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  • 19.01.2010 · IWW-Abrufnummer 100249

    Bundesgerichtshof: Urteil vom 15.12.2009 – XI ZR 107/08

    Eine Bürgschaft, die für Werklohnforderungen aus einem Bauvertrag übernommen worden ist, erstreckt sich gemäß § 767 Abs. 1 Satz 3 BGB auch dann nicht auf Entgeltforderungen aus später vom Auftraggeber verlangten Auftragserweiterungen nach § 1 Nr. 3, § 1 Nr. 4 Satz 1 oder § 1 Nr. 4 Satz 2 VOB/B, wenn für den Bürgen bei Abschluss des Bürgschaftsvertrags erkennbar war, dass der Bauvertrag der VOB/B unterliegt.


    Der XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat

    auf die mündliche Verhandlung vom 10. November 2009

    durch

    den Vorsitzenden Richter Wiechers und

    die Richter Dr. Joeres, Dr. Ellenberger, Maihold und Dr. Matthias

    für Recht erkannt:

    Tenor:

    Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des 23. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 12. März 2008 wird auf deren Kosten zurückgewiesen.

    Von Rechts wegen

    Tatbestand:

    Die Klägerin nimmt die beklagte Bank als Bürgin auf Zahlung von Restwerklohn für Bauleistungen in Anspruch, mit denen sie über den ursprünglich vereinbarten Leistungsumfang hinaus nachträglich beauftragt worden ist.

    Die Beklagte übernahm am 12. Juli 2004 unter anderem zwei Bürgschaften bis zu einem Höchstbetrag von jeweils 50.000 EUR (Nr. ... 2 und ... 3) zur Sicherung von Werklohnforderungen der Klägerin gegen die W. -Aktiengesellschaft (im Folgenden: Hauptschuldnerin) aus einem am 21. Juni 2004 geschlossenen Nachunternehmervertrag (Nr. ... ) über Starkstrominstallationen an einem Bauwerk. In diesem Vertrag mit einer Auftragssumme von 435.036,68 EUR wurde die Geltung der VOB/B vereinbart. In der Folgezeit erteilte die Hauptschuldnerin der Klägerin mehrere Nachtragsaufträge, für die zusätzlicher Werklohn von 253.932,62 EUR anfiel. Über das Vermögen der Hauptschuldnerin wurde am 1. Februar 2005 das Insolvenzverfahren eröffnet.

    Über Bürgschaftsansprüche der Klägerin gegen die Beklagte, die Entgelt für im Werkvertrag von Beginn an vereinbarte Leistungen betreffen, ist durch Teilanerkenntnisurteil entschieden worden. Mit dem noch rechtshängigen Teil der Klage in Höhe von 54.496,33 EUR nebst Zinsen nimmt die Klägerin die Beklagte als Bürgin zunächst aus dem nach Erlass des Teilanerkenntnisurteils verbliebenen Rest der Bürgschaft Nr. ... 2 und im Übrigen aus der Bürgschaft Nr. ... 3 ausschließlich für Werklohnforderungen aus Nachtragsaufträgen in Anspruch.

    Das Landgericht hat die Klage, soweit der Anspruch nicht anerkannt worden ist, abgewiesen. Die Berufung der Klägerin ist zurückgewiesen worden. Mit der vom Senat zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr Klagebegehren weiter.

    Entscheidungsgründe:

    Die Revision der Klägerin ist nicht begründet.

    I.

    Das Berufungsgericht, dessen Urteil unter anderem in BauR 2008, 1036 ff. veröffentlicht ist, hat seine Entscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet:

