20.04.2011 | Insolvenzverwaltung
Keine Vervielfältigungstheorie mehr bei den sonstigen selbstständigen Einkünften
von RiFG Dr. Alexander Kratzsch, Bünde
Einkünfte aus einer Tätigkeit als Insolvenzverwalter oder aus der Zwangsverwaltung von Liegenschaften sind grundsätzlich den Einkünften aus sonstiger selbstständiger Arbeit i.S. des § 18 Abs. 1 Nr. 3 EStG zuzurechnen. Dies gilt unter bestimmten Voraussetzungen auch dann, wenn der Insolvenzverwalter oder Zwangsverwalter unter Einsatz vorgebildeter Mitarbeiter tätig wird; denn der BFH gibt die Vervielfältigungstheorie auf (BFH 15.12.10, VIII R 50/09 und BFH 26.1.11, VIII R 3/10). Der Beitrag geht ausführlich auf die Konsequenzen der Aufgabe ein und gibt einen Ausblick auf die noch anhängigen Verfahren.
1. Sachverhalte und Entscheidung
Sachverhalte |
BFH (15.12.10, VIII R 50/09): Für eine GbR waren in den Streitjahren zwei und in der Folgezeit drei Gesellschafter als Insolvenzverwalter, Rechtsanwalt und Notar tätig. Die GbR erzielte überwiegend Einnahmen aus Insolvenzverwaltung und aus der Zwangsverwaltung von Liegenschaften. Die Einnahmen aus Rechtsanwaltstätigkeiten stammten zumeist aus Prozessen, die im Rahmen der Insolvenzverfahren zu führen waren. Das FA behandelte die Einkünfte als solche aus Gewerbebetrieb, da durchschnittlich zwischen fünf und zwölf Vollzeit-Mitarbeiter beschäftigt waren, denen im Wesentlichen Zuarbeiten in Insolvenzverfahren, Buchhaltungsaufgaben, Lohnangelegenheiten und Botendienste übertragen wurden.
(BFH 26.1.11, VIII R 3/10): Klägerin war eine Partnerschaftsgesellschaft. Ihre beiden Gesellschafter, ein beratender Betriebswirt und ein Dipl.-Ökonom, waren im Bereich der Insolvenzverwaltung tätig. Die Gesellschaft beschäftigte in den Jahren 2000 bis 2003 zwischen 21 und 34 Mitarbeiter (einschließlich Auszubildende und Aushilfen). Die meisten Angestellten waren mit Zuarbeiten in Insolvenzverfahren beschäftigt. Nach einer Außenprüfung ging das FA davon aus, dass die bisher als Einkünfte aus freiberuflicher Tätigkeit deklarierten Einkünfte, solche aus Gewerbebetrieb seien. |
Der BFH entschied (insoweit im Einklang mit seiner bisherigen Rechtsprechung), die Tätigkeit eines Insolvenz-, Zwangs- und Vergleichsverwalters sei vermögensverwaltend i.S. des § 18 Abs. 1 Nr. 3 EStG und nicht freiberuflich i.S. des § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG. Dies gelte auch dann, wenn die Tätigkeit durch Rechtsanwälte ausgeübt werde, weil sie nicht für einen Rechtsanwalt berufstypisch sei. Der BFH wendet allerdings die bisher für die Vorschrift des § 18 Abs. 1 Nr. 3 EStG vertretene Vervielfältigungstheorie nicht mehr an.
Der Grund für die Anwendung der Vervielfältigungstheorie wurde darin gesehen, dass die in § 18 Abs. 1 Nr. 3 EStG erfassten Tätigkeiten ihrer Natur nach einer kaufmännischen Beschäftigung näherstünden als die in § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG genannten freien Berufe (so BFH 11.08.94, IV R 126/91, BStBl II 94, 936, m.w.N.). Maßgeblich sei nach geänderter Auffassung des BFH vielmehr in entsprechender Anwendung des § 18 Abs. 1 Nr. 1 S. 3 und 4 EStG, ob der Insolvenzverwalter leitend und eigenverantwortlich tätig werde und der Tätigkeit den „Stempel seiner Persönlichkeit“ aufdrücke. Auch die Beschäftigung von mehreren qualifizierten Mitarbeitern könne unschädlich sein, wenn der Insolvenzverwalter die Entscheidungen über das „Ob“ bestimmter Einzelakte im Rahmen des Insolvenzverfahrens treffe und lediglich das „Wie“, nämlich die kaufmännisch-technische Umsetzung dieser Entscheidung, auf qualifizierte Mitarbeiter übertrage. Die (unstreitig) daneben erzielten gewerblichen Einkünfte führten nicht zu einer Abfärbewirkung, weil der Anteil dieser Einkünfte weniger als 1 % betrug und damit unterhalb der Bagatellgrenze von unter 1,25 % blieb.
2. Anmerkungen
Die Auffassung des BFH, dass bei einer insolvenzverwaltenden Tätigkeit Einkünfte nach § 18 Abs. 1 Nr. 3 EStG und keine freiberuflichen Einkünfte vorliegen, ist überzeugend. Eine unterschiedliche Behandlung hauptberuflich tätiger Insolvenz- und Zwangsverwalter in Abhängigkeit davon, ob diese dem Kreis der freien Berufe i.S. von § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG zugehören, wäre nicht sachgerecht.
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