25.10.2011 · IWW-Abrufnummer 113400
Oberlandesgericht Koblenz: Urteil vom 29.09.2011 – 5 U 224/11
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
In dem Rechtsstreit XXX
wegen Rückforderung von Architektenhonorar
hat der 5. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Koblenz
am 29. September 2011
einstimmig
beschlossen:
1. Die Berufung des Beklagten V. B. gegen das Urteil der 5. Zivilkammer des Landgerichts Trier vom 26. Januar 2011 wird als unzulässig verworfen, soweit er zur Zahlung von 3.805,92 Euro nebst Zinsen verurteilt worden ist.
2. Im Übrigen wird die Berufung beider Beklagten zurückgewiesen.
3. Die Kosten der Berufung haben die Beklagten zu tragen.
4. Der Streitwert des Berufungsverfahrens beträgt 16.935,10 Euro bezüglich des Erstbeklagten und 13.129,18 Euro in Bezug auf den Zweitbeklagten.
G r ü n d e:
Die Berufung ist aus den Erwägungen des Senatsbeschlusses vom 23. August 2011 teils unzulässig und im Übrigen unbegründet. Was die Beklagten gegen Letzteres mit Schriftsätzen vom 31. August und 15. September 2011 vorbringen, ist nicht stichhaltig.
Das Landgericht hat der Klage wegen Teilbeträgen von 13.129,18 Euro ( beide Beklagten als Gesamtschuldner ) und 3.805,92 Euro ( nur Beklagter zu 1 ) nebst Zinsen stattgegeben und daneben die Verpflichtung der Beklagten ausgesprochen, den Kläger von Anwaltskosten für die vorgerichtliche Vertretung freizustellen. Mit der Berufung erstreben die Beklagten die umfassende Abweisung der Klage.
1. Zur Zahlung der 3.805,92 Euro nebst Zinsen hat das Landgericht den Beklagten zu 1) teils aus § 631 Abs. 1 BGB ( Montagearbeiten am Fahrzeug ) teils aus § 433 Abs. 2 BGB ( Kaufpreis für Reifen ) verurteilt. Die Verjährungseinrede und den Aufrechnungseinwand des Beklagten zu 1. hat das Landgericht nicht durchgreifen lassen und beides am Ende des angefochtenen Urteils eingehend begründet.
Was daran falsch sein soll, teilt die Berufung nicht mit. Die unter VII. der Berufungsbegründung in Bezug genommenen "vorzitierten Gesichtspunkte" ergeben nämlich nicht, welche Aufrechnung den Werklohn- und Kaufpreisanspruch des Klägers zu Fall bringen könnte. Die Begründungsschrift entspricht insoweit nicht den Anforderungen des § 520 Abs. 3 Nr. 2 und 3 ZPO. Damit ist das Rechtsmittel unzulässig ( § 522 Abs. 1 Satz 1 ZPO ). Dagegen wird - nach dem Hinweis auf die teilweise Unzulässigkeit der Berufung - in den nachgereichten Schriftsätzen nichts erinnert.
2. Im Übrigen ist die Berufung unbegründet:
a. Die Beklagten erbrachten Planungs- und sonstige Architektenleistungen für ein vom Kläger mangels Genehmigung nicht realisiertes Bauvorhaben. Für die Arbeiten der Beklagten zahlte der Kläger eine Vergütung von 55.561,50 Euro. Da er die Leistungen der Beklagten teils als verfrüht, teils als überflüssig ansieht, hat er sich eines Rückforderungsanspruchs von insgesamt 21.962,04 Euro berühmt.
b. Dem ist das sachverständig beratene Landgericht - gestützt auf § 812 Abs. 1 Satz 1 erste Alternative BGB - teilweise gefolgt und hat dem Kläger 13.129,18 Euro zugesprochen. Zur Begründung hat die Einzelrichterin ausgeführt, die Arbeiten der Beklagten seien mangels abweichender schriftlicher Vereinbarung nach der HOAI abzurechnen. Allerdings stehe ihnen eine Vergütung nur für die Leistungsphasen 1 bis 4 des § 15 HOAI zu. Eine Ausführungsplanung sei nämlich verfrüht vorgenommen worden, da die Baugenehmigung noch ausgestanden habe. Soweit die Beklagten dem mit dem Einwand begegneten, der Kläger habe in Kenntnis des Risikos trotz der fehlender Genehmigung auf die Ausführungsplanung gedrängt, sei das Vorbringen der Beklagten unzureichend.
c. Das bekämpft die Berufung ohne Erfolg.
aa. Zwar lassen sich einige Formulierungen der angefochtenen Entscheidung dahin deuten, dass dem Landgericht nicht hinreichend bewusst war, dass die Frage, was ein Architekt oder Ingenieur vertraglich schuldet und beanspruchen kann, sich dem Grunde nach nicht aus der HOAI, sondern allein aus dem Recht des Werkvertrages ergibt. Ob ein Honoraranspruch dem Grunde nach gegeben ist, lässt sich daher nicht mit Gebührentatbeständen der HOAI begründen (vgl. BGHZ 133, 399 - 404).
bb. Gemessen an den demnach allein maßgeblichen allgemeinen Rechtsvorschriften über das Zustandekommen (§§ 133, 157 BGB) und den Inhalt (§§ 280, 631 ff BGB) von Architekten- und Ingenieurverträgen, begegnet die das Urteil tragende Begründung jedoch keinen Zweifeln.
