wertung führe zu einer disproportionalen Angebotswertung. Die von der Ag im anhängigen Nachprüfungsverfahren geäußerte Auffassung, die Rechtsprechung des OLG Düsseldorf sei durch eine neuere Rechtsprechung überholt, sei unzutreffend. Die von der Ag insoweit herangezogenen Entscheidungen des BGH (Beschluss vom 04. April 2017 - X ZB 3/17) sowie der erkennenden Vergabekammer (Beschluss vom 26. Juni 2018, VK 2-46/18) hätten sich mit der streitgegenständlichen Rechtsfrage unmittelbar nicht befassen müssen.

    Bei der Wertung des Zuschlagskriteriums 2 seien die Juroren überdies in unzutreffender Weise davon ausgegangen, die ASt habe patentrechtlich bzw. urheberrechtlich geschützte Pläne der [...] eingereicht. Die Bauweise als solche sei aktuell nicht patentrechtlich geschützt. Außerdem sei das seinerzeit erstmals von der [...] zum Einsatz gebrachte [...] von einem Biege-Partner der ASt, der [...], entworfen worden. Die vorliegende Angebotswertung lasse vermuten, dass die Wertung insgesamt durch die unzutreffende Annahme negativ beeinflusst worden sei.

    Die ASt beanstandet ferner, die Ag sei zu Unrecht davon ausgegangen, für die von ihr vorgeschlagene Lösung, [...], sei eine ZiE (d.h. eine Zulassung im Einzelfall) erforderlich. Fehl gehe die Ag darüber hinaus in der Annahme, sie habe die Stützweite von [...] nicht erkannt.

    Nach erfolgter Akteneinsicht macht die ASt ergänzend geltend, der Vergabevermerk lasse vermuten, es seien nicht bekannt gemachte Wertungskriterien verwendet worden.


    Die ASt beantragt,

    1. die Einleitung eines Nachprüfungsverfahrens gem. § 160 ff. GWB gegen die Ag anzuordnen,

    2. der Ag zu untersagen, den Zuschlag auf das Angebot der Bg zu erteilen. Die Ag wird stattdessen verpflichtet, bei Fortbestehen der Beschaffungsabsicht die Prüfung und Wertung des Angebotes der ASt unter Beachtung der Rechtsauffassung der Vergabekammer zu wiederholen.

    Hilfsweise:

    Die Ag zu verpflichten, bei fortbestehender Beschaffungsabsicht das Verfahren zurückzuversetzen und die Wertungsmatrix für die Angebotswertung zu ändern und das Verhandlungsverfahren unter Beachtung der Rechtsauffassung der Vergabekammer zu wiederholen,

    3. die Ag trägt die Kosten des Nachprüfungsverfahrens einschließlich der zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Aufwendungen der ASt,

    4. festzustellen, dass die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten durch die ASt notwendig war,

    5. Akteneinsicht gem. § 165 Abs. 1 GWB.


    b) Die Ag beantragt,

    1. den Nachprüfungsantrag zurückzuweisen,

    2. die Kosten des Verfahrens einschließlich der zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Aufwendungen der Ag der ASt aufzuerlegen,

    3. die Hinzuziehung der Verfahrensbevollmächtigten der Ag für notwendig zu erklären.


    Nach Ansicht der Ag ist der Nachprüfungsantrag teilweise bereits unzulässig. Mit den gegen die Bewertungsmethode gerichteten Angriffen sei die ASt nach § 160 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 GWB präkludiert. Die Bewertungsmethode sei den Anbietern spätestens mit Erhalt der Aufforderung zur Abgabe des Erstangebots vom 07. August 2023 bekannt gewesen, so dass etwaige Vergaberechtsfehler bereits zu diesem Zeitpunkt erkennbar gewesen seien. Es sei auch ohne weiteres erkennbar gewesen, dass die Situation eintreten könne, dass nur zwei Bieter Angebote abgeben und es so zu der von der ASt monierten disproportionalen Wertung kommen könne. Im Übrigen seien Konstellationen denkbar, in denen selbst bei Abgabe mehrerer Angebote 0 Punkte für die schlechteren Angebote zu vergeben gewesen wären.

    Jedenfalls sei der Nachprüfungsantrag unbegründet. Die von der Ag zugrunde gelegte Wertungsmatrix sei vergaberechtskonform. Die von der ASt zur Stützung ihrer Rechtsansicht herangezogene Entscheidung des OLG Düsseldorf sei überholt. In der aktuellen Rechtsprechung sei anerkannt, dass die Auswahl und Festlegung der Zuschlagskriterien sowie deren Gewichtung einem weiten Bestimmungsrecht des Auftraggebers unterfielen, der von den Vergabenachprüfungsinstanzen nur eingeschränkt überprüfbar sei. Eine Bewertungsmethode, die - wie hier - dazu führen könne, dass im Falle von nur zwei eingegangenen Angeboten das schlechtere der beiden selbst bei nur minimalen Punkteabstand mit 0 Punkte bewertet werde, sei nicht per se vergaberechtswidrig. Nach der Rechtsprechung des BGH (Beschluss vom 04. April 2017 - X ZB 3/17) könnten Bewertungsmethoden im Einzelfall wettbewerbsverzerrende Wirkungen haben. Das sei u.a. dem Umstand geschuldet, dass Angebote im Quervergleich zu betrachten seien. Dem entsprechend habe die erkennende Vergabekammer in einem Beschluss vom 26. Juni 2018 (VK 2-46/18) darauf aufmerksam gemacht, dass keine Wertungsmethode existiere, die vollkommen frei von Friktionen oder potentiellen Verzerrungen durch das Angebotsverhalten anderer Bieter sei.

