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  • 04.09.2012 · IWW-Abrufnummer 122674

    Vergabekammer Brandenburg: Beschluss vom 17.01.2012 – VK 55/11

    Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


    VK Brandenburg

    Beschluss

    17.01.2012

    VK 55/11

    Gründe

    I.

    Mit Beschluss vom 17. August 2010 hatte die Vergabekammer das am ... 2010 (erneut) eingeleitete Verhandlungsverfahren zur Vergabe der Leistungen zur Bergung, Abholung, Aufnahme und Verwahrung von Fund- und Verwahrtieren aus dem Stadtgebiet der ... ..., verbunden mit einem sozialpädagogischen/sozialtherapeutischen Konzept für Menschen mit entsprechendem sozialen Betreuungsbedarf in den Stand vor Versendung der Verdingungsunterlagen zurückversetzt. Der Auftraggeberin war aufgegeben worden, bei fortbestehendem Beschaffungsbedarf die Vergabereife herzustellen, sodass den potenziellen Bietern entsprechend überarbeitete Vergabeunterlagen übermittelt werden.

    Mit Einzelanschreiben vom ... 2010 forderte die Auftraggeberin neben der ... und anderen die ... mbH (nachfolgend: ... mbH) (Anlage 2 des Nachprüfungsantrages) zur erneuten Angebotsabgabe auf. Es wurde darauf hingewiesen, dass der o. a. Beschluss der Vergabekammer das Verhandlungsverfahren nicht aufgehoben habe.

    Zu den beigefügten neuen Vergabeunterlagen gehörten u.a. die formularmäßig abgefasste Aufforderung zur Abgabe eines Angebots vom ... 2011 und das Formular "Angebot". In der Angebotsaufforderung vermerkte die Auftraggeberin:

    "Falls Sie bereit sind, die Leistung zu übernehmen, wird gebeten, beiliegenden Angebotsvordruck nebst Anlagen auszufüllen, rechtsverbindlich zu unterschreiben und in einem verschlossenen Umschlag, der sich nicht ohne Beschädigung des Verschlusses öffnen lässt, an die umseitig bezeichnete Stelle zu übersenden; das vollständige Angebot muss dort bis zum Ende der Angebotsfrist eingegangen sein." (Unterstreichungen nicht im Original)

    Das Formular "Angebot" lautet in Bezug auf die Unterschriftsleistung im Anschluss an Ziffer 13 wie folgt:

    "
    _________________________________
    Unterschrift(en) -*) / ggf. zusätzlich Firmenstempel

    __________________________________________________________________
    *) Wird das Angebotsschreiben nicht unterschrieben, gilt das Angebot als nicht abgegeben."

    Die Mitglieder der Bietergemeinschaft stellten ihrem an die Auftraggeberin übersandten Angebot ein von ihnen unterzeichnetes Begleitschreiben voran, mit dem sie auf den Zusammenschluss zu einer "Bietergemeinschaft" hingewiesen haben.

    Das Formular "Angebot" ist nicht unterzeichnet. Dennoch hat die Auftraggeberin über das Angebot der Bietergemeinschaft verhandelt. Ein weiteres fristgerecht eingereichtes Angebot wurde aus formalen Gründen ausgeschlossen.

    Mit Schreiben vom 28. September 2011 teilte die Auftraggeberin der Antragstellerin mit, dass "dieses einzige zum Submissionstermin vorliegende Angebot" zwar geprüft und verhandelt, dem entsprechenden Vergabevorschlag des Fachamtes in der ... Sitzung der ...versammlung (...) jedoch mehrheitlich nicht gefolgt worden sei. Ein Auftrag, das vorliegende Angebot nachzuverhandeln, sei ebenfalls nicht erteilt worden. Da das Verhandlungsverfahren kein wirtschaftliches Ergebnis aufgrund der Finanzierungskosten erbracht habe, werde es mit sofortiger Wirkung aufgehoben.

    Die Auftraggeberin hat die Aufhebung am ... 2011 im Supplement zum Amtsblatt der Europäischen Union bekannt gemacht.