In der obergerichtlichen Rechtsprechung ist anerkannt, dass dem Architekten ein Honorar für Leistungen, die über die Genehmigungsplanung hinausgehen nur zusteht, wenn der Auftraggeber das Vorziehen der Leistungsphase ausdrücklich verlangt und das Risiko übernommen hat, dass diese vorgezogenen Leistungen später nicht benötigt werden, beispielsweise, weil die Baugenehmigung nicht erteilt wird (vgl. OLG Düsseldorf NJW-RR 1994, 858 - 859). Eine Risikoübernahme in diesem Sinne setzt voraus, dass der Auftraggeber (Bauherr) vom Auftragnehmer (Architekt) darüber informiert wird, dass vergütungspflichtige Arbeiten anstehen, die sich später mangels Baugenehmigung als überflüssig erweisen können.
Dass ein derart beratener und damit über das erhebliche Kostenrisiko informierter Bauherr eine vorzeitige Ausführungsplanung in Auftrag gibt, ist in seltenen Ausnahmefällen denkbar, indes von den Beklagten nicht hinreichend dargetan, die für eine umfassende und sachgemäße Aufklärung des Klägers ebenso darlegungs- und beweispflichtig sind wie für den Inhalt des angeblich erteilten Auftrags zur vorzeitigen Ausführungsplanung.
Der von den Beklagten entworfene schriftliche "Architektenvertrag für Leistungen bei Gebäuden und Freianlagen" vom 24. Oktober 2011 wurde vom Kläger nicht unterzeichnet. Die Urkunde ist damit für die Vertragsbeziehungen der Parteien ohne Bedeutung. Die These, die Unterzeichnung des schriftlichen Vertragsentwurfs sei treuwidrig unterblieben, so dass das dort vorgesehene Honorar gleichwohl maßgeblich sei, entbehrt einer juristisch tragfähigen Grundlage.
Dass der Kläger nach einer Belehrung über die Kostenproblematik mündlich einen Auftrag zur Ausführungsplanung erteilte, ist auch nach Auffassung des Senats nicht hinreichend dargetan. Auf Seite 5 der Klageerwiderung vom 22.12.2005 ist insoweit wenig substantiiert von Gesprächen zwischen dem Beklagten zu 1) und der Ehefrau des Klägers die Rede. Eine Auftragserweiterung lässt sich daraus - ungeachtet der offenen Vollmachtfrage - nicht herleiten.
Dass die Beklagten nach Fertigung der Genehmigungsplanung in der sicheren Erwartung weiter arbeiteten, die Baugenehmigung werde erteilt, steht für den Senat außer Frage. Das besagt aber nicht, dass der Kläger einen entsprechenden Auftrag erteilt hatte. Der von der Berufung in breiter Form wiederholte Hinweis auf Schriftsatzanlagen ist ebenso wenig stichhaltig wie deren Erläuterung. Die in Bezug genommenen Urkunden belegen nur, dass die Beklagten nach Abschluss der Genehmigungsplanung in der Überzeugung weiter arbeiteten, auch mit der Ausführungsplanung beauftragt zu sein. Damit lässt sich aber nicht dartun, geschweige denn beweisen, dass der Kläger tatsächlich nach Belehrung über das für ihn erhebliche Kostenrisiko einen derartigen Auftrag erteilt hatte.
Der in den nachgereichten Schriftsätzen wiederholte Hinweis, der Kläger sei Kaufmann und wisse daher, dass er auch solche Leistungen vergüten müsse, die er in Kenntnis des Risikos beauftragt habe, geht fehl. Gerade ein Kaufmann ist kostenbewusst und wird daher im Allgemeinen keinen Vertrag schließen, wenn sich die damit verbundenen Kosten als überflüssig erweisen, weil die Baugenehmigung nicht erteilt wird. Der Hinweis der Berufung, die Ausführungsplanung der Beklagten habe den bauplanungsrechtlichen Vorgaben entsprochen, das Vorhaben sei nur wegen der zu beachtenden Hochwasserlinie gescheitert, womit man nicht habe rechnen müssen, verfängt nicht. Ein Architekt muss als Sonderfachmann sämtliche für die Genehmigungsfähigkeit in Betracht zu ziehenden Vorschriften kennen oder ermitteln und bei seinem weiteren Vorgehen berücksichtigen. Wegen der Lage des Bauvorhabens im potentiellen Überschwemmungsgebiet der Saar bei extremem Hochwasser kann den Beklagten auch nicht darin beigepflichtet werden, ein daraus herzuleitendes Problem für die Genehmigungsfähigkeit hätten sie nicht erwägen müssen. Im Übrigen indiziert dieses Vorbringen, dass die ohne Kenntnis oder Ermittlung des konkreten Problems planenden Beklagten ihren angeblichen Auftraggeber, den Kläger, nicht über das ihnen selbst unbekannte Problem und das daran anknüpfende erhebliche Kostenrisiko informierten.
