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  • 28.06.2012 · IWW-Abrufnummer 121934

    Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen: Urteil vom 26.04.2012 – 6s A 689/10

    Die Fortbildungspflicht für Architekten gemäß § 22 Abs. 2 Nr. 4 BauKaG NRW i.V.m. der Fort- und Weiterbildungsordnung der Architektenkammer ist verfassungsgemäß.


    Oberverwaltungsgericht NRW

    6s A 689/10.S

    Tenor:

    Die Berufung wird zurückgewiesen.

    Der Beschuldigte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

    Die Gebühr wird auch für das Berufungsverfahren auf 100 Euro festgesetzt.

    Gründe

    I.

    Der am 6. August 1945 geborene Beschuldigte ist seit 1975 Mitglied der Antragstellerin.

    Die Antragstellerin forderte ihn im Rahmen der Überprüfung der Erfüllung der Fortbildungspflicht unter dem 23. März 2007 dazu auf, ihr die im Jahr 2006 absolvierte Fortbildung nachzuweisen; der Beschuldigte sei in der durch einen Zufallsgenerator erstellten Stichprobe ausgewählt worden.

    Der Beschuldigte teilte nach Aktenvermerken telefonisch zunächst mit, er hole die Fortbildung nach. Er sei 62 Jahre alt und bekomme Rente vom Versorgungswerk. Er sei gleichwohl freischaffend tätig, arbeite aber nur für einen Chef, bei dem er mitversichert sei. Er wolle Bescheinigungen über absolvierte Fortbildungen vorlegen.

    In einer schriftlichen Stellungnahme vom 17. September 2007 machte der Beschuldigte Ausführungen zu seinem Versicherungsstatus und führte weiter aus, den Nachweis der Teilnahme an Fortbildungsveranstaltungen halte er für einen weiteren Schritt zur Infantilisierung der Gesellschaft. Was er im Studium gelernt habe, habe ihm bei seiner Tätigkeit als international tätiger Projektleiter von Großprojekten nur marginal geholfen; jedes Projekt sei Neuland gewesen und habe die Fähigkeit und Bereitschaft zum Erlernen von Neuem erfordert. Zu befürchten sei, dass der Nachweis von lächerlichen acht Stunden nur der Einstieg in ein lebenslanges erzwungenes berufsbegleitendes Studium zur Finanzierung der Akademien der Architektenkammern sei. Über die Großanlagen, mit denen er sich in letzter Zeit beschäftige, hätte er bei der Antragstellerin keine Nachhilfe bekommen können. Weiterbildung im Sinne der Kammer betreibe er in Randbereichen wie Baugeschichte oder Denkmalpflege. Hierzu übersandte er eine tabellarische Aufstellung über Veranstaltungen der Jahre 2005 und 2006. Für das Jahr 2006 führte er Studienreisen in die Provence und an den Golf von Korinth, ferner diverse Exkursionen, Vorträge und Podiumsdiskussionen (u.a. römische Wasserleitung, Pantheon in Rom, Kalkriese) auf und addierte die Stunden auf 50.

    Die Antragstellerin erläuterte unter dem 17. Oktober 2007 die Fortbildungspflicht. Unter dem 10. Januar 2008 erinnerte sie den Beschuldigten an die Vorlage des Nachweises bis Ende Februar 2008 und forderte ihn zum Nachweis der Fortbildung im Jahre 2007 auf unter Hinweis darauf, dass bei Nichtvorlage berufsrechtliche Schritte eingeleitet würden.

    Nach einem Aktenvermerk führte der Beschuldigte in einem Telefonat vom 26. Juni 2008 aus, es sei nicht einzusehen, dass er als Angehöriger eines freien Berufes überprüft werde. Die Fortbildung für 2006 und 2007 werde er nicht nachholen. 2008 habe er "zwei Fortbildungspunkte" gemacht, das müsse genügen. In einer schriftlichen Stellungnahme vom 17. Juli 2008 erklärte er, für das Jahr 2006 habe er bereits 50 Stunden Fortbildung nachgewiesen, und bot an, die Fortbildung für 2007 "ohne Punkte" nachzuweisen.

    Mit Schriftsatz vom 22. September 2008, eingegangen am 25. September 2008, hat die Antragstellerin auf der Grundlage eines entsprechenden Beschlusses ihres Vorstands vom 2. September 2008 die Eröffnung des berufsgerichtlichen Verfahrens gegen den Beschuldigten beantragt. Es bestehe der Verdacht der Berufspflichtverletzung, da er sich in den Jahren 2006 und 2007 nicht fortgebildet habe.

