26.07.2011 · IWW-Abrufnummer 112542
Oberlandesgericht Brandenburg: Beschluss vom 19.10.2010 – Verg W 13/10
Das Verbot, auf ein Angebot mit unangemessen niedrigem Preis den Zuschlag zu erteilen, dient in erster Linie dem Schutz des Auftraggebers, der bei Zuschlagerteilung auf ein Unterkostenangebot Gefahr laufen kann, dass der Auftragnehmer in wirtschaftliche Schwierigkeiten gerät und den Auftrag nicht oder nicht ordnungsgemäß zu Ende führt oder aber in unberechtigte Nachforderungen auszuweichen versucht. Bieterschützende Wirkung kommt der Vorschrift nur dann zu, wenn es für den Auftraggeber angesichts seiner aus § 2 Nr. 1 S. 3 VOB/A folgenden Verpflichtung, wettbewerbsbeschränkende und unlautere Verhaltensweisen zu beschränken, geboten ist, das Angebot auszuschließen.
Tenor:
Der Antrag der Antragstellerin, die aufschiebende Wirkung der sofortigen Beschwerde vom 04.10.2010 gegen den Beschluss der Vergabekammer des Landes Brandenburg vom 20.09.2010 - VK 45/10 - bis zur Entscheidung über die Beschwerde zu verlängern, wird zurückgewiesen.
Der Antragstellerin wird aufgegeben, binnen zwei Wochen zu erklären, ob die sofortige Beschwerde zurückgenommen wird.
Gründe
I. Der Auftraggeber schrieb im Supplement zum Amtsblatt der Europäischen Union vom 05.05.2010 den Neubau eines Verfügungsgebäudes einschließlich Halle für die Technische Fachhochschule ... als Generalunternehmerleistung im Offenen Verfahren europaweit aus. Als Zuschlagskriterium ist der niedrigste Preis vorgesehen.
Im Ergebnis des Submissionstermins am 08.07.2010 lag die Antragstellerin mit ihrem Angebot an dritter Rangstelle hinter der erstplatzierten Z... AG und der zweitplatzierten BA... AG. Mit Schreiben vom gleichen Tag wandte sich die Antragstellerin an den Auftrageber mit der Bitte um Aufklärung bis 13.07.2010, ob im Rahmen der Abgabe des Angebots die Übergabe der Unterlagen auf einem Datenträger zugelassen war. Einer ihrer Mitarbeiter habe am Submissionstermin teilgenommen und festgestellt, dass von einer Vielzahl der Mitbewerber nur einige wenige Unterlagen übergeben worden seien, obwohl nach den Verdingungsunterlagen u.a. die komplette Leistungsbeschreibung in Papierform einzureichen gewesen sei.
Der Auftraggeber antwortete mit Schreiben vom 19.07.2010, dass gemäß Aufforderung zur Angebotsabgabe (211EG) Pkt. 5.3 weder eine elektronische Einreichung möglich, noch die Übergabe von Unterlagen auf Datenträger zugelassen sei. Die eingereichten Angebote würden derzeit geprüft.
Mit Bieterinformation vom 30.07.2010 unterrichtete der Auftraggeber die Antragstellerin über die Absicht, der Z... AG, die ein niedrigeres Hauptangebot abgegeben habe, den Zuschlag zu erteilen.
Hierauf erklärte die Antragstellerin mit Schreiben vom 06.08.2010, sie rüge die Vergabeentscheidung, da die Z... AG kein vollständiges Angebot abgegeben habe. Soweit sie den Submissionstermin erinnere, habe die Bieterin unzureichende Unterlagen vorgelegt. Die Z... AG sei auch wegen unangemessen niedrigen Preises ihres Angebots auszuschließen. Der angebotene Preis sei deutlich günstiger als der Rest des Wettbewerbs und lasse eine angemessene Leistung nicht erwarten. Die Bieterin sei schließlich für ihre Verdrängungsabsicht per Preis im Markt bekannt. Aus formalen Gründen ausgeschlossen werden müsse ferner die zweitplatzierte BA... AG, die ebenfalls nicht zureichende Unterlagen vorgelegt habe.