    Im Ergebnis könne eine Entscheidung über die Rechtmäßigkeit der Bewertungsmethode dahingestellt bleiben, weil auf das Angebot der ASt selbst dann nicht der Zuschlag zu erteilen gewesen wäre, wenn eine Interpolation der Wertungspunkte stattgefunden hätte. Eine Interpolation ändere nichts daran, dass das Angebot der ASt nur das Zweitplatzierte sei. Daher könne ausgeschlossen werden, dass der ASt durch den von ihr behaupteten Vergaberechtsverstoß ein Schaden entstanden sei.

    Die Angebotswertung durch die Juroren sei frei von Beurteilungs- bzw. Ermessensfehlern. Die im Vergleich zur Bg schlechtere Bewertung des Konzepts der ASt sei maßgeblich darauf zurückzuführen, dass diese keine projektspezifischen Lösungen vorgeschlagen habe, sondern sich auf allgemeingültige Vorschläge beschränkt habe. Dabei habe die Einschätzung der Juroren, dass der Vorschlag der ASt ein Plagiat der [...] sei, keinen entscheidungserheblichen Einfluss auf die Wertungsentscheidung gehabt.

    Zu Punktabzug habe auch nicht primär der Umstand geführt, dass die von der ASt vorgeschlagene Bauweise ([...]) eine ZiE erforderlich mache. Der Punktabzug sei vielmehr deshalb erfolgt, weil die ASt die Erforderlichkeit einer ZiE nicht erkannt habe.

    c) Die mit Beschluss vom 24. Oktober 2023, berichtigt durch Beschluss vom 30. Oktober 2023, zum Verfahren hinzugezogene Bg stellt keine eigenen Anträge. Sie trägt vor, die ASt sei mit dem gegen die Wertungsmethode des Kriteriums 2 gerichteten Vorbringen präkludiert (§ 160 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 GWB). Die Methodik sei der ASt bereits mit der Aufforderung zur Angebotsabgabe bekannt gewesen.

    Durch die Angebotswertung werde die ASt nicht in ihren Rechten verletzt. Selbst wenn zuträfe, dass die Ag zu Unrecht davon ausgegangen sei, die ASt habe ein patent- oder urheberrechtlich geschütztes Plagiat angeboten, habe die Ag die Angebotsprüfung im Lichte des Vorbringens der ASt wiederholt. Auch nach der erneuten Prüfung bleibe die Bieterreihenfolge unverändert.

    3. Die Vergabekammer hat der ASt und der Bg nach Anhörung der Ag Einsicht in die Vergabeakte erteilt, soweit Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse nicht betroffen waren. Auf die ausgetauschten Schriftsätze, die Vergabeakte, soweit sie der Vergabekammer vorgelegen hat, sowie auf die Verfahrensakte der Vergabekammer wird verwiesen.

    Die mündliche Verhandlung fand am 22. Oktober 2023 statt. Der Ag ist Schriftsatznachlass zur Vorlage eines Auszugs aus der in Anlage ASt 8 (d.h. Rügeantwort der Ag vom 19. Oktober 2023), unter "Zu Punkt 2", erwähnten RE-ING zur Erforderlichkeit einer ZiE gewährt worden. Die fünfwöchige Entscheidungsfrist nach § 167 Abs. 1 S. 1 GWB, die am 24. Oktober 2023 abgelaufen wäre, wurde durch Verfügung des stellvertretenden Vorsitzenden der Vergabekammer gemäß § 167 Abs. 1 S. 2 GWB bis zum 8. Dezember 2023 verlängert.


    II.

    Der Nachprüfungsantrag ist zulässig, aber unbegründet.

    1. Der Nachprüfungsantrag ist zulässig.

    a) Der Nachprüfungsantrag betrifft ein Vergabeverfahren zur Beschaffung von Planungsleistungen, der dem Bund zuzurechnen ist, §§ 98, 99 Nr. 2 GWB. Die Vergabekammer des Bundes ist daher zuständig, § 159 Abs. 1 Nr. 1 GWB.

    b) Die ASt ist antragsbefugt nach § 160 Abs. 2 GWB. Das nach § 160 Abs. 1 Satz 1 GWB erforderliche Interesse am Auftrag hat die ASt durch ihre erfolgreiche Beteiligung am Teilnahmewettbewerb und die Abgabe eines Angebots hinreichend nachgewiesen. Aus ihren Darlegungen ergibt sich ohne Weiteres, dass sie die Verletzung bieterschützender Vorschriften über das Vergabeverfahren nach § 160 Abs. 2 Satz 1 i.V.m § 97 Abs. 6 GWB geltend macht. Sie hat zudem dargelegt, dass ihr als der zweitplatzierten Bieterin durch die behaupteten Verstöße gegen § 97 Abs. 1, 2 GWB ein Schaden in Gestalt des ihr entgehenden Zuschlags entsteht.

    c) Die ASt hat die geltend gemachten Verstöße gegen das Vergaberecht rechtzeitig gerügt.

    aa) Mit dem gegen die Wertungsmatrix und damit die Grundlagen der Ausschreibung gerichteten Vorbringen ist die ASt nicht nach § 160 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 GWB präkludiert.

