Praxiswissen auf den Punkt gebracht.
logo
  • Meine Produkte
    Bitte melden Sie sich an, um Ihre Produkte zu sehen.
Menu Menu
MyIww MyIww
  • · Fachbeitrag · Gesetzgebung

    Wachstumschancengesetz ‒ Sind jetzt auch innerstaatliche Steuergestaltungen anzuzeigen?

    von Dr. Stephan Peters, Haltern am See

    | So bunt wie die Gestaltung der Überschrift „Stärkung von Wachstumschancen, Investitionen und Innovation sowie Steuervereinfachung und Steuerfairness“ ist auch der Inhalt des Regierungsentwurfs dieses Wachstumschancengesetzes. Der Entwurf stellt ertragsteuerlich klar, dass das MoPeG für die Besteuerung von Personengesellschaften keine wesentlichen Änderungen bringt. Darüber hinaus werden aber auch wesentliche Neuerungen formuliert, insbesondere die Pflicht zur Mitteilung von innerstaatlichen Steuergestaltungen. |

    1. Mitteilungspflichten innerstaatliche Steuergestaltungen

    Kommt sie oder kommt sie nicht, die Pflicht zur Anzeige von innerstaatlichen Steuergestaltungen? Geht es nach dem Entwurf, so soll sie ab dem 1.1.25 gelten, aber auch in dem Zeitraum bis zum 1.1.25 sollen bereits Einschränkungen gelten. Um zu verhindern, dass im Zeitraum bis zum 1.1.25 Maßnahmen zur Umgehung der Mitteilungspflichten treffen, sollen bereits solche Fälle unter die Pflicht zur Mitteilung innerstaatlicher Steuergestaltungen fallen, in denen der erste Schritt einer mitteilungspflichtigen Steuergestaltung nach dem Tag der Verkündung und vor dem erstmaligen Anwendungszeitpunkt der Vorschriften umgesetzt wird.

     

    1.1 Ausgestaltung der Mitteilungspflichten

    Geregelt werden die Mitteilungspflichten nach dem Entwurf in den §§ 138l ff. AO n. F. Neben der Etablierung einer „Mitteilungspflicht über innerstaatliche Steuergestaltungen“ (§ 183l AO) werden der verpflichtete Personenkreis (§ 138m AO) und Fragen des Verfahrens (§ 138n AO) geregelt. Im Kern soll das, was mit dem Gesetz zur Einführung einer Pflicht zur Mitteilung grenzüberschreitender Steuergestaltungen seit 2020 gilt (BGBl I 19, 2875), in Zukunft auch für innerstaatliche Gestaltungen gelten, wobei einige Besonderheiten formuliert werden. Was unter einer mitteilungspflichtigen innerstaatlichen Gestaltung zu verstehen ist, versucht der Gesetzgeber in § 138l AO zu definieren. Eine innerstaatliche Gestaltung ist nach § 138l Abs. 2 AO jede Gestaltung,

    • die keine grenzüberschreitende Steuergestaltung i. S. d. § 138d Abs. 2 i. V. m. § 138e AO ist,
    • die eine Steuer vom Einkommen oder Vermögen, die Gewerbesteuer, die Erbschaft- oder Schenkungsteuer oder die Grunderwerbsteuer zum Gegenstand hat,
    • die mindestens ein Kennzeichen i. S. d. § 138l Abs. 3 AO aufweist
    • und von der ein verständiger Dritter unter Berücksichtigung aller wesentlichen Faktoren und Umstände vernünftigerweise erwarten kann, dass der Hauptvorteil oder einer der Hauptvorteile die Erlangung eines steuerlichen Vorteils i. S. d. § 138d Abs. 3 S. 1 AO ist, der im Geltungsbereich dieses Gesetzes entsteht.

     

    Während die ersten beiden Punkte noch deutlich sind, werfen die Punkte drei und vier teilweise erhebliche Fragen auf. Wann kann ein verständiger Dritter beispielsweise „vernünftigerweise erwarten“, dass ein solcher Hauptvorteil vorliegt. Hier bleibt der Entwurf noch sehr offen. Ähnlich problematisch sind die in § 138l Abs. 3 AO formulierten Fallgruppen, wobei sich insoweit Ähnlichkeiten zu den gesetzlich normierten Fallgruppen bei grenzüberschreitenden Konstellationen (§ 138e AO) ergeben, die zum Teil wortgleich übernommen wurden. Hier ergäben sich auch für die Auslegung und praktische Handhabung der Vorschriften Überschneidungen und ein Gleichlauf von innerstaatlichen und grenzüberschreitenden Gestaltungen.