    Die Bürgschaft der Beklagten erstrecke sich nicht auf Nachtragsaufträge zu dem ursprünglichen Bauvertrag. Nach § 767 Abs. 1 Satz 3 BGB werde durch ein Rechtsgeschäft, das der Hauptschuldner nach Übernahme der Bürgschaft vornehme, die Verpflichtung des Bürgen nicht erweitert. Das sei Ausdruck des allgemein das Bürgschaftsrecht beherrschenden Bestimmtheitsgrundsatzes. Eine Bürgschaft sei nicht ausreichend bestimmt oder bestimmbar, wenn sie auf alle denkbaren Auftragserweiterungen ausgedehnt würde. Einseitige Änderungen durch den Auftraggeber nach § 1 Nr. 3 und Nr. 4 Satz 1 VOB/B könnten zu einer erheblichen Verteuerung der Bauleistungen führen und hätten deshalb eine nicht mehr kalkulierbare Ausweitung des Umfangs der Bürgschaft zur Folge. Im Fall von § 1 Nr. 4 Satz 1 VOB/B komme die Unsicherheit hinzu, ob die Voraussetzung erfüllt sei, dass die zusätzliche Leistung erforderlich sei. Eine Differenzierung zwischen Auftragserweiterungen durch einseitige Erklärung des Auftraggebers nach § 1 Nr. 3 und Nr. 4 Satz 1 VOB/B und Zusatzaufträgen durch gesonderte Vereinbarung der Bauvertragsparteien nach § 1 Nr. 4 Satz 2 VOB/B sei oft nur mit Schwierigkeiten möglich und deshalb ungeeignet. Daher ergebe sich die Bestimmbarkeit der Bürgschaftsschuld vorliegend auch nicht daraus, dass die Regelungen der VOB/B Bestandteil des Bauvertrages seien. Vor diesem Hintergrund komme es nicht darauf an, ob es sich hier um Nachtragsaufträge gemäß § 1 Nr. 3 und Nr. 4 Satz 1 VOB/B oder solche gemäß § 1 Nr. 4 Satz 2 VOB/B handele.

    II.

    Diese Ausführungen halten rechtlicher Überprüfung stand, so dass die Revision zurückzuweisen ist. Das Berufungsgericht hat zu Recht angenommen, dass die Beklagte als Bürgin gemäß § 767 Abs. 1 Satz 3 BGB nicht für die hier noch streitigen Werklohnverbindlichkeiten der Hauptschuldnerin haftet, die durch Auftragserweiterungen nach Abschluss des Bürgschaftsvertrags begründet worden sind.

    1.

    Nach § 767 Abs. 1 Satz 3 BGB wird die Verpflichtung des Bürgen durch ein Rechtsgeschäft, das der Hauptschuldner nach der Übernahme der Bürgschaft vornimmt, nicht erweitert. Das ist hier der Fall.

    a)

    Die der Klage im Revisionsverfahren noch zugrunde liegenden Werklohnforderungen sind nach dem unstreitigen Sachverhalt ausschließlich Entgelt für Leistungen, die zum Zeitpunkt der Bürgschaftsübernahme am 12. Juli 2004 noch nicht vereinbart waren. Sie sind insbesondere nicht in der Leistungsbeschreibung des in der Bürgschaftsurkunde genannten Nachunternehmervertrags vom 21. Juni 2004 enthalten, sondern erst nach Übernahme der Bürgschaft entweder durch einseitige Erklärung der Hauptschuldnerin gemäß § 1 Nr. 3 bzw. § 1 Nr. 4 Satz 1 VOB/B oder durch eine zwischen der Hauptschuldnerin und der Klägerin getroffene Vereinbarung gemäß § 1 Nr. 4 Satz 2 VOB/B beauftragt worden. Damit ist der Teil der Werklohnforderung, für den die Beklagte als Bürgin in Anspruch genommen wird, durch ein dem Abschluss des Bürgschaftsvertrages zeitlich nachfolgendes Rechtsgeschäft der Hauptschuldnerin (§ 767 Abs. 1 Satz 3 BGB) begründet worden.

    b)

    Ein Anspruch der Klägerin auf Werklohn für zusätzliche Leistungen ist nicht bereits mit der Bezugnahme auf die VOB/B in dem Nachunternehmervertrag vom 21. Juni 2004 entstanden. Vielmehr mussten nach § 1 Nr. 3, Nr. 4 Satz 1 und Satz 2 VOB/B die jeweiligen Aufträge wirksam erteilt werden, bevor nach § 2 Nr. 5, Nr. 6, Nr. 7 Abs. 2 VOB/B ein über die ursprüngliche Werklohnforderung der Klägerin hinausgehender Vergütungsanspruch entstehen konnte (vgl. BGH, Urteil vom 27. November 2003 - VII ZR 346/01, WM 2004, 790, 792). Erst diese Willenserklärungen des Auftraggebers, die zu dessen freier Disposition stehen, weiten den Leistungsumfang des Bauvertrags aus.

    2.

