· Fachbeitrag · Gestaltungsmodell
Praxiserwerb gegen Leibrentenzahlung
von Dipl.-Finanzwirt Marvin Gummels, Hage, www.steuer-webinar.de
| Vereinbaren Veräußerer und Erwerber einer Praxis anstelle eines fixen Kaufpreises eine Leibrente, führt diese nicht nur beim Veräußerer zu steuerlichen Besonderheiten. Es muss auch beim Praxiserwerber ermittelt werden, mit welchen Werten die erworbenen Wirtschaftsgüter angesetzt und wie die laufenden Rentenzahlungen zu berücksichtigen sind. Zudem ergeben sich Besonderheiten, wenn der Veräußerer verstirbt und der Rentenanspruch dadurch vorzeitig erlischt. |
1. Die Leibrente als Kaufpreismodell
Immer wieder kommt es aber vor, dass Verkäufer und Erwerber anstelle eines festen Kaufpreises eine Leibrente vereinbaren. Hierbei handelt es sich gemäß § 759 BGB um wiederkehrende Bezüge, die aus regelmäßigen und gleichmäßigen Leistungen in Geld oder anderen vertretbaren Sachen bestehen und bis zum Lebensende des Veräußerers (dem Rentenberechtigten) zu zahlen sind.
Die Leibrente bietet für den Erwerber (dem Rentenverpflichteten) den Vorteil, dass rein gedanklich keine Zinsen anfallen und die jeweiligen Rentenzahlungen durch den Ertrag der Praxis generiert werden können. Für den Veräußerer ist vorteilhaft, dass er eine finanzielle Absicherung bis zu seinem Tod erhält und er sich keine Gedanken darüber machen muss, wie er den Veräußerungserlös gewinnbringend anlegt (Strafzinsen der Banken etc.). Es ergibt sich eine recht sichere finanzielle Planung der Liquidität bis zum Lebensende. Es stehen Monat für Monat identische Mittel zur Verfügung. Letztlich handelt es sich für beide um eine Wette auf die restliche Lebenszeit des Veräußerers. Lebt dieser überdurchschnittlich lange, erhält der Veräußerer in der Summe regelmäßig wesentlich höhere Rentenzahlungen, als bei einem Kauf zum Festbetrag vereinbart worden wäre. Verstirbt der Veräußerer hingegen verhältnismäßig früh, erhält der Erwerber die Praxis zu einem überaus günstigen Preis. Deshalb werden Leibrenten zur Absicherung beider Parteien regelmäßig durch Mindest- und Höchstlaufzeiten befristet.
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Eine Zahnarztpraxis wird gegen eine Leibrente von monatlich 2.000 EUR veräußert. Es wird eine Mindestlaufzeit von 20 Jahren und eine Höchstlaufzeit von 30 Jahren vereinbart. Der Veräußerer verstirbt nach a) 16, b) 25, c) 32 Jahren.
Lösung:
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2. Steuerliche Behandlung beim Praxiserwerber
Die steuerlich zutreffende Einordnung beim Praxiserwerber (Rentenverpflichteter) hängt von der angewandten Gewinnermittlungsart ab. Denn ermittelt dieser den Gewinn der erworbenen Praxis durch Bilanzierung nach § 4 Abs. 1 EStG (z. B. Erwerb durch eine MVZ-GmbH), gelten andere steuerliche Regelungen als bei Gewinnermittlung durch Einnahmen-Überschussrechnung (EÜR).
3. Rentenverpflichteter stellt eine Bilanz auf
Ermittelt der Erwerber seinen Gewinn durch Bilanzierung nach § 4 Abs. 1 EStG, handelt es sich bei der Leibrentenverpflichtung für den Praxiserwerber um eine betriebliche Schuld. Diese Schuld ist grundsätzlich mit dem nach den §§ 12 ff. BewG zu ermittelnden Rentenbarwert zu passivieren (BFH 31.1.80, IV R 126/76). Der Rentenbarwert stellt die Summe der abgezinsten Rentenzahlungen dar. Rechnerisch bestimmt sich dieser bei monatlichen Zahlungen nach Alter und Geschlecht des Rentenberechtigten (Veräußerer) und der sich daraus ergebenden statistischen Lebenserwartung. Eine Alternative hierzu gestattet R 6.2 EStR. Danach kann der Rentenbarwert auch nach versicherungsmathematischen Grundsätzen unter Zugrundelegung der aktuellen Sterbetafeln berechnet werden.
3.1 Erstmalige Passivierung des Rentenbarwerts
Entscheidet sich der Rentenverpflichtete wie in der Praxis üblich für die Ermittlung des Rentenbarwerts nach den §§ 12 ff. BewG, ist die Berechnung verhältnismäßig einfach. Da es sich bei einer Leibrente um eine lebenslange Leistung handelt, richtet sich die Ermittlung des Kapitalwerts (sog. Rentenbarwert) nach § 14 Abs. 1 BewG. Danach ist ein Vielfaches des Jahreswerts der Leistungen anzusetzen. Der Jahreswert umfasst nach den §§ 15 und 16 BewG den Jahresbetrag der voraussichtlich erfolgenden Rentenzahlungen. Der anzusetzende Vervielfältiger ist aus den Sterbetafeln des Statistischen Bundesamts zu ermitteln. Maßgebend ist die zum 1. Januar des Todesjahrs veröffentlichte Sterbetafel. Der sich danach ergebende Kapitalwert muss unter Berücksichtigung von Zwischenzinsen und Zinseszinsen mit einem Zinssatz von 5,5 % als Mittelwert zwischen dem Kapitalwert für jährlich vor- und nachschüssige Zahlungsweise berechnet werden.