     

    1.2 Vertraulichkeitsklausel und Mehrfachberücksichtigung

    Der Abschluss einer Vertraulichkeitsklausel, eine Vergütung in Bezug auf erlangte steuerliche Vorteile, eine standardisierte Dokumentation oder Struktur der Gestaltung für mehr als einen Nutzer oder bestimmte Gestaltungen wie etwa der Kauf von verlustbringenden Unternehmen zur Ausnutzung der Verluste können in Zukunft Mitteilungspflichten auslösen. Mitteilungspflichtig sind nach dem Entwurf insbesondere auch Konstellationen, die zu einer gesetzlich nicht vorgesehen Mehrfachberücksichtigung und daher zu einer Verringerung von Steueransprüchen führen (§ 138l Abs. 3 Nr. 3 d AO). Außerdem sollen Kopplungsgeschäfte, wenn „durch aufeinander abgestimmte Rechtsgeschäfte zweckgerichtet steuerwirksame Verluste und ganz oder teilweise steuerfreie Einkünfte erzeugt werden“ eine Steuergestaltung begründen (§ 138l Abs. 3 Nr. 3 e AO). Letzter im Entwurf normierter Fall ist die Konstellation, in der „ein an der Gestaltung Beteiligter unangemessene rechtliche Schritte unternimmt, um für sich oder einen Dritten einen steuerlichen Vorteil im Bereich des Steuerabzugs vom Kapitalertrag zu erzeugen“ (§ 138l Abs. 3 Nr. 3 f AO).

     

    PRAXISTIPP | Positiv hervorzuheben ist die dem BMF eröffnete Möglichkeit zur Erstellung einer „Whitelist“, in der unproblematische Gestaltungen veröffentlicht werden (§ 138l Abs. 2 S. 2 AO). Insgesamt dürfte mit der Einführung von Mitteilungspflichten bei innerstaatlichen Gestaltungen ein deutlich erhöhter Arbeitsaufwand einhergehen, sei es durch die Prüfung, ob ein der Mitteilungspflicht unterliegender Fall vorliegt, oder für die Erstellung einer entsprechenden Mitteilung.

     

    2. MoPeG

    Bei Erlass des MoPeG war es das ausdrücklich formulierte Ziel des Gesetzgebers, ertragsteuerliche Auswirkungen des MoPeG möglichst zu vermeiden. Dies scheint in ertragsteuerliche Sicht durch den nunmehr vorgelegten Entwurf zur Änderung der Abgabenordnung weitestgehend gelungen. Die große Reform des Unternehmenssteuerrechts und die Aufgabe des Transparenzprinzips bleibt jedenfalls aus.

     

    2.1 Anknüpfung an das Zivilrecht

    Die AO knüpft begrifflich nunmehr an die zivilrechtlichen Regelungen an. Auch die AO differenziert zukünftig in § 14a AO zwischen der rechtsfähigen und der nicht rechtsfähigen Personenvereinigung.

     

    Zu den rechtsfähigen Personenvereinigungen zählen danach insbesondere die rechtsfähige Personengesellschaft i. S. d. § 705 ff. BGB, also

    • Personenhandelsgesellschaften,
    • Partnerschaftsgesellschaften und
    • Gemeinschaften der Wohnungseigentümer (§ 9a WEG).

     

    Zu den nicht rechtsfähigen Personenvereinigungen zählen

    • die Bruchteilsgemeinschaft (§ 741 BGB),
    • die Gütergemeinschaft (§ 1415 BGB) und
    • die Erbengemeinschaft (§ 2032 BGB).

     

    Auf die nicht rechtsfähigen Gesellschaften i. S. d. § 740 BGB sind die für die nicht rechtsfähigen Personengesellschaften geltenden Vorschriften sinngemäß anzuwenden (Ausnahme § 267 Abs. 1 S. 1 AO). Begründet wird dies insbesondere mit dem fehlenden Gesellschaftsvermögen der nicht rechtsfähigen Personengesellschaft i. S. d. § 740 BGB.

     

    2.2 Neugestaltung von Verfahrensvorschriften

    Den inhaltlichen Schwerpunkt der gesetzlichen Neuregelung macht neben der begrifflichen Klarstellung die Neugestaltung von § 39 Abs. 2 Nr. 2 AO aus. Hier arbeitet der Gesetzgeber für ertragsteuerliche Zwecke mit einer Fiktion. Nach der Neuregelung gelten „rechtsfähige Personengesellschaften […] für Zwecke der Ertragsbesteuerung als Gesamthand und deren Vermögen als Gesamthandsvermögen“. Dieser Satz ist die Umsetzung des Versprechens des Gesetzgebers, dass sich ertragsteuerlich durch das MoPeG keine wesentlichen Änderungen ergeben sollen. Für ertragsteuerliche Zwecke wird die bisherige Gesamthandsgemeinschaft mit Gesamthandsvermögen fingiert. Das Gesamthandsprinzip ist weiter zu beachten.