Der Auftraggeber teilte am 10.08.2010 mit, trotz erheblicher Zweifel an der Rügebefugnis der Antragsstellerin nehme er deren Ausführungen zum Anlass, die getroffene Entscheidung zu prüfen. Mit weiterem Schreiben vom 12.08.2010 teilte der Auftraggeber der Antragstellerin mit, er halte die Vergabeentscheidung aufrecht, so dass die Bieterinformation vom 30.07.2010 Gültigkeit behalte.
Daraufhin stellte die Antragstellerin am 13.08.2010 einen Nachprüfungsantrag mit dem Ziel, den beabsichtigten Zuschlag zu stoppen. Zu Begründung wiederholte und vertiefte sie ihre mit Schreiben vom 06.08.2010 erhobenen Rügen. Am 19.08.2010 beantragte die Antragstellerin, ihr Akteneinsicht zu gewähren. Mit Anwaltsschriftsatz vom 25.08.2010 reichte die Antragstellerin einen "Vorab-Vergabevorschlag" der Planungsgruppe M... AG aus D... mit Datum vom 22.07.2010 ein, den ihr Bietergemeinschaftsmitglied B... GmbH am 23.08. 2010 in einem Brief ohne Absender in ihrem Geschäftsbriefkasten vorgefunden habe. Die für den Auftraggeber gefertigte Unterlage enthält einen Preisspiegel der Angebote der drei bestplatzierten Bieter für die Gewerke der technischen Gebäudeausrüstung sowie Ausführungen zur Eignungsprüfung, zur Fabrikatsprüfung und zur Wirtschaftlichkeit der Angebote.
Die Vergabekammer wies den Nachprüfungsantrag im schriftlichen Verfahren durch Beschluss vom 20.09.2010 teils als unzulässig, im übrigen als offensichtlich unbegründet zurück. Zur Begründung führte die Vergabekammer im wesentlichen aus: Der Antragstellerin fehle die Antragsbefugnis gemäß § 107 Abs. 2 GWB, soweit sie geltend mache, das Angebot der Z... AG sei unangemessen niedrig und deshalb nach § 25 Nr. 2 Abs. 3 VOB/A 2006 auszuschließen. Drittschützende Wirkung komme dem Zuschlagsverbot bei wettbewerbsbeschränkendem oder sonst unlauterem Bieterverhalten zu. Hinreichende Anhaltspunkte hierfür fehlten. Die Rüge unvollständiger Angebote sei ohne hinreichende Substanz auf bloßen Verdacht hin erhoben und genüge deshalb der nach § 107 Abs. 3 Satz 1 GWB bestehenden Rügeobliegenheit nicht. Im Umfang des auf die Kenntnisse aus den Vorab-Vergabevorschlag gestützten Vorbringens sei der Nachprüfungsantrag zwar zulässig, aber offensichtlich unbegründet i.S.v. § 112 Abs. 2 Satz 3 GWB. Dies sei der Fall, weil das Angebot der Antragstellerin gemäß § 25 Nr. 1 Abs. 1 lit. c) i.V.m. § 2 Nr. 1 Satz 3 VOB/A 2006 zwingend auszuschließen sei. Die Kenntnisnahme und Verwendung des ihr zugespielten, ersichtlich nur für den Auftraggeber bestimmten Vorab-Vergabevorschlags im Nachprüfungsverfahren stelle ein unlauteres Handeln zu Zwecken des Wettbewerbs dar.
Gegen den Beschluss der Vergabekammer wendet sich die Antragstellerin mit der sofortigen Beschwerde, mit der sie einen Antrag auf Verlängerung der aufschiebenden Wirkung verbindet. Die Antragstellerin rügt das Verfahren der Vergabekammer und verfolgt ihr Sachvorbringen weiter.