    Mit Schreiben vom 14. Oktober 2011 rügte die ... mbH auf eigenem Briefkopf die Einstellung bzw. Aufhebung des Verhandlungsverfahrens. Im Absenderfeld des Schreibens sowie unterhalb der Unterschrift des Geschäftsführers der ... mbH ist die Bietergemeinschaft vermerkt.

    Ihr finales Angebot vom ... 2011 sei weder als zu teuer im Rahmen des Finanzplanes der Auftraggeberin bezeichnet worden, noch habe die Auftraggeberin Hinweise der Antragstellerin zu Möglichkeiten der Kostenreduzierung weiter verfolgt. Der behauptete Aufhebungsgrund liege nicht vor und sei nicht schlüssig dargelegt. Da sich die Angebotssumme des finalen Angebots im Rahmen des Finanzplans bewege, erscheine das Angebot sehr wohl als annehmbar. Gemessen an dem Finanzplan liege also ein wirtschaftliches Ergebnis vor. Allein der Umstand, dass sich eventuell die Mehrheitsverhältnisse hinsichtlich der Zustimmung zu dem ...projekt in der ...versammlung geändert haben, rechtfertige keine Verfahrensaufhebung gemäß § 26 VOL/A.

    Die Auftraggeberin wies die Rüge mit an die ... mbH gerichtetem Schreiben vom ... 2011 zurück. Sie verwies auf den kurzfristig anberaumten Gesprächstermin am ... 2011, in welchem der ... mbH mitgeteilt worden sei, dass neben dem wirtschaftlichen Aspekt das konkret ausgeschriebene Projekt "bei der politischen Entscheidungsfindung keine Zustimmung erhalten habe". Der politische Wille, für die Auftraggeberin einen Tierheimbetrieb zu erhalten, bestehe weiter fort, indes ohne die Kopplung mit einem sozialpädagogischen/sozialtherapeutischen Angebot, sodass ein neuer sachlicher Grund vorliege. Die ... hätten dabei zwischen dem Bau und Betrieb eines Tierheims für Abgabetiere und der späteren Ausschreibung der Pflichtaufgabe zur Unterbringung der Fund- und Verwahrtiere unterschieden. Für beide Themen werde es entsprechende Ausschreibungen geben.

    Mit Schriftsatz vom ... 2011 hat die Antragstellerin einen Nachprüfungsantrag bei der Vergabekammer des Landes Brandenburg gestellt.

    Das Angebot der Antragstellerin sei das preislich günstigste gewesen. Wolle ein Auftraggeber ein Vergabeverfahren aufheben, weil selbst das niedrigste Angebot angeblich unangemessen hoch sei, treffe ihn insoweit die Darlegungs- und Beweislast. Weitere Gründe für die Aufhebung des Vergabeverfahrens würden bestritten. Insbesondere hätten sich die Grundlagen für das Vergabeverfahren nicht allein deshalb geändert, weil die ... ohne erkennbaren sachlichen Grund ihre Zustimmung zu der Beschlussvorlage verweigerten. Die Antragstellerin bestreite ausdrücklich, dass die Auftraggeberin ihre Beschaffungsabsicht endgültig aufgegeben habe. Für eine derartige Absicht spreche nicht schon der Inhalt des Schreibens vom ... 2011.

    Die Antragstellerin beantragt,

    1. die Aufhebungsentscheidung der Auftraggeberin in dem oben genannten Vergabeverfahren "Bergung, Abholung, Aufnahme und Verwahrung von Fund- und Verwahrtieren der ... ... ...-X-XXX-XX/XX" aufzuheben,

    2. die Auftraggeberin zu verpflichten, das Vergabeverfahren unter Beachtung der Rechtsauffassung der Vergabekammer mit Zuschlag zu beenden,

    3. für den Fall der Zurückweisung der Anträge zu 1) und 2) hilfsweise festzustellen, dass die Aufhebung des Vergabeverfahrens rechtswidrig war und die Rechte der Antragstellerin verletzt hat,

    4. der Auftraggeberin die Kosten des Nachprüfungsverfahrens einschließlich der Kosten der zweckentsprechenden Rechtsverfolgung der Antragstellerin aufzuerlegen,

    5. die Hinzuziehung der Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin gemäß § 128 Abs. 4 GWB für notwendig zu erklären.

