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  • 02.04.2024 · IWW-Abrufnummer 240629

    Bundesgerichtshof: Beschluss vom 14.02.2024 – VII ZR 221/22


    Der VII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 14. Februar 2024 durch den Vorsitzenden Richter Pamp, den Richter Halfmeier sowie die Richterinnen Sacher, Borris und Dr. Brenneisen
    beschlossen:

    Tenor:

    Die Beschwerde der Beklagten gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des 4. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Karlsruhe in Freiburg vom 28. Oktober 2022 wird zurückgewiesen.

    Die Beklagte trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

    Gegenstandswert: 20.204,44 €

    Gründe

    1

    Die Nichtzulassungsbeschwerde der Beklagten wird zurückgewiesen, weil die von ihr geltend gemachten Zulassungsgründe nicht gegeben sind.

    2

    Soweit die Beklagte meint, das verbindliche Mindestsatzrecht gemäß § 7 der Verordnung über die Honorare für Architekten- und Ingenieurleistungen in der Fassung vom 10. Juli 2013 (im Folgenden: HOAI 2013) führe zu einer verfassungswidrigen Ungleichbehandlung zwischen privaten und öffentlichen Auftraggebern, da letztere mit einem Architektenvertrag die Mindestsätze der HOAI wirksam unterschreiten könnten, erstere hingegen nicht, rechtfertigt dies nicht die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung nach § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO .

    3

    Die geltend gemachte Ungleichbehandlung liegt nicht vor. Zwar verstößt das verbindliche Mindestsatzrecht der HOAI 2013 nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union gegen Art. 15 Abs. 1 , Abs. 2 Buchst. g , Abs. 3 der Richtlinie 2006/123/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2006 über Dienstleistungen im Binnenmarkt (im Folgenden: Dienstleistungsrichtlinie; siehe EuGH, Urteil vom 4. Juli 2019 - C-377/17 ,BauR 2019, 1624= NZBau 2019, 511 - Kommission/Deutschland). Daraus folgt entgegen der - nicht näher begründeten - Auffassung der Beschwerde jedoch nicht, dass eine gegen die öffentliche Hand gerichtete Honorarklage eines Architekten auf Basis der Mindestsätze im Falle einer mindestsatzunterschreitenden Honorarvereinbarung an einer unmittelbaren Anwendung der Dienstleistungsrichtlinie scheitert. Der Staat darf sich nicht zu seinen Gunsten gegenüber dem Einzelnen - hier gegenüber dem Architekten - auf eine nicht oder unzutreffend umgesetzte Richtlinie berufen und für sich keine Vorteile aus der nicht oder unzutreffend umgesetzten Richtlinie ziehen. Er kann - und muss - die Richtlinie umsetzen, wenn er sich zu seinen Gunsten auf sie berufen will (vgl. EuGH, Urteil vom 27. Februar 2014 - C-351/12 Tz. 46 f., WRP 2014, 418; Gundel in Pechstein/Nowak/Häde, Frankfurter Kommentar zu EUV, GRC und AEUV, 2. Aufl. 2023, Art. 288 AEUV Rn. 48). Das richtlinienwidrige zwingende Preisrecht der HOAI 2013 ist daher auch bei sogenannten Aufstockungsklagen in Höhe der HOAI-Mindestsätze gegenüber öffentlichen Auftraggebern weiterhin anwendbar (Fuchs/van der Hout, NZBau 2022, 78, 79).

    4

    Unabhängig davon fehlt es der Beschwerde in diesem Zusammenhang auch an den gebotenen Ausführungen zur Entscheidungserheblichkeit. Die Beschwerde übersieht, dass die Mindestsätze der HOAI 2013 im vorliegenden Fall in Ermangelung einer schriftlichen Honorarvereinbarung bereits gemäß § 7 Abs. 5 HOAI 2013 wegen Verstoßes gegen die Formvorgaben des § 7 Abs. 1 HOAI 2013 gelten. Die Unionsrechtswidrigkeit von § 7 HOAI 2013 bezieht sich nach der Rechtsprechung des Senats jedoch nur auf die in § 7 Abs. 1 HOAI 2013 enthaltene Beschränkung, dass sich eine Honorarvereinbarung innerhalb der Mindest- und Höchstsätze bewegen muss, nicht hingegen auf § 7 Abs. 5 HOAI 2013, der nicht Teil des verbindlichen Preisrechts der HOAI 2013 ist ( BGH, Urteil vom 2. Juni 2022 - VII ZR 12/21 Rn. 17 f.,BauR 2022, 1525= NZBau 2022, 532; Urteil vom 2. Juni 2022 - VII ZR 229/19 Rn. 35 f.,BauR 2022, 1519= NZBau 2022, 526).

    5

    Im Übrigen wird von einer Begründung abgesehen, weil sie nicht geeignet wäre, zur Klärung der Voraussetzungen beizutragen, unter denen eine Revision zuzulassen ist ( § 544 Abs. 6 Satz 2, 2. Halbsatz ZPO ).

    6

    Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO .

    Pamp Halfmeier SacherBorris Brenneisen

    Vorschriften§ 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO, Art. 15 Abs. 1, Abs. 2 Buchst. g, Abs. 3 der Richtlinie 2006/123/EG, § 7 Abs. 5 HOAI, § 7 Abs. 1 HOAI, § 7 HOAI, § 544 Abs. 6 Satz 2, 2. Halbsatz ZPO, § 97 Abs. 1 ZPO