    Die Revision rügt zu Recht, dass das Berufungsgericht eine Auslegung des Wortlauts der Bürgschaftsurkunde unterlassen und sich nicht mit den Angriffen der Berufung gegen die Auslegung dieser Urkunde durch das Landgericht auseinandergesetzt hat. Deswegen kann der Senat - unabhängig davon, ob es sich bei der Bürgschaftsurkunde insoweit um Allgemeine Geschäftsbedingungen handelt - diese Auslegung selber vornehmen. Danach hat die Beklagte, wie bereits die Auslegung durch das Landgericht ergeben hat, weder ausdrücklich noch konkludent erklärt, sie wolle die Haftung für Werklohnansprüche aus nachträglichen Auftragserweiterungen übernehmen.

    a)

    Die Beklagte hätte sich allerdings - auch in Allgemeinen Geschäftsbedingungen - wirksam zu einer Bürgschaft für unbestimmte künftige Forderungen verpflichten können, da die Übernahme von Bürgschaften zu ihrem Geschäftsbetrieb gehört und die Einstandspflicht entgeltlich übernommen wurde (vgl. BGH, Urteile vom 24. September 1998 - IX ZR 425/97, WM 1998, 2186, 2188 und vom 29. März 2001 - IX ZR 20/00, WM 2001, 1517, 1518). In der Bürgschaftsurkunde werden jedoch künftige Auftragserweiterungen und dafür anfallender Werklohn nicht erwähnt. Auch die Bezugnahme auf "voraussichtliche Vergütungsansprüche" und die Bezeichnung der Hauptforderung als "Vergütungsansprüche aus erbrachten Bauleistungen" dienen lediglich der Identifizierung der durch die Bürgschaft zu sichernden Forderung aus dem näher bezeichneten Nachunternehmervertrag vom 21. Juni 2004. Ein Erklärungsinhalt, die Bürgin wolle damit zugleich für noch nicht beauftragte Zusatzleistungen in unbekannter Höhe einstehen, kann dieser Wortwahl nicht entnommen werden.

    b)

    Dieser Auslegung der Bürgschaftsurkunde steht - anders als die Revision meint - auch nicht die Tatsache entgegen, dass der Beklagten bei Abschluss des Bürgschaftsvertrags der Nachunternehmervertrag nicht vorgelegen hat. Aus der Sicht eines objektiven Empfängers besitzt dieser Umstand nicht den Erklärungswert, die Beklagte wolle damit in Abweichung von der gesetzlichen Regelung in § 767 Abs. 1 Satz 3 BGB auch die Haftung für nachträgliche rechtsgeschäftliche Erweiterungen der Hauptforderung übernehmen. Schließlich sagt die von der Revision angesprochene Verpflichtung der Hauptschuldnerin zur Sicherheitsleistung für Nachträge nichts darüber aus, ob gerade die vorliegenden Bürgschaften solche Entgeltansprüche sichern sollen. Da zudem gemäß § 648a BGB zusätzlicher Werklohn erst nach Erteilung eines Nachtragsauftrags gesichert werden muss, spricht auch die zeitliche Abfolge nicht dafür, dass bereits die bei Abschluss des Hauptvertrags zu stellende Bürgschaft sich auf solche künftige Forderungen erstrecken sollte.

    3.

    Entgegen der Auffassung der Revision rechtfertigt die Geltung der VOB/B für den Bauvertrag nicht die Auslegung des Bürgschaftsvertrags, es sei eine Haftung des Bürgen für Werklohn vereinbart worden, der gemäß § 2 Nr. 5, Nr. 6, Nr. 7 Abs. 2 VOB/B für nach Bürgschaftsübernahme vorgenommene Auftragserweiterungen angefallen ist.

    a)

    In Rechtsprechung und Literatur ist umstritten, ob ein Anspruch auf Werklohn für vom Auftraggeber verlangte Auftragserweiterungen nach § 1 Nr. 3, § 1 Nr. 4 Satz 1 oder § 1 Nr. 4 Satz 2 VOB/B von einer Bürgschaft auch dann umfasst wird, wenn eine ausdrückliche Vereinbarung in dem Bürgschaftsvertrag nicht getroffen worden ist.