    Nach § 160 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 GWB ist ein Nachprüfungsantrag unzulässig, soweit Verstöße gegen Vergabevorschriften, die erst in den Vergabeunterlagen erkennbar sind, nicht spätestens bis zum Ablauf der Angebotsfrist, die am 20. September 2023 endete, gegenüber dem Auftraggeber gerügt wurden. Die behauptete Vergaberechtswidrigkeit hat die ASt erstmals mit Rügeschreiben vom 19. Oktober 2023 geltend gemacht. Die ASt bemängelt darin, dass das bekannt gemachte Wertungsschema ungeeignet sei, die Wertung von nur zwei eingereichten Angeboten transparent und diskriminierungsfrei durchzuführen. Der bei Kriterium 2 unterlegene Bieter könne selbst bei geringsten Unterschieden zum führenden Angebot nur 0 Punkte erhalten.

    Nach Auffassung der Vergabekammer spricht nach Lage der Akten mehr dafür, dass der gerügte Verstoß für die ASt nicht erkennbar war.

    Für die Erkennbarkeit im Sinne des § 160 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 GWB gilt ein objektiver Maßstab, Erkennbar sind solche Verstöße, die von einem durchschnittlichen Unternehmen des angesprochenen, mithin fachkundigen, Bieterkreises bei üblicher Sorgfalt und üblichen Kenntnissen erkannt werden können (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 19. Oktober 2020 - Verg 33/20; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 11. Juli 2018 - Verg 24/18). Dabei ist es erforderlich, dass der geltend gemachte Fehler nicht nur in tatsächlicher, sondern auch in rechtlicher Hinsicht erkennbar für den durchschnittlichen Bieter ist; der Verstoß muss so offensichtlich sein, dass er einem durchschnittlich erfahrenen Bieter bei der Vorbereitung seines Angebotes auffallen muss (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 15. Februar 2023 - Verg 6/22 m.w.N.). Einer üblichen Sorgfalt und üblichen Kenntnissen entspricht es jedenfalls, dass ein Bieter die für die Kalkulation seines Angebots relevanten Vorgaben der Vergabeunterlagen zur Kenntnis nimmt und aufmerksam aufarbeitet. Dazu gehört die Befassung mit den für die Zuschlagserteilung relevanten Vorgaben, denn danach bemisst sich, wie erfolgversprechend das Angebot sein kann. Dass Wertungskriterien hinreichend bestimmt und diskriminierungsfrei sein müssen, damit Angebote vergleichbar sind und kalkuliert werden können, ist ein durchschnittlichen Bietern allgemein bekannter vergaberechtlicher Grundsatz.

    Für die ASt ohne weiteres erkennbar war die grundsätzliche Herangehensweise der Ag bei der Wertung im Rahmen des Kriteriums 2: In einem ersten Schritt wurde die Summe der von den drei Juroren vergebenen Punkte ermittelt. Auf dieser Basis wurde in einem zweiten Schritt eine Punktzahl zwischen 5 Punkte (bestes Angebot) und 0 Punkte (schlechtestes Angebot) vergeben.

    Für die ASt ohne weiteres erkennbar war ebenfalls, dass die Wertungsmatrix bzgl. des Kriteriums 1 differenzierter war als die Wertungsmatrix betreffend Kriterium 2. Während bei Kriterium 1 bei allen Angebotspreisen, welche das Doppelte des Bestbieters nicht erreichten oder gar überschritten (dann 0 Punkte), eine Interpolation bis zu drei Stellen hinter das Komma vorgesehen war, konnten bei Kriterium 2 nur volle Punktzahlen (0 bis 5 Punkte) vergeben werden.

    Indem nur volle Punktzahlen vergeben werden konnten, erfolgte ein "Stufen-Effekt". Dieser konnte in Einzelfällen, vor allem bei geringem Punktabstand, zu Ungleichbehandlungen führen.

    Dieser Effekt war für alle Bieter erkennbar.

    Zwar ist der Ag und der Bg im Ansatzpunkt darin beizupflichten, dass die Wertungsmatrix und damit auch die Vorgehensweise der Ag bei der Bewertung des Kriteriums 2 bereits aus der Anlage "Aufforderung Erstangebotsabgabe/Verhandlung" ergab, die der Aufforderung zur Erstangebotsabgabe/Verhandlung vom 7. August 2023 zu entnehmen war; für einen Bieter hätte daher, sofern er alle hypothetisch denkbaren Szenarien durchdacht hätte, erkennbar sein können, dass das Wertungssystem dann, wenn nur zwei Bieter Angebote abgegeben haben, dazu führen würde, dass der unterlegene Bieter nur 0 Punkte erhalten würde. Diese Überlegungen mussten sich der ASt aber nicht aufdrängen. Aus der Bekanntmachung konnte die ASt lediglich entnehmen, dass die Ag zum Ende des Teilnahmewettbewerbs drei bis max. fünf Unternehmen dazu auffordern würde, ein Angebot abzugeben. Wie viele Unternehmen zur Angebotsabgabe aufgefordert werden würden, konnte und musste die ASt nicht wissen, erst recht nicht, wie viele Unternehmen tatsächlich fristgerecht ein Angebot abgeben würden.

