01.01.2007 | Europäischer Gerichtshof
Grenzen nationalstaatlicher Regelungen zur Umsatzsteuerfreiheit bei Heilberuflern
Der EuGH (27.4.06, C-443/04, C-444/04, Abruf-Nr. 063670) hatte sich zu zwei Vorabentscheidungsersuchen mit der Frage zu beschäftigen, ob die niederländische Differenzierung zwischen – durch Umsatzsteuerfreiheit begünstigten – Psychiatern/Psychologen einerseits und (nicht begünstigten) Psychotherapeuten andererseits EG-konform sei. Daneben war fraglich, ob die von einer nationalstaatlich begünstigten Berufsgruppe durchgeführte alternative Heilmethode bereits deshalb für die Steuerfreiheit nicht in Betracht komme, weil diese Methode nach Ansicht des Nationalstaats nicht zum berufsspezifischen Tätigkeitsspektrum des Heilbehandlers gehöre. Der EuGH erachtet beide berufsspezifische Differenzierungen bei der Umsatzsteuerbefreiung der einzelnen Mitgliedsstaaten als zulässig, soweit dabei die gemeinschaftlichen Grundsätze der Gleichbehandlung und der Neutralität der Umsatzsteuer nicht verletzt würden. |
Vorlageverfahren
Im Verfahren C-444/04 übte die Steuerpflichtige eine selbstständige Tätigkeit als Psychotherapeutin aus, für die sie ein Diplom als Pädagogin besaß. Obwohl sie in das entsprechende Register der Psychotherapeuten ordnungsgemäß eingetragen war, verweigerte die Finanzverwaltung ihr für die Streitjahre 1992 bis 1995 die Umsatzsteuerfreiheit, da die niederländische Umsatzsteuerbefreiungsvorschrift insofern nur auf die gesetzlichen Regelungen für Psychiater und Psychologen, aber nicht auf die für Psychotherapeuten geltende Verordnung Bezug nahm.
Einspruch und Klage blieben erfolglos. Die Revisionsinstanz hatte jedoch an der nationalstaatlichen Regelung Zweifel und legte dem EuGH die Frage vor, ob – trotz der zweifelsfrei heilbehandelnden psychotherapeutischen Leistungen – eine derartige berufsgruppenbezogene Differenzierung eines Mitgliedsstaats mit der 6. EG-RL in Einklang stehe. Der EuGH hat berufsgruppenbezogene Differenzierungen bei der Umsatzsteuerbefreiung der Mitgliedsstaaten als zulässig erachtet, wenn sie sich an der Leistungsqualität der unterschiedlichen Berufe orientieren.
Im Verfahren C-443/04 war der Steuerpflichtige als Physiotherapeut in das für diese Berufsgruppe in den Niederlanden vorgesehene Register ordnungsgemäß eingetragen. Neben der Verabreichung von üblichen Physiotherapiebehandlungen erbrachte er auch „Störfelddiagnostik“. Bei dieser Methode wird der Mund- und Kieferbereich daraufhin untersucht, ob entsprechende lokale Fehlstellungen oder Probleme Anlass für gesamtkörperliche Beschwerden sein können. Ergaben sich entsprechende Feststellungen, erstellte er einen Behandlungsplan – z.B. Softlaserstrahlen, homöopathische medikamentöse Behandlungen und manuelle Therapie aber auch die Überweisung an einen Zahnarzt oder Kieferchirurgen.
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