    Die Auftraggeberin beantragt,

    1. den Nachprüfungsantrag zurückzuweisen,

    2. der Antragstellerin die Einsicht in die Vergabeakten zu untersagen,

    3. die Hinzuziehung der Verfahrensbevollmächtigten der Auftraggeberin für notwendig zu erklären,

    4. der Antragstellerin die Kosten des Verfahrens, einschließlich der zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Aufwendungen der Auftraggeberin, aufzuerlegen.

    Die Auftraggeberin hat in ihrer Stellungnahme vom ... 2011 insbesondere auf den Beschluss der ... der Auftraggeberin in der ... öffentlichen Sitzung vom ... 2011 verwiesen. Hiernach seien die bisherigen Beschlüsse zum Tierheimneubau aufzuheben. Die Standortfrage für eine Betreuungseinrichtung für Tiere sei zu klären; die Auftraggeberin werde zukünftig zwischen Bau und Betrieb eines Tierheims für beispielsweise Abgabetiere und der Pflichtaufgabe, den Leistungen zur Unterbringung der Fund- und Verwahrtiere, differenzieren. Es werde getrennte Ausschreibungen geben. Die Kopplung an ein Sozialprojekt werde nicht weiter verfolgt.

    Der Nachprüfungsantrag sei mangels rechtzeitiger Rüge unzulässig. Die Aufhebung der Ausschreibung sei erst 14 Tage nach Absendung der mit Schreiben vom ... 2011 erfolgten Mitteilung beanstandet worden. Bei Annahme eines gewöhnlichen Postlaufes sei die Rüge somit erst 13 Tage nach Zugang des vorgenannten Schreibens erfolgt. Nach ständiger Rechtsprechung der Vergabekammern und Vergabesenate gelte eine solche Rüge als verspätet. Das gleiche gelte, den Vortrag der Antragstellerin über den Zugang des Mitteilungsschreibens erst am ... 2011 als richtig unterstellt, für einen Zeitraum von acht Tagen zwischen Zugang der Aufhebungsmitteilung und Rügeerhebung.

    Der Nachprüfungsantrag sei jedenfalls unbegründet, denn die Aufhebung des Vergabeverfahrens sei sachlich begründet. Eine Scheinaufhebung liege nicht vor. Die Auftraggeberin habe endgültig Abstand von der Beschaffung des Auftrags genommen.

    Die Vergabekammer hat der Antragstellerin am ... 2011 einen rechtlichen Hinweis betreffend die Antragsbefugnis einzelner Mitglieder einer Bietergemeinschaft erteilt und darauf hingewiesen, dass die Vergabeakten keine Ermächtigung zu Gunsten der ... mbH enthalten, die Bietergemeinschaft zu vertreten, sodass es bereits an einer ordnungsgemäß von der Bietergemeinschaft erhobenen Rüge fehlen könnte.

    Mit Schriftsatz vom ... 2011 hat die Antragstellerin im Einzelnen ausgeführt, mit dem Rügeschreiben vom ... 2011 sei ausreichend deutlich geworden, dass die Rüge im Namen der Bietergemeinschaft erhoben worden sei. Die ... mbH sei auch berechtigt gewesen, im Namen der Bietergemeinschaft zu handeln. Die Bietergemeinschaft sei eine GbR, in der die ... mbH aufgrund des mit der ... mündlich geschlossenen Gesellschaftsvertrages Alleingeschäftsführungsbefugnis und Alleinvertretungsberechtigung besitze. Gemäß § 714 BGB sei die ... mbH schon organschaftlich berechtigt, die Bietergemeinschaft allein nach außen wirksam zu vertreten und Verträge abzuschließen. Darüber hinaus sei die ... mbH von der ... nochmals ausdrücklich gemäß § 167 BGB bevollmächtigt, die Rüge zu erheben und das Nachprüfungsverfahren einzuleiten. Eines besonderen Nachweises der Vollmacht habe es für die Wirksamkeit der Rüge nicht bedurft.