    Hätte die ASt, wie von Ag und Bg erwogen, schon zum Zeitpunkt der Aufforderung zur Angebotsabgabe die Disproportionalität der Wertungsmatrix gerügt, wäre sie mit ihrem Rügevorbringen voraussichtlich schon deshalb nicht durchgedrungen, weil sich die streitgegenständliche Thematik zu diesem Zeitpunkt noch gar nicht in dieser Schärfe gestellt hätte. Denn die Ag hatte drei Unternehmen zur Angebotsabgabe aufgefordert. Dass nur zwei Bieter ein Angebot abgegeben haben, erfuhr die ASt erst durch ihr Rügevorbringen. Wie aus dem Rügeschreiben der ASt vom 13. Oktober 2023 hervorgeht (dort Seite 3, 3. Absatz), war diese davon ausgegangen, dass mindestens drei Bieter zur Angebotsabgabe aufgefordert worden sind. Die ASt forderte darin sogar die Ag um Aufklärung auf, ob zum Zeitpunkt der Aufforderung zur Angebotsabgabe nur zwei Bieter am Wettbewerb teilnahmen "und damit bereits zu diesem Zeitpunkt ein aufhebungsrelevantes Momentum vorlag" (Schreiben vom 13. Oktober 2023, a.a.O.). Wäre die Annahme der ASt zutreffend gewesen, dass mind. drei Bieter wertungsfähige Angebote abgegeben haben, wäre das Alles-Oder-Nichts-Prinzip möglicherweise nicht zum Tragen gekommen.

    Hat der ASt somit die erforderliche Tatsachenkenntnis gefehlt, kann dahingestellt bleiben, ob der von ihr behauptete Vergaberechtsverstoß für diese in rechtlicher Hinsicht erkennbar war. Für eine entsprechende Kenntnis könnte allerdings - nach Lage der Akten - sprechen, dass die ASt in ihrem Rügeschreiben vom 19. Oktober 2023 (dort Seite 1, letzter Absatz) faktisch zu erkennen gab, mit der einschlägigen Rechtsprechung des OLG Düsseldorf zum "Alles-Oder-Nichts-Prinzip", (Beschluss vom 22. Januar 2014 - Verg 26/13) vertraut zu sein. Zum Zeitpunkt der Rügeerhebung war die Verfahrensbevollmächtigte der ASt für diese - jedenfalls im Außenverhältnis - noch nicht tätig geworden. Es ist daher nicht auszuschließen, dass die ASt selbst über entsprechende Rechtskenntnisse verfügte.

    bb) Soweit sich der Nachprüfungsantrag gegen die unterbliebene Interpolation und die aus Sicht der ASt fehlerhafte Angebotswertung wendet, hat die ASt Kenntnis von den Ergebnissen der Wertung erst durch das Informationsschreiben der Ag vom 12. Oktober 2023 erhalten. Hiergegen wandte die ASt sich mit ihrem Rügevorbringen innerhalb der Frist des § 160 Abs. 3 S. 1 Nr. 1 GWB.

    cc) Keiner Rüge bedurfte das Vorbringen der ASt im Nachgang zur gewährten Akteneinsicht, der Vergabevermerk lasse vermuten, die Ag habe nicht bekannt gemachte Wertungskriterien angewendet.

    d) Die Antragsfrist nach § 160 Abs. 3 S. 1 Nr. 4 GWB wurde eingehalten. Die ASt hat ihren Nachprüfungsantrag mit einem am 20. Oktober 2023 bei der Vergabekammer des Bundes eingegangenen Schriftsatz ihrer Verfahrensbevollmächtigten eingereicht und damit binnen der Frist von 15 Kalendertagen nach Eingang der Nichtabhilfemitteilung der Ag vom 19. Oktober 2023.

    2. Der Nachprüfungsantrag ist unbegründet. Die bekanntgemachte Wertungsmatrix ist zwar in Bezug auf das Kriterium 2 mit Vergaberecht nicht vereinbar. Daraus erwächst der ASt jedoch kein Schaden, weil auf das Angebot der ASt auch bei Durchführung einer Interpolation der Zuschlag nicht zu erteilen wäre.

    a) Die von der Ag bekanntgemachte Bewertungsmatrix ist vergaberechtswidrig.

    Nach der Aufforderung zur Abgabe eines Erstangebots (dort Rn. 5) verwendet die Ag für die Wertung des Kriteriums 2 eine Interpolationsmethode, bei der in einem ersten Schritt aus der Gesamtsumme der Einzelwertungen der drei Juroren das arithmetische Mittel gebildet wird, und, auf der zweiten Stufe, eine (End-) Punktzahl vergeben wird. Das Angebot mit der höchsten Punktzahl erhält 5 Punkte, das Angebot mit der niedrigsten Punktzahl 0 Punkte. Bei dieser Wertungsmethode ist generell nicht auszuschließen, dass das für die Zuschlagserteilung nach § 127 Abs. 1 Satz 3 GWB maßgebende beste Preis-Leistungs-Verhältnis nicht korrekt ermittelt werden kann. In Fällen, in denen nur 2 Angebote vorliegen, ist diese Vorgehensweise problematisch, weil selbst geringe Qualitätsunterschiede zwischen den Konkurrenzangeboten zu extremen und die Wirtschaftlichkeit der Angebote nicht wirklich widerspiegelnden Spreizungen bei der Bewertung der Angebote führen können. Wie das OLG Düsseldorf in dem bereits genannten Beschluss vom 22. Januar 2014 entschieden hat, wird durch diese Methode der relative Abstand der Angebote zueinander nicht korrekt erfasst. Gelangen nur zwei Angebote in die Wertung, hat das Wertungssystem zur Folge, dass der Unterlegene der beiden Bieter bei dem Kriterium 2 keine Punkte erhält und diesen Nachteil auch durch einen günstigeren Preis praktisch nicht mehr ausgleichen kann.

