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  • · Fachbeitrag · Gesetzgebung

    Wachstumschancengesetz ‒ Das ändert sich für Freiberufler!

    von Dipl.-Finanzwirt Marvin Gummels, Hage

    | Am 28.3.24 wurde nach vielen Diskussionen zwischen Bundestag und Bundesrat das Wachstumschancengesetz verkündet. Auch wenn das Entlastungsvolumen stark reduziert und viele geplante Steuererleichterungen gestrichen wurden, enthält es noch immer viele deutliche Verbesserungen für alle Freiberufler. PFB macht Sie mit diesen vertraut und zeigt, was für die Beratungspraxis ab sofort zu beachten ist. |

    1. Einkommensteuer

    1.1 Geschenkegrenze auf 50 EUR angehoben

    Überreicht der Freiberufler einem Geschäftspartner ein Geschenk, zum Beispiel zu Weihnachten, dann sind die Aufwendungen nicht als Betriebsausgabe abzugsfähig (§ 4 Abs. 5 Nr. 1 EStG). Doch keine Regel ohne Ausnahme. Die Geschenke können doch abgesetzt werden, wenn die Anschaffungskosten der dem Geschäftspartner im Jahr zugewendeten Geschenke insgesamt nicht 35 EUR übersteigen. Bei den 35 EUR handelt es sich um eine Freigrenze, nicht um einen Freibetrag. Wird die Grenze auch um einen Cent überschritten, entfällt der Betriebsausgabenabzug. Ist der Freiberufler zum Vorsteuerabzug berechtigt, dann handelt es sich um eine Nettogrenze. Ist der Freiberufler hingegen von dem Vorsteuerabzug ausgeschlossen (z. B. ein Arzt), dann handelt es sich um eine Bruttogrenze.

     

    Das ist neu: | Die Freigrenze von 35 EUR wurde ab 2024 auf 50 EUR angehoben. Gleichermaßen wurde auch die Grenze für zum Vorsteuerabzug berechtigende Geschenke auf 50 EUR angehoben (§ 15 Abs. 1a S. 1 UStG). Ist der Freiberufler zum Vorsteuerabzug berechtigt, kann also bei Geschenken bis zu 59,50 EUR (19 % USt.) die Vorsteuer abgezogen und der Betriebsausgabenabzug beansprucht werden.

     

    PRAXISTIPP | Geschenke des Freiberuflers für die eigenen Mitarbeiter sind immer als Betriebsausgabe abzugsfähig. Hier kann eine Lohnversteuerung auf Ebene des Mitarbeiters erforderlich werden, wenn das Geschenk teurer als 50 EUR ist.

     

    1.2 E-Firmenwagen bis 70.000 EUR privilegiert

    Die private Mitbenutzung eines betrieblichen Firmenwagens durch den Freiberufler unterliegt als gewinnerhöhende Privatentnahme der Besteuerung. Anzusetzen sind gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 4 S. 2 EStG grundsätzlich pro Monat 1 % des Bruttolistenneupreises (BLP) im Zeitpunkt der Erstzulassung. Hinzu kommen pro Monat nicht abzugsfähige Betriebsausgaben von 0,03 % des BLP je einfachem Entfernungskilometer zwischen der Praxis des Freiberuflers und seiner Wohnung, falls der Freiberufler das Fahrzeug auch für diese Fahrten verwendet (§ 4 Abs. 5 Nr. 6 EStG). Vorteil für reine E-Fahrzeuge: Hier reduziert sich der BLP auf die Hälfte, was 50 % an Steuern spart. Beläuft sich der BLP auf nicht mehr als 60.000 EUR, ist er sogar auf ein Viertel zu reduzieren.

     

    Das ist neu: | Die Grenze von 60.000 EUR wurde für alle ab dem 1.1.24 angeschafften E-Fahrzeuge auf 70.000 EUR angehoben (§ 52 Abs. 12 S. 5 EStG).

     

    • Beispiel

    Freiberufler Frank besitzt seit 2022 einen reinen E-Firmenwagen mit einem BLP von 65.000 EUR. Er verkauft das Fahrzeug zum 1.4.24 an Freiberufler Ferdinand. Beide nutzen das Fahrzeug betrieblich und privat.

