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  • 24.07.2012 · IWW-Abrufnummer 122234

    Oberlandesgericht Frankfurt/Main: Beschluss vom 30.04.2012 – 4 U 269/11

    Zur Verjährung von Gewährleistungsansprüchen nach VOB/B und zur Frage, wann die Verjährungseinrede rechtsmissbräuchlich sein kann.


    4 U 269/11

    Tenor

    In dem Rechtsstreit … weist der Senat darauf hin, dass er beabsichtigt, auf der Grundlage von § 522 Abs. 2 ZPO die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts Hanau – 7. Zivilkammer – vom 01.12.2011 zurückzuweisen.

    Gründe
    I.

    Der Kläger begehrt von der Beklagten im Rahmen eines Werkvertrages Vorschuss für die Kosten einer Mängelbeseitigung nach §§ 637 Abs. 3 BGB i. V. m. 13 Abs. 5 Ziff. 2 VOB/B.

    Das Landgericht hat die Klage im Hinblick auf die von der Beklagten erhobene Einrede der Verjährung abgewiesen.

    Zur Begründung hat es ausgeführt:

    Die vierjährige Verjährungsfrist des § 13 Abs. 5 Nr. 1 S. VOB/B sei unter Berücksichtigung des Zeitpunkts der Abnahme im Juni 2005 spätestens zum Ende Juni 2009 abgelaufen, so dass die Klageerhebung im Jahr 2011 verspätet sei. Die Verjährungsfrist sei auch nicht aufgrund des E-Mail- Schreibens des Klägers vom 08.03.2009 um zwei Jahre verlängert worden, weil es insoweit schon an der gesetzlich vorgesehenen Schriftform fehle. Soweit sich der Kläger darauf beziehe, dass auch eine mündliche Anzeige zur Erhaltung der Mängeleinrede ausreiche, betreffe die insoweit in Bezug genommene Entscheidung des BGH nur den Aufrechnungseinwand mit einer bereits verjährten Forderung. Für die Verlängerung der Verjährungsfrist gelte demgegenüber das Schriftformerfordernis. Die Berufung der Beklagten auf die Verjährung sei auch nicht treuwidrig unter Berücksichtigung der zwischen den Parteien geführten Verhandlungen über die Mängelbeseitigung. Eine Hemmung der Verjährung im Hinblick auf die im März 2009 erfolgte Inaugenscheinnahme der Mängel durch die Beklagte sei spätestens mit der Zurückweisung des Mängelbeseitigungsverlangens durch Schreiben der Beklagten vom 27.03.2009 beendet worden. Nach Eintritt der Verjährung könne eine Verjährungsfrist auch nicht aufgrund eines Schuldanerkenntnisses neu zu laufen beginnen. Insoweit komme auch kein Verzicht der Beklagten auf die Verjährungseinrede in Betracht. Ein konkludenter Verzicht scheitere daran, dass sich nicht feststellen lasse, dass die Beklagte den Eintritt der Verjährung gekannt oder zumindest für möglich gehalten habe. Schließlich habe sich auch nicht feststellen lassen, dass zwischen den Parteien ein Schiedsgutachtenvertrag geschlossen worden sei, nach welchem der Sachverständige ... für beide Parteien verbindliche Feststellungen hinsichtlich der Mangelhaftigkeit hätte treffen sollen.

    Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung des Klägers mit der er seine erstinstanzlich abgewiesenen Anträge unter Wiederholung seines Sachvortrags und der daran anknüpfenden Rechtsansichten weiter verfolgt.

    II.

    Die Berufung des Klägers ist zwar zulässig, bietet nach einstimmiger Überzeugung des Senats aber offenkundig keine Aussicht auf Erfolg.

    Die Berufung zeigt nicht auf, dass die Entscheidung des Landgerichts auf einer Rechtsverletzung beruht (§ 546 ZPO) oder die nach § 529 ZPO zugrunde zulegende Tatsachenfeststellung des Landgerichts unzutreffend ist und deshalb eine abweichende Entscheidung gerechtfertigt ist (§ 513 Abs. 1 ZPO).

    Das Urteil des Landgerichts erweist sich vielmehr auch unter Berücksichtigung der Berufungsangriffe als zutreffend.

    Die Klageforderung ist verjährt.