    Soweit die Ag meint, die Entscheidung des OLG Düsseldorf sei durch die neuere Rechtsprechungspraxis überholt, ist dem nicht zu folgen.

    Bei der von der Ag zur Begründung ihrer Auffassung herangezogenen Entscheidung des BGH vom 04. April 2017 (Az.: X ZB 3/17) stand für das Gericht die Frage im Vordergrund, ob es mit den Grundsätzen des § 97 Abs. 1 GWB vereinbar ist, wenn sich aus den Vergabeunterlagen nicht hinreichend deutlich ergibt, wodurch und wofür die den einzelnen Unterkriterien zugeordneten Punktbewertungen / Benotungen errungen werden können. Zu entscheiden war mithin, wie konkret die Vergabeunterlagen Aufschluss über den Erwartungshorizont des Auftraggebers geben müssen sowie darüber, welcher Zielerfüllungsgrad erforderlich ist, um für ein Konzept einen bestimmten Punktwert zu erreichen. Der BGH entschied, dass es einer transparenten und wettbewerbskonformen Auftragsvergabe regelmäßig nicht entgegensteht, wenn der öffentliche Auftraggeber für die Erfüllung der qualitativen Wertungskriterien Punktwerte vergibt, ohne dass die Vergabeunterlagen weitere konkretisierende Angaben dazu enthalten müssen, wovon die jeweils zu erreichende Punktzahl konkret abhängt (vgl. den Leitsatz a der BGH-Entscheidung). Die Gefahr einer Überbewertung qualitativer Kriterien sei durch eine eingehende Dokumentation des Wertungsprozesses zu begegnen (BGH, a.a.O., Leitsatz a und c). Eine Preisumrechnungsmethode, so der BGH (a.a.O. Rn. 33), sei vergaberechtlich nur zu beanstanden, "wenn sich gerade ihre Heranziehung im Einzelfall aufgrund besonderer Umstände als mit dem gesetzlichen Leitbild des Vergabewettbewerbs unvereinbar erweise." Auch danach bedarf es also, wie sich schon aus der vorstehend zitierten Entscheidung des OLG Düsseldorf ergibt, der Vereinbarkeit der Umrechnungsmethode mit den vergaberechtlichen Grundsätzen des § 127 Abs. 3 Satz 1 GWB i.V.m. § 97 Abs. 1 , 2 GWB im Einzelfall. Für die hier von der Ag zugrunde gelegten Methode war dies - wie oben festgestellt - nicht der Fall.

    Der von der Ag ferner herangezogenen Entscheidung der erkennenden Vergabekammer vom 26. Juni 2018 (VK 2-46/18) lässt sich ebenfalls nicht entnehmen, dass die Grundsätze der OLG-Entscheidung als überholt anzusehen sind. Der Ag ist zwar darin beizupflichten, dieser Entscheidung sei die grundsätzliche Erwägung zu entnehmen, dass aus rein mathematischer Sicht kaum eine Wertungsmethode existiert, die vollkommen frei von Friktionen oder potenziellen Verzerrungen durch das Angebotsverhalten anderer Bieter ist. Die Erwägungen dieser Entscheidung sind aber auf den vorliegenden Sachverhalt nicht übertragbar. Während bei der Entscheidung VK 2-46/18 die Gefahr des sog. "Flipping-Effekts", d.h. die Beeinflussung der Wertung durch den Quervergleich mit anderen Angeboten, im Vordergrund stand, stellt sich vorliegend die anders gelagerte Frage, ob eine Wertungsmatrix zu beanstanden ist, bei der eines von insgesamt 2 Angeboten bei der Gesamtwertung nur 0 Punkte erhält, obwohl es bei der Einzelwertung durch Juroren eine deutlich höhere Punktzahl erhalten hat.

    Dass die erkennende Vergabekammer an den vom OLG Düsseldorf in der Entscheidung von 2014 aufgestellten Grundsätze grundsätzlich festhält, ergibt sich im Übrigen auch aus einer aktuellen Entscheidung der erkennenden Vergabekammer vom 25. September 2023 (VK 2-72/23). Darin stellte die Vergabekammer fest, dass bei einer Interpolationsmethode, bei der das Angebot mit dem höchsten Preis 0 Punkte erhält, generell nicht auszuschließen ist, dass das für die Zuschlagserteilung nach § 127 Abs. 1 Satz 3 GWB maßgebende beste Preis-Leistungs-Verhältnis nicht korrekt ermittelt werden kann. Diese Methode sei, so die Vergabekammer, problematisch, weil auch nur geringe Preis- bzw. Qualitätsunterschiede zwischen den Konkurrenzangeboten zu extremen und die Wirtschaftlichkeit der Angebote nicht wirklich widerspiegelnden Spreizungen bei der Bewertung der Angebote führen können. Der relative Abstand der Angebote untereinander werde mit dieser Methode nicht erfasst.

    b) Ist die Wertungsmatrix in Bezug auf das Kriterium 2 somit vergaberechtswidrig, ist der ASt hieraus jedoch kein Schaden erwachsen. Denn die Angebotswertung ist nicht zu beanstanden, das Angebot der ASt hätte selbst im Falle einer Interpolation keine Chance auf Erteilung des Zuschlags.

