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  • 27.10.2009 | Umsatzsteuerbefreiung

    Funktionstraining in Rheumagruppen

    von Georg Nieskoven, Troisdorf

    Die Umsatzsteuerfreiheit des § 4 Nr. 14 UStG hängt vom beruflichen Befähigungsnachweis und dem medizinisch-therapeutischen Ziel der Leistung ab. Der BFH hatte nun jüngst über eine Diplom-Sportlehrerin zu urteilen, die u.a. Funktionstraining in Rheumagruppen durchführte. Der BFH hielt solche Leistungen nur insofern gemäß § 4 Nr. 14 UStG für begünstigungsfähig, als sie auf § 43 SGB V basierten und ihre Notwendigkeit jeweils durch einen Arzt bescheinigt wurde. Der berufliche Befähigungsnachweis könne sich hinsichtlich dieser Leistungen dann ebenfalls aus der Kostentragung gemäß § 43 SGB V ergeben (BFH 30.4.09, V R 6/07, Abruf-Nr. 092167).

    Anmerkungen

    Das FG hatte in der Vorinstanz sowohl den medizinischen Leistungsinhalt, als auch den beruflichen Befähigungsnachweis mit ergebnisorientierter Argumentation bejaht. Zum Nachweis des medizinisch-therapeutischen Inhalts hielt es das FG für ausreichend, dass die fraglichen Maßnahmen nicht der persönlichen Lebensführung der Kursteilnehmer zuzuordnen seien und der therapeutische Nutzen nachgewiesen sei. Letzteres könne bereits aus dem Umstand geschlossen werden, dass die fraglichen Kurse nicht bei den „nicht verordnungsfähigen Heilmitteln“ in der Anlage zur Heilmittelrichtlinien aufgeführt würden. Auch den beruflichen Befähigungsnachweis sah das FG bei der S als gegeben an. Denn auch ohne Zulassung i.S. von § 124 Abs. 2 SGB V für Dipl.-Sportlehrer könne der Befähigungsnachweis „auf jede erdenkliche Weise“ erbracht werden. Im Streitfall genüge insofern, dass die S als Diplom-Sportlehrerin ein achtsemestriges Hochschulstudium mit vertiefenden Kenntnissen zu Sportmedizin, Sportpädagogik, sowie Trainings- und Bewegungslehre absolviert habe. Die nur partiell erfolgte Kostenerstattung durch die GKV sei dabei irrelevant. Denn der Zweck von § 4 Nr. 14 UStG sei es, die Kosten für Heilbehandlungen gegenüber Endverbrauchern möglichst niedrig zu halten, was für die fraglichen Kurse eine Anwendung der Steuerfreiheit gebiete.  

     