    Mit weiterem Schreiben vom ... 2012 hat die Vergabekammer die Antragstellerin darauf hingewiesen, dass die Antragsbefugnis/ das Rechtsschutzinteresse im Hinblick auf die fehlende Unterzeichnung ihres Angebotes fraglich sei.

    Hierzu meint die Antragstellerin mit Schreiben vom ... 2012, ihr Angebot vom ... 2010 sei ordnungsgemäß unterschrieben. Dem Angebotsformular sei unmittelbar ein individuell formuliertes Anschreiben vorgeheftet gewesen, das von der Bietergemeinschaft unterschrieben worden und in dem unmissverständlich klargestellt worden sei, dass das nachgeheftete - jetzt beanstandete - Angebots-formular inhaltlich vom Willen der Bietergemeinschaft gedeckt gewesen sei. Auch die weiter nachfolgenden schriftlichen Kalkulationen seien mehrfach von der Bietergemeinschaft unterschrieben worden. Damit könne kein Zweifel bestehen, dass das Angebot insgesamt, d. h. in allen Einzelteilen, von den Unterschriften und dem Willen der Bietergemeinschaft gedeckt gewesen sei. Dem Umstand, dass an einer Stelle des Formulars eine Unterschrift versehentlich fehle, komme unter diesen besonderen Umständen keine Bedeutung zu und führe insbesondere nicht dazu, dass das Angebot als nicht abgegeben gelte.

    Die Rüge der Antragstellerin sei nicht verspätet. Die in der Bietergemeinschaft alleingeschäftsführungsbefugte ... mbH habe den Vorgang erst am ... 2011 telefonisch mit dem Unterzeichner des Schreibens vom ... 2012 besprechen können, nachdem ihm unmittelbar zuvor per Telefax und E-Mail einige maßgebliche Schriftstücke aus dem Vergabeverfahren zur Verfügung gestellt worden seien. Bis zu diesem Zeitpunkt habe die Bietergemeinschaft zwar das "Gefühl, von der Antragsgegnerin nicht korrekt behandelt worden zu sein", gehabt, die Kenntnis eines Vergabefehlers habe bei ihr jedoch nicht vorgelegen. Auch habe der Sachverhalt keinen offensichtlichen Fehler erkennen lassen, der ohne vertiefte juristische Kenntnis sofort ins Auge gesprungen sei. Gerade die umstrittene Frage der "Wirtschaftlichkeit" des Angebots lasse sich ohne Kenntnis der Interna der Auftraggeberin nicht abschließend beurteilen.

    Durch Verfügung des Vorsitzenden der Kammer vom ... 2011 wurde die Entscheidungsfrist nach § 113 Abs. 1 GWB bis zum ... 2012 verlängert.

    Auf die Vergabeakten sowie die eingereichten Schriftsätze der Beteiligten wird ergänzend Bezug genommen.

    II.

    Der Nachprüfungsantrag ist unzulässig, jedenfalls aber offensichtlich unbegründet. Dieser Umstand rechtfertigt es, ohne mündliche Verhandlung zu entscheiden, § 112 Abs. 1 Satz 3 GWB.

    Die Zuständigkeit der angerufenen Vergabekammer ist nach § 104 Abs. 1 GWB i.V.m. § 2 Nr. 2 VgV eröffnet, da sich der Nachprüfungsantrag auf den Auftrag eines öffentlichen Auftraggebers, der dem Land Brandenburg zuzurechnen ist, oberhalb des einschlägigen Schwellenwertes bezieht.