    Bei der Angebotswertung verbleibt dem öffentlichen Auftraggeber ein von den Vergabenachprüfungsinstanzen nur eingeschränkt überprüfbarer Beurteilungs- bzw. Ermessensspielraum. Die Nachprüfungsinstanzen kontrollieren, ob der öffentliche Auftraggeber von dem richtigen Sachverhalt ausgegangen ist, allgemein gültige Bewertungsmaßstäbe beachtet und sich nicht von sachfremden Erwägungen hat leiten lassen.

    Darüber hinaus muss ein öffentlicher Auftraggeber bei der Angebotswertung den Anforderungen an eine ordnungsgemäße transparente Dokumentation genügen, § 97 Abs. 1, 2 GWB. Die zu dokumentierende Bewertung muss aus sich heraus nach Maßgabe der bekannt gemachten Bewertungsmaßstäbe die sachgemäßen Gründe für die jeweilige Bewertung in sich und im Quervergleich zur Bewertung der anderen Angebote schlüssig nachvollziehen lassen. Hierbei sind insbesondere die Vorgaben der Vergaberechtsprechung zur sog. "Schulnotenbewertung" zu berücksichtigen (zur Bedeutung der Dokumentation bei offenem Bewertungsmaßstab vgl. grundlegend BGH, Beschluss vom 4. April 2017 - X ZB 3/17; ferner OLG Düsseldorf, Beschluss vom 22. März 2023 - Verg 24/22 sowie vom 24. März 2021 - Verg 34/20).

    Von diesen Grundsätzen ausgehend ist festzustellen:

    aa) Bei der Wertung des Unterkriteriums 1 (Analysieren der Randbedingungen und Zwangspunkte) ist in der "Angebotswertung Kriterium 2 - Zusammenfassung" zumindest einer der drei Juroren davon ausgegangen, dass der eingereichte Plan "ein Plagiat/Kopie/Abschrift der "[...]" sei; die [...] findet auch an anderer Stelle der Zusammenfassung ausdrückliche Erwähnung, bei den Unterkriterien 3 und 5. Wie insbesondere aus den Ausführungen zum Unterkriterium 3 hervorgeht, ist zumindest ein Juror davon ausgegangen, dass die [...] patentrechtlichen bzw. urheberrechtlichen Schutz genießt.

    Diese ursprüngliche Annahme war zwar unzutreffend.

    Nachdem die ASt die fehlerhafte Annahme der Ag im Rügeschreiben vom 13. Oktober 2023 moniert hatte, hat die Ag aber bereits im Antwortschreiben vom 19. Oktober 2023 zum Ausdruck gebracht, dass nicht etwa eine Verletzung eines Patents bzw. Urheberschutzrechts für die Abwertung maßgeblich gewesen sei, sondern die Überlegung, dass es dem von der ASt unterbreiteten Vorschlag insbesondere an Eigenständigkeit mangele. Diese Erwägung ist sachgemäß und angesichts des Konzepts der ASt auch nachvollziehbar. Dementsprechend hat die Ag im laufenden Nachprüfungsverfahren und in der mündlichen Verhandlung vor der Vergabekammer die vermeintliche Verletzung gewerblicher Schutzrechte nicht weiter vertreten. Im Schriftsatz vom 27. Oktober 2023, resp. der auf Seite 8 geführten Wertungstabelle, findet sich dort ein entsprechender Hinweis nicht mehr. Dieser Tabelle liegt ein entsprechendes Überdenken der Bewertung seitens der Ag bzw. des von ihr eingesetzten Bewertungsgremiums zugrunde. Da die Ag ihre ursprüngliche fehlerhafte Annahme nachträglich korrigiert hat, wozu sie vergaberechtlich befugt war, steht fest, dass dieser Aspekt bei der Wertung unbeachtet geblieben ist.

    Aus der Zusammenfassung geht des Weiteren hervor, dass die Wertung des Unterkriteriums 1 auf mehreren weiteren Aspekten beruht. Dabei nahm die Ag auch einen schlüssigen Quervergleich der beiden Angebote vor. Die Begründungen der Ag für eine schlechtere Bewertung des Angebots der ASt lassen insgesamt Beurteilungsfehler nicht erkennen.

    bb) Die ASt meint ferner, die Ag sei bei der Wertung des Unterkriteriums 2 (Erkennen der Aufgabenstellung) zu Unrecht davon ausgegangen sei, ein [...] benötige eine ZiE. Dem ist nicht zu folgen.

    Die Ag hat fehlerfrei berücksichtigt, dass die ASt in ihrem Konzept die Erforderlichkeit einer ZiE für die angebotene [...] nicht erkannt bzw. darauf im Konzept nicht hingewiesen hat.

    Soweit die Ag im Hinblick auf die von ihr angeführte und in die Vergabeunterlagen einbezogene RE-ING, Teil 4 Stützbauwerke, [...] darauf hinweist, dass darin für [...] keine Planungsgrundsätze enthalten sind, sondern diese noch in Vorbereitung seien, und daraus ableitet, es sei eine ZiE geboten, so liegt hierin keine unsachgemäße Einschätzung.

    In der mündlichen Verhandlung vor der Vergabekammer hat die ASt der von der Ag angenommenen grundsätzlichen Erforderlichkeit einer ZiE auch nicht substantiell widersprochen.