    Der Beschuldigte hat ausgeführt, die Behauptung der Antragstellerin, er habe im April 2007 zugesagt, die Fortbildung nachholen zu wollen, sei falsch. Die Einführung der Fortbildungspflicht sei im Vorfeld ungenügend diskutiert und nach Einführung ungenügend bekannt gemacht worden. Das Gesetz sei nicht geeignet, die Ausbildungsqualität des Architektenstandes zu garantieren. An der Peripherie des Landes wohnende Kammermitglieder würden gegenüber E. Kollegen benachteiligt. Berufserfahrung und Lebensalter würden nicht angemessen berücksichtigt. Sein Hauptarbeitsgebiet - Leistungsphase 8 der HOAI - werde kaum angeboten, Literaturstudium nicht anerkannt. Es gehe der Antragstellerin nur um zusätzliche Einnahmen. Er arbeite seit August 2008 nicht mehr für Honorar. Er hat die Kopie einer Teilnahmebestätigung bei einer anerkannten Fortbildungsveranstaltung vom April 2008 eingereicht, in der ihm Fortbildung im Umfang von zwei Stunden bescheinigt wird.

    Mit Beschluss vom 24. April 2009 hat das Berufsgericht für Architekten, Architektinnen, Stadtplaner und Stadtplanerinnen beim Verwaltungsgericht Düsseldorf (Berufsgericht) das berufsgerichtliche Verfahren gegen den Beschuldigten eröffnet und ihm zur Last gelegt,

    als Kammermitglied Berufspflichten verletzt zu haben, indem er sich in den Jahren 2006 und 2007 nicht entsprechend der Fort- und Weiterbildungsordnung der Architektenkammer (FuWO) beruflich fortgebildet hat - Verstoß gegen § 22 Abs. 2 Nr. 4 BauKaG NRW -.

    Zugleich hat es dem Beschuldigten einen Verweis erteilt und eine Geldbuße von 600 Euro auferlegt.

    Gegen diesen Beschluss, der ihm am 26. Juni 2009 zugestellt worden ist, hat der Beschuldigte am 9. Juli 2009 Antrag auf mündliche Verhandlung gestellt und beantragt,

    ihn freizusprechen.

    Die Antragstellerin hat beantragt,

    dem Beschuldigten einen Verweis zu erteilen und eine Geldbuße von 600 Euro aufzuerlegen.

    Das Berufsgericht hat mit Urteil vom 15. Januar 2010, auf das wegen des erstinstanzlichen Vorbringens der Beteiligten und der weiteren Einzelheiten Bezug genommen wird, dem Beschuldigten wegen Verletzung berufsrechtlicher Pflichten einen Verweis erteilt und eine Geldbuße von 600 Euro auferlegt.

    Der Beschuldigte hat am 29. März 2010 Berufung gegen das ihm am 3. März 2010 zugestellte Urteil eingelegt.

    Zur Begründung macht er geltend: Es fehle an einer Berufspflichtverletzung. Die Nachweispflicht verletze ihn, den Beschuldigten, in seiner durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützten Berufsausübungsfreiheit. Die Pflicht zum Nachweis der Fortbildung gemäß dem hier maßgeblichen Gesetz sowie der Satzung sei zur Erreichung des Gemeinwohlziels des Erhalts und der Erhöhung der Qualität der Berufsausübung weder geeignet noch erforderlich und noch weniger zumutbar.

    Zunächst könne nur der Architekt selbst entscheiden, was an Fortbildungsmaßnahmen für seine spezielle berufliche Tätigkeit sinnvoll sei. Die Fortbildung sei im Gegensatz zur Ausbildung nicht nennenswert zentralisierungs- bzw. vereinheitlichungsfähig. Diese Bedenken hätten zahlreiche Architektenkammern veranlasst, keinen Nachweis einer "Schein-"Fortbildung zu verlangen. Dabei sei unerheblich, ob der Betroffene ein Auswahlrecht habe. Die Eignung einer Zwangsfortbildung sei nicht gegeben, wenn der Berufsangehörige auch durch formelle Belegung der für ihn unsinnigsten Veranstaltung den Nachweis erbringen könne, nur um der "Bestrafung" zu entgehen.

    Die Eignung der Nachweispflicht sei ferner deshalb zu verneinen, weil es keine effektive Kontrolle der tatsächlichen Teilnahme gebe. Zur Erlangung des Nachweises reiche es im Regelfall aus, dass der Betroffene zwecks Eintragung in der Teilnehmerliste kurzzeitig physisch präsent sei. Nach Beginn der Veranstaltung werde keine effektive Präsenzkontrolle ausgeübt. Immer wieder würden Teilnahmebestätigungen trotz nur kurzzeitiger Präsenz ausgestellt. Ferner sei der Umfang der geforderten Fortbildung mit acht Stunden derart lächerlich gering, dass allenfalls der Schein einer gemeinwohlrelevanten Fortbildung erreicht werde. Dies stärke nicht das Vertrauen der Öffentlichkeit, sondern führe die Bürger in die Irre.