     

    Lösung: Frank muss für die Privatnutzung bis März 2024 den halben BLP ansetzen, da dieser mit 65.000 EUR den für ihn geltenden Grenzwert von 60.000 EUR übersteigt. Ferdinand dagegen profitiert von dem geviertelten Ansatz. Denn seine Anschaffung erfolgte nach dem 31.12.23 und der Listenpreis von 65.000 EUR übersteigt nicht den neuen Grenzwert von 70.000 EUR. Fazit: Es profitieren auch „neue“ Gebrauchtfahrzeuge von der angehobenen Grenze.

     

    Wichtig: Für die Umsatzsteuer (unentgeltliche Wertabgabe) ist zu beachten, dass bei E-Fahrzeugen immer der volle BLP anzusetzen ist (Abschn. 15.23 Abs. 5 Nr. 1 Buchst. a UStAE).

     

    1.3 Degressive Abschreibung für bewegliche Wirtschaftsgüter reaktiviert

    Erfolgte die Anschaffung eines beweglichen Wirtschaftsguts des Anlagevermögens nach dem 31.12.19 und vor dem 1.1.23, bestand für Freiberufler ein Wahlrecht: Die Abschreibung konnte linear über die betriebsgewöhnliche Nutzungsdauer oder degressiv vorgenommen werden (§ 7 Abs. 1, 2 EStG). Die degressive Abschreibung betrug dann das 2,5-fache der linearen Abschreibung (max. 25 %) und bezog sich auf den noch nicht abgeschriebenen Restbuchwert. Ein späterer Übergang von der degressiven zur linearen Abschreibung war zulässig, ein Übergang von der linearen zur degressiven Abschreibung hingegen verboten (§ 7 Abs. 3 EStG).

     

    Das ist neu: | Die Möglichkeit einer degressiven Abschreibungen gilt auch bei einer Anschaffung nach dem 31.3.24 und vor dem 1.1.25. Allerdings beträgt die neue degressive Abschreibung nur das 2,0-fache der linearen Abschreibung und maximal 20 %. Sie kann damit erst bei einer Nutzungsdauer von mindestens sechs Jahren vorteilhaft sein (fünf Jahre = 20 %).

     

    1.4 Sonderabschreibungen nach § 7g Abs. 5 EStG angehoben

    § 7g Abs. 5 EStG regelt, dass Freiberufler für abnutzbare bewegliche Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens im Jahr der Anschaffung und in den vier folgenden Jahren neben der linearen oder degressiven Abschreibung zusätzlich Sonderabschreibungen von bis zu 20 % der Anschaffungskosten geltend machen können. Der Vorteil: Die 20 % können variabel auf diese fünf Jahre verteilt werden. Es ist weder erforderlich, dass in jedem der fünf Jahre Sonderabschreibungen vorgenommen werden, noch, dass der Höchstbetrag (20 %) ausgereizt wird. Ebenso kann für jedes Wirtschaftsgut gesondert entschieden werden, ob und wenn ja in welcher Höhe Sonderabschreibungen geltend gemacht werden. Damit eignen sich Sonderabschreibungen insbesondere zur Glättung des erzielten Gewinns zur Abmilderung von Progressionssprüngen.

     

    Das ist neu: | Der Grenze für Sonderabschreibungen von maximal 20 % wurde für Wirtschaftsgüter, die nach dem 31.12.23 angeschafft werden, auf 40 % angehoben. Dadurch lässt sich erheblich gestaltend eingreifen. Bei dem Ansatz von Sonderabschreibungen ab 2024 ist entsprechend zu prüfen, wann genau das Wirtschaftsgut angeschafft oder hergestellt wurde:

    • vor dem 1.1.24: max. 20 % Sonderabschreibung
    • nach dem 31.12.23: max. 40 % Sonderabschreibung

     

    Zudem ist zu berücksichtigen, dass bei Vornahme von Sonderabschreibungen die weitere lineare Abschreibung ab dem 6. Jahr der Nutzungsdauer (Auslaufen des Begünstigungszeitraums des § 7g Abs. 5 EStG) gemäß § 7a Abs. 9 EStG neu zu berechnen ist. Die neue lineare Abschreibung errechnet sich, indem der noch nicht abgeschriebene Restbuchwert auf die Restnutzungsdauer verteilt wird.