    Die Verjährung wurde weder aufgrund eines Mängelbeseitigungsverlangens des Klägers um zwei Jahre verlängert, noch ist die Beklagte nach Treu und Glauben an der Erhebung der Verjährungseinrede gehindert.

    1. Nach § 13 Nr. 4 VOB/B verjähren Gewährleistungsansprüche des Bauherrn nach vier Jahren. Die Verjährungsfrist beginnt mit der Abnahme zu laufen. Davon ausgehend war die Verjährungsfrist jedenfalls Ende Juni 2009 abgelaufen.

    Nach § 13 Abs. 5 Nr. 1 S. 2 VOB/B hat nur die schriftliche Mängelanzeige eine verjährungsverlängernde Wirkung. Das E-Mailschreiben vom 08.03.2009 genügt aus den Gründen der erstinstanzlichen Entscheidung dem Schriftformerfordernis nicht. Nach § 126 Abs. 1 BGB verlangt die Einhaltung der Schriftform, dass die Mängelanzeige von dem Anzeigenden eigenhändig durch Namensunterschrift oder mittels notariell beglaubigten Handzeichens unterzeichnet werden muss. Diese Form kann nach § 126 Abs. 3 BGB durch die in § 126 a BGB geregelte elektronische Form ersetzt werden. Auch diesem Formerfordernis genügt das E-Mailschreiben vom 08.03.2009 nicht, weil es an einer qualifizierten elektronischen Signatur fehlt.

    Entgegen der Auffassung des Klägers gilt § 126 BGB auch für das Schriftformerfordernis der VOB. Durch die Vereinbarung der VOB/B werden die gesetzlichen Bestimmungen des BGB insbesondere die Regelungen über die Rechtsgeschäfte nach §§ 104 r– 185 BGB nicht abbedungen. Die VOB baut vielmehr auf der Grundlage der Vorschriften des BGB auf und ändert bzw. ergänzt diese lediglich entsprechend der Interessenlage der Parteien.

    Dem steht die vom Kläger in Bezug genommene Entscheidung des BGH vom 25.01.2007 (VII ZR 41/06) keineswegs entgegen. Der VII. Zivilsenat hat in dieser Entscheidung vielmehr ausdrücklich deutlich gemacht (Randziffer 20, zit. nach juris), dass die Schriftform dann eine Rolle spielt, wenn sich die Verjährung nach § 13 Nr. 5 Abs. 1 VOB/B beurteilt, also gerade dann, wenn es um die Frage der Verlängerung der Verjährungsfrist geht. Das Schriftformerfordernis hat nur für die den Eintritt der Verjährung voraussetzende Frage, ob der Aufrechnungseinwand mit einer verjährten Forderung geltend gemacht werden kann, keine Bedeutung; insoweit reicht auf der Grundlage des Bürgerlichen Gesetzbuchs eine mündliche Anzeige des Mangels aus. Auch darauf hat das erstinstanzliche Gericht bereits zutreffend hingewiesen.

    Soweit der Kläger meint, das Schriftformerfordernis des § 13 Abs. 5 Nr. 1 S. 2 VOB/B entspreche dem des § 127 BGB, ergibt sich daraus nichts anderes, da diese Vorschrift keineswegs die Übermittlung per E-Mail unabhängig von den Voraussetzungen des § 126 a BGB ermöglicht, wie sich unschwer aus § 127 Abs. 3 BGB entnehmen lässt.

    Die schriftliche Mängelanzeige war auch nicht deshalb entbehrlich, weil sich der Geschäftsführer der Beklagten nach der per E-Mail erfolgten Mängelanzeige ein eigenes Bild über den Zustand des Gewerkes gemacht hat. Das Landgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass daran anknüpfend allenfalls eine Hemmung der Verjährung bis zu der am 27.03.2009 erfolgten Zurückweisung von Gewährleistungsansprüchen in Betracht kommen könnte. Ob die per E-Mail erfolgt Mängelanzeige auf der Grundlage des BGB den Anforderungen an eine ausreichend spezifizierte Mängelrüge im Sinne der Symptomrechtsprechung entspricht, ist für die Frage der Verjährung vollständig ohne Relevanz.