    Ebenso fehle es an der Erforderlichkeit einer Zwangsfortbildung. Dafür bestehe kein Bedarf, weil sich Architekten generell erfahrungsgemäß erheblich fortbildeten. Soweit das Berufsgericht eine empirische Untersuchung darüber, ob der Wissensstand der Architektenschaft eine Fortbildungspflicht notwendig mache, apodiktisch ablehne, werde die Einschätzungsprärogative von Gesetz- und Satzungsgeber überschätzt und würden die Anforderungen an eine Erforderlichkeitsprüfung am Maßstab des Art. 12 Abs. 1 GG unterschätzt. Für die überwiegende Gruppe der sich selbst intensiv fortbildenden Architekten könne eine Zwangsfortbildung nicht deshalb als erforderlich und zumutbar bezeichnet werden, weil eine kleine Minderheit zu wenig in diesem Bereich tue. Der Erforderlichkeit des Zwangsnachweises stehe auch entgegen, dass viele Veranstaltungen erfahrungsgemäß weder von der Thematik her noch angesichts der oftmals erschreckenden Qualität der Referenten zur Fortbildung geeignet seien.

    Ferner sei die Zumutbarkeit des Nachweises zu verneinen, weil er, der Beschuldigte, sich im fraglichen Zeitraum intensivst selbst fortgebildet habe, so dass es überflüssig gewesen wäre, sich seine Kenntnisse noch durch eine Kammerveranstaltung bestätigen zu lassen. Er habe sich in anderen Ländern fortgebildet; dies berücksichtige die Kammer ebenso wenig wie die Schwierigkeit, dafür Nachweise zu erbringen. Unter Zumutbarkeitsaspekten sei ferner zu berücksichtigen, dass er über 60 Jahre alt sei. In Hessen habe man eine entsprechende Altersgrenze eingeführt. Sie sei auch in Nordrhein-Westfalen geboten.

    Schließlich sei die Errechnung der Bußgeldhöhe falsch. Das Gericht lege einen Kurs der Akademie der Antragstellerin von ca. 100 Euro für acht Stunden zugrunde, multipliziere mal drei und erhalte als Bußgeld je Jahr 300, für zwei Jahre also 600 Euro. Tatsächlich stehe jedem Kammermitglied im Jahr ein Bonusseminar für 30 Euro zu. Ein Kollege, der ohne Strafe davonkommen wolle, könne durch Belegung des immer gleichen Seminars für 30 Euro seine Berufspflicht erfüllen. Anerkannte Seminare anderer Anbieter seien sogar kostenlos. Die Bußgeldhöhe betrage danach auf der Basis des günstigsten Akademieangebots 3 x 30 Euro = 90 Euro x 2 = 180 Euro bzw. sogar 0 Euro. Außerdem sei zu berücksichtigen, dass er 200 km von E1. entfernt wohne und zu jedem Kurs fünf Reisestunden und 160 Euro Kosten habe. Letztlich sei unverständlich, warum bei einer von der Kammer beworbenen Reise zur Weltausstellung in Shanghai acht Stunden Fortbildung anerkannt würden.

    Der Beschuldigte beantragt,

    das angefochtene Urteil aufzuheben und ihn freizusprechen.

    Die Antragstellerin beantragt,

    die Berufung zurückzuweisen.

    Sie ist der Ansicht, die Regelungen der Fort- und Weiterbildungsordnung verstießen nicht gegen das Recht auf freie Berufsausübung aus Art. 12 Abs. 1 GG. Zwar werde durch die Fortbildungsverpflichtung in den Schutzbereich des Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG eingegriffen. Der Eingriff sei jedoch gerechtfertigt. Die Regelungen dienten entsprechend den Ausführungen des Landesberufsgerichts für Architekten der Erhaltung eines bestimmten Qualitätsstandards bei der Ausübung des Architektenberufs.

    Die Einwände des Beschuldigten gegen die Geeignetheit, den verfolgten Zweck der Qualitätssicherung zu erreichen, griffen nicht durch. Es sei richtig, dass der Umfang der Fortbildung mit acht Unterrichtsstunden gering sei und Mitglieder auch weniger anspruchsvolle Fortbildungsangebote auswählen könnten. Bei dem vorgegebenen Umfang der Fortbildung handele es sich aber lediglich um den zu überprüfenden Mindestumfang. Ein etwaiges Kontrolldefizit wie auch eine Missbrauchsmöglichkeit führten nicht zur Verfassungswidrigkeit der Regelung. Die Nachweispflicht sei erforderlich, damit sie, die Antragstellerin, ihre Aufgabe, die Fortbildung zu fördern und zu überwachen, erfüllen könne. Die vom Beschuldigten bezweifelte Kontrolle bei Fortbildungen werde gewährleistet. Bei Veranstaltungen der Akademie der Antragstellerin würden Anwesenheitskontrollen durchgeführt. Seien Teilnehmer für längere Zeit nicht anwesend, werde dies vermerkt und eine Teilnahmebestätigung nur mit der anwesenden Stundenzahl ausgestellt.

