01.12.2006 | Europäischer Gerichtshof
Umsatzsteuerfreiheit setzt keine Leistung „unter ärztlicher Aufsicht“ voraus
Der EuGH hat mit Urteil vom 8.6.06 (C-106/05, UR 06, 464, Abruf-Nr. 063295) entschieden, dass das deutsche Umsatzsteuerrecht zur Umsatzsteuerbefreiung für Laboratorien durchaus strengere Bedingungen festlegen dürfe, als für die Leistungen der Ärzte, die diese Untersuchungen anordnen. Insofern sei die in § 4 Nr. 16c UStG enthaltene Festlegung von „Begünstigtenquoten“ zulässig, nicht jedoch das Erfordernis, die Leistungen müssten „unter ärztlicher Aufsicht“ erbracht werden. |
Vorlageverfahren
Eine GmbH, deren Alleingesellschafter Arzt für Laboratoriumsmedizin war, führte medizinische Analysen durch. Auftraggeber dieser Analysen waren Laborgemeinschaften, zu denen sich praktische Ärzte zusammengeschlossen und die die Analysen im Rahmen ihrer Heilbehandlungen angeordnet hatten. Das FA hielt § 4 Nr. 16c UStG für nicht einschlägig und unterwarf die Leistungen der GmbH der USt. Denn die Analysen seien nicht in erforderlichem Maße „unter ärztlicher Aufsicht“ erbracht worden und auch habe die GmbH nicht nachgewiesen, dass ihre Leistungen zu mindestens 40 v.H. dem in § 4 Nr. 15b UStG benannten Personenkreis zugute gekommen seien. Einspruchs- und Klageverfahren blieben erfolglos.
Der BFH hatte in der Revision Zweifel an dieser Gesetzesauslegung. Einerseits kam für ihn eine Anwendbarkeit von § 4 Nr. 14 UStG in Betracht, andererseits hielt er die deutsche Gesetzesformulierung bzw. Besteuerungspraxis zu § 4 Nr. 16c UStG für fragwürdig. So lasse zwar der Wortlaut von § 4 Nr. 16c UStG im Urteilsfall die Steuerbefreiung nicht zu, jedoch sei fraglich, ob diese nationalstaatliche Regelung und ihre Auslegung gemeinschaftsrechtskonform seien. Der BFH bat daher den EuGH um Vorabentscheidung zu der Frage, ob die gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben zu § 4 Nr. 16c UStG (Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. b und Abs. 2 der 6. EG-RL) es erlaubten, die Steuerbefreiung medizinischer Laboranalysen auch dann von weiteren Bedingungen abhängig zu machen, wenn sie von praktischen Ärzten – mit ohnehin steuerfreien Leistungen – angeordnet worden seien.
Anmerkungen und Praxishinweise
Der BFH hatte in seinen Ausführungen in Erwägung gezogen, die Analyseleistungen der medizinischen Labore könnten unter Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. c der 6. EG-RL (= § 4 Nr. 14 UStG) fallen bzw. als „eng verbundener Umsatz“ zur Leistung des die Analyse anordnenden Arztes gelten. Der EuGH verweist insofern darauf, dass es für die Abgrenzung zwischen Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. b oder c der 6. EG-RL weniger auf die Art der Leistung als vielmehr auf den Ort bzw. die Umstände ihrer Erbringung ankomme.
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