27.10.2010 | Betriebsveräußerung
Veräußerungsfreibetrag vorrangig mit nicht tarifbegünstigten Gewinnen verrechnen
von RA, StB Dipl.-Finanzw. Holger J. Brinkmann, Düsseldorf
Erzielt ein Steuerpflichtiger einen Veräußerungsgewinn nach § 16 Abs. 1 EStG, der sowohl dem Teileinkünfteverfahren (§ 3 Nr. 40 S. 1 Buchst. b EStG, § 3c Abs. 2 EStG unterliegende Gewinnanteile, als auch nicht begünstigte Gewinnanteile enthält, wird nach einer jüngeren Entscheidung des BFH der Freibetrag gemäß § 16 Abs. 4 EStG vorrangig mit dem Anteil am Veräußerungsgewinn verrechnet, auf den das Teileinkünfteverfahren anzuwenden ist. Dies widerspricht der Auffassung der Finanzverwaltung.
1. Systematik und Problem
Der Veräußerungsgewinn ist grundsätzlich nach begünstigt (§ 16 Abs. 4 EStG, § 34 Abs. 1, 3 EStG. Der Steuerpflichtige hat ein Wahlrecht zwischen der Besteuerung nach § 34 Abs. 1 EStG (rechnerische Verteilung auf fünf Jahre) für den Betrag der über 45.000 EUR liegt, oder der Besteuerung nach § 34 Abs. 3 EStG (ermäßigter Steuersatz, d.h. nur 56 % des durchschnittlichen Steuersatzes). Die Fünftelregelung gemäß § 34 Abs. 1 EStG kann wiederholt im Leben beantragt werden. Der ermäßigte Steuersatz kann jedoch nur einmal, genau wie der Freibetrag nach § 16 Abs. 4 EStG im Leben beantragt werden. § 34 Abs. 1 und § 34 Abs. 3 EStG können nicht kumulativ, sondern nur alternativ gewährt werden.
Problematisch ist darüber hinaus die Verwendungsreihenfolge von unterschiedlichen Veräußerungsgewinnbestandteilen, da sie nicht unmittelbar dem Wortlaut von § 16 Abs. 4 EStG entnommen werden kann: Der Wortlaut ermöglicht es, sowohl den ungeteilten Freibetrag vorrangig einem bestimmten Gewinnanteil zuzuordnen, als auch den Freibetrag den jeweiligen Teilen des Veräußerungsgewinns zuzuordnen.
2. Lösung der Finanzverwaltung
Nach Ansicht der Finanzverwaltung (H 16 Abs. 13 EStH) ist der Freibetrag nach § 16 Abs. 4 EStG aufzuteilen. Als Aufteilungsmaßstab ist auf der einen Seite der jeweilige Anteil des nach § 34 Abs. 3 EStG zu versteuernden Gewinnanteils und auf der anderen Seite der nach dem Teileinkünfteverfahren zu versteuernde Gewinnanteil am Gesamtgewinn zu verwenden. Dadurch soll möglichst eine Doppelbegünstigung (Teileinkünfteverfahren einerseits und gleichzeitige Gewährung des Freibetrags andererseits) vermieden werden.
3. Neue Auffassung des BFH
Nach Auffassung des BFH (14.7.10, X R 61/08) ist der Freibetrag dagegen vorrangig von dem Teil des Veräußerungsgewinns abzuziehen, der dem Teileinkünfteverfahren unterliegt. Damit folgt der BFH dem Meistbegünstigungsprinzip. Danach kann der Freibetrag vorrangig mit nicht tarifbegünstigten Bestandteilen des Veräußerungsgewinns verrechnet werden. So wird die dem Steuerpflichtigen zustehende Tarifermäßigung für seine in vollem Umfang der Besteuerung unterliegenden Veräußerungsgewinn erhalten.
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