    Nach einer Meinung sichert eine Bürgschaft, die sich auf einen der VOB/B unterliegenden Werkvertrag bezieht, nicht nur den ursprünglichen Werklohn, sondern zugleich auch zusätzliches Entgelt für zulässige Auftragserweiterungen (Heiermann in Heiermann/Riedl/Rusam, Handkommentar zur VOB, 11. Aufl., § 17 VOB/B Rn. 53; Hildebrandt, BauR 2007, 1121, 1126 ff.; Ingenstau/Korbion/Joussen, VOB, 16. Aufl., § 17 VOB/B Nr. 4 Rn. 99a; Kapellmann/Messerschmidt/Thierau, VOB/B, 2. Aufl., § 17 Rn. 64 ff.; Kniffka, ibr-online-Kommentar, Bauvertragsrecht, Stand 26. Mai 2009, § 648a Rn. 39; Lembcke, NZBau 2009, 421, 423; MünchKommBGB/Habersack, 5. Aufl., § 767 Rn. 10; Schulze-Hagen, BauR 2007, 170, 182 f.; Thierau, Jahrbuch des Baurechts 2000, S. 66, 74 f.; Weise, Sicherheiten im Baurecht, 1999, S. 35 Rn. 101; Weise, NJW-Spezial 2005, 549 f.; vgl. auch OLG Schleswig-Holstein, BauR 2009, 836, 838, allerdings im Ergebnis auf eine spezielle Regelung im Hauptvertrag abstellend). Durch die Einbeziehung der VOB/B in den Bauvertrag sei ein Leistungsbestimmungsrecht des Werkbestellers begründet worden, das der Bürge durch Übernahme einer Bürgschaft, die sich auf diesen Bauvertrag erstrecke, akzeptiert habe.

    Nach Ansicht eines Teils der Rechtsprechung (vgl. OLG München, BauR 2004, 1316, 1317 f.; KG Berlin, BauR 2007, 1760) sowie von Stimmen in der Literatur (vgl. Herrmann in Erman, BGB, 12. Aufl., § 767 Rn. 9; Kuffer in Heiermann/Riedl/Rusam, Handkommentar zur VOB, 11. Aufl., § 1 VOB/B Rn. 113; Maser, FS Jagenburg, S. 557, 564 ff.; Palandt/Sprau, BGB, 69. Aufl., § 767 Rn. 3; Schwenker, BauR 2008, 175, 178 ff.; Schmitz/Vogel, ZfIR 2002, 509, 516; Schmitz, Sicherheiten für die Bauvertragsparteien, ibr-online, Stand 9. Juni 2009, Rn. 209 ff. m.w.N.; Stern, IBR 2005, 588) verstößt eine solche für den Bürgen nicht kalkulierbare Haftungsausweitung gegen § 767 Abs. 1 Satz 3 BGB und verletzt das Gebot ausreichender Bestimmtheit der Bürgenhaftung bei Vertragsschluss.

    b)

    Nach Auffassung des Senats ist eine Bürgschaft für Werklohnansprüche nicht schon deswegen als Übernahme auch der Haftung für Entgeltforderungen aus Auftragserweiterungen nach § 1 Nr. 3, § 1 Nr. 4 Satz 1 oder § 1 Nr. 4 Satz 2 VOB/B zu werten, weil der Bauvertrag für den Bürgen erkennbar der VOB/B unterliegt.

    aa)

    Der Revision ist allerdings einzuräumen, dass gegen eine Erstreckung der Einstandpflicht des Bürgen auf nachträglich entstandene Forderungen keine Bedenken bestehen, wenn diese zusätzliche Haftung für künftige Forderungen nach Grund und Umfang bei Vertragsschluss für den Bürgen klar erkennbar ist (BGHZ 142, 213, 220; BGH, Urteile vom 13. Juni 1996 - IX ZR 229/95, WM 1996, 1391, 1392 f. und vom 29. März 2001 - IX ZR 20/00, WM 2001, 1517, 1518 jeweils zu Allgemeinen Geschäftsbedingungen). Nach diesen Grundsätzen ist in der Rechtsprechung (BGH, Urteil vom 6. April 2000 - IX ZR 2/98, WM 2000, 1141, 1142 f.; vgl. zu diesem Urteil auch BGHZ 180, 257, Tz. 31 ff.) ein Bürgschaftsvertrag, der eine Darlehensforderung nebst Zinsen erfasste, ergänzend dahin ausgelegt worden, dass die Bürgschaft nach Ablauf der Festschreibung des Zinssatzes eingetretene Zinsänderungen umfasst.

    bb)

