· Fachbeitrag · Arbeitsschutz
Die neue Arbeitsstättenverordnung: Das müssen Sie als Planer und Arbeitgeber wissen
von Ing. Robert Rey, Ingenieurbüro für Arbeitssicherheit, Hamburg
| Am 03.12.2016 ist die „Neue Arbeitsstättenverordnung“ in Kraft getreten. Architekten und Ingenieure müssen das Thema nicht nur in ihrer Eigenschaft als Planer sondern auch als Arbeitgeber beherrschen und in die Praxis umsetzen. Der Beitrag bringt Sie auf den Stand der Dinge. |
Der rechtliche Rahmen
An den Gesundheitsschutz werden europaweit hohe Anforderungen gestellt. Rechtsgrundlage ist die europäische Rahmenrichtlinie 89/391/EWG, die national durch das Gesetz zur Durchführung von Maßnahmen des Arbeitsschutzes zur Verbesserung der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes der Beschäftigten bei der Arbeit (Arbeitsschutzgesetz [ArbSchG]) umgesetzt wurde.
Kernstück des ArbSchG ist die Gefährdungsbeurteilung (GB). Jeder Arbeitgeber muss die Gefährdungen, Einwirkungen sowie Belastungen (auch psychische) bewerten, die auf Beschäftigte am Arbeitsplatz einwirken können. Um die GB fachlich zu konkretisieren, wurden Verordnungen und technische Regeln erlassen. Eine davon ist die Verordnung über Arbeitsstätten (ArbStättV), deren Neufassung am 03.12.2016 in Kraft getreten ist (Abruf-Nr. 191141).
Die ArbStättV dient der Sicherheit und dem Schutz der Gesundheit der Beschäftigten beim Einrichten und Betreiben von Arbeitsstätten. Sie betrifft Sie in zweifacher Hinsicht:
- 1. beim Einrichten und Betreiben Ihres eigenen Büros und
- 2. wenn Sie gewerbliche Bauprojekte planen.
ArbStättV im eigenen Planungsbüro berücksichtigen
Als Arbeitgeber müssen Sie feststellen, ob Ihre Mitarbeiter in Ihrem Büro Gefährdungen ausgesetzt sind oder ausgesetzt sein können. Ist dies der Fall, müssen Sie alle möglichen Gefährdungen der Sicherheit und der Gesundheit beurteilen und dabei die Auswirkungen auf die Arbeitsorganisation und die Arbeitsabläufe berücksichtigen. Im Rahmen der GB müssen Sie die physischen und psychischen Belastungen, sowie bei Bildschirmarbeitsplätzen insbesondere die Belastungen der Augen oder die Gefährdung des Sehvermögens der Beschäftigten aufnehmen.
Wichtig | Je nachdem, wie das Ergebnis ausfällt, müssen Sie Maßnahmen zum Schutz der Beschäftigten gemäß ArbStättV bzw. der Technischen Regeln für Arbeitsstätten nach dem Stand der Technik, Arbeitsmedizin und Hygiene festlegen. Sie müssen sicherstellen, dass die GB fachkundig durchgeführt wird. Als Arbeitgeber können Sie die sicherheitstechnische Betreuung selbst wahrnehmen (Unternehmermodell). Das setzt voraus, dass Sie nicht mehr als 50 Mitarbeiter beschäftigen und sich entsprechend regelmäßig fortbilden. Ist Ihnen das zu aufwendig, müssen Sie sich beraten lassen. Es gibt Dienstleister, die die fachliche Arbeitsschutzberatung anbieten.