    Die Erforderlichkeit der Fortbildungsverpflichtung sei gegeben. Ein weniger die Berufsfreiheit einschränkendes, aber gleichwohl wirksames Mittel stehe nicht zur Verfügung. Es gehöre zu den Grundpflichten der Architekten, sich Kenntnisse über die ständigen technischen und fachlichen Veränderungen anzueignen. Dazu bedürfe es einer nachprüfbaren Fortbildungsverpflichtung.

    Die Fortbildungs- und Nachweispflicht sei auch angemessen und deren Erfüllung für den Beschuldigten zumutbar. Die Anzahl von acht Fortbildungsstunden sei denkbar gering. Zudem seien die Kammermitglieder bei der Auswahl der Fortbildungsveranstaltungen frei, solange die Veranstaltungen die in der Anlage zur Fort- und Weiterbildungsordnung genannten Themenbereiche abdeckten und von ihr, der Antragstellerin, anerkannt seien. Zudem könne sie ihren Mitgliedern gemäß § 7 Abs. 2 FuWO gestatten, die Fortbildung im folgenden Halbjahr nachzuholen. Diese Nachholfrist sei angemessen, um den jeweiligen Lebensumständen der Mitglieder gerecht zu werden.

    Die Argumentation des Beschuldigten, die Zumutbarkeit sei zu verneinen, weil er sich in seinem Tätigkeitsschwerpunkt fortgebildet habe und eine Fortbildung im Sinne der Fort- und Weiterbildungsordnung daher überflüssig sei, greife nicht durch. Die Fortbildung könne im Hinblick auf den generalistisch ausgerichteten Architektenberuf nicht nur auf Spezialgebiete beschränkt werden. Von Fortbildungsträgern würden genügend Veranstaltungen angeboten, die inhaltlich der Berufsausübung der Architekten entsprächen. Es könnten auch Veranstaltungen anderer Länder oder ausländischer Kammern berücksichtigt werden, wenn es sich um geeignete Veranstaltungen im Sinne von § 2 FuWO handele, die zuvor anerkannt worden seien.

    Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird ergänzend auf den Inhalt der Gerichtsakten sowie der Verwaltungsvorgänge der Antragstellerin Bezug genommen.

    II.

    Die Berufung ist zulässig, aber unbegründet.

    Das Berufsgericht hat zu Recht angenommen, dass der Beschuldigte durch sein im Eröffnungsbeschluss bezeichnetes Verhalten Berufspflichten verletzt hat.

    Der Beschuldigte hat sich in den Jahren 2006 und 2007 nicht in einer den Anforderungen der Fort- und Weiterbildungsordnung der Antragstellerin entsprechenden Weise fortgebildet. Gemäß § 22 Abs. 2 Nr. 4 BauKaG NRW sind die Kammermitglieder verpflichtet, sich entsprechend der Fort- und Weiterbildungsordnung der Antragstellerin beruflich fortzubilden und sich über die für die Berufsausübung geltenden Bestimmungen zu unterrichten. Die Fort- und Weiterbildungsordnung sieht die Teilnahme an von der Antragstellerin anerkannten Fortbildungsveranstaltungen im Umfang von jährlich mindestens acht Unterrichtsstunden vor (§§ 1 Abs. 1, 3, 5 FuWO). Nach § 6 FuWO haben die Kammermitglieder der Antragstellerin auf deren Aufforderung hin die Teilnahme an Fortbildungsveranstaltungen durch Bescheinigungen nachzuweisen, aus denen Trägerschaft, Inhalt und Umfang der Fortbildungsmaßnahme ersichtlich sind. Der Beschuldigte hat in den Jahren 2006 und 2007 nicht an von der Antragstellerin anerkannten Fortbildungsveranstaltungen teilgenommen. Dabei unterlag er in den Jahren 2006 und 2007 noch der Fortbildungspflicht. Gemäß § 1 Abs. 2 FuWO sind davon Mitglieder ausgenommen, die das 65. Lebensjahr vollendet haben und nicht mehr berufstätig sind. Der Beschuldigte hat sein 65. Lebensjahr erst 2010 vollendet und war zudem in den Jahren 2006 und 2007 nach eigenem Vorbringen noch berufstätig.