    Dies rechtfertigt es jedoch - entgegen der Ansicht der Revision - nicht, eine Bürgschaft, die Werklohnansprüche für konkret vereinbarte Bauleistungen sichert, ohne klare Haftungserklärung des Bürgen auf Werklohn für Auftragserweiterungen nach § 1 Nr. 3 oder § 1 Nr. 4 Satz 1 bzw. Satz 2 VOB/B zu erstrecken. Aus der Sicht eines redlichen Vertragspartners will der Bürge nicht ein von ihm in Entstehung und Höhe weder beeinflussbares noch kalkulierbares Haftungsrisiko aus künftigen Erweiterungen des Leistungsinhalts übernehmen. Einem solchen Verständnis der Bürgschaftserklärung steht das für die Bürgschaft vertragswesentliche (vgl. BGHZ 130, 19, 33) Verbot der Fremddisposition in § 767 Abs. 1 Satz 3 BGB entgegen. Danach ist eine Bürgschaftserklärung grundsätzlich nicht darauf gerichtet, für künftige Forderungen einzustehen, deren Grund und Höhe bei Vertragsschluss nicht klar erkennbar sind und auf deren Entstehung der Bürge keinen Einfluss nehmen kann (vgl. BGHZ 130, 19, 33; 142, 213, 215 ff.; BGH, Urteil vom 29. März 2001 - IX ZR 20/00, WM 2001, 1517, 1518). Eine Belastung des Bürgen mit Risiken, die Hauptschuldner und Gläubiger nachträglich schaffen können, widerspräche den Grundsätzen der das Vertragsrecht beherrschenden Privatautonomie (vgl. BGHZ 130, 19, 27; BGHZ 137, 153, 156). Damit sind die durch die genannten Leistungserweiterungen nach der VOB/B ausgelösten Ansprüche auf zusätzlichen Werklohn - anders als Forderungen aus der Anpassung eines in die Bürgschaftshaftung einbezogenen Vertragszinses - von der Bürgschaft für den ursprünglichen Leistungsinhalt nicht umfasst, da für den Bürgen weder deren Entstehung abzuschätzen noch ihre Höhe kalkulierbar ist.

    (1)

    Dies wird bei Vereinbarung zusätzlicher Leistungen nach § 1 Nr. 4 Satz 2 VOB/B auch von der Revision nicht in Zweifel gezogen. Nach § 1 Nr. 4 Satz 2 VOB/B können die Parteien des Bauvertrags ohne Beschränkung auf die Anforderungen des bisher vereinbarten Werks neue Verträge schließen (Kuffer in Heiermann/Riedl/Rusam, Handkommentar zur VOB, 11. Aufl., § 1 VOB/B Rn. 138; Ingenstau/Korbion/Keldungs, VOB, 16. Aufl., § 1 Nr. 4 VOB/B Rn. 7; Kuß, VOB, 4. Aufl., § 1 VOB/B Rn. 53; Leinemann/Roquette, VOB/B, 3. Aufl., § 1 Rn. 65) oder jedenfalls Zusatzaufträge sachlich bis an die Grenze eines fehlenden Zusammenhangs mit dem bestehenden Leistungsziel vereinbaren (so einschränkend: Kapellmann/Messerschmidt/v. Rintelen, VOB, 2. Aufl., § 1 VOB/B Rn. 118). Die Einstandspflicht für Zahlungsansprüche aus solchen neuen Verträgen kann ein Bürge ersichtlich nicht überblicken, so dass er sie bei verständiger Auslegung seiner Vertragserklärung auch nicht übernehmen will.

    (2)