ArbStättV bei den Planungsleistungen einhalten
Normadressat des ArbSchG und der ArbStättV ist zwar der Arbeitgeber. Nichtdestotrotz sind Sie als Planer gut beraten, Vorgaben des Arbeitsschutzes bei Ihrer Planung zu berücksichtigen und Auftraggeber entsprechend zu beraten. Leider ist es so, dass die Forderungen des Arbeitsstättenrechts mit den Forderungen der Bauordnungen der Länder nicht immer übereinstimmen; z. B. bezüglich der lichten Raumhöhe oder der Höhe der Fensterbrüstung. Wenn Sie hier unsicher sind, ist es sinnvoll, ein auf den Arbeitsschutz spezialisiertes lngenieurbüro zu Rate zu ziehen.
Das hat sich in der ArbStättV geändert
Wie schon erwähnt, ist die ArbStättV mit Wirkung vom 03.12.2016 geändert worden. Nachfolgend sind die wichtigsten Änderungen aufgelistet:
- Die Begriffe zu Arbeitsplatz, -raum, -stätte etc. sind überarbeitet worden. Die Bildschirmarbeitsverordnung ist in die ArbStättV integriert worden.
- Um dem Wandel der Arbeitswelt Rechnung zu tragen, sind Regelungen für Telearbeitsplätze geschaffen worden. Als Telearbeitsplätze gelten eingerichtete Bildschirmarbeitsplätze im Privatbereich der Beschäftigten.
- Der Arbeitgeber muss Mitarbeiter regelmäßig in punkto Brandschutz, Erste-Hilfe, Fluchtwege und Notausgänge unterweisen.
- Der Arbeitgeber muss prüfen, ob störende Geräusche, eine mangelhafte Beleuchtung oder ergonomische Mängel am Arbeitsplatz die Psyche des Mitarbeiters belasten. Die Forderung psychische Gefährdungsbeurteilungen durchzuführen, besteht schon länger. Der Gesetzgeber hat ihre Wichtigkeit erneut betont.
- Arbeitsräume müssen möglichst ausreichend mit Tageslicht ausgestattet sein. Bei dauerhaften Arbeitsplätzen und großen Sozialräumen soll eine Sichtverbindung nach außen gewährleistet sein. An Sanitärräume wird diese Anforderung nicht gestellt. Von einer Sichtverbindung kann auch abgesehen werden, wenn bauliche oder betriebliche Belange die Sichtverbindung nicht zulassen, z. B. bei Flughäfen, Stadien oder Einkaufszentren.
Technische Regeln für Arbeitsstätten
Technische Regeln geben den Stand der Technik, Arbeitsmedizin und Arbeitshygiene für das Einrichten und Betreiben von Arbeitsstätten wieder. Hält der Arbeitgeber die technischen Regeln ein, kann er davon ausgehen, dass er die Anforderungen der Verordnung erfüllt. Wählt er eine andere Lösung, muss er damit mindestens den gleichen Gesundheitsschutz für die Beschäftigten erreichen. Dies ist in der Gefährdungsbeurteilung zu dokumentieren.
Wichtig | Es ist damit zu rechnen, dass die neue ArbStättV dazu führt, dass auch die technischen Regeln für Arbeitsstätten in Kürze überarbeitet werden. Halten Sie sich also diesbezüglich auf dem Laufenden. In der folgenden Grafik sind technische Regeln aufgelistet, die eine große Schnittmenge mit den Handlungsfeldern der planenden Berufe haben.
FAZIT | Als Architekt und Ingenieur müssen Sie bei der Konzeptionierung des Gebäudes neben dem Bauordnungsrecht auch die Belange des Arbeitsschutzes berücksichtigen. Verstöße des Arbeitgebers gegen Arbeitsschutzvorschriften sind bußgeldbewehrt. Der Arbeitgeber kann aber ggf. den Planer wegen Schlechtberatung in Regress nehmen. Ist Ihnen die Einarbeitung in diese schwierige Materie zu aufwendig, ziehen Sie externen Sachverstand zu Rate. |
Weiterführender Hinweis
- Beitrag „Haftungsfalle Burn-out vermeiden: Führen Sie eine psychische Gefährdungsbeurteilung durch“, PBP 10/2015, Seite 19 → Abruf-Nr. 43608308