    Die Antragstellerin ist antragsbefugt gemäß § 107 Abs. 2 GWB. Sie hat ihr Interesse am Auftrag durch Verhandlungen mit der Auftraggeberin bekundet und trägt die Möglichkeit einer Rechtsverletzung vor, indem die Auftraggeberin die Ausschreibung vergaberechtswidrig aufgehoben habe. Darüber hinaus ist gemäß § 107 Abs. 2 Satz 2 GWB erforderlich, dass mit dem Nachprüfungsantrag schlüssig dargelegt wird, dass dem Unternehmen durch die behauptete Verletzung der Vergabevorschriften ein Schaden entstanden ist oder zu entstehen droht. Für die Zulässigkeit des Nachprüfungsantrags ist daher erforderlich, aber auch ausreichend, dass der den Nachprüfungsantrag stellende Bieter schlüssig behauptet, dass und welche vergaberechtlichen Vorschriften im Verlauf des Vergabeverfahrens verletzt worden sein sollen und dass er ohne die Rechtsverletzung eine Chance auf Erteilung des Zuschlags hätte, sodass der behauptete eingetretene oder drohende Schaden auf die Verletzung der vergaberechtlichen Vorschriften zurückzuführen ist (BGH, Beschluss vom 18. Mai 2004 - X ZB 7/04; OLG Brandenburg, Beschluss vom 6. Oktober 2005 - Verg W 7/05). Diese Voraussetzungen liegen hier vor. Denn die Antragstellerin macht geltend, dass sie bei Fortsetzung des Verfahrens gute Aussichten auf den Zuschlag gehabt hätte. Im Übrigen habe sie Kosten i.H.v. ca. XX.XXX,XX EUR für die Angebotsabgabe aufwenden müssen, die sich im Fall der rechtswidrigen Aufhebung des Verfahrens als von Anfang an nutzlos darstellen würden.

    Die Antragstellerin hat jedoch ihre Rüge nicht unverzüglich im Sinne von § 107 Abs. 3 GWB erhoben.

    Die Antragstellerin hat mit Vorabinformationsschreiben der Auftraggeberin vom 28. September 2011 Kenntnis von dem von ihr als Vergabeverstoß eingestuften Grund für die Nichtberücksichtigung ihres Angebots erhalten. Die von der Rechtsprechung unter Heranziehung des § 121 BGB im Einzelfall eingeräumte Frist von zwei Wochen ist eine Höchstfrist. Unverzüglich im Sinne des § 107 Abs. 3 Nr. 1 GWB ist die Rüge nur dann erhoben, wenn ohne schuldhaftes Zögern gerügt worden ist. Bei überschaubaren und einfach zu bewertenden Sachverhalten kann danach im Einzelfall auch eine Rügefrist von 1 bis 3 Tagen in Betracht kommen (OLG Brandenburg, Beschluss vom 17. Februar 2005 - Verg W 11/04); in der Regel sind mindestens 3 - 5 Tage als Rügefrist einzuräumen (OLG Brandenburg, Beschluss vom 20. März 2007 - Verg W 12/06). Bei der hier vorliegenden überschaubaren und einfach zu bewertenden Sachlage hätte die Antragstellerin bis spätestens Dienstag, den 11. Oktober 2011 rügen müssen. Das hat sie nicht getan.

    Für die Inanspruchnahme anwaltlicher Beratung aufgrund des Informationsschreibens der Auftraggeberin bestand hier - entgegen der Auffassung der Antragstellerin - keine Veranlassung. Das Informationsschreiben vom 28. September 2011 ließ klar erkennen, warum die Aufhebung des Ausschreibungsverfahrens erfolgt ist. Es war darin angegeben, dass das Verhandlungsverfahren kein wirtschaftliches Ergebnis aufgrund der Höhe der Finanzierungskosten erbracht hat. Da sich das Rügeschreiben der Antragstellerin in zwei Sätzen auf die Mitteilung beschränkt, die Angebotssumme ihres finalen Angebots bewege sich im Rahmen des Finanzierungsplanes der ... ... und stelle daran gemessen ein wirtschaftliches Ergebnis dar, konzentriert sich die Beanstandung der Antragstellerin auf angebotsbezogene Fragen und Fakten. Die dafür erforderlichen Sachkenntnisse liegen im originären Verantwortungsbereich der Antragstellerin, denn Kalkulation und Erstellung des Angebots sind Sache des Bieters. Spezielle Rechtskenntnisse hierfür waren nicht erforderlich, sodass es für die Antragstellerin keine Gründe gab, sich vor der Erhebung der Rüge anwaltlicher Hilfe zu bedienen.

