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  • · Fachbeitrag · Einkünfteermittlung

    Durchführung von Corona-Tests durch Ärzte ist freiberufliche Tätigkeit

    von StB Christian Herold, Herten, www.herold-steuerrat.de

    | Bei von approbierten Ärzten durchgeführten Corona-Tests im Wege des Nasen- und/oder Rachenabstrichs handelt es sich um eine diagnostische Vorfeldmaßnahme, die als berufstypische Maßnahme im weitesten Sinne der Feststellung einer Erkrankung dient und damit der heilkundlichen Tätigkeit eines Arztes i. S. v. § 18 Abs. 1 Nr. 1 S. 2 EStG entspricht ( FG Köln 24.4.24, 3 K 910/23 ). |

    1. Sachverhalt

    Die Klägerin, eine GbR, betrieb während der Corona-Pandemie ein Abstrich-/Testzentrum für den Erregernachweis des Corona-Virus. Gesellschafter waren zu gleichen Teilen ein niedergelassener Allgemeinmediziner und eine niedergelassene Fachärztin für Laboratoriumsmedizin. Die beteiligten Ärzte nahmen die Abstriche im Testzentrum teilweise selbst vor. Erforderliche Laborleistungen wurden ausgelagert. Der Betrieb des Testzentrums erfolgte außerhalb der originären Praxisräumlichkeiten der Gesellschafter. Das Abstrichzentrum war zulassungsrechtlich eine Zweigstelle der Praxen der Gesellschafter. Die Leistungen wurden gegenüber der Kassenärztlichen Vereinigung Nordrhein (KV Nordrhein) abgerechnet. Aus dem Betrieb des Testzentrums erklärte die Klägerin Einkünfte aus selbstständiger Arbeit i. S. v. § 18 EStG.

     

    Das FA gelangte hingegen ‒ für das Streitjahr 2020 ‒ zu der Auffassung, dass die Klägerin gewerbliche Einkünfte nach § 15 EStG erzielt habe. Hierbei stellte es im Wesentlichen darauf ab, dass im Allgemeinen die Testung von Bürgern auf einen direkten Erregernachweis des Corona-Virus ausschließlich dann als Tätigkeit i. S. d. § 18 EStG zu qualifizieren sei, wenn medizinisch freiberuflich tätige Personen diese Testung in ihren Praxisräumen durchführten, in denen sie auch sonst ihrer freiberuflichen Tätigkeit nachgingen. Sofern die Testung außerhalb des originären Praxisbetriebs durchgeführt werde, betätigten sie sich nicht mehr freiberuflich, sondern gewerblich i. S. d. § 15 EStG.

    2. Entscheidungsgründe

    Im Streitfall handelte es sich bei den Corona-Tests im Wege des Nasen- und/oder Rachenabstrichs um eine diagnostische Vorfeldmaßnahme, die als berufstypische Maßnahme im weitesten Sinne der Feststellung einer Erkrankung dient und damit der heilkundlichen Tätigkeit eines Arztes i. S. v. § 18 Abs. 1 Nr. 1 S. 2 EStG entspricht.

     

    2.1 Art der Diagnosemethode, Ort der Leistungserbringung

    Dem FA ist zwar insoweit recht zu geben, dass die Abnahme eines solchen Abstrichs aufgrund der Einfachheit ihrer Durchführung nicht als wesensprägende ärztliche Tätigkeit anzusehen gewesen sein mag. Als berufsuntypische Maßnahme kann sie aber gleichwohl nicht eingeordnet werden. Denn im Umfeld der ärztlichen Tätigkeit gibt es eine Fülle von Hilfstätigkeiten, wie z. B. das Messen des Blutdrucks und von Fieber, das Anlegen von Verbänden und dergleichen, die nicht nur von Ärzten und von medizinisch geschultem Personal wie Krankenschwestern oder Arzthelferinnen erbracht werden können, sondern auch vom Patienten selbst mit zumeist gleichem Erfolg.

     

    Die Argumentation des FA, wonach eine berufstypische ärztliche Tätigkeit, so sie denn im Rahmen einer herkömmlichen ärztlichen Praxis ausgeführt wird, ihre Rechtsnatur dann verändern soll, wenn sie nunmehr im Rahmen einer eigenständig hierfür gegründeten und ausschließlich für diese Tätigkeit in Betrieb gesetzten Gesellschaft bürgerlichen Rechts ausgeübt wird, ist nicht überzeugend.

     

    2.2 Abstriche von Berufsträgern gefertigt

    Die Beauftragung von Berufsträgern, d. h. von approbierten Ärzten, garantierte insbesondere im Anfangsstadium der Pandemie ein höheres Maß an Sicherheit und Gesundheitsvorsorge für die gesamte Bevölkerung. Zwar hat sich in der Folgezeit herausgestellt, dass auch die privatwirtschaftlich organisierten Testzentren nach entsprechender Schulung und Einweisung die notwendigen Qualitäts- und Hygieneanforderungen erfüllen konnten. Nur konnten in der Anfangszeit der Pandemie das Gesundheitsamt sowie die behandelnden Ärzte hiervon gerade nicht uneingeschränkt ausgehen. Gerade die Überweisung eines Personenkreises mit Verdachtsmomenten auf eine Infektion mit Corona durch das Gesundheitsamt oder durch die behandelnden niedergelassenen Ärzte machte es vielmehr erforderlich, professionell tätige Berufsträger mit ausreichenden Hygienemaßnahmen und ausreichender Erfahrung bei der Vornahme fachgerechter Abstriche zu beauftragen.