     

    Die Sonderabschreibung ist nur zulässig, wenn (§ 7g Abs. 6 EStG)

    • der Gewinn aus der freiberuflichen Tätigkeit im Jahr vor der Anschaffung des Wirtschaftsguts maximal 200.000 EUR beträgt und
    • das Wirtschaftsgut im Jahr der Anschaffung und in dem folgenden Wirtschaftsjahr vermietet oder in einer inländischen Betriebsstätte des Freiberuflers ausschließlich oder fast ausschließlich betrieblich genutzt wird (private Mitbenutzung durch den Freiberufler maximal zu 10 %).

     

    1.5 Neue degressive Gebäudeabschreibung für Mietwohnungen

    Neu gebaute Immobilien sind linear mit jährlich 3 % abzuschreiben (§ 7 Abs. 4 Nr. 1 und Nr. 2 Buchst. a EStG). Das gilt unabhängig davon, ob die Immobilie durch die Praxis des Freiberuflers genutzt oder zu Wohnzwecken vermietet wird.

     

    Das ist neu: | Für Wohngebäude wurde eine degressive Abschreibung eingeführt (§ 7 Abs. 5a EStG). Diese beläuft sich auf jährlich 5 % des noch nicht abgeschriebenen Restbuchwerts. Voraussetzung ist, dass die Anschaffung der Immobilie im Jahr der Fertigstellung aufgrund eines nach dem 30.9.23 und vor dem 1.10.29 abgeschlossenen Vertrags erfolgt. Stellt der Freiberufler das Gebäude selbst her, dann muss mit der Herstellung nach dem 30.9.23 aber vor dem 1.10.29 begonnen werden. Maßgebend für den Beginn ist das Datum der landesrechtlichen Baubeginnanzeige. Ein späterer Übergang von der degressiven zur linearen Abschreibung ist möglich (neue lineare Abschreibung: Restwert geteilt durch Restnutzungsdauer).

     

    Zwar sind nur Wohngebäude begünstigt, dennoch können auch Freiberufler profitieren. Zum Beispiel weil sie in ein Wohngebäude zur privaten Kapitalanlage investieren, oder weil sich in dem Praxisgebäude nicht nur die Praxis des Freiberuflers, sondern vielleicht im Obergeschoss auch eine vermietete Wohnung befindet (§ 7 Abs. 5b EStG und R 4.2 Abs. 4 EStR).

     

    PRAXISTIPP | Durch eine parallele Änderung des § 7b EStG können zusätzlich zu der degressiven Abschreibung auch Sonderabschreibungen von vier Jahre lang bis zu 5 % geltend gemacht werden. Damit können effektiv bis zu 37,1 % der Immobilie in nur vier Jahren abgeschrieben werden! Bei § 7b EStG ist zudem zu beachten, dass die Baukostenobergrenze von bisher 4.800 EUR je Quadratmeter Wohnfläche rückwirkend für nach dem 31.12.22 gestellte Bauanträge auf 5.200 EUR angehoben wurde (§ 7b Abs. 2 S. 2 Nr. 2 EStG). Ferner wurde auch die Bemessungsgrundlage für die Sonderabschreibung von bisher maximal 2.500 EUR je Quadratmeter Wohnfläche rückwirkend für nach dem 31.12.22 gestellte Bauanträge auf 4.000 EUR angehoben (§ 7b Abs. 3 Nr. 2 EStG).

     

    1.6 Höhere Steuerfreibeträge bei der späteren Rente

    Irgendwann endet auch für einen Freiberufler das aktive Berufsleben und es wird eine Rente bezogen ‒ entweder aus der gesetzlichen Rentenversicherung oder aus einer berufsständischen Versorgungseinrichtung. Bei beiden Renten handelt es sich um sonstige Einkünfte i. S. des § 22 Nr. 1 S. 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa EStG. Der Vorteil: Bei einem Renteneintritt bis zum Jahr 2039 bleibt ein kleiner Prozentsatz der Rente steuerfrei ‒ und dass ein Leben lang. Während dieser Prozentsatz 2022 noch bei 18 % lag, reduziert er sich für jedes Jahr des späteren Renteneintritts um 1 %.