    Eine Haftung für Werklohn, der nach § 1 Nr. 3 VOB/B für vom Auftraggeber einseitig verlangte Änderungen des Bauentwurfs anfällt, ist für den Bürgen ebenfalls nicht kalkulierbar. § 1 Nr. 3 VOB/B eröffnet im Grundsatz die Möglichkeit zu einer Leistungsmehrung ohne eine bei Vertragsschluss vorhersehbare konkrete Begrenzung (siehe dazu Schwenker, BauR 2008, 175, 179 ff.; instruktiv: Keldungs, BauR 2008, 1699, 1701 f.). Über die Änderung des Bauentwurfs durch den Auftragnehmer hinaus nennt § 1 Nr. 3 VOB/B keine weiteren Voraussetzungen für die Ausübung des Leistungsbestimmungsrechts und somit auch nicht für den Umfang der zusätzlichen Leistungen. Um einen möglichst störungsfreien Ablauf des Bauvorhabens zu sichern, wird der dabei verwendete Begriff des Bauentwurfs nicht auf den technischen Bauinhalt begrenzt, sondern erfasst in weiter Auslegung auch sonstige Änderungen der Bauumstände (Ingenstau/Korbion/Keldungs, VOB, 16. Aufl., § 1 Nr. 3 VOB/B Rn. 7; Kniffka, ibr-online-Kommentar, Bauvertragsrecht, Stand 26. Mai 2009, § 631 BGB Rn. 447 f.; Kniffka in Kniffka/Koeble, Kompendium des Baurechts, 3. Aufl., S. 204 f.; Kuffer in Heiermann/Riedl/Rusam, Handkommentar zur VOB, 11. Aufl., § 1 VOB/B Rn. 105). Der Auftragnehmer hat diese neue Leistungsbestimmung hinzunehmen, soweit sie nicht gegen Treu und Glauben verstößt (vgl. Ingenstau/Korbion/Keldungs, VOB, 16. Aufl., § 1 Nr. 3 VOB/B Rn. 11; Leinemann/Roquette, VOB/B, 3. Aufl., § 1 Rn. 47; großzügiger Kemper in Franke/Kemper/Zanner/Grünhagen, VOB-Kommentar, 3. Aufl., § 1 VOB/B Rn. 61) oder es sich um eine völlig neuartige Leistung handelt (vgl. Beck'scher VOB-Komm./Jagenburg, 2. Aufl., § 1 Nr. 3 VOB/B Rn. 14; Kuffer in Heiermann/ Riedl/Rusam, Handkommentar zur VOB, 11. Aufl., § 1 VOB/B Rn. 106, Rn. 108; Ingenstau/Korbion/Keldungs, VOB, 16. Aufl., § 1 Nr. 4 VOB/B Rn. 7; Leinemann/Roquette, VOB/B, 3. Aufl., § 1 Rn. 65). Damit wird dem Auftraggeber nicht nur ein Änderungsrecht zur Anpassung der Bauleistung an veränderte Umstände oder erst nach Vertragsschluss erkannte Erfordernisse eingeräumt, sondern die einseitige Gestaltungsmacht zugebilligt, das Bauvorhaben entsprechend nachträglich geänderten Bedürfnissen oder neuen Wünschen zu erweitern (vgl. Kapellmann/Messerschmidt/v. Rintelen, VOB, 2. Aufl., § 1 VOB/B Rn. 83; Beck'scher VOB-Komm./Jagenburg, 2. Aufl., VOB/B § 1 Nr. 3 Rn. 3).

    Das weite einseitige Vertragsänderungsrecht des Auftraggebers findet zwar im Verhältnis der Parteien des Bauvertrags einen Ausgleich in dem Anspruch auf Mehrvergütung nach § 2 Nr. 5 VOB/B. Dadurch wird aber der Bürge nicht geschützt. Vielmehr träfe den Bürgen das durch die Ausweitung des Auftrags entstandene Zusatzrisiko ohne Kompensation. Da zudem der Bürge regelmäßig keine Informationen dazu besitzen wird, ob und in welchem Umfang Ausweitungen des Auftrags drohen, kann er diese Risiken auch nur schwer beurteilen. Deswegen kann eine Bürgschaftserklärung, die solche Auftragserweiterungen nicht erwähnt, bei ausgewogener Beurteilung der Vertragsinteressen beider Parteien auch bei einer der VOB/B unterliegenden Hauptforderung nicht dahin ausgelegt werden, der Bürge wolle unter Verzicht auf den Schutz des § 767 Abs. 1 Satz 3 BGB auch für solche Auftragserweiterungen einstehen.

    (3)