     

    Daneben wurden die Verfahrensvorschriften in den §§ 181 ff. neu gefasst und um § 183a AO für die Frage der Empfangsbevollmächtigten bei der nicht rechtsfähigen Personenvereinigung ergänzt. Zur Vereinfachung des Veranlagungsverfahrens soll die Erklärungspflicht bei rechtsfähigen Personenvereinigungen gemäß § 181 Abs. 2 S. 2 Nr. 1 AO in Zukunft vorrangig dieser Vereinigung und nur nachrangig jedem Feststellungsberechtigten obliegen. Damit kommt es hinsichtlich der Erklärungspflichten und der daran anknüpfenden Festsetzung von Verspätungszuschlägen zu einer Gleichbehandlung zwischen den Steuern, die die Personenvereinigung selbst schuldet und den einheitlich und gesondert festzustellenden Einkünften.

     

    Diesen Weg setzt der Gesetzgeber auch auf Ebene der Vorschriften über die Bekanntgabe bei der gesonderten und einheitlichen Feststellung (§ 183 AO) fort. In Abweichung vom bisherigen Recht sollen alle Verwaltungsakte und Mitteilungen in Zukunft der rechtsfähigen Personenvereinigung in Vertretung der Feststellungsbeteiligten bekannt gegeben werden, wobei in § 183 Abs. 2 AO auch Ausnahmen von diesem Grundsatz normiert werden sollen. Eine solche Ausnahme liegt insbesondere vor, wenn der Finanzverwaltung bekannt ist, dass die Personenvereinigung nicht mehr besteht oder ein Feststellungsbeteiligter der Bekanntgabe gegenüber der Personenvereinigung widersprochen hat, weil er ausgeschieden ist oder ernstliche Meinungsverschiedenheiten auf Gesellschafterebene bestehen.

    3. Weitere Änderungen

    Abschließend sei noch auf kleinere Änderungen mit praktischer Bedeutung hingewiesen:

     

    • Es ist die befristete Einführung einer degressiven AfA für neu gebaute bzw. neu erworbene Wohngebäude (Baubeginn zwischen 1.10.23 und 30.9.29) geplant. Statt der linearen AfA kann dann eine degressive AfA i. H. v. 6 % pro Jahr geltend gemacht werden.

     

    • Für Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung soll zudem eine Freigrenze eingeführt werden (Summe der Einnahmen insgesamt weniger als 1.000 EUR im Veranlagungszeitraum).

     

    • Zudem ist beabsichtigt die Grenzen für die Buchführungspflicht bestimmter Steuerpflichtiger (insbes. gewerbliche Unternehmer (§ 241a HGB, § AO: Umsatzgrenze neu: 800.000 EUR, Gewinngrenze neu: 80.000 EUR) sowie die Grenze für die umsatzsteuerliche IST-Besteuerung nach § 20 S. 1 Nr. 1 UStG auf 800.000 EUR anzuheben.

    4. Relevanz für die Praxis

    Hinsichtlich der Besteuerung von Personengesellschaften hält der Gesetzgeber Wort. Das stets formulierte Ziel, dass das MoPeG und die Anerkennung der rechtsfähigen GbR nicht zu einer grundlegenden Reform des Ertragsteuerrechts und insbesondere zu einem Überdenken der transparenten Besteuerung von Personengesellschaften führt, wird eingehalten.

     

    Auf der anderen Seite wird mit der Idee einer Anzeigepflicht für innerstaatliche Steuergestaltungen durch die Hintertür ein Thema eingebracht, das in der Praxis Abgrenzungsschwierigkeiten, Verunsicherung und Mehrarbeit bedeuten wird. Hier bleibt zu hoffen, dass der Gesetzgeber die Kriterien weiter konkretisiert oder zeitlich mit dem Gesetzesentwurf ein klarstellendes BMF Schreiben veröffentlicht, um ähnlich der Anzeigepflicht von grenzüberschreitenden Steuergestaltungen bspw. bestimmte Fälle in einer „Whitelist“ auszuklammern. Die Möglichkeit für die Erstellung einer solchen Liste ist jedenfalls vorgesehen.

     

    FAZIT | Selten kommen Gesetze in derselben Form aus dem Bundestag heraus, wie sie hineingehen. Es bleibt abzuwarten, welche Änderungen sich im laufenden Gesetzgebungsverfahren ergeben werden. Anpassungsbedarf dürfte insbesondere bei der Ausgestaltung der Regelungen zur Anzeigepflicht von innerstaatlichen Steuergestaltungen bestehen.

     

    Zum Autor | Dieser Beitrag wurde vom Autor nicht in dienstlicher Eigenschaft verfasst, sondern gibt ausschließlich seine persönliche Auffassung wieder.

    Quelle: Ausgabe 10 / 2023 | Seite 279 | ID 49641261