     

    Das ist neu: | Beginnend mit dem Jahr 2023 reduziert sich der steuerfreie Teil der Rente nicht mehr um 1, sondern nur um 0,5 % pro Jahr. Das führt einerseits dazu, dass Freiberufler bei einem Rentenbeginn ab 2023 von einem höheren lebenslangen Freibetrag profitieren. Andererseits bleibt bis zum Rentenbeginn im Jahr 2057 noch ein kleiner Teil der Rente steuerfrei.

     

    • Beispiel

    Ein Arzt geht voraussichtlich im Januar 2026 in Rente. Er erwartet eine Rente aus dem berufsständischen Versorgungswerk von monatlich 2.000 EUR.

     

    Lösung: Der Jahresbetrag der Rente beträgt 24.000 EUR. Nach bisheriger Rechtslage wären davon jährlich 3.360 EUR steuerfrei geblieben (14 %). Durch die Gesetzesänderung bleiben jedoch jährlich 3.840 EUR steuerfrei (16 %). Bei einem Grenzsteuersatz von 35 % spart das für jedes Jahr des Rentenbezugs etwa 168 EUR Steuern (3.840 ./. 3.360 = 480 x 35 %).

     

    2. Lohnsteuer

    2.1 E-Dienstwagen bis 70.000 EUR privilegiert

    Überlässt ein Freiberufler einem Mitarbeiter ein Praxisfahrzeug auch zur privaten Nutzung, dann entsteht dadurch ein steuer- und beitragspflichtiger Sachbezug. Maßgebend ist grundsätzlich 1 % des Bruttolistenneupreises (BLP) pro Monat (§ 8 Abs. 2 S. 2 ff. EStG). Handelt es sich um ein reines E-Fahrzeug und wurde es erstmals nach dem 31.12.18 einem Arbeitnehmer überlassen, dann ist der BLP nur zur Hälfte anzusetzen. Beläuft sich der BLP auf nicht mehr als 60.000 EUR, dann wird er nur zu einem Viertel angesetzt. Das spart beim Mitarbeiter rund 75 % Steuern und Sozialabgaben im Vergleich zu einem Verbrenner.

     

    Das ist neu: | Die Grenze von 60.000 EUR wurde ab dem 1.1.24 auf 70.000 EUR angehoben. Anders als bei der privaten Fahrzeugnutzung durch den Freiberufler (siehe Abschnitt 1.2) gilt für den auf 70.000 EUR angehobenen Grenzwert aber nicht das Datum der Anschaffung des E-Fahrzeugs, sondern das Datum der erstmaligen Überlassung an einen Mitarbeiter (analog BMF 5.11.21, Rz. 22).

     

    • Beispiel

    Ein Freiberufler hat 2022 ein E-Fahrzeug mit einem BLP von 65.000 EUR angeschafft und bisher nur betrieblich genutzt. Ab April 2024 überlässt er das E-Fahrzeug erstmals einem Mitarbeiter auch zur privaten Nutzung.

     

    Lösung: Da bei der Sachbezugsbewertung nicht das Datum der Anschaffung, sondern das Datum der erstmaligen Überlassung an einen Mitarbeiter maßgebend ist, profitiert der Mitarbeiter von der auf 70.000 EUR angehobenen Grenze. Der BLP ist zur Ermittlung der Sachbezüge nur mit einem Viertel anzusetzen.

     

    Wichtig: Für die Umsatzsteuer (unentgeltliche Wertabgabe) ist zu beachten, dass bei E-Fahrzeugen immer der volle BLP anzusetzen ist (Abschn. 15.23 Abs. 5 Nr. 1 Buchst. a UStAE).