    Weder gegen die Fortbildungs- (1.) noch gegen die Nachweispflicht und die Sanktionierung der Berufspflichtverletzung (2.) bestehen verfassungsrechtliche Bedenken. Im Falle des Beschuldigten liegen keine entlastenden Momente vor, die eine Berufspflichtverletzung ausschließen (3). Ebenso wenig ist gegen die erstinstanzlich ausgesprochene Maßnahme etwas einzuwenden (4.).

    1. Mit der Verpflichtung zur Fortbildung wird in das Recht auf freie Berufsausübung aus Art. 12 Abs. 1 GG eingegriffen. Gesetzliche Regelungen der Berufsausübung, Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG, sind nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nur zulässig, wenn sie durch hinreichende Gründe des gemeinen Wohls gerechtfertigt sind, das gewählte Mittel zur Erreichung des verfolgten Zwecks geeignet und erforderlich ist und bei einer Gesamtabwägung zwischen der Schwere des Eingriffs und dem Gewicht der ihn rechtfertigenden Gründe die Grenze der Zumutbarkeit noch gewahrt ist.
    Vgl. nur BVerfG, Beschluss vom 29. Oktober 2002 - 1 BvR 525/99 -, BVerfGE 106, 181.

    Dies zugrunde gelegt darf der Gesetzgeber Angehörigen freier Berufe eine Fortbildungspflicht auferlegen, die durch die Kammern - wie die Antragstellerin - näher zu präzisieren ist. Die Fortbildungspflicht wird durch hinreichende Gründe des gemeinen Wohls gerechtfertigt. Sie soll dazu beitragen, das Fachwissen der Kammermitglieder, deren Ausbildung oft lange zurückliegt, insbesondere im Hinblick auf die laufenden Rechtsänderungen, den technischen Fortschritt und die gesteigerten Anforderungen durch die Deregulierung in bauaufsichtlichen Verfahren auf dem neuesten Stand zu halten, zu erweitern und zu festigen. Sie dient nicht nur dazu, das Ansehen des Architektenberufs in der Öffentlichkeit zu wahren, sondern soll auch dem einzelnen Architekten Sicherheit geben und ihm helfen, fachliche Fehler bei seiner Tätigkeit zu vermeiden. Damit bezweckt sie zugleich den Schutz seines Auftraggebers vor finanziellen und gesundheitlichen Schäden.
    Vgl. Landesberufsgericht für Architekten, Architektinnen, Stadtplaner und Stadtplanerinnen, Beschlüsse vom 4. November 2009 - 6s E 1638/08.S und 6s E 1640/08.S -, juris; Hess. VGH, Beschluss vom 17. März 2010 - 7 A 1323/09.Z -, juris, zur Fortbildungsverpflichtung gemäß § 17 Abs. 3 Satz 1 HASG in Verbindung mit der Fortbildungsordnung.

    Die Fortbildungsverpflichtung ist im verfassungsrechtlichen Sinn zur Erreichung dieser legitimen Zwecke geeignet. Dafür genügt es, wenn mit ihrer Hilfe der gewünschte Erfolg gefördert werden kann; ausreichend ist also die Möglichkeit der Zweckerreichung. Dem Normgeber kommt dabei ein Einschätzungs- und Prognosevorrang zu. Ihm obliegt die Entscheidung, welche Maßnahmen er im Interesse des Gemeinwohls ergreifen will. Allein durch den Umstand, dass sich das angestrebte Ziel durch eine strengere Regelung möglicherweise besser erreichen ließe, wird die Eignung der betroffenen Regelung nicht in Frage gestellt.
    Vgl. BVerfG, Beschluss vom 24. März 2009 – 1 BvR 144/09 -, NJW 2009, 2587, mit weiteren Nachweisen.

    Diesen Anforderungen ist genügt. Es unterliegt keinem Zweifel, dass eine Verpflichtung zu regelmäßiger Fortbildung im dargestellten verfassungsrechtlichen Sinn geeignet ist, die verfolgten legitimen Zwecke zu erreichen. Dagegen kann nicht mit Erfolg eingewandt werden, nur der Architekt selbst könne entscheiden, was an Fortbildungsmaßnahmen für seine spezielle Tätigkeit sinnvoll sei. Dem Umstand, dass der Fortbildungsbedarf der einzelnen Architekten auf unterschiedlichen Gebieten und in unterschiedlicher Weise besteht, wird Rechnung getragen, indem durch Anlage 1 zur Fort- und Weiterbildungsordnung ein weiter thematischer Rahmen eröffnet wird und die Kammermitglieder entsprechend ihren Präferenzen und Bedürfnissen aus einer Vielzahl von Fortbildungsveranstaltungen wählen können.

