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  • 01.06.2005 | Bundesarbeitsgericht

    Widerrufsvorbehalte in Arbeitsverträgen

    von RA Rainer Polzin, Berlin
    Freiberufler, die sich bei der Vereinbarung eines Anstellungsverhältnisses mit einem Mitarbeiter dazu entscheiden, Formularverträge zu verwenden, sollten einseitige Widerrufsrechte zu ihren Gunsten auf deren Wirksamkeit überprüfen. Wie das BAG jetzt mit Urteil vom 12.1.05 (5 AZR 364/04,Abruf-Nr 050420) entschieden hat, sind Klauseln in Formulararbeitsverträgen, die dem Arbeitgeber das Recht zubilligen, Lohnbestandteile einseitig zu widerrufen, gemäß § 308 Nr. 4 BGB unwirksam, wenn in der Klausel keine Widerrufsgründe angegeben sind und der Widerruf unbeschränkt zulässig sein soll. Liegen zwischen den Parteien vor dem 1.1.02 abgeschlossene Formularverträge im Streit, sind diese im Wege einer ergänzenden Vertragsauslegung zu ermitteln. Diese sind daraufhin zu hinterfragen, welche Widerrufsgründe die Parteien zu Grunde gelegt hätten, wenn ihnen die Unwirksamkeit des Widerrufsvorbehaltes bekannt gewesen wäre. Ist dies feststellbar, muss der Widerrufsgrund tatsächlich vorgelegen haben und die Ausübung des Widerrufsrechts dem Arbeitnehmer zumutbar gewesen sein.

     

    Sachverhalt

    Der Arbeitnehmer war auf Grund eines Formulararbeitsvertrages seit 1998 bei dem Arbeitgeber tätig. Vertraglich wurde ihm neben dem tarifgemäßen Bruttoverdienst eine außertarifliche Zulage und ein arbeitstägliches Fahrgeld versprochen. Der Widerruf der Zulagen sollte unbeschränkt zulässig sein. Im April 2003 widerrief der Arbeitgeber die beiden Zulagen gegenüber allen Arbeitnehmern. Im Prozess legte er dar, dass der Widerruf notwendig war, um das wirtschaftliche Überleben zu sichern, welches insbesondere durch die Insolvenz der Muttergesellschaft bedroht sei. Der Arbeitnehmer bestritt dies und klagte auf Feststellung, dass der Widerruf unwirksam sei und hatte in den Vorinstanzen hiermit Erfolg. 

     

    Anmerkungen

    Das BAG hob das Berufungsurteil des LAG auf. Dieses hatte entschieden, dass der Widerruf schon deshalb unwirksam sei, weil keine Widerrufsgründe im Formulararbeitsvertrag vereinbart wurden. Denn § 308 Nr. 4 BGB gelte nach Ablauf der einjährigen Übergangsfrist für vor dem 31.12.01 abgeschlossene Altverträge seit dem 1.1.03 auch im Arbeitsrecht. Der Arbeitnehmer muss aus der Klausel erkennen können, wann ein Widerruf zulässig ist. Ansonsten ist der Widerruf nicht zumutbar i.S. der Vorschrift.  

     

    Das BAG ist dieser Rechtsauffassung zwar grundsätzlich gefolgt. Es hat jedoch für „Altverträge“ entschieden, dass im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung zu ermitteln ist, ob der Arbeitgeber sich Widerrufsgründe vorbehalten hätte, wenn ihm die (spätere) Unwirksamkeit der Regelung bekannt gewesen wäre. Vorliegend kommt das BAG zum Ergebnis, dass die Vertragsparteien den Widerruf zumindest für den Fall einer wirtschaftlichen Notlage zugelassen hätten. Denn gerade die Unsicherheit der wirtschaftlichen Entwicklung eines Unternehmens gebiete es auch zum Schutz der Arbeitsplätze, übertarifliche Zulagen bei einer existenzgefährdenden Schieflage widerrufen zu können. Ob diese tatsächlich bei dem beklagten Arbeitgeber vorlag, hatte das LAG nicht geklärt. Das BAG verwies den Rechtsstreit daher zurück.