     

    2.2 Gruppenunfallversicherungen verbessert

    Einige Freiberufler schließen zur privaten Absicherung ihrer Mitarbeiter und als Gehalts-Benefit eine Gruppenunfallversicherung ab. Das Problem: Die vom Freiberufler geleisteten Versicherungsprämien unterliegen bei den Mitarbeitern als Sachbezug der Besteuerung und den Sozialabgaben ‒ und das ist häufig nicht gewollt. Einen Ausweg bietet § 40b Abs. 3 EStG. Danach kann der Freiberufler die Steuer zu seinen Lasten mit 20 % pauschalieren. Damit wird nicht nur die Besteuerung für die Mitarbeiter umgangen, sondern es entfallen auch die Sozialabgaben. Der Haken an der lukrativen Lohnsteuerpauschalierung ist allerdings, dass sie nur zulässig ist, wenn der auf jeden Mitarbeiter entfallende Anteil an der Versicherungsprämie ohne Berücksichtigung der enthaltenen Versicherungssteuer nicht mehr als 100 EUR beträgt. Teure Versicherungen sind damit nicht privilegiert und auch Beitragserhöhungen können dazu führen, dass die Unfallversicherung von einem auf das andere Jahr nicht mehr begünstigt ist.

     

    Das ist neu: | Die Grenze von 100 EUR wurde rückwirkend ab dem 1.1.24 aufgehoben. Damit können Freiberufler auch teure und viel besser ausgestattete Gruppenunfallversicherungen für ihre Mitarbeiter abschließen und pauschalieren.

     

    2.3 1/5-Regelung im Lohnsteuerabzugsverfahren abgeschafft

    Erstellen Freiberufler selbst die Lohnabrechnung für ihre Mitarbeiter, ergibt sich ein Problem, wenn ein Mitarbeiter eine (Entlassungs-)Entschädigung oder eine Vergütung für mehrjährige Tätigkeiten erhält. Denn hier muss der Freiberufler prüfen, ob die Voraussetzungen für die ermäßigte Besteuerung mit der 1/5-Regelung erfüllt sind (§ 39b Abs. 2 S. 9 und 10 i. V. m. § 34 Abs. 1 und 2 Nr. 2 bis 4 EStG). Ist das der Fall, hat er die Lohnsteuer gesondert und ermäßigt zu berechnen. Das erweist sich in der Praxis deshalb als problematisch, weil die Voraussetzungen für die 1/5-Regelung oft erst am Schluss des Jahres abschließend geprüft werden können. Stichwort: „Zusammenballung von Einkünften“.

     

    Das ist neu: | Die 1/5-Regelung wurde ab 2025 im Lohnsteuerabzugsverfahren abgeschafft. Freiberufler besteuern deshalb potenziell begünstigte Zahlungen ab 2025 ganz normal und nicht ermäßigt. Dadurch trifft den Mitarbeiter eine höhere Steuerbelastung, welche jedoch nur von kurzer Dauer ist. Denn gibt der Mitarbeiter beim FA seine private Einkommensteuererklärung ab, dann prüft das FA die Voraussetzungen für die ermäßigte Besteuerung und gewährt diese. Die Folge: Der Mitarbeiter erhält eine (hohe) Steuererstattung.

     

    PRAXISTIPP | Damit das FA die Prüfung vornehmen kann, müssen Freiberufler weiterhin die für die 1/5-Regelung infrage kommenden Arbeitslöhne gesondert in der Lohnsteuerbescheinigung der betroffenen Mitarbeiter ausweisen.

     

    3. Umsatzsteuer

    3.1 Abgabe von Umsatzsteuerjahreserklärungen vereinfacht

    Jeder Freiberufler ist Unternehmer i. S. d. § 2 Abs. 1 UStG. Dabei macht es keinen Unterschied, ob der Freiberufler umsatzsteuerpflichtige Umsätze tätigt (z. B. Ingenieur, Steuerberater oder Rechtsanwalt) oder ob ausschließlich umsatzsteuerfreie Umsätze getätigt werden (z. B. Arzt). Die Folge: Als Unternehmer ist jeder Freiberufler gemäß § 18 Abs. 3 UStG dazu verpflichtet, dem FA jährlich eine Umsatzsteuererklärung zu übermitteln. Das gilt sogar dann, wenn der Freiberufler die Kleinunternehmerregelung anwendet und er deshalb ohnehin keine Umsatzsteuer abführen muss (§ 19 Abs. 1 UStG).