II. Der Antrag der Antragstellerin, die aufschiebende Wirkung der sofortigen Beschwerde bis zur Entscheidung über das Rechtsmittel zu verlängern, ist gemäß § 118 Abs. 1 Satz 3 GWB zul ässig. Er ist aber unbegründet, weil die sofortige Beschwerde der Antragstellerin ohne Aussicht auf Erfolg ist, § 118 Abs. 2 GWB. Die zulässige sofortige Beschwerde wird in der Sache ohne Erfolg bleiben. Denn die Vergabenkammer hat den Nachprüfungsantrag der Antragstellerin im Ergebnis zu Recht zurückgewiesen, da die Rügen der Antragstellerin - ihre Zulässigkeit ausnahmslos angenommen - jedenfalls sachlich unbegründet sind.
A. Die sofortige Beschwerde begegnet keinen Bedenken gegen ihre Zulässigkeit, sie ist insbesondere gemäß § 117 GBW frist- und formgerecht erhoben.
Der angefochtene Beschluss der Vergabekammer ist der Antragstellerin am 22.09.2010 - so ihr Vorbringen in der Beschwerdeschrift (Bl. 2 d.A.) - oder aber - laut Empfangsbekenntnis ihrer Verfahrensbevollmächtigten (Bl. 172 VK 45/10) - am 23.09.2010 zugestellt worden. Nach beiden Sachverhaltsvarianten hat die am 04.10.2010 bei Gericht eingereichte Beschwerdeschrift die Zwei-Wochen-Frist des § 117 Abs. 1 GWB gewahrt.
B. Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin ist als unbegründet zurückzuweisen. Dabei kann dahinstehen, ob der Beurteilung der Vergabekammer in allen Punkten zu folgen ist. Auch wenn - anders als es die Vergabekammer erkannt hat - sämtliche Rügen der Antragstellerin als zulässig angesehen werden, bleiben diese jeweils in der Sache ohne Erfolg.
1. Mit ihrem Beschwerdevorbringen, die Vergabekammer habe verfahrensfehlerhaft ohne mündliche Verhandlung entschieden und dadurch ihren Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt, vermag die Antragstellerin ihrer sofortigen Beschwerde nicht zum Erfolg zu verhelfen. Das Beschwerdegericht entscheidet als zweite Tatsacheninstanz, es kann gemäß § 123 Satz 1 und 2 GWB eine Entscheidung in der Sache auch dann treffen, wenn der Vergabekammer Verfahrensfehler unterlaufen sein sollten. Es hat etwaige Verfahrensfehler zu korrigieren und sodann auf Grund der Beschwerde darüber zu befinden, ob die angegriffene Vergabekammerentscheidung in der Sache richtig ist (vgl. Senat, Beschluss vom 12.01.2010, Az.: Verg W 5/09; Beschluss vom 30.05.2008, Az.: 6 Verg W 5/08, zitiert jeweils nach juris.de).
2. Die Sachprüfung des Senats ergibt, dass weder die erstplatzierte noch die zweitplatzierte Bieterin wegen fehlender oder unvollständiger Erklärungen bzw. daraus folgender mangelnder Eignung (§ 25 Nr. 1 Abs. 1 lit. b), Nr. 2 Abs. 1 i.V.m. § 21 Nr. 1 Abs. 1 und 2 VOB/A 2006) auszuschließen sind und ein Ausschluss der erstplatzierten Bieterin auch nicht wegen Unauskömmlichkeit ihres Angebots (§ 25 Abs. 3 Abs. 1 VOB/A 2006) gerechtfertigt ist. Da die Antragsgegnerin nicht das wirtschaftlichste Angebot abgegeben hat, kann offen bleiben, ob ihr Angebot wegen wettbewerbsbeschränkender Verhaltensweise auszuschließen wäre.
