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  • 25.01.2011 | Umsatzsteuer

    Zur Umsatzsteuerfreiheit von Heilbehandlungsleistungen

    von Georg Nieskoven, Troisdorf

    Das Umsatzsteuerrecht befreit Leistungen im Heilbehandlungsbereich, wenn sie mit einem medizinisch-therapeutischen Zweck und durch eine entsprechend befähigte Person oder Einrichtung durchgeführt werden. Zu beiden Voraussetzungen erging jüngst interessante neue Rechtsprechung: Aufbereitung und Vermehrung menschlicher Gelenkknorpelzellen (EuGH 18.11.10, C-156/09), heiltherapeutische Reitleistungen („Hippotherapie“) (FG Münster 9.11.10, 15 K 4439/06 U).  

    1. Kultivierung menschlicher Knorpelzellen

    In diesem EuGH-Vorlageverfahren ging es um ein in Deutschland ansässiges Biotechnologie-Unternehmen im Bereich der medizinischen Gewebezüchtung. Den knorpelerkrankten Patienten wurde Knorpel-material entnommen. Das Unternehmen bereitete das Gewebe so auf, dass die Gelenkknorpelzellen herausgelöst werden konnten und vermehrte sie durch Züchtung im eigenen Blutserum in einem Brutschrank. Die gezüchteten Zellen wurden zur Reimplantation beim selben Patienten zurückgeschickt.  

     

    Unklar war, wie die Zellzüchtungsumsätze, die das Unternehmen gegenüber Auftraggebern in anderen EU-Staaten erbracht hatte, zu behandeln waren. Der BFH fragte beim EuGH an, ob Arbeiten an beweglichen körperlichen Gegenständen (Art. 28b Teil F Unterabs. 1 der 6. EG-RL) oder steuerbefreite Heilbehandlungsleistungen (Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. c der 6. EG-RL) vorlagen. Der EuGH ging von steuerbefreiten Heilbehandlungsleistungen aus, weswegen er die Frage nach dem Leistungsort für unerheblich hielt.  

     

    Die Begründung in der Vorabentscheidung fällt denkbar kurz aus: Der medizinisch-therapeutische Zweck ergibt sich zweifelsfrei daraus, dass die Aufbereitung und Kultivierung der Knorpelzellen dazu diente, dem Patient durch Reimplantation zu einem gesunden Gelenk zu verhelfen. An dieser Beurteilung änderte weder, dass das Unternehmen ein gewerbliches Verfahren durchführt, dass nur einen Teilbereich der Gesamttherapie darstellt, noch dass die Leistung durch Laborpersonal statt durch Laborärzte durchgeführt wurde (unter Verweis auf EuGH 10.9.02, C-141/00, „Kügler“).  

     

    Praxishinweis

    Ergänzend stellt der EuGH klar, dass es für die Einstufung als steuerfreie Heilbehandlung sogar unschädlich wäre, wenn die kultivierten Zellen anschließend nicht dem Zellspender selbst, sondern einem Dritten implantiert würden.  

     

    1.1 Konkreter oder hypothetischer Krankheitsbezug?

    In zwei Entscheidungen (EuGH 10.6.10, C-86/09, „Future-Health-Technologies“ und EuGH 10.6.10, C-262/08 „CopyGene“) hatte der EuGH die Aufbereitung und Kryokonservierung von aus Nabelschnurblut gewonnenen Stammzellen als nicht steuerfreie Leistung eingeordnet. Auf den ersten Blick überrascht es daher, dass der EuGH bei diesem Zellaufbereitungsverfahren zur gegenteiligen Einschätzung gelangte.