     

    Das ist neu: | Durch einen geänderten § 19 Abs. 1 S. 4 UStG sind Kleinunternehmer ab dem Veranlagungszeitraum 2024 von der Abgabe der Umsatzsteuererklärung befreit. Damit müssen als Kleinunternehmer tätige Freiberufler letztmals für 2023 eine Umsatzsteuererklärung an das FA zu übermitteln.

     

    PRAXISTIPP | In den Fällen des § 18 Abs. 4a UStG und bei gesonderter Aufforderung durch das FA (§ 149 Abs. 1 S. 2 AO) muss der als Kleinunternehmer tätige Freiberufler auch ab 2024 eine Umsatzsteuerjahreserklärung abgeben.

     

    3.2 Abgabe von Umsatzsteuervoranmeldungen vereinfacht

    Beträgt die von dem Freiberufler für das Vorjahr an das FA zu entrichtende Umsatzsteuer mehr als 7.500 EUR, muss er neben der Umsatzsteuererklärung auch monatlich eine Umsatzsteuervoranmeldung abgeben. Bei einer geringeren Umsatzsteuerschuld für das Vorjahr ist er hingegen zur quartalsweisen Abgabe von Umsatzsteuervoranmeldungen verpflichtet. Nur wenn die für das Vorjahr entrichtete Steuer nicht mehr als 1.000 EUR beträgt, kann der Freiberufler von der Verpflichtung zur Abgabe von Umsatzsteuervoranmeldungen befreit werden. Er muss dann natürlich trotzdem die Umsatzsteuerjahreserklärung abgegeben.

     

    Das ist neu: | Die Grenze für die Befreiung von der Abgabe von Voranmeldungen wurde ab 2024 auf 2.000 EUR angehoben. Dadurch profitieren mehr Freiberufler von einer nur jährlich abzugebenden Umsatzsteuererklärung.

     

    3.3 Verzicht auf die Kleinunternehmerregelung 2 Jahre lang möglich

    Für viele Freiberufler gilt die unbürokratische Kleinunternehmerregelung (§ 19 Abs. 1 UStG, Umsatz Vorjahr max. 22.000 EUR/lfd. Jahr voraussichtlich max. 50.000 EUR). Der Vorteil: Der ganze Bürokratieaufwand mit der Umsatzsteuer wird umgangen. Dennoch möchten in der Praxis häufig Freiberufler lieber die Regelbesteuerung anwenden, zum Beispiel um in den Genuss des Vorsteuerabzugs zu gelangen. Diese Option zur Regelbesteuerung war bisher gemäß § 19 Abs. 2 UStG bis zur Unanfechtbarkeit der Steuerfestsetzung des jeweiligen Jahres zulässig.

     

    Das ist neu: | Durch einen neu gefassten § 19 Abs. 2 UStG wurde eine starre zeitliche Grenze für die Erklärung der Option zur Regelbesteuerung eingeführt. Die Option kann ab dem Veranlagungszeitraum 2024 nur bis zum Ablauf des zweiten auf den Besteuerungszeitraum folgenden Kalenderjahres erklärt werden. Möchte ein Freiberufler für 2024 weg von der Kleinunternehmerregelung und hin zur Regelbesteuerung optieren, dann muss die Option bis zum 31.12.26 erfolgen.

     

    3.4 Besteuerung nach vereinnahmten Entgelten verbessert

    Gilt die Regelbesteuerung, dann ist die Umsatzsteuer gemäß § 16 Abs. 1 UStG nach vereinbarten Entgelten zu berechnen. Das bedeutet, dass die Umsatzsteuer bereits für den Monat (oder Quartal bzw. Jahr) beim FA anzumelden und an dieses abzuführen ist, in welchem die Steuer entsteht. Das Problem: Dieser Zeitpunkt fällt in der Praxis in fast jedem Fall mit dem Zeitpunkt auseinander, zu welchem der Kunde die in Anspruch genommene Leistung bezahlt. Diese Systematik führt also dazu, dass der Freiberufler mit der Umsatzsteuer in Vorleistung gehen muss.