2.1. Soweit die Antragstellerin geltend macht, die Z... AG und die BA... AG hätten keine vollständigen Angebote eingereicht, kann der Senat mit dem Rügeschreiben vom 06.08.2010 eine inhaltlich ausreichende und rechtzeitig erhobene Rüge (§ 107 Abs. 3 GWB) zugunsten der Antragstellerin zugrunde legen, denn die Rüge ist mit den auch von der sofortigen Beschwerde verfolgten Vergaberechtsverstößen sachlich unbegründet.
a) Weder für die Z... AG noch f ür die BA... AG sind die Voraussetzungen für einen Ausschluss wegen Fehlens einer vom Auftraggeber geforderten Erklärung über den Nachunternehmereinsatz (§ 25 Nr. 1 Abs. 1 lit. b) VOB/A 2006) gegeben. Die Angebote der Bieter enthalten die nach den Verdingungsunterlagen erforderlichen Erklärungen.
aa) Bei Angebotsabgabe einzureichen war hinsichtlich des Nachunternehmereinsatzes allein die Erklärung darüber, für welche Leistungen nach Art und Umfang der Teilleistungen Nachunternehmer eingesetzt werden sollen (Formblatt 235EG Verzeichnis der Unternehmerleistungen).
In der EG-Aufforderung zur Angebotsabgabe (211EG) sind unter Buchstabe C) als Anlagen, die (in Abhängigkeit des Angebots) ausgefüllt 1-fach zurück zu geben sind, die Formblätter "235EG Verzeichnis der Unternehmerleistungen" und "236EG Verpflichtungserklärung" angegeben. Das Formblatt "235EG Verzeichnis der Unternehmerleistungen" fordert Erklärungen dazu, für welche Leistungen nach Art und Umfang der Teilleistungen sich der Bieter der Fähigkeit anderer Unternehmer bedienen wird. Hierfür sieht das Formular Eintragungen in den Feldern "OZ/Leistungsbereich" und "Beschreibung der Teilleistungen" vor. Ferner enthält das Formular folgenden Text:
"Auf Verlangen der Vergabestelle werde(n) ich/wir
- die Unternehmen benennen, deren Fähigkeiten ich/wir uns im Auftragsfall bedienen werde(n), und
- die Verpflichtungserklärung(en) nach Formblatt 236EG ... vorlegen, ...".
Das Formblatt "236EG Verpflichtungserklärung" sieht die Erklärung der für die Ausführung der Teilleistungen vorgesehenen Unternehmen nach § 8a Nr. 10 VOB/A vor.
Einzelne Bieter haben es als zweifelhaft angesehen, ob das Formblatt 236EG aufgrund der Eintragung in der EG-Aufforderung zur Angebotsabgabe (211EG) trotz der im Formblatt 235 erwähnten Vorlage "auf Verlangen" bereits mit Angebotsabgabe einzureichen ist und deshalb Anfragen an den Auftraggeber gerichtet. Der Auftraggeber hat daraufhin zur Konkretisierung der Ausschreibungsunterlagen mit Schreiben vom 28.06.2010 sämtliche Bieter unterrichtet, dass nach dem Inhalt des Formblatts 235EG keine Verpflichtung besteht, auch das Formblatt 236EG mit Angebotsabgabe einzureichen, da dies erst auf Verlangen der Vergabestelle vorzulegen ist (Bl. 321 FFO-L30007790). Damit hat der Auftraggeber jede etwa bestehende Unklarheit über die geforderten Erklärungen zum Nachunternehmereinsatz beseitigt. Der erteilten Information ist zweifelsfrei zu entnehmen, dass bei Angebotsabgabe nur die Erklärung über die Nachunternehmereinschaltung als solcher (Formblatt 235EG) einzureichen war, nicht aber bereits die Benennung der für die Ausführung vorgesehenen Unternehmen zu erfolgen hatte und/oder deren Verpflichtungserkärungen (Formblatt 236EG) vorgelegt werden mussten.