    Im Nachgang zur mündlichen Verhandlung machte die Ag in einem Schriftsatz vom 30. November 2023 auf einen im Internet abrufbaren Artikel aufmerksam [...], in dem über ein Pilotprojekt berichtet wird, ein [...]; über dieses aktuelle Pilotprojekt ist auch an anderer Stelle ([...]) ausführlich berichtet worden. Aus dem von der Ag erwähnten Dokument geht hervor, dass es sich bei den [...] um "eine neue, innovative und bisher nicht geregelte Bauweise" handele, weshalb für den Bau der [...] eine ZiE durch den BMVI eingeholt worden sei. Auch wenn die ASt in einem nicht nachgelassenen Schriftsatz vom 4. Dezember 2023 die Notwendigkeit einer ZiE auch bezogen auf das Pilotprojekt bestreitet, wird anhand der Ausführungen im Artikel doch deutlich, dass eine ggf. notwendige ZiE für eine - wie hier von der ASt selbst betonte - innovative Bauweise zumindest zu thematisieren gewesen wäre. Dies hat die ASt unterlassen. Es ist vor diesem Hintergrund nicht unsachgemäß, diesen Umstand bei der Bewertung des Erkennens der Aufgabenstellung vor dem Hintergrund einer innovativen Bauweise zu berücksichtigen. In diesem Zusammenhang ist auch zu sehen, dass die Erwägung der Ag maßgeblich den Quervergleich mit dem insoweit besser bewerteten Angebot der Bg erschließt. Die im Quervergleich bessere Bewertung des Angebots der Bg ist nach den schlüssigen ergänzenden Ausführungen der Ag im Schriftsatz vom 27. Oktober 2023 u.a. darauf zurückzuführen, dass die Bg die Notwendigkeit einer ZiE erkannt hat.

    cc) Hinsichtlich des Unterkriteriums 3 (Sachgerechte Schlüsse) beanstandet die ASt die Auffassung der Juroren, dass Betonformsteine eine veraltete Bauweise seien. Tatsächlich handele es sich, so die ASt, um eine erprobte, noch heute im Einsatz befindliche Bauweise.

    [...]

    Diese wurden in den 1920er Jahren zunächst im Bereich Hausbau in den USA eingesetzt. In den 1960er Jahren sind [...] v.a. in der ehemaligen DDR und im östlichen Europa zum Einsatz gekommen. Ihr primäres Einsatzgebiet waren und sind noch immer die Abgrenzung von Grundstücken sowie die Überputzdekoration von Wandbereichen. Ausgehend hiervon ist die Wertungsentscheidung der Ag, dass es sich um eine "veraltete Bauweise" handele, und den Vorschlag deshalb mit einer eher unterdurchschnittlichen Punktzahl zu bewertete, nachvollziehbar und lässt Beurteilungsfehler nicht erkennen. Das Angebot der Bg schnitt im Quervergleich besser ab, weil es Varianten zur Auswahl stellte.

    dd) Entgegen der Annahme der ASt hat die Ag keine nicht vorab bekannt gemachten Wertungskriterien angewendet.

    Die ASt stützt sich dabei auf Erkenntnisse, die sie im Rahmen der Akteneinsicht aus dem Vergabevermerk (dort Seite 8/9) gewonnen hat. Wie die Ag unter Hinweis auf den Vermerk "VOL Interne Dokumentation (Systemausdruck)" zutreffend angemerkt hat, sind die im System insoweit gemachten Angaben vorinstalliert, sind für das vorliegende Vergabeverfahren ohne Belang geblieben.

    Nach alledem ist die Entscheidung der Ag nicht zu beanstanden.


    III.

    Die Kostenentscheidung beruht auf § 182 Abs. 1, 2 und 3 S. 1 sowie Abs. 4 S. 1, 2 GWB.

    1. Die ASt trägt als unterliegende Verfahrensbeteiligte die Kosten des Nachprüfungsverfahrens (Gebühren und Auslagen) gemäß § 182 Abs. 3 Satz 1 GWB sowie die zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Ag gemäß § 182 Abs. 4 Satz 1 GWB.

    2. Die Aufwendungen der Bg sind nicht erstattungsfähig und werden der ASt daher nicht auferlegt, weil dies nicht der Billigkeit nach § 182 Abs. 4 S. 2 GWB entspricht. Die ASt hat sich in ihrem Nachprüfungsantrag nicht bewusst und gewollt in einen Interessengegensatz zu Bg gestellt. Darüber hinaus hat die Bg im Nachprüfungsverfahren davon abgesehen, konkrete Anträge zu stellen, so dass sie kein Prozesskostenrisiko auf sich genommen hat.

    3. Die Hinzuziehung der Verfahrensbevollmächtigten der Ag war nicht notwendig, § 182 Abs. 4 S. 4 GWB, § 80 Abs. 1, 2 und 3 S. 2 VwVfG (Bund).