    Gleiches gilt für das Entgelt für zusätzliche Leistungen nach § 1 Nr. 4 Satz 1 VOB/B. Danach ist der Auftraggeber berechtigt, durch einseitige empfangsbedürftige Willenserklärung den Leistungsumfang des Vertrages zu ändern, wenn dies zu einer erfolgreichen Ausführung der vertraglichen Leistung erforderlich ist (BGHZ 131, 392, 398; BGH, Urteil vom 27. November 2003 - VII ZR 346/01, WM 2004, 790, 792 m.w.N.). Auch solche zusätzliche Leistungen, für die der Auftragnehmer nach § 2 Nr. 6 Abs. 1 VOB/B einen Anspruch auf besondere Vergütung erwirbt (BGH, Urteil vom 27. November 2003 - VII ZR 346/01, WM 2004, 790, 792), sind für den Bürgen nicht kalkulierbar. Der Normzweck der Regelung, den vom Auftraggeber erstrebten Leistungserfolg zu erreichen (vgl. BGHZ 131, 392, 399), zieht dem Aufwand, der für solche Leistungserweiterungen anfallen kann, keine im Vorhinein berechenbare Grenze. Die vom Auftragnehmer zusätzlich zu erbringenden Leistungen können vielmehr von erheblichem Umfang sein (vgl. Kuffer in Heiermann/Riedl/Rusam, Handkommentar zur VOB, 11. Aufl., § 1 VOB/B Rn. 126). Zwar können die Vertragsparteien des Bauvertrags dieses Zusatzrisiko durch eine sorgfältige Klärung der technischen Voraussetzungen des vereinbarten Werkerfolgs reduzieren. Für den außenstehenden Bürgen, der regelmäßig weder mit dem geschuldeten Leistungsumfang noch mit den technischen Details der dazu erforderlichen Bausauführung befasst ist, besteht hingegen diese Möglichkeit einer Risikoabklärung nicht ohne weiteres. Zudem kann der Bürge auch in diesem Fall - anders als der Auftragnehmer über § 2 Nr. 6 Abs. 1 VOB/B - das Zusatzrisiko nicht durch erweiterte Entgeltansprüche wirtschaftlich ausgleichen.

    (4)

    Ansprüche auf Werklohn für Auftragserweiterungen nach § 1 Nr. 3, § 1 Nr. 4 S. 1 oder § 1 Nr. 4 S. 2 VOB/B sind damit insgesamt für den Bürgen bei Vertragsschluss weder im Grund noch im Umfang kalkulierbar. Bei interessengerechter Auffassung seiner Vertragserklärung können deswegen verständige Parteien des Bauvertrags nicht davon ausgehen, der Bürge wolle in Abkehr von § 767 Abs. 1 Satz 3 BGB solche Zusatzrisiken allein deswegen übernehmen, weil auf den Bauvertrag die VOB/B Anwendung findet. Durch eine bloße Auswechslung gleichwertiger Teilleistungen ohne Erhöhung des Werklohns insgesamt wird dagegen die Verbindlichkeit des Bürgen nicht erweitert, so dass § 767 Abs. 1 Satz 3 BGB regelmäßig nicht gilt.

    (5)

    Auch außerhalb der besonderen Regelungen der § 1 Nr. 3, § 1 Nr. 4 S. 1, S. 2 VOB/B i.V.m. § 2 Nr. 5, Nr. 6 Abs. 1 VOB/B begrenzt § 767 Abs. 1 Satz 3 BGB die Haftung des Bürgen für angepasste Leistungen. Der allgemeine Schutz vor vertraglichen Äquivalenzstörungen wird durch die Regelungen zum Wegfall der Geschäftsgrundlage nach § 313 BGB gewährleistet (vgl. BGHZ 160, 267, 274; BGH, Urteil vom 31. Mai 1990 - I ZR 233/88, NJW 1991, 1478, 1479). Die Haftung des Bürgen für ein danach vom Hauptschuldner geschuldetes zusätzliches Entgelt ist ebenfalls nach § 767 Abs. 1 Satz 3 BGB zu beurteilen (vgl. PWW/Brödermann, 4. Aufl., § 767 Rn. 12; Schmitz/Wassermann/ Nobbe in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, 3. Aufl., § 91 Rn. 118; vgl. auch OLG Düsseldorf, WM 2001, 2382, 2384 f.).

    cc)