     

    Nimmt man die Ausgangssituation des Streitjahres 2020 hinzu, also den Beginn der Corona-Pandemie in Deutschland, als die durch den Corona-Virus verursachte konkrete pandemische Gefährdungslage überhaupt noch nicht überschaubar war und die Vornahme von Abstrichen für PCR-Tests noch den einzigen Weg darstellte, um individuelle Infektionen zu erkennen und die gesellschaftliche Ausbreitung des Virus zu messen, wird erkennbar, dass nach der allgemeinen Verkehrsanschauung das von approbierten Ärzten betriebene Abstrich- und Testzentrum als Teil einer originären ärztlichen Betätigung im Bereich der Diagnostik anzusehen gewesen ist. Dies umso mehr, als sowohl das örtliche Gesundheitsamt als auch die örtlichen Arztpraxen das von der Klägerin betriebene, ausgelagerte Testzentrum als wichtige Maßnahme ansahen, zur Vermeidung einer weiteren Ausbreitung des Corona-Virus potenziell infizierte Personen außerhalb der Arztpraxen testen zu lassen.

     

    Dem FA ist zwar einzuräumen, dass es über die Zeit der Pandemie hinweg zu einer gewissen „Verwässerung” der heilkundlich basierten und diagnostisch motivierten Testungsmaßnahmen insofern gekommen ist, als nach und nach eine Verlagerung der Abstriche und Testungen aus der rein ärztlichen Sphäre in die privatwirtschaftlich organisierten Abstrich- und Testzentren stattgefunden hat, eine Entwicklung, die ihren Abschluss schließlich darin fand, dass sich die Bürger jederzeit zu Hause und ganz privat mithilfe von Antigen-Schnelltests selbst testen konnten. Diese Entwicklung war zudem von dem Bestreben geprägt, es jedem Bürger jederzeit vor der Kontaktaufnahme mit Personen außerhalb seines eigenen Haushalts im privaten (Einkäufe, Familientreffen, Gastronomie- und Kulturbesuche, Behörden- und Arztbesuche, Krankenhaus- und Altenheimbesuche) oder im beruflichen Bereich zu ermöglichen, sich auf eine Infektion hin zu testen, um eine weitere Verbreitung des Virus zu unterbinden. Doch vermag das Gericht nicht zu erkennen, dass mit dieser Entwicklung zugleich die Vornahme der Abstriche und Tests durch approbierte Ärzte ihren Charakter als heilkundliche Tätigkeit verloren und sich in eine gewerbliche Betätigung verwandelt hat.

    3. Relevanz für die Praxis

    Zugegebenermaßen war die Haltung des FA, dass der Betrieb eines Corona-Testzentrums zu gewerblichen Einkünften führt, nicht ganz von der Hand zu weisen. Dies zeigt allein schon die Vielzahl von Corona-Testzentren, die während die Pandemie von nicht einschlägig vorgebildeten Personen betrieben wurden. Wohl gerade auch deshalb hatte das FG Köln die Revision zugelassen, die vom unterlegenen FA jedoch nicht eingelegt wurde.

     

    3.1 OFD-Verfügung geht von freiberuflichen Einkünften aus

    Man kann darüber spekulieren, ob das FA die Urteilsbegründung für so überzeugend gehalten hat, dass auf die Revision verzichtet wurde oder ob es erkannt hat, dass es mit seiner Haltung selbst innerhalb der Finanzverwaltung isoliert dastand. Immerhin hatte die OFD Frankfurt/M. (26.10.21, S 2245 A-018-St 214) verfügt: Die Durchführung von Corona-Tests durch Ärzte (sowohl PCR- als auch Antigen-Tests) ist nicht als gewerbliche Tätigkeit i. S. v. § 15 EStG einzuordnen. Dies gilt unabhängig von der jeweiligen medizinischen Fachrichtung der Ärzte. Unschädlich ist auch die Mithilfe anderer Personen (z. B. Arzthelferin/Arzthelfer) bei der Durchführung der Tests, wenn der Arzt weiterhin auch bei der Durchführung von Corona-Tests leitend und eigenverantwortlich (vgl. H 15.6 - Mithilfe anderer Personen) tätig ist.