    Demgegenüber mahnt der BFH zur Differenzierung. Zwar treffe es zu, dass der Befriedigung allgemeiner Lebensbedürfnisse - z.B. der körperlichen Fitness - dienende Leistungen nicht begünstigt seien. Der daraus vom FG gezogene Umkehrschluss - soweit bei Leistungen die Befriedigung von Allgemeinbedürfnissen verneint werden könne, liege begünstigte Heilbehandlung vor - sei jedoch unzulässig. Denn auch die offenkundig der Gesundheitsprävention bzw. Verbesserung des allgemeinen Gesundheitszustandes dienenden Leistungen seien nur insofern nach § 4 Nr. 14 UStG begünstigt, als ein konkreter Krankheitsbezug bei der jeweiligen Person belegt werde. Daran ändere auch die Förderung bzw. Kostenerstattung durch die GKV i.S. von § 20 SGB V nichts. Auch auf die vom FG ins Feld geführte BFH-Entscheidung V R 44/02 (Begünstigung eines Dipl.-Sportlehrers, soweit er an einer Reha-Einrichtung Leistungen aufgrund eines Versorgungsvertrags gemäß § 11 Abs. 2, §§ 40, 111 SGB V tätig werde) könne sich die S nicht berufen. Denn bei ihr würden die sporttherapeutischen Leistungen nicht auf der Grundlage eines solchen Versorgungsvertrags erbracht. Vorliegend seien einzelne Leistungen von den GKV gemäß § 43 SGB V gefördert worden. Insofern komme in Betracht, dass diese Leistungen auf Basis von § 43 Nr. 1 SGB V i.V. mit der Gesamtvereinbarung über den Rehabilitationssport und das Funktionstraining erfolgten. Denn nach dieser Vereinbarung sollte durch entsprechendes Funktionstraining bei chronisch Kranken der Krankheitsverlauf günstig beeinflusst werden - die Notwendigkeit der Maßnahme war aber laut Vereinbarung in jedem Einzelfall durch einen Arzt zu bescheinigen. Fraglich - und vom FG im zweiten Rechtszug zu klären war daher nach Ansicht des BFH - inwiefern die Leistungen der S auf Basis von § 43 SGB V i.V. mit der vorgenannten Gesamtvereinbarung und gemäß ärztlich bescheinigter Notwendigkeit erfolgten und damit nach § 4 Nr. 14 UStG grundsätzlich begünstigungsfähig gewesen seien.  

     

    Auch hinsichtlich des beruflichen Befähigungsnachweises widerspricht der BFH dem FG. Dieser könne - entgegen der FG-Ansicht - nicht „auf jede erdenkliche Art und Weise“ erbracht werden. Der Ausbildungsabschluss Diplom-Sportlehrer genüge - auch unter Einbeziehung der Zusatzqualifikation der S - grundsätzlich nicht. Wie bereits im BFH-Verfahren V R 44/02 entschieden, könne ausnahmsweise etwas anderes gelten, soweit Diplom-Sportlehrer - ggf. mit ergänzenden Qualifikationsanforderungen - im jeweiligen sozialgesetzlichen Versorgungsvertrag als einsetzbare Fachkraft aufgeführt seien. Nach der „Gesamtvereinbarung zum Funktionstraining“ oblag die Kursdurchführung speziell qualifizierten Krankengymnasten oder vergleichbar qualifizierten Therapeuten. Demnach konnte aus Sicht des BFH auch der „berufliche Befähigungsnachweis“ der S angenommen werden, soweit die geförderten Kurse auf Basis von § 43 SGB V i.V. mit der Gesamtvereinbarung durchgeführt wurden.  

    Praxishinweise

    Trotz der in der Praxis schwierigen Abgrenzung zwischen nichtbegünstigter „Verbesserung des allgemeinen Gesundheitszustands“ und begünstigungsfähiger Krankheitsbehandlung oder -vorsorge bleibt der BFH bei seiner strengen Sichtweise. Wie schon bei der Einbindung von Diplom-Sportlehrern in Reha-Maßnahmen (BFH 25.11.04 ,V R 44/02) und bei der Ernährungsberatung durch Diplom- Oecotrophologen (BFH 7.7.05, V R 23/04) stellt er klar, dass es bei flankierenden Therapiemaßnahmen für § 4 Nr. 14 UStG eines ärztlich bescheinigten konkreten Krankheitsbezugs bedarf. Indem Leistungen, die diesen strengen Anforderungen nicht genügen, nicht steuerbefreit sind - auch soweit sie gemäß § 20 SGB V durch die GKV gefördert werden - bestätigt der BFH die Sichtweise der Finanzverwaltung (A. 91a Abs. 3 Nr. 9 UStR 2008). Für nicht dem originären Heilberufsbereich zuzurechnenden Berufsgruppen hängt deren Begünstigungsfähigkeit nach § 4 Nr. 14 UStG zudem davon ab, dass der Unternehmer zum Beleg seines beruflichen Befähigungsnachweises die sozialgesetzlichen oder im Versorgungsvertrag benannten Qualifikationsanforderungen nachweisen kann.