    Im Rahmen der Auslegung des Bürgschaftsvertrags wird damit das nach Treu und Glauben von einem Gläubiger zu akzeptierende, berechtigte wirtschaftliche Interesse des am Bauvertrag nicht beteiligten Bürgen nicht anders gewichtet als ein entsprechendes wirtschaftliches Interesse des Auftragnehmers. Zwar könnten die Parteien eines Bauvertrags vereinbaren, dass der Auftragnehmer vom Auftraggeber angeforderte zusätzliche Leistungen ohne Mehrvergütung erbringen soll. Ohne eine solche Vereinbarung kann ein verständiger Auftraggeber jedoch regelmäßig nicht davon ausgehen, der Auftragnehmer sei mit einseitigen Änderungen des Auftragsumfangs ohne Preisanpassungsanspruch einverstanden, da damit der Auftragnehmer von ihm in keiner Weise beherrschbare Risiken übernehmen würde (BGHZ 176, 23, Tz. 34 f.). Diese Bewertung muss für einen Bürgen entsprechend gelten. Auch dieser will aus der maßgeblichen Sicht redlicher Vertragsparteien keine Haftung für von ihm im Vorhinein nicht kalkulierbare Risiken aus nachträglichen Auftragserweiterungen übernehmen. Etwas anderes kann - ebenso wie bei einem Auftragnehmer (vgl. BGHZ 176, 23, Tz. 34) - nur unter strengen Voraussetzungen angenommen werden. Anhaltspunkte dafür, dass im vorliegenden Fall die Klägerin ausnahmsweise davon ausgehen durfte, die Beklagte übernehme abweichend von § 767 Abs. 1 Satz 3 BGB die Haftung auch für nachträgliche Auftragserweiterungen, sind weder festgestellt noch sonst ersichtlich.

    dd)

    § 767 Abs. 1 Satz 3 BGB gilt auch für Bürgschaften, die - wie im vorliegenden Fall - auf einen Höchstbetrag begrenzt sind. Das Verbot der Fremddisposition soll den Bürgen nicht in erster Linie vor einer nominalen Aufstockung der Bürgschaftsverpflichtung, sondern vor einer Haftung für zusätzliche Verbindlichkeiten schützen. Von einer Bürgschaft sind damit nachträgliche rechtsgeschäftliche Erweiterungen der Hauptforderung auch dann nicht gedeckt, wenn die Hauptschuld einschließlich der späteren Erweiterungen den Höchstbetrag der Bürgschaft nicht überschreitet (BGHZ 165, 28, 34; BGH, Urteile vom 7. März 1996 - IX ZR 43/95, WM 1996, 766, 768 f. und vom 2. Juli 1998 - IX ZR 255/97, WM 1998, 1675, 1676).

    ee)

    Berechtigte Sicherungsinteressen des Auftragnehmers hinsichtlich des Entgelts für Auftragserweiterungen werden, sofern der Bürge dafür - wie hier - nicht von vornherein eine Haftung übernommen hat (s.o. unter 2.), durch den Anspruch auf eine Nachsicherung gemäß § 648a Abs. 1 Satz 1 BGB gewahrt. Dem Auftragnehmer, der durch ein wirksames Leistungsverlangen des Auftraggebers nach § 1 Nr. 3 oder § 1 Nr. 4 Satz 1 VOB/B zu zusätzlichen Werkleistungen verpflichtet ist, steht danach eine dem zu erwartenden zusätzlichen Werklohn entsprechende Aufstockung seiner Sicherheit zu (vgl. Beck'scher VOB-Komm./Jansen, VOB/B, 2. Aufl., vor § 2 Rn. 337; Ingenstau/ Korbion/Joussen, VOB, 16. Aufl., Anhang 2, BGB, Rn. 152; PWW/Leupertz, 4. Aufl., § 648a Rn. 11; MünchKommBGB/Busche, 5. Aufl., § 648a Rn. 26; Koeble in Kniffka/Koeble, Kompendium des Baurechts, 3. Aufl., S. 541). Ein möglicher Streit der Bauvertragsparteien über die Berechtigung des Auftragnehmers, Nachsicherung gemäß § 648a BGB zu verlangen, kann nicht dadurch zu Lasten des Bürgen vermieden werden, dass dessen Verpflichtung entgegen der gesetzlichen Regelung des § 767 Abs. 1 Satz 3 BGB erweitert wird.

    c)

    Der Anrufung des Großen Senats für Zivilsachen (§ 132 Abs. 2 GVG) bedarf es nicht. Zwar hat der für das Baurecht zuständige VII. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs in einem Urteil vom 28. Juni 2007 (VII ZR 199/06, WM 2007, 1609, Tz. 21) zur Haftung eines Bürgen für Auftragserweiterungen nach Maßgabe einer bestimmten Klausel Stellung genommen. Dies ist jedoch lediglich in den Hinweisen an das dortige Berufungsgericht für das weitere Verfahren geschehen und war für die damalige Entscheidung nicht tragend.

    Hinweise:

    Verkündet am: 15. Dezember 2009

    RechtsgebietBGBVorschriftenBGB § 767 Abs. 1 Satz 3