01.10.2006 | Oberlandesgericht Naumburg
Vertragsklauseln zur nachträglichen Kaufpreisreduzierung können nichtig sein
Nach Auffassung des OLG Naumburg (29.3.06, 1 U 48/05, Abruf-Nr. 062737) erfüllt eine Vertragsklausel, die eine nachträgliche Reduzierung des Kaufpreises für die entgeltliche Übernahme von Steuerberatungsmandaten vorsieht, den objektiven Tatbestand der Sittenwidrigkeit (§ 138 BGB), wenn jeglicher Rückgang des Nettoumsatzes im ersten Geschäftsjahr nach Übernahme der Mandate unabhängig von Grund oder Vertretenmüssen in voller Höhe dem Veräußerer auferlegt wird. |
Sachverhalt
Die Käuferin K, eine Steuerberatungsgesellschaft, hatte von zwei in überörtlicher Sozietät tätigen Rechtsanwälten Steuerberatungsmandate erworben. Die Parteien vereinbarten in beiden zugrunde liegenden Verträgen eine Nachbewertungsklausel. Danach war der Kaufpreis nachträglich zu reduzieren, wenn der kalkulierte Umsatz der veräußerten Mandate im ersten Jahr nach dem Verkauf ersatzlos sinken sollte. Die Bedenken, die die in derartigen Vertragsverhandlungen unerfahrenen Verkäufer bezüglich dieser Klausel geäußert hatten, zerstreute K mit dem Hinweis, dass diese Vertragsgestaltung der üblichen Praxis entspreche. Hinzu kam ferner der Umstand, dass die Verkäufer – wie K wusste – unter zeitlichem Abschlussdruck standen. K, die zunächst nur die Hälfte der Kaufpreissumme gezahlt hatte, begehrte im Weiteren auf Grund dieser Klausel eine darüber noch hinausgehende Rückzahlung, die sie mit angeblich eingetretenen Umsatzrückgängen bei den erworbenen Mandaten im ersten Geschäftsjahr begründete.
Anmerkungen
Nach Auffassung des OLG kann eine Nachbewertungsklausel objektiv sittenwidrig sein, wenn den Verkäufern nachträglich das gesamte wirtschaftliche Geschäftsrisiko der K im ersten Jahr nach der Übernahme aufgebürdet werde, ohne dass hierfür eine sachliche Rechtfertigung bestehe. Das Gericht sah in der vorliegenden Gestaltung eine extrem einseitige, unausgewogene Risikoverteilung, weil sie die Übernahme selbst solcher Risiken umfasst, die für die Verkäufer nicht steuerbar sind. Zudem eröffne die Klausel objektiv ein erhebliches Missbrauchspotenzial zulasten der Verkäufer.
Ungeachtet dessen sei im Ausgangsfall die Nachbewertungsklausel wirksam, da es an dem subjektiven Element der Sittenwidrigkeit fehle. Denn die Verkäufer haben sich hier bewusst in das ungleiche Leistungsverhältnis begeben. Zwar haben sie Bedenken an der Klausel geäußert, gleichwohl ist es zum Vertragsabschluss gekommen. Dass die Verkäufer sich in Zeitdruck sahen, führe zu keiner anderen Bewertung, da die Beklagten den Zeitdruck selbst verursacht hätten und längeres Zuwarten zu keiner existenzbedrohenden Situation geführt hätte.
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