bb) Sowohl die Z... AG als auch die BA... AG haben die mit Formblatt 235EG geforderten Erklärungen zum beabsichtigten Nachunternehmereinsatz abgegeben. Hiervon hat sich der Senat anhand der Akten des Auftraggebers überzeugt.
b) Eine zum Ausschluss führende Unvollständigkeit der Angebote der Z... AG und der BA... AG ist entgegen der Ansicht der Antragstellerin nicht darin zu sehen, dass die Teile (Abschnitte) 0, A, B, L und M der Leistungsbeschreibung bei Angebotsabgabe nicht mit eingereicht worden sind. Bei den genannten Abschnitten der Leistungsbeschreibung handelt es sich nicht um solche Unterlagen, deren unterlassene Einreichung den Ausschluss des Angebots wegen Fehlens eines vorgesehenen Preises, einer geforderten Erklärung oder eines geforderten Nachweises nach § 25 Nr. 1 Abs. 1 lit. b) i.V.m. § 21 Nr. 1 Abs. 1 und 2 VOB/A 2006 rechtfertigen könnte.
Zwar ist in der EG-Aufforderung zur Angebotsabgabe (211EG) unter Buchstabe B) unter anderem die Leistungsbeschreibung ohne Einschränkung auf einzelne Abschnitte als eine derjenigen Anlagen bezeichnet, die immer 1-fach zurück zu geben sind. Ferner heißt es in der Leistungsbeschreibung Teil A "Vorbemerkungen" A2 "Zusammenstellung des Angebotspreises" Ziffer 2.2. "Pauschalpreisermittlung", dass der erforderliche Leistungsumfang gemäß der "Leistungsbeschreibung der Abschnitte A, B, C, D, E, F, G, H, I, J, K, L, M" eigenverantwortlich zu ermitteln ist. Demnach umfasst die Leistungsbeschreibung die in Rede stehenden Abschnitte. Ein Fehlen der Abschnitte 0, A, B, L und M bei Abgabe des Angebots führt dennoch nicht zum Ausschluss wegen Unvollständigkeit.
Nach § 25 Nr. 1 Abs. 1 lit. b) VOB/A 2006 werden Angebote ausgeschlossen, die dem § 21 Nr. 1 Abs. 1 bis 3 VOB/A 2006 nicht entsprechen. Gemäß § 21 Nr. 1 Abs. 2 Satz 5 VOB/A 2006 sollen die Angebote nur die Preise und die geforderten Erklärungen enthalten. Mit letztgenannter Vorschrift soll sichergestellt werden, dass das Angebot den ausgeschriebenen Leistungen und den sonstigen Verdingungsunterlagen entspricht, damit der durch die öffentliche Ausschreibung eröffnete Wettbewerb der Bieter in einem transparenten, auf Gleichbehandlung beruhenden Verfahren gew ährleistet werden kann und vergleichbare Angebote vorgelegt werden (vgl. BGH VergabeR 2005, 754 [BGH 24.05.2005 - X ZR 243/02]; VergabeR 2003, 558 [BGH 07.01.2003 - X ZR 50/01]). Ein Angebot, welches die geforderten Erklärungen und Nachweise nicht enth ält, ist daher regelmäßig von der Wertung auszuschließen. Ein solcher Fall ist hier indes nicht gegeben.