    Die Entscheidung über die Notwendigkeit der Hinzuziehung eines Rechtsanwalts als Verfahrensbevollmächtigten im Nachprüfungsverfahren bedarf einer einzelfallgerechten Betrachtung, abstellend auf den Zeitpunkt der Hinzuziehung (vgl. BGH, Beschluss vom 26. September 2006, X ZB 14/06; vgl. ferner OLG Düsseldorf, Beschluss vom 28. September 2022 - Verg 15/22; Beschluss vom 7. August 2023 - Verg 6/23). Die Notwendigkeit der Hinzuziehung hängt davon ab, ob der jeweilige Verfahrensbeteiligte nach den Umständen des Falles auch selbst in der Lage gewesen wäre, den Sachverhalt aufgrund der bekannten bzw. erkennbaren Tatsachen zu erfassen, der im Hinblick auf eine Missachtung von Bestimmungen über das Vergabeverfahren von Bedeutung ist, hieraus die für eine sinnvolle Rechtswahrung bzw. -verteidigung nötigen Schlüsse zu ziehen und das danach Gebotene gegenüber der Vergabekammer vorzubringen (BGH, a.a.O.; OLG Düsseldorf, a.a.O.). Was den Auftraggeber anbelangt, so hat dieser das materielle Vergaberecht ohnehin zu beherrschen, so dass vom Auftraggeber grundsätzlich erwartet werden kann, dass er auch selbst in der Lage ist, das Nachprüfungsverfahren ohne anwaltlichen Beistand zu führen. Maßgeblich ist daher bei der Abwägung, ob die Hinzuziehung eines Rechtsanwalts durch den Auftraggeber notwendig war oder nicht, ob sich im Nachprüfungsverfahren für den Auftraggeber im Wesentlichen auftragsbezogene Sach- und Rechtsfragen einschließlich der dazugehörigen vergaberechtlichen Vorschriften gestellt haben. In einem solchen Fall ist es grundsätzlich nicht notwendig, dass er hierfür einen Rechtsanwalt zu Rate ziehen muss. Diese Angelegenheiten betreffen den originären Aufgabenkreis des öffentlichen Auftraggebers, für den er sich selbst die notwendigen Sach- und Rechtskenntnisse verschaffen muss, so dass es auch im Nachprüfungsverfahren nicht geboten ist, einen Rechtsanwalt als Bevollmächtigten hinzuzuziehen (OLG Düsseldorf, a.a.O.). Zu berücksichtigen ist ferner der Grad der Einfachheit oder Komplexität des Sachverhaltes, die Komplexität oder Überschaubarkeit der zu beurteilenden Rechtsfragen sowie persönliche Umstände wie u.a. die sachliche oder personelle Ausstattung des Verfahrensbeteiligten sowie die Bedeutung des Vergabeverfahrens (BGH, a.a.O.; OLG Düsseldorf, a.a.O.). Die Hinzuziehung eines Rechtsanwalts kann daher insbesondere geboten sein, wenn sich im Nachprüfungsverfahren nicht einfach gelagerte Rechtsfragen stellen, insbesondere solcher verfahrensrechtlicher Natur oder solcher Art, die auf einer höheren Rechtsebene als der der Vergabeordnungen zu entscheiden sind (OLG Düsseldorf, a.a.O.).

    Vor diesem Hintergrund kann die Hinzuziehung der Verfahrensbevollmächtigten der Ag nicht als notwendig anerkannt werden. Auf den Nachprüfungsantrag der ASt war aus der Perspektive der Ag auf die Rüge der fehlerhaften Angebotswertung zu einzelnen qualitativen Zuschlagskriterien sowie zur Bewertungsmethodik zu reagieren. Damit ging es um die korrekte Anwendung der von der Ag selbst vorgegebenen Kriterien und damit Fragen der Anwendung des Vergaberechts, die zum originären Aufgabenkreis der Ag als Vergabestelle gehören und keine Hinzuziehung eines Rechtsanwaltes erfordern.

    Eine abweichende Entscheidung folgt auch nicht daraus, dass aus Sicht der Ag im Nachprüfungsantrag Fragen der Antragsbefugnis und der Rügeobliegenheit der ASt und damit verfahrensrechtliche Aspekte des Nachprüfungsverfahrens zu thematisieren waren. Dabei handelt es sich zwar um prozessuale Fragestellung des Nachprüfungsverfahrensrechts, für die aber nicht festgestellt werden kann, dass sie komplexer Natur oder rechtlich schwierig sind:

    - Im Hinblick auf die Antragsbefugnis hat die Ag bemängelt, dass auch eine hypothetische Interpolation des Angebots der ASt zu keinem anderen Ergebnis führe. Diese Argumentation ist Ergebnis der Anwendung des materiellen Vergaberechts und gehört zum originären Aufgabenkreis der Ag, auf entsprechende Rügen von Bietern zu prüfen, ob das Vorbringen überhaupt entscheidungserheblich ist. Dafür ist die Hinzuziehung eines Rechtsanwalts nicht geboten.

    - Soweit die Ag Verstöße der ASt gegen die Rügeobliegenheit nach § 160 Abs. 3 Satz 1 GWB bemängelt, ist festzustellen, dass auch diese Grundsätze zum originären Aufgabenkreis eines öffentlichen Auftraggebers gehören. Denn auf den Eingang von Rügen hat er selbst zu prüfen, ob diese statthaft sind und den Anforderungen nach § 160 Abs. 3 GWB entsprechen. Dies erfordert jedenfalls im Grundsatz nicht die Hinzuziehung eines Rechtsanwalts. So liegt der Fall hier. Die seitens der Ag argumentierte Erkennbarkeit der gerügten Verstöße gegen die Bewertungsmethode barg keine besonders komplexen Sach- und Rechtsfragen. Denn es ging der Ag im Kern darum, dass die ASt die tatsächlichen und rechtlichen Folgen einer Anwendung der Bewertungsmethoden vor Angebotsabgabe hätte vorhersehen können. Dies erfordert nicht zwingend die Hinzuziehung eines Rechtsanwalts.


    IV.

    (...)