    2. Die Berufung der Beklagten auf den Eintritt der Verjährung ist nicht rechtsmissbräuchlich. Die Erhebung der Verjährungseinrede ist nur dann unbeachtlich, wenn sie gegen das Verbot unzulässiger Rechtsausübung verstößt. Dabei ist indes auch im Verjährungsrecht bei Anwendung des § 242 BGB ein strenger Maßstab anzulegen (Palandt/Ellenberger, BGB, 71. Aufl. 2012 vor § 194 Rdnr. 17 unter Hinweis auf BGH NJW 1988, 2247). Die Verjährungseinrede ist aus diesem Grund nicht schon deshalb missbräuchlich, weil der Gläubiger nicht mit der Erhebung der Verjährungseinrede gerechnet hat. Vielmehr kann der Schuldner grundsätzlich frei darüber entscheiden, ob und ggfs. wann er die Verjährungseinrede erheben will (Palandt/Ellenberger a. a. O. Rdnr. 18). Vorliegend hat die Beklagte weder dem Kläger Anlass gegeben anzunehmen, es gelte eine längere Verjährungsfrist, noch hat die Beklagte den Kläger von der rechtszeitigen Geltendmachung seines Gewährleistungsanspruchs abgehalten. Allein der Umstand, dass die Parteien nach Darstellung des Klägers „bis kurz vor dem Prozess“ noch über die Mängelbeseitigung verhandelt haben, noch der Aspekt, dass die Beklagte nicht auf die vom Kläger in seinem E-Mailschreiben vom 08.03.2009 angesprochene Möglichkeit der Erhebung der Verjährungseinrede reagiert hat, begründet die Annahme, dass die Erhebung der Verjährungseinrede erst im Laufe des Rechtsstreits einen Rechtsmissbrauch der Beklagten darstellen könnte.

    3. Schließlich hat das Landgericht auch zutreffend angenommen, dass Umstände, die erst nach Eintritt der Verjährung vorgelegen haben, für die rechtliche Beurteilung der Zulässigkeit der Erhebung der Verjährungseinrede unbeachtlich sind. Von daher kommt es auch nicht darauf an, ob man die nach Eintritt der Verjährung geführten vorprozessualen Verhandlungen der Parteien – wie der Kläger meint – in der Weise würdigen könnte, dass die Beklagte den Kläger damit von der rechtzeitigen Erhebung der Klage abgehalten hat. Denn die Verhandlungen haben jedenfalls erst zu einem Zeitpunkt stattgefunden, in dem Verjährung schon eingetreten war.

    Aus dem gleichen Grund kommt es auch auf die im Frühjahr 2010 nach Eintritt der Verjährung erfolgte Einigung der Parteien auf eine sachverständige Klärung der Mängel nicht an. Ein Verzicht auf die Verjährungseinrede war damit jedenfalls nicht verbunden. Aus den Gründen der angegriffenen Entscheidung fehlt es auch an Anhaltspunkten dafür, dass die Parteien im Zuge der Einschaltung des Sachverständigen eine neue vertragliche Vereinbarung im Sinne eines Schiedsgutachtens getroffen hätten, die der Beklagten jedenfalls für die Folgezeit die Einrede der Verjährung abgeschnitten haben könnte. Die Parteien mögen, wie ihr E-Mailverkehr vom März 2010 ausweist, im Zuge der beabsichtigten Beauftragung eines Sachverständigen auch den Begriff „Schiedsgutachten“ gewählt haben. Dass ein Schiedsgutachtervertrag zustande gekommen ist, hat jedoch der Kläger auch in zweiter Instanz nicht ansatzweise vortragen können.

    Die Sache hat keine grundsätzliche Bedeutung und weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordern eine Entscheidung des Berufungsgerichts. Eine mündliche Verhandlung ist auch unter Berücksichtigung von Umfang und Schwierigkeitsgrad der Sache sowie ihrer Bedeutung für die Parteien nicht geboten.

    Der Kläger erhält Gelegenheit Stellungnahme zu diesen Hinweisen binnen 2 Wochen.

    RechtsgebieteBGB, VOB BVorschriften§ 104 BGB, § 126 BGB, § 127 BGB, § 185 BGB, § 242 BGB, § 13 Abs 5 Nr 1 S 2 VOB B, § 14 VOB B