    Gegen die Annahme der Eignung kann ferner nicht ins Feld geführt werden, dass auch ein Kammermitglied, das an für seine Bedürfnisse "unsinnigen" Veranstaltungen teilnehme, seiner Fortbildungspflicht genüge. Bei der insoweit vom Gesetzgeber zu treffenden Einschätzung darf - bzw. muss - dieser zugrunde legen, wie sich die von der Verpflichtung Betroffenen voraussichtlich verhalten werden. Dass die Kammermitglieder durchgängig oder auch nur zu einem ins Gewicht fallenden Anteil für ihre jeweilige Situation besonders wenig hilfreiche Fortbildungsveranstaltungen wählen werden, ist unwahrscheinlich.

    Dass einzelne Fortbildungsveranstaltungen ihr Ziel nicht erreichen mögen, begründet gleichfalls nicht die Verfassungswidrigkeit der Fortbildungspflicht als solcher. Mängeln einzelner Veranstaltungen kann begegnet werden, indem etwa Dozenten ausgetauscht oder neuen Veranstaltungen die Anerkennung versagt wird.

    Die Eignung der Nachweispflicht zur Erreichung des Gemeinwohlziels lässt sich auch nicht mit Blick auf den geringen Umfang der Fortbildungspflicht sowie das Fehlen einer Erfolgskontrolle in Bezug auf die Wissensvermittlung verneinen. Zwar können berufsspezifische Inhalte in acht Unterrichtsstunden jährlich nur in begrenztem Umfang vermittelt werden. Der Umstand, dass eine noch weitergehende - und damit den Einzelnen auch stärker belastende - Verpflichtung zur Zweckerreichung besser geeignet wäre, führt jedoch nach dem oben Ausgeführten nicht auf die Ungeeignetheit des gewählten Mittels.

    Schließlich stellt es die Eignung der Fortbildungspflicht nicht in Frage, dass die Beachtung der Verpflichtung nur im Wege einer zufälligen Stichprobe bei 10 % der Kammermitglieder (§ 7 Abs. 1 FuWO) überprüft wird. Dies reicht für eine effektive Prüfung aus. Die Wahrscheinlichkeit, bei einer solchen Stichprobe überprüft zu werden, ist hinreichend hoch. Fortbildungsunwillige Mitglieder können sich nicht darauf verlassen, dass ihre Säumnis nicht auffallen wird. Im Übrigen nimmt weder ein etwaiges in beschränktem Umfang bestehendes Kontrolldefizit - auch soweit es in Einzelfällen die Präsenz bei Fortbildungsveranstaltungen betreffen mag - noch eine Missbrauchsmöglichkeit der Regelung als solcher ihre grundsätzliche Verfassungsmäßigkeit. Das Gleiche gilt für den Umstand, dass die Möglichkeit bestehen mag, dass der Programmierer der Stichprobenziehung ihm bekannte Architekten aus der Stichprobe aussondert. Es ist abwegig, die Regelung als solche wegen einer theoretischen Manipulationsmöglichkeit bei der technischen Durchführung der Kontrolle, die vertragswidrig wäre, als willkürlich zu anzusehen.

    Die Begründung der Fortbildungsverpflichtung sowie ihre inhaltliche Ausgestaltung in der Fort- und Weiterbildungsordnung ist auch erforderlich, um die oben dargestellten Ziele zu erreichen. Ein Eingriff in die Freiheit der Berufsausübung ist erforderlich, wenn ein anderes, gleich wirksames aber die Berufsfreiheit weniger einschränkendes Mittel nicht zur Verfügung steht. Die Eingriffe dürfen nicht weiter gehen, als es die rechtfertigenden Gemeinwohlbelange erfordern. Allerdings steht dem Gesetzgeber bei der Frage, was er in diesem Sinne für erforderlich halten darf, wiederum ein weiter Einschätzungs- und Prognosespielraum zu, dessen Einhaltung nur in begrenztem Umfang überprüft werden kann. Dieser Spielraum ist erst überschritten, wenn die gesetzgeberischen Erwägungen so fehlsam sind, dass sie vernünftigerweise keine Grundlage für derartige Maßnahmen abgeben können.
    Vgl. BVerfG, Beschluss vom 12. Dezember 2006 - 1 BvR 2576/04 -, BVerfGE 117, 163.

    Gemessen daran ist die Fortbildungspflicht erforderlich. Weniger einschneidende Maßnahmen, die in gleich geeigneter Weise das Risiko bekämpfen, dass Kammermitglieder über längere Zeit den Anforderungen an die Aktualisierung ihres Wissensstandes nicht genügen, sind nicht ersichtlich.