     

    Abhilfe schafft ein Antrag auf Besteuerung nach vereinnahmten Entgelten (§ 20 UStG). Ist dieser zulässig und gibt das FA dem Antrag statt, ist die Umsatzsteuer erst in dem Monat, Quartal oder Jahr an das FA abzuführen, in welchem sie vom Kunden vereinnahmt wurde. Zulässig ist dieser Antrag,

    • wenn der Gesamtumsatz (§ 19 Abs. 3) im vorangegangenen Kalenderjahr nicht mehr als 600.000 EUR betragen hat oder
    • wenn es sich um Umsätze aus einer Tätigkeit als Angehöriger eines freien Berufs im Sinne des § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG handelt.

     

    Das ist neu: | Die Umsatzgrenze wurde ab 2024 auf 800.000 EUR angehoben. Damit wurde auch ein Gleichlauf zu den Grenzen für die verpflichtende Buchführung von Gewerbetreibenden gewahrt. Denn hier wurden die Umsatzgrenzen in § 141 AO und § 241a HGB ebenfalls auf 800.000 EUR angehoben.

     

    3.5 Einführung der verpflichtend zu verwendenden „eRechnung“

    Bisher müssen Freiberufler ihre Rechnungen grundsätzlich in Papierform ausstellen. Eine elektronische Rechnung (z. B. per Mail als PDF) ist nur mit Zustimmung des Empfängers zulässig. Jetzt wurde aber eine Pflicht zur Verwendung einer „eRechnung“ eingeführt. Diese eRechnung ist eine Rechnung, die in einem strukturierten elektronischen Format ausgestellt, übermittelt und empfangen werden kann und eine elektronische Verarbeitung ermöglicht (§ 14 UStG). Es handelt sich also nicht um eine Rechnung als PDF per Mail, sondern um einen elektronischen Datensatz, welcher strukturiert auslesbare Informationen über die Rechnung bzw. den Rechnungsinhalt enthält (wie z. B. die „XRechnung“).

     

    Diese eRechnung ist immer dann zwingend zu verwenden, wenn der Freiberufler

    • eine Lieferung/sonstige Leistung i. S. d. § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG ausführt,
    • der Umsatz nicht nach § 4 Nr. 8 bis 29 UStG steuerfrei ist,
    • Leistungsempfänger ein anderer Unternehmer ist und dieser die Leistung für sein Unternehmen bezieht (B2B-Umsatz) und
    • der leistende Unternehmer und der Leistungsempfänger im Inland oder in einem der in § 1 Abs. 3 UStG bezeichneten Gebiete ansässig sind.

     

    In diesen Fällen ist deshalb eine herkömmliche Abrechnung per Papierrechnung oder PDF unzulässig. Ausnahme: Kleinbetragsrechnungen, also Rechnungen, deren Gesamtbetrag 250 EUR nicht übersteigen und Fahrausweise sind von der Pflicht zur Nutzung der eRechnung befreit (§§ 33, 34 UStDV).

     

    Wie oft im Steuerrecht sind Übergangsvorschriften vorhanden. Die eRechnung kann erstmals freiwillig ab dem 1.1.25 verwendet werden ‒ nicht früher. Ein verpflichtender Einsatz muss hingegen erst ab dem 1.1.27 erfolgen. Beläuft sich der Umsatz für 2026 auf nicht mehr als 600.000 EUR, gilt der verpflichtende Einsatz sogar erst ab 2028 (§ 27 Abs. 38 UStG). Dennoch sollten Freiberufler nicht die Übergangsregelungen abwarten, sondern noch 2024 handeln. Denn erwerben Freiberufler z. B. im Januar 2025 Ausstattungsgegenstände für das Büro (z. B. einen neuen Schreibtisch), kann es sein, dass der leistende Unternehmer hierfür bereits freiwillig die eRechnung verwendet. Freiberufler sollten deshalb sicherstellen, dass sie die neue eRechnung ab 2025 elektronisch auslesen bzw. verarbeiten können. Andernfalls könnte es Probleme bei der Rechnungsprüfung und Bezahlung geben.

     

    PRAXISTIPP | Das BMF plant, ein kostenloses Tool zum Erstellen und zum Visualisieren von eRechnungen zu schaffen. Ob und wenn ja wann es dazu wirklich kommt und wie komfortabel das Tool für die tägliche Arbeit sein wird, bleibt abzuwarten.

     
    Quelle: Ausgabe 05 / 2024 | Seite 123 | ID 49964398

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