    Der Nachprüfungsantrag ist auch offensichtlich unbegründet.

    Der Antragstellerin ist anzulasten, ihr Angebot nicht wie gefordert unterschrieben zu haben. Nach § 21 Nr. 1 Abs. 2 VOL/A (2006) müssen Angebote unterschrieben sein. Das ist hier offensichtlich nicht der Fall.

    Die Auftraggeberin hatte eindeutig gefordert, das Angebot auf dem vorgedruckten Angebotsschreiben zu unterschreiben. In der Aufforderung zur Abgabe eines Angebots vom ... 2011 heißt es, der Bewerber werde gebeten, "beiliegenden Angebotsvordruck nebst Anlagen auszufüllen, rechtsverbindlich zu unterschreiben".... Der Angebotsvordruck wies eine Unterschriftenleiste auf, unter der hinter dem Wort Unterschrift(en) durch Asterisk-Zeichen *) darauf hingewiesen wurde, dass das Angebot als nicht abgegeben gilt, wenn das Angebotsschreiben nicht unterzeichnet wird.

    Das Angebot der Antragstellerin ist mit einem zwingenden Ausschlussgrund behaftet, weil es nicht unterschrieben ist, § 25 Nr. 1 Abs. 1 lit. b) VOL/A (2006). Aufgrund der vergaberechtlichen Kaskade, die in § 4 Abs. 1 VgV die Anwendung der VOL/A für die Auftraggeberin verbindlich macht, handelt es sich um ein gesetzliches Schriftformerfordernis. Wird hiergegen verstoßen, so ist das Angebot bereits gemäß § 125 BGB nichtig (VK Bund, Beschluss vom 27. April 2006, VK 3-21/06; Kulartz/Marx/Portz/Prieß - VOL/A, Dittmann, § 19 EG Rn. 115).

    Da die Antragstellerin kein Angebot abgegeben hat, ist sie als Nicht-Teilnehmerin am Vergabeverfahren zu qualifizieren. Ein Unternehmen, das ein nicht unterschriebenes "Angebot" abgegeben hat, ist gemäß § 125 BGB so zu behandeln, wie ein Unternehmen, das sich von vornherein nicht am Vergabeverfahren beteiligt hat, also kein "Teilnehmer" ist. Dem Ausschlusstatbestand des § 25 Nr. 1 Abs. 1 lit. b) VOL/A (2006) kommt vor diesem Hintergrund rein deklaratorische Bedeutung zu (VK Bund a.a.O.).

    III.

    Die Kostenentscheidung folgt aus § 128 Abs. 3 Satz 1 GWB. Danach hat ein Beteiligter die Kosten zu tragen, soweit er im Verfahren unterliegt.

    Die Höhe der Gebühr bestimmt sich nach dem wirtschaftlichen und personellen Aufwand der Vergabekammer unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen Bedeutung des Gegenstandes des Nachprüfungsverfahrens. Für die wirtschaftliche Bedeutung ist regelmäßig die Summe (brutto) im Angebot des Bieters der maßgebliche Gesichtspunkt.