    Die Erforderlichkeit der Regelungen fehlt nicht deshalb, weil sich, wie der Beschuldigte formuliert, "Architekten generell erfahrungsgemäß erheblich fortbilden". Es liegt im Rahmen des Einschätzungsspielraums des Gesetzgebers und ist im Übrigen lebensnah anzunehmen, dass ein gewisser Anteil der Mitglieder der Fortbildung eher zurückhaltend gegenübersteht.

    Schließlich erweisen sich die Regelungen über die Fortbildungspflicht als angemessen. Die vom Normgeber zur Verfolgung legitimer Zwecke gewählten Mittel sind angemessen, wenn das Maß der Belastung des Einzelnen noch in einem vernünftigen Verhältnis zu den der Allgemeinheit erwachsenden Vorteilen steht. Dies erfordert eine Abwägung zwischen den Gemeinwohlbelangen, zu deren Wahrung der Eingriff in Grundrechte erfolgt, und den Auswirkungen auf die Rechtsgüter der hiervon Betroffenen.
    Vgl. BVerfG, Beschluss vom 12. Dezember 2006 - 1 BvR 2576/04 -, BVerfGE 117, 163.

    Die Kammermitglieder werden durch die Fortbildungspflicht nach der Fort- und Weiterbildungsordnung in ihrer beruflichen Betätigung nicht empfindlich beeinträchtigt. Deren Umfang hält sich mit acht Stunden jährlich in überschaubaren Grenzen. Zudem räumt § 7 Abs. 2 FuWO die Möglichkeit ein, die versäumte Fortbildung im folgenden Halbjahr nachzuholen. Damit kann Hindernissen aus dem beruflichen oder persönlichen Bereich hinreichend Rechnung getragen werden.

    2. In verfassungsrechtlicher Hinsicht unbedenklich ist ferner, dass in § 6 FuWO den Kammermitgliedern die Verpflichtung auferlegt wird, die Erfüllung der Fortbildungsverpflichtung auch nachzuweisen,
    vgl. Landesberufsgericht für Architekten, Architektinnen, Stadtplaner und Stadtplanerinnen, Beschluss vom 7. Dezember 2009 - 6s E 1186/08.S -, juris,

    und weiter, dass die Nichterfüllung der Fortbildungsverpflichtung sowie das Unterbleiben ihres Nachweises sanktioniert wird. Beides ist entsprechend den oben dargestellten Erwägungen geeignet, erforderlich und auch angemessen. Die durch die Pflicht, eine absolvierte Fortbildung auf Anforderung nachzuweisen, gegenüber der Fortbildungspflicht zusätzlich begründete Belastung ist von geringem Gewicht. Hinsichtlich der Sanktionierung kommt zum Tragen, dass nur schuldhafte Berufspflichtverletzungen geahndet werden und der Eintritt von Sanktionen durch die Nachholungsmöglichkeit gemäß § 7 Abs. 2 FuWO eingeschränkt ist. Gleichzeitig ist beides geboten, um die Beachtung der Fortbildungspflicht sicherzustellen.

    3. Diese grundsätzliche Betrachtung ist nicht wegen sich aus den Umständen des Einzelfalls ergebender entlastender Momente zu relativieren. Die bloße Behauptung des Beschuldigten, er habe sich im fraglichen Zeitraum "intensivst selbst fortgebildet", lässt nicht erkennen, dass den mit der Fortbildungspflicht verfolgten Zielen in seinem Fall weniger Gewicht beizumessen wäre. Die behauptete Fortbildung durch die Teilnahme an nicht anerkannten Veranstaltungen entlastet den Beschuldigten auch nicht. Die Pflicht zur vorherigen Anerkennung soll sicherstellen, dass die jeweilige Veranstaltung den Zielen der Fortbildungspflicht dienlich ist. Bei der Vielzahl denkbarer Fortbildungsmöglichkeiten würde es einen unangemessenen Verwaltungsaufwand bedeuten, die von den Kammermitgliedern besuchten Veranstaltungen im Nachhinein von Fall zu Fall zu bewerten und ihre Fortbildungstauglichkeit zu bescheinigen. Im Übrigen liegt es im wohlverstandenen Interesse der Kammermitglieder, sich anhand des fachkundigen Urteils der Antragstellerin im Voraus der Geeignetheit einer Fortbildungsveranstaltung vergewissern zu können, um unnötigen Aufwand an Zeit und Kosten zu sparen.
    Vgl. Landesberufsgericht für Architekten, Architektinnen, Stadtplaner und Stadtplanerinnen, Beschluss vom 4. November 2009 - 6s E 1629/08.S -, juris.

