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  • 08.10.2008 | Bundesfinanzhof

    Unterscheidung zwischen Anwendersoftware und Systemsoftware wird aufgegeben

    von RA Dr. Benno Grunewald, Bremen
    Der BFH hat mit Urteil vom 4.5.04 (XI R 9/03, Abruf-Nr. 42501) seine Rechtsprechung zur Abgrenzung der freiberuflichen von der gewerblichen Tätigkeit bei der Software-Entwicklung eines EDV-Beraters geändert. Nunmehr kann auch ein selbstständiger EDV-Berater, der Computer-Anwendungssoftware entwickelt, einen dem Ingenieur ähnlichen Beruf i.S. des § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG ausüben. Damit hob der BFH die Unterscheidung zwischen System- und Anwendersoftware als Tätigkeitsfelder auf.

     

    Sachverhalt

    Nach der Ausbildung zum mathematisch-technischen Assistenten und einer zweijährigen Tätigkeit im Bereich Systembetreuung Datenbanken machte sich E im Streitjahr 1991 selbstständig und war als Subunternehmer im Rahmen einer Projektgruppe tätig. Das FA stufte seine Tätigkeit als gewerblich ein. Hiergegen richtete E seine Klage mit der festen Überzeugung, dass er eine ingenieurähnliche Tätigkeit ausübe. Das FG gab ihm Recht und stufte ihn als freiberuflich i.S. des § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG ein. Als Vorinstanz ließ das FG über die Frage Beweis erheben, ob es für das Streitjahr überhaupt noch als sachgerecht angesehen werden kann, wenn zur Abgrenzung einer freiberuflichen von einer gewerblichen Tätigkeit vorrangig auf eine Unterscheidung zwischen der Entwicklung der Systemsoftware einerseits und der Anwendersoftware andererseits abgestellt wird – so der BFH (7.11.91, BStBl II 93, 324). Das FG lehnte dies auf der Grundlage des Sachverständigengutachtens ab. Der BFH folgte dieser Ansicht und wies die Revision des FA als unbegründet zurück. 

     

    Anmerkung

    Neben den in § 18 Abs. 1 Nr. 1 S. 2 EStG ausdrücklich genannten Katalogberufen gehören zu der freiberuflichen Tätigkeit auch die den Katalogberufen ähnlichen Berufe. Ein Beruf ist einem Katalogberuf ähnlich, wenn er in wesentlichen Punkten mit diesem verglichen werden kann. Dazu gehört die Vergleichbarkeit der Ausbildung und die Vergleichbarkeit der beruflichen Tätigkeit - so auch für einen dem Katalogberuf des Ingenieurs ähnlichen Beruf. Nicht erforderlich ist hier der Abschluss einer nach den Ingenieurgesetzen der Länder vorgeschriebenen Ausbildung. Im Urteilsfall konnte E nachweisen, dass er auch ohne Hochschulabschluss über eine ähnliche Tiefe und Breite seiner Vorbildung verfügt. Denn die praktischen Arbeiten wiesen einen Schwierigkeitsgrad auf, der mit der einer Ingenieurtätigkeit durchaus vergleichbar war. 

     

    Bereits mit Urteil vom 4.8.83 entschied der BFH (BStBl ll, 677), dass der Diplom-Informatiker eine dem Ingenieurberuf ähnliche Tätigkeit ausüben kann. Die ähnliche Tätigkeit bezieht sich nunmehr sowohl auf die Entwicklung von System- als auch von Anwendersoftware. Beide umfassen einen für den Beruf des Ingenieurs typischen Bereich. Die Aufgaben des Ingenieurs beinhalten einen starken praktischen Bezug, da er auf der Grundlage natur- und technik-wissenschaftlicher Erkenntnisse auch die wirtschaftlichen Belange seiner Projekte berücksichtigen muss. Ebenso habe sich seit Anfang der neunziger Jahre der Schwerpunkt der Ausbildung eines Diplom-Informatikers von der ursprünglich stark theoretisch ausgerichteten Systemsoftwareentwicklung auf das Gebiet der Anwendersoftwareentwicklung (so genannte angewandte/praktische Informatik) verlagert. Damit übt auch ein selbstständiger Diplom-Informatiker eine ingenieurähnliche Tätigkeit aus, wenn er (vorwiegend) Anwendersoftware entwickelt. Die gegenteilige Rechtsprechung des BFH ist insoweit durch die Entwicklung der tatsächlichen Verhältnisse überholt.