Die Abschnitte 0, A, B, L und M der Leistungsbeschreibung betreffen weder Eintragungen der geforderten Preise noch sonstige Erklärungen oder Nachweise der Bieter. Bei den Abschnitten handelt es sich ausschließlich um solche Unterlagen, die die Bieter heranzuziehen hatten, um die Kalkulation vorzunehmen (Abschnitt 0: Generalunternehmerleistung, Abschnitt A: Vorbemerkung, Abschnitt B: Baubeschreibung, Abschnitt L Anlagen, Abschnitt M: Statik). Die geforderten Preise waren demgegenüber in den als "Leistungsverzeichnis" überschriebenen 71 Seiten umfassenden Teil der Verdingungsunterlagen sowie in den Abschnitte C bis K der Leistungsbeschreibung zur gewerkeweisen Aufschlüsselung einzelner Preise anzugeben. Eine unterlassene Einreichung der Abschnitte 0, A, B, L und M stellt aufgrund des Inhalts der Unterlagen folglich nicht das Fehlen einer Erklärung des Bieters dar. Einem Fehlen der Unterlagen bei Angebotsabgabe ist irgendeine Bewertungsrelevanz, sei es mit Blick auf die Eindeutigkeit des Angebots, die Vergleichbarkeit mit anderen Angeboten oder hinsichtlich sonstiger Einflüsse auf den Wettbewerb in dem auf Gleichbehandlung beruhenden Verfahren nicht beizumessen.
2.2. Mit ihrer Rüge, das Angebot der Z... AG sei wegen eines in Verdrängungsabsicht unangemessen niedrig kalkulierten Preises nach § 25 Nr. 3 Abs. 1 VOB/A 2006 auszuschließen, kann die Antragstellerin nicht durchdringen.
Wie die Vergabekammer richtig ausgeführt hat, ist in Rechtsprechung und Literatur noch immer nicht abschließend geklärt, ob der Vorschrift des § 25 Nr. 3 Abs. 1 VOB/A 2006 überhaupt drittschützende Wirkung zukommt. Das Verbot, auf ein Angebot mit unangemessen niedrigem Preis den Zuschlag zu erteilen, dient in erster Linie dem Schutz des Auftraggebers, der bei Zuschlagerteilung auf ein Unterkostenangebot Gefahr laufen kann, dass der Auftragnehmer in wirtschaftliche Schwierigkeiten gerät und den Auftrag nicht oder nicht ordnungsgemäß zu Ende führt oder aber in unberechtigte Nachforderungen auszuweichen versucht (vgl. BayObLG VergabeR 2001, 65; OLG Düsseldorf VergabeR 2001, 128 und Beschluss vom 29.09.2008, Az.: VII-Verg 50/08, zitiert nach juris.de; Thüringer OLG, VergabeR 2009, 809 jeweils mit weiteren Nachweisen). Der Auftraggeber ist grundsätzlich nicht gehindert, einem niedrigen, nicht kostendeckenden Angebot den Zuschlag zu erteilen, denn es ist nicht seine Sache dafür zu sorgen, dass der Auftragnehmer auskömmliche, das heißt in jeder Hinsicht kostendeckende Aufträge erhält (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 29.09.2008). Aus diesem Grund billigt die Rechtsprechung in zwischenzeitlich wohl vorherrschender Ansicht der Vorschrift des § 25 Nr. 3 Abs. 1 VOB/A bieterschützende Wirkung dann zu, wenn es für den Auftraggeber angesichts seiner aus § 2 Nr. 1 Satz 3 VOB/A 2006 folgenden Verpflichtung, wettbewerbsbeschränkende und unlautere Verhaltensweisen zu beschränken, geboten ist, das Angebot auszuschließen (vgl. OLG Düsseldorf, VergabeR 2001, 65; OLG Celle, VergabeR 2004, 397; BayObLG, VergabeR 2004, 379; OLG Koblenz, VergabeR 2006, 392; OLGR Bremen, 2006, 638; offen gelassen: OLG München, VergabeR 2007, 536; Thüringer OLG, VergabeR 2009, 809; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 29.09.2008).
Die Antragstellerin beruft sich im Streitfall auf ein mit Marktverdrängungsabsicht eingereichtes unauskömmliches Angebot der erstplatzierten Mitbewerberin, so dass ihr die Antragsbefugnis (§ 107 Abs. 2 GWB) nicht abzusprechen ist. In der Sache dringt die Antragstellerin indes nicht durch, weil tragfähige Anhaltspunkte für eine unlautere wettbewerbsbeschränkende Verhaltensweise der erstplatzierten Bieterin Z... AG nicht festzustellen sind und abgesehen davon, deren Angebot auch nicht einen unangemessen niedrigen Preis zum Gegenstand hat.