Dass der Kläger und seine Ehefrau die weiteren Planungen der Beklagten "wohlwollend zur Kenntnis" nahmen, hat ebenfalls kein entscheidendes Gewicht. All das beruhte auf der unzutreffenden Annahme, die Erteilung der Baugenehmigung sei sicher. Dass insoweit jedoch Unwägbarkeiten bestanden, mussten die Beklagten wissen und dem Kläger als bautechnischem Laien nahe bringen. Dass er sich daraufhin beratungsgemäß verhalten und die Beklagten angewiesen hätte, von einer Ausführungsplanung vorerst abzusehen, ist zu vermuten.
Der auch in diesem Zusammenhang wiederholte Hinweis, der Kläger sei Geschäftsmann, verfängt nicht. Nach dem unstreitigen Tatbestand betreibt er einen Reifenhandel. Das Kostenrisiko einer vorzeitigen, eventuell völlig überflüssigen Ausführungsplanung kennt ein Reifenhändler möglicherweise nicht. Den Beklagten musste dieses Risiko jedoch bekannt sein. Zu ihren Vertragspflichten gehörte es (§ 280 BGB), dem Kläger denselben Kenntnisstand zu verschaffen. Dass dessen Interesse, die Kosten nicht voreilig und möglicherweise überflüssig aufzublähen, weniger ausgeprägt war als das Interesse der Beklagten an einem weiteren Honorar für die (letztlich überflüssige) Ausführungsplanung kann nicht angenommen werden.
cc. Besteht kein Vergütungsanspruch der Beklagten, stellt sich die von der Berufung aufgeworfene Frage eines Mitverschuldens des Klägers nicht. Für Derartiges ist im Rahmen eines Bereicherungsanspruchs kein Raum. Der Hinweis auf das Urteil des Bundesgerichtshofs vom 10. Februar 2011 zur Genehmigungsplanung (VII ZR 8/10) verfängt nicht. Nur wenn der Auftraggeber das Risiko der Genehmigungsfähigkeit der Planung aufgrund vertraglicher Vereinbarung übernimmt, schuldet er die Architektenvergütung auch dann, wenn die Genehmigung ausbleibt. Voraussetzung für die vertragliche Risikoübernahme ist jedoch, dass der Auftraggeber Bedeutung und Tragweite des Risikos erkannt hat. In der Regel kann das nur angenommen werden, wenn der Architekt den Auftraggeber umfassend über das bestehende rechtliche und wirtschaftliche Risiko aufgeklärt und belehrt hat und der Auftraggeber sich sodann auf einen derartigen Risikoausschluss rechtsgeschäftlich einlässt (BGH aaO mit weiteren Nachweisen).
Derartiges ist hier nicht dargetan und liegt auch deshalb fern, weil den Beklagten das aus der öffentlich - rechtlich festgelegten Hochwasserlinie resultierende Problem nicht bekannt war. Vor diesem Hintergrund hat der Vorwurf, den Kläger treffe ein Mitverschulden, keinen tragfähigen tatsächlichen Anknüpfungspunkt. In der von den Beklagten als einschlägig angesehenen Entscheidung des BGH (aaO) hatte der Bauherr in dem Bewusstsein, dass der Bau nachbarschützende Vorschriften über den Grenzabstand verletzte, mit der Ausführung begonnen. Das ist in keiner Weise mit dem vorliegenden Sachverhalt vergleichbar.
dd. Hinsichtlich der Honorarforderung für die Tragwerksplanung hat das Landgericht die Schlussrechnung der Beklagten über 8.718,55 Euro als bindend angesehen. Auch das hält den Berufungsangriffen stand. An eine Schlussrechnung ist der Architekt gebunden, wenn der Auftraggeber auf eine abschließende Berechnung des Honorars vertrauen durfte und er sich im berechtigten Vertrauen auf die Endgültigkeit der Schlussrechnung in schutzwürdiger Weise so eingerichtet hat, dass ihm eine Nachforderung nicht mehr zugemutet werden kann ( vgl. BGHZ 120, 133 und BGHZ 136, 1 ). Davon abzuweichen besteht kein Anlass.
Es gibt keinen Rechtsgrundsatz, der es einem Architekt erlaubt, die Bindungswirkung seiner Schlussrechnung durch spätere Bezeichnung des dort berechneten Honorars als "Freundschaftspreis" wieder zu beseitigen mit der Erklärung, die Freundschaft sei nunmehr beendet.
ee. Letztlich ist es auch nicht zu beanstanden, dass das Landgericht seine Ausführungen zu § 814 BGB knapp gefasst hat. Die Voraussetzungen der Bestimmung liegen ersichtlich nicht vor.
3. Da die Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung hat und weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordern, scheitert das Rechtsmittel insgesamt mit der Kostenfolge aus § 97 Abs. 1 ZPO.