    Maßgeblich ist die Bruttoauftragssumme des sog. "finalen" Angebots der Antragstellerin, denn es ist ihr Rechtsschutzziel in dem streitgegenständlichen Vergabenachprüfungsverfahren, ihr "Angebot" aus dem aufgehobenen Verfahren weiterhin, d.h. in einem fortzuführenden Verhandlungsverfahren anbringen zu können. Die Bruttoauftragssumme des sog. "finalen Angebots" der Antragstellerin liegt ausweislich der Beschlussvorlage der Auftraggeberin an die ...versammlung vom ... 2011 (... ...) bei rund XXX.XXX,XX EUR pro Jahr. Der als Anlage beigefügte Entwurf eines Dienstleistungsvertrages sieht in § 9 eine Vertragslaufzeit von XX Jahren und eine Verlängerungsoption von X Jahren vor.

    Entsprechend der Gebührentabelle der Vergabekammern des Bundes vom Dezember 2009, die zur Gewährleistung einer einheitlichen Handhabung und zur Sicherstellung von Transparenz anzuwenden ist und bei Abwägung des Aufwandes einerseits und der wirtschaftlichen Bedeutung des dem Vergabeverfahren zugrunde liegenden Auftrages andererseits hält die Vergabekammer die Festsetzung einer Gebühr von X.XXX,XX EUR für angemessen. Die Gebühr wird mit dem eingezahlten Kostenvorschuss in Höhe von X.XXX,XX EUR verrechnet.

    Die Restgebühr in Höhe von XXXX.XX EUR wird mit Bestandskraft des Beschlusses fällig und ist binnen eines Monats nach Zustellung unter Angabe des Aktenzeichens (VK 55/11) und des Verwendungszwecks (...) auf das Konto des ...
    bei der ..., ... ..., ... ..., zu überweisen.

    Die Hinzuziehung eines Verfahrensbevollmächtigten durch die Auftraggeberin war aufgrund der über den materiellen Kernbereich des Auftragsvergabeverfahrens hinausgehenden besonderen verfahrensrechtlichen Problematik notwendig, § 128 Abs. 4 Satz 4 GWB i.V.m. § 80 Abs. 2, 3 Satz 2 VwVfG.

    IV.

    Gegen die Entscheidung der Vergabekammer ist die sofortige Beschwerde zulässig. Sie ist schriftlich innerhalb einer Frist von zwei Wochen, die mit der Zustellung der Entscheidung beginnt, beim Brandenburgischen Oberlandesgericht, Gertrud-Piter-Platz 11, 14770 Brandenburg, einzulegen.

    Die sofortige Beschwerde ist zugleich mit ihrer Einlegung zu begründen. Die Beschwerdebegründung muss die Erklärung enthalten, inwieweit die Entscheidung der Vergabekammer angefochten und eine abweichende Entscheidung beantragt wird, und die Tatsachen und Beweismittel angeben, auf die sich die Beschwerde stützt.

    Die Beschwerdeschrift muss durch einen Rechtsanwalt unterschrieben sein. Dies gilt nicht für Beschwerden von juristischen Personen des öffentlichen Rechts (§ 117 Abs. 3 GWB).

    Mit der Einlegung der Beschwerde sind die anderen Beteiligten des Verfahrens vor der Vergabekammer vom Beschwerdeführer durch Übermittlung einer Ausfertigung der Beschwerdeschrift zu unterrichten (§ 117 Abs. 4 GWB).

    Die sofortige Beschwerde hat aufschiebende Wirkung gegenüber der Entscheidung der Vergabekammer. Die aufschiebende Wirkung entfällt zwei Wochen nach Ablauf der Beschwerdefrist. Hat die Vergabekammer den Antrag auf Nachprüfung abgelehnt, so kann das Beschwerdegericht auf Antrag des Beschwerdeführers die aufschiebende Wirkung bis zur Entscheidung über die Beschwerde verlängern (§ 118 Abs. 1 GWB).

    Gemäß § 6 Abs. 1 der Geschäftsordnung der Vergabekammern des Landes Brandenburg vom 26. Mai 2009, Amtsblatt für Brandenburg S. 1225, ist die Unterzeichnung des Beschlusses durch den ehrenamtlichen Beisitzer nicht erforderlich.

    RechtsgebietGWBVorschriftenGWB § 107 Abs. 3 Nr. 1