Bestimmte Tatsachen für die von ihr behauptete Absicht der Z... AG, Mitbewerber unlauter vom Markt zu verdrängen, vermag die Antragstellerin nicht aufzuzeigen. Ihr Vorbringen, welches sich im Kern darin erschöpft, diese Absicht sei dem Markt bekannt, rechtfertigt nicht die Feststellung, das im Streitfall zu beurteilende Angebot diene einer Verdrängung der Antragstellerin und anderer Mitbewerber von dem betroffenen Markt.
Schließlich stellt sich das Angebot der Z... AG nicht als unangemessen niedrig im Sine des § 25 Nr. 3 Abs. 1 VOB/A 2006 dar. Zwar weist das Angebot der Z... AG den mit Abstand niedrigsten Preis aller abgegebenen Angebote aus. Die Differenz zu dem Angebot der zweitplatzierten Bieterin beträgt ca. 9 %, deren Angebot ist um etwa 0,3 % günstiger als das der Antragstellerin. Der aufgezeigte Preisunterschied trägt aber nicht den Schluss auf eine unangemessen niedrige Preisbildung, weil ein offenbares Missverhältnis von Preis und Leistung nicht gegeben ist. Der Auftraggeber hat die Auskömmlichkeit des Angebots der Z... AG geprüft und festgestellt. Diese Bewertung lässt eine Verletzung des der Vergabestelle zukommenden Beurteilungsspielraums nicht erkennen. Ein offenbares Missverhältnis zwischen Preis und Leistung liegt dann vor, wenn der angebotene Gesamtpreis derart eklatant von dem an sich angemessenen Preis abweicht, dass eine genauere Überprüfung nicht im einzelnen erforderlich ist und die Unangemessenheit des Angebotspreises sofort ins Auge fällt (vgl. BGH BauR 1977, 52; OLG Düsseldorf, VergabeR 2004, 248; Thüringer OLG, VergabeR 2009, 809). Der Preisunterschied von nahezu 10 % ist nicht von solchem Ausmaß, dass er ein offenbares Missverhältnis von Preis und Leistung ergibt. Ebensowenig sind tragfähige andere Umstände hierfür gegeben. Auf die Beurteilung in dem der Antragstellerin zugespielten und von ihr eingereichten Vorab-Vergabevorschlag der Planungsgruppe M... AG kommt es insoweit nicht entscheidend an. Die Ausführungen beziehen sich auf einzelne Positionen des Leistungsverzeichnisses, für die Beurteilung eines unangemessen niedrigen Preises ist indes maßgeblich auf den Gesamtpreis des Angebots abzustellen (vgl. BGH aaO.; BayObLG, VergabeR 2001, 65; OLG Düsseldorf, VergabeR 2004 aaO.; Thüringer OLG, VergabeR 2009 aaO.). Die von der Planungsgruppe M... AG aufgezeigten Preisunterschiede in den technischen Gewerken lassen zudem auch für sich ein eklatantes Missverhältnis zu angemessenen Preisen nicht erkennen.
2.3. Da die Angebote der Z... AG und der BA... AG nicht mit einem den Ausschluss rechtfertigenden Mangel behaftet sind und das Angebot der Antragstellerin nicht das wirtschaftlichste Angebot ist, braucht nicht abschließend geklärt zu werden, ob der Antragstellerin mit Verwendung des ihr zugespielten Vorab-Vergabevorschlags der Planungsgruppe M... AG im Nachprüfungsverfahren ein Verhalten zur Last fällt, welches geeignet ist, den Ausschluss ihres Angebots wegen schwerwiegenden Verstoßes gegen die Regeln des lauteren Wettbewerbs auszuschließen (§ 25 Nr. 1 Abs. 1 lit. c) i.V.m. § 2 Nr. 1 Satz 3 VOB/A 2006).