01.03.2005 | Oberlandesgericht Hamm
„Hinauskündigung“ eines Partners aus der Gemeinschaftspraxis
Ärztliche Gemeinschaftspraxisverträge enthalten häufig Bestimmungen, die einseitig die Stellung des oder der Praxisgründer (Altgesellschafter) im Verhältnis zu hinzukommenden Gesellschaftern regeln. Hintergrund einer solchen Regelung ist, dass die Leistungen der Altgesellschafter bei deren Gründung und Aufbau der Praxis angemessen berücksichtigt werden sollen. Auch muss häufig der Neugesellschafter für seinen Eintritt in die Praxis keine Einlage zahlen. Das Gesellschaftsvermögen verbleibt hier bei den Altgesellschaftern. In Gemeinschaftspraxisverträgen wird daher den Altgesellschaftern zur Stärkung ihrer Rechtsstellung oftmals die Möglichkeit eingeräumt, Neugesellschafter ohne Vorliegen eines sachlichen Grundes aus der Personengesellschaft auszuschließen. Nach der bisherigen Rechtsprechung des BGH wurde jedoch ein solches „Hinauskündigungsrecht“ grundsätzlich als Verstoß gegen § 138 BGB angesehen, sofern nicht wegen „außergewöhnlicher Umstände“ die Vereinbarung einer Hinauskündigung sachlich gerechtfertigt sei (BGH 19.9.88, DB 89, 219-221; anders BGH 8.3.04, PFB 04, 3). Entsprechende „außergewöhnliche Umstände“ hat das OLG Hamm nunmehr in einem Urteil vom 17.3.04 (8 U 29/03,Abruf-Nr. 050307) angenommen. Gegen das Urteil wurde beim BGH (II ZR 86/04) Revision eingelegt. |
Sachverhalt
Das OLG hatte bei seiner Entscheidung u.a. darüber zu entscheiden, ob der Ausschluss eines Gesellschafters aus einer BGB-Gesellschaft ohne Vorliegen eines sachlichen Grundes ausnahmsweise gerechtfertigt sein kann. Dem Urteil lag eine Klausel in einem Gesellschaftsvertrag zwischen seit sieben Jahren gemeinsam praktizierenden HNO-Ärzten zu Grunde, die für den Praxisgründer das Recht begründete, dem neu hinzugekommenen Gesellschafter ohne wichtigen Grund zu kündigen. Zudem war der Praxisgründer nach den vertraglichen Bestimmungen alleiniger Mieter der Praxisräume und Eigentümer des Praxisinventars.
Anmerkung
Dem Vorbringen des gekündigten Arztes, dass die „Hinauskündigungsklausel“ sittenwidrig und damit nichtig sei, ist das OLG Hamm nicht gefolgt, da das Gericht die Hinauskündigung des Klägers wegen „außergewöhnlicher Umstände“ als ausnahmsweise sachlich gerechtfertigt angesehen hat.
Zwar gebe ein solches „Hinauskündigungsrecht“ nach der bisherigen Rechtsprechung des BGH (a.a.O.) regelmäßig Veranlassung, dieses als sittenwidrig anzusehen. Denn das freie Kündigungsrecht des oder der anderen Gesellschafter könne von dem von der Kündigung bedrohten Gesellschafter als Disziplinierungsmittel empfunden werden. Damit könne er nicht mehr frei von seinen Mitgliedschaftsrechten Gebrauch machen oder seinen Gesellschafterpflichten nachkommen, sondern müsse sich jeweils den Vorstellungen der anderen Seite beugen. Diesen Gesichtspunkten hat das OLG Hamm im Streitfall jedoch nur untergeordnete Bedeutung beigemessen.
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