     

    Wie dem auch sei: Das Urteil ist zu begrüßen und dürfte bei Ärzten für - weitere - Rechtssicherheit sorgen. Doch Vorsicht: Das Urteil ist kein Freibrief. Es bleibt dabei, dass berufsuntypische Aktivitäten als gewerbliche Tätigkeiten gelten und bei Durchführung in einer Personengesellschaft zur gewerblichen Infektion der freiberuflichen Einkünfte führen. Das betrifft insbesondere den Verkauf von Hilfsmitteln, also Aktivitäten, die Elemente des Handels aufweisen. Insofern sollten entsprechende Tätigkeiten unbedingt auf eine (personenidentische) GbR ausgegliedert werden, wenn die ärztliche Tätigkeit im Rahmen einer Gemeinschaftspraxis ausgeübt wird.

     

    Und selbst bei der Annahme von berufstypischen Tätigkeiten in einer GbR ‒ wie hier also bei der Vornahme der Corona-Tests ‒ muss dem FA gegenüber glaubhaft gemacht werden, dass die Berufsträger leitend und eigenverantwortlich tätig waren. So hat das FG Rheinland-Pfalz (16.9.21, 4 K 1270/19; Rev. BFH VIII R 4/22) entschieden, dass eine Gemeinschaftspraxis von Zahnärzten insgesamt als Gewerbebetrieb einzustufen ist, wenn einer der Ärzte für die Organisation, Verwaltung und Leitung der Praxis zuständig ist und nur noch in geringem Umfang eigene zahnärztliche Beratungs- und Behandlungsleistungen am Patienten erbringt. Folge: Der gesamte Sozietätsgewinn unterliegt der Gewerbesteuer. Und das kann - je nach Hebesatz der Gemeinde - extrem teuer sein.

     

    Im Besprechungsurteil selbst hat es das FG Köln als ausreichend erachtet, dass die Berufsträger die Tests in einem Umfang zwischen 5 ‒ 10 % der gesamten Test selbst vorgenommen haben bzw. dass glaubhaft gemacht werden konnte, dass das Personal nur unter Mitwirkung und Aufsicht eines Berufsträgers tätig wurde (siehe zu dem Thema auch BFH 4.8.20, VIII R 24/17). Sofern noch möglich, sollten Betroffene in diesem Punkt unbedingt Beweisvorsorge betreiben, um dem FA im Fall der Fälle darlegen zu können, dass tatsächlich leitend und eigenverantwortlich gearbeitet wurde.

     

    3.2 Umsatzsteuer und PCR-Tests

    Zu guter Letzt noch ein Blick auf die Umsatzsteuer: Nach Ansicht der Finanzverwaltung sind die von Arztpraxen durchgeführten Corona-Tests umsatzsteuerfrei. Die entsprechende Regelung findet sich in den FAQ „Corona“ (Steuern) unter Punkt 21 (Stand 21.3.23), wo es unter anderem heißt:

     

    • FAQ „Corona“ (21.3.23) Pkt. 21

    Corona-Tests (PCR-Tests einschließlich PoC-(NAT) PCR-Tests und PCR-Pooling-Tests, Antigen-Tests und Point-of-Care (PoC)-Antigen-Schnelltests) und Abstrichnahmen zur Vorbereitung dieser Tests, die von Ärzten oder Angehörigen ähnlicher Heilberufe durchgeführt oder bei Antigen-Tests zur Eigenanwendung von diesen vor Ort überwacht werden sowie die Ausstellung der entsprechenden COVID-19-Testzertifikate, sind nach § 4 Nr. 14 UStG umsatzsteuerfrei. Auch die Feststellung von asymptomatischen Kontaktpersonen sowie die Ausstellung eines COVID-19-Genesenenzertifikats fallen als Teil der therapeutischen Heilbehandlungsleistung unter die Umsatzsteuerbefreiung.

     

    Die Umsatzsteuerbefreiung gilt unabhängig von der persönlichen Veranlassung der getesteten Person und davon, wer für die Kosten aufkommt. Soweit die oben genannten weiteren Voraussetzungen erfüllt werden, sind auch die an Selbstzahler erbrachten Leistungen im Zusammenhang mit einem Corona-Test umsatzsteuerfrei.

     

    Labormedizinische Leistungen im Zusammenhang mit der COVID-19-Testung sind unter den weiteren Voraussetzungen des § 4 Nr. 14 Buchstabe b UStG umsatzsteuerfrei. Dies gilt auch dann, wenn die getestete Person (noch) keine Symptome einer COVID-19-Infektion aufweist oder der Test vorsorglich durchgeführt wird. Labordiagnostische Leistungen zur Sequenzierung von Mutationen fallen nicht unter die Umsatzsteuerbefreiung, da diese nicht Teil einer bestimmten Heilbehandlungsleistung sind.

     

    Antikörper-Tests zum Nachweis auf Antiköper gegen das Coronavirus SARS-CoV-2 sind als Teil einer medizinisch indizierten Heilbehandlungsleistung nach § 4 Nr. 14 des UStG nur dann umsatzsteuerfrei, wenn der Test im Rahmen einer Behandlung durch Ärzte bzw. im Krankenhaus durchgeführt wird.

    Quelle: Ausgabe 11 / 2024 | Seite 297 | ID 50128571