    Nichts anderes gilt für das Lebensalter und die berufliche Erfahrung des Beschuldigten. Beides macht es nicht entbehrlich, sich über neue Entwicklungen und Vorschriften zu informieren, denn auch von einem älteren und berufserfahrenen Architekten wird erwartet, dass seine Arbeit dem neuesten fachlichen Stand entspricht.
    Vgl. Landesberufsgericht für Architekten, Architektinnen, Stadtplaner und Stadtplanerinnen, Beschluss vom 4. November 2009 - 6s E 1638/08.S -, juris.

    Wenn in § 1 Abs. 2 Satz 3 b der von der Hessischen Architekten- und Stadtplanerkammer gestützt auf § 17 Abs. 3 Satz 2 HASG erlassenen Fortbildungsordnung eine Altersgrenze von 60 Jahren für die Fortbildungspflicht vorgesehen ist, bedeutet dies nicht, dass dies verfassungsrechtlich geboten ist.

    Die Unzumutbarkeit der Fortbildung für den Beschuldigten folgt schließlich nicht aus dem längeren Anfahrtsweg zu Fortbildungsveranstaltungen, den er als vergleichsweise weit von E1. entfernt lebendes Kammermitglied auf sich nehmen muss, wenn er an dort stattfindenden Veranstaltungen teilnehmen will. Abgesehen davon, dass auch die Akademie der Antragstellerin nicht ausschließlich Veranstaltungen in E1. anbietet, ist davon auszugehen, dass jedenfalls Veranstaltungen externer Anbieter, ggfs. auch anderer Kammern, in näherer Entfernung zum Wohnort des Beschuldigten in Betracht kommen. Im Übrigen kann die Überwindung von Entfernungen innerhalb Nordrhein-Westfalens an einem Tag oder jedenfalls wenigen Tagen jährlich angesichts der gegebenen infrastrukturellen Möglichkeiten grundsätzlich nicht als unzumutbar angesehen werden.

    Die nach allem gegebene Pflichtverletzung ist auch schuldhaft. Der Beschuldigte kannte seine entsprechende Verpflichtung; zumindest hat er aber fahrlässig gehandelt. Seine generelle Kritik an der gesetzlichen Regelung, die er für sinnlos und zweckverfehlt hält, entschuldigt ihn nicht.

    4. Die vom Berufsgericht zur Ahndung der Berufspflichtverletzung ausgesprochenen Maßnahmen, über die das Landesberufsgericht wegen des Verschlechterungsverbots gemäß § 82 Abs. 6 BauKaG NRW nicht hinausgehen darf, sind angemessen. Dem Beschuldigten muss die Berufspflichtwidrigkeit seines Verhaltens vor Augen geführt werden. Es ist - zumal angesichts der Uneinsichtigkeit des Beschuldigten, der auch in der Folge seiner Fortbildungspflicht nicht zureichend nachgekommen ist - eine fühlbare Sanktion erforderlich, die nicht so niedrig sein darf, dass es für einzelne Kammermitglieder attraktiv sein kann, sich nicht fortzubilden und sich stattdessen gegebenenfalls vom Berufsgericht verurteilen zu lassen. Dem entsprechen die Erteilung eines Verweises und die Verhängung einer Geldbuße von 600 Euro, § 52 Abs. 2 Satz 1 a) und b), Satz 3 BauKaG NRW, durch das Berufsgericht. Die üblichen Kosten von Fortbildungsveranstaltungen sind dabei lediglich Orientierungspunkt für die Bemessung. Die Auffassung des Beschuldigten, die Geldbuße sei rechnerisch zu ermitteln und in der Höhe auf die (Mindest-)Kosten von Veranstaltungen begrenzt, die zur Fortbildung genügen, geht fehl.

    Eine fühlbare Sanktion bleibt auch dann erforderlich, wenn der Beschuldigte inzwischen nicht mehr berufstätig sein und deshalb seit August 2010 der Fortbildungspflicht nicht mehr unterliegen sollte. Zwar könnte dann der Beschuldigte selbst nicht mehr zur Erfüllung der Verpflichtung angehalten werden. Die Verletzung der Fortbildungspflicht allein wegen der Überschreitung der Altersgrenze im Laufe des Verfahrens sanktionslos zu lassen, begründete jedoch die Gefahr, dass fortbildungsunwillige Mitglieder in entsprechend fortgeschrittenem Alter die Verpflichtung weithin missachteten.

    Die Kostenentscheidung und die Gebührenfestsetzung beruhen auf § 88 Abs. 1 und 2 BauKaG NRW.

    Das Urteil ist seit der Verkündung rechtskräftig.

    RechtsgebietArchitekt Berufspflicht Fortbildungspflicht Nachweispflicht Verfassungsmäßigkeit