26.02.2009 | Bundesfinanzhof
Pflegegutachten grundsätzlich nicht umsatzsteuerfrei
von Georg Nieskoven, Troisdorf
Die Umsätze der Heil- und Heilhilfsberufler sind nur insofern gemäß § 4 Nr. 14 UStG umsatzsteuerfrei, als ihnen eine Leistung mit medizinisch-therapeutischem Ziel zugrunde liegt. Insofern waren gutachterliche Tätigkeiten bereits mehrfach Gegenstand finanzgerichtlicher Auseinandersetzungen. Der BFH hat hierzu nun jüngst geurteilt, die Einnahmen einer entsprechend zusatzqualifizierten Krankenschwester aus der Erstellung von Pflegebedürftigkeitsgutachten im Auftrag des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung seien weder nach § 4 Nr. 14 oder 15 UStG, noch nach Gemeinschaftsrecht umsatzsteuerfrei (BFH 8.10.08, V R 32/07, Abruf-Nr. 083845). |
Sachverhalt
Eine Krankenschwester, die eine Zusatzausbildung für medizinische Gutachtertätigkeit zur Feststellung der Pflegebedürftigkeit erfolgreich absolviert hatte, erstellte im Streitjahr 2003 Gutachten im Auftrag des Medizinischen Dienstes einer Krankenversicherung. Diese hatten die Einschätzung zu Art und Umfang der Pflegebedürftigkeit einzelner Versicherten zum Inhalt. Die Gutachten schlossen mit dem Resümee ab, ob eine Pflegebedürftigkeit - und bejahendenfalls welche Pflegestufe - vorliege. Das FA unterwarf die Vergütungen der Umsatzsteuer und schätzte die zugehörigen Vorsteuerbeträge. Nach erfolglosem Einspruch wies auch das FG die Klage mit der Begründung ab, die Gutachten dienten keinem therapeutischen Ziel. Diesem Ergebnis schloss sich der BFH in der Revision an.
Anmerkungen
In der Revisionsentscheidung prüfte der BFH die Einschlägigkeit aller in Betracht kommenden Steuerbefreiungsvorschriften und verneinte dabei im ersten Schritt die Anwendbarkeit von § 4 Nr. 14 UStG: Ausweislich der gefestigten EuGH- und BFH-Rechtsprechung (z.B. zu Gutachten bezüglich der Vaterschaftsfeststellung, der Gewährung von Invaliditätspensionen oder Haftungsansprüchen wegen ärztlicher Kunstfehler) sei bei der Gutachtertätigkeit zu differenzieren. Diene sie im Hauptzweck der begutachteten Person i.S. einer (optimierten) Behandlung, Linderung oder Vorbeugung bezüglich gesundheitlicher Beschwerden, so sei das von § 4 Nr. 14 UStG geforderte leistungsbezogene Merkmal eines medizinisch-therapeutischen Ziels gegeben.
Die Krankenschwester hatte argumentiert, ihre Gutachten befassten sich nur in zwei der neun Punkte mit den nicht-krankheitsbezogenen Fragestellungen der Grundpflege und der hauswirtschaftlichen Versorgung, während sie sich in den übrigen sieben Punkten mit Fragen der Behandlungspflege kranker bis schwerstkranker Menschen beschäftigt habe. Demnach hätten sich die fraglichen Gutachten zu deutlich mehr als der Hälfte mit der krankheitsbezogenen Behandlungspflege beschäftigt, was nach der Rechtsprechung zur Steuerfreiheit ausreiche. Der BFH macht demgegenüber nun deutlich, zur Anwendbarkeit von § 4 Nr. 14 UStG reiche es nicht aus, dass sich das Gutachten inhaltlich überwiegend mit krankheitsbezogenen Fragestellungen befasse. Entscheidend sei nämlich nicht nur der Inhalt, sondern vor allem das Ziel des Gutachtens. Vorliegend hätten die gutachterlichen Stellungnahmen nämlich nicht die verbesserte Krankenbehandlung der Patienten zum Ziel gehabt, sondern dem Auftraggeber als Entscheidungshilfe dafür dienen sollen, ob ihn eine Zahlungs- oder Leistungspflicht treffe. Letzteres sei jedoch kein „medizinisch-therapeutisches Ziel“ i.S. von § 4 Nr. 14 UStG.
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