PRAXISTIPP | Klingt kompliziert ‒ ist aber einfach. Denn das BMF stellt die sich hiernach ergebenden Vervielfältiger für den Kapitalwert von lebenslänglichen Nutzungen oder Leistungen im Jahresbetrag von einem EUR nach Lebensalter und Geschlecht der Berechtigten in einer Tabelle zusammen und veröffentlicht diese im Bundessteuerblatt. Die für Bewertungsstichtage ab dem 1.1.21 anzuwendenden Vervielfältiger wurden in einem Schreiben des BMF (28.10.20, IV C 7 ‒ S 3104/19/10001 :005) veröffentlicht. |
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Allgemeinmediziner Dr. Zobel ist 65 Jahre alt und hat seine Praxis an seinen Nachfolger, eine MVZ-GmbH, übergeben. Als Kaufpreis wurde eine monatliche Leibrente i. H. v. 2.000 EUR vereinbart.
Lösung: Die Leibrentenverpflichtung ist bei dem Praxiserwerber (MVZ-GmbH) mit dem Rentenbarwert (Kapitalwert) zu passivieren. Der Jahreswert der Rente beträgt 24.000 EUR (2.000 EUR × 12). Dieser ist mit einem Vervielfältiger zu multiplizieren. Da der Veräußerer männlich ist und das 65. Lebensjahr vollendet hat, beträgt seine statistische Lebenserwartung noch 17,94 Jahre. Der sich hierfür ergebende Vervielfältiger gemäß dem BMF-Schreiben vom 28.10.20 beträgt 11,532. Der Rentenbarwert beläuft sich auf 276.768 EUR (24.000 EUR × 11,532). |
Beachten Sie | Bei der Ermittlung des Rentenbarwerts ist immer auf die statistische Lebenserwartung abzustellen. Eine geringere Lebenserwartung wegen einem schlechten Gesundheitszustand darf nicht zugrunde gelegt werden (BFH 30.7.03, X R 12/01).
Oft wird die Leibrente auch an das Leben mehrerer Personen gebunden (z. B. an den Praxisveräußerer und dessen Ehegatten). In diesen Fällen ist für jede rentenberechtigte Person eine Ermittlung des Rentenbarwerts erforderlich. Erlischt die Rente mit dem Tod des zuletzt Sterbenden, so ist der ermittelte Rentenbarwert derjenigen Person maßgebend, der am höchsten ist. Erlischt die Rente mit dem Tod des zuerst Sterbenden, so ist der Rentenbarwert derjenigen Person maßgebend, der am niedrigsten ist (§ 14 Abs. 3 BewG).
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Wie Beispiel 2, allerdings steht die Rente sowohl dem Veräußerer Dr. Zobel als auch dessen Ehefrau zu. Frau Zobel ist zum Zeitpunkt der Veräußerung 59 Jahre alt. Die Rente erlischt mit dem Tod des zuletzt Sterbenden.
Lösung: Für Frau Zobel ergibt sich ein Vervielfältiger von 14,105 (weiblich, 59. Lebensjahr vollendet). Der Rentenbarwert beträgt 338.520 EUR (24.000 EUR × 14,105). Da dieser den Rentenbarwert von Dr. Zobel übersteigt (276.768 EUR) und die Rente mit dem Tod des zuletzt Sterbenden erlischt, muss die erwerbende MVZ-GmbH den höher ausfallenden Rentenbarwert von Frau Zobel passivieren. |
Wird bei der Leibrentenvereinbarung zugleich eine Mindest- und/oder Höchstlaufzeit vereinbart, kann der vorstehend ermittelte Rentenbarwert nicht ohne jede Ausnahme angesetzt werden. Denn es ist anhand der Mindest- und/oder Höchstlaufzeit zusätzlich ein Rentenbarwert entsprechend § 13 Abs. 1 BewG und der Anlage 9a zu ermitteln. Hierbei sind folgende Fälle zu unterscheiden:
- 1. Fällt der für eine Mindestlaufzeit nach § 13 Abs. 1 BewG ermittelte Rentenbarwert höher als der nach § 14 BewG ermittelte Betrag aus, ist der nach § 13 Abs. 1 BewG ermittelte Betrag anzusetzen.
- 2. Fällt der für eine Mindestlaufzeit nach § 13 Abs. 1 BewG ermittelte Rentenbarwert niedriger als der nach § 14 BewG ermittelte Betrag aus, ist der nach § 14 BewG ermittelte Betrag anzusetzen.
- 3. Fällt der für eine Höchstlaufzeit nach § 13 Abs. 1 BewG ermittelte Rentenbarwert niedriger als der nach § 14 BewG ermittelte Betrag aus, ist der nach § 13 Abs. 1 BewG ermittelte Betrag anzusetzen.
- 4. Fällt der für eine Höchstlaufzeit nach § 13 Abs. 1 BewG ermittelte Rentenbarwert höher als der nach § 14 BewG ermittelte Betrag aus, ist der nach § 14 BewG ermittelte Betrag anzusetzen.
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Wie Beispiel 3, allerdings wurde eine Mindestlaufzeit der Rente von 10 Jahren und eine Höchstlaufzeit von 20 Jahren vereinbart.
Lösung: Anhand der Mindestlaufzeit von 10 Jahren errechnet sich gemäß § 13 Abs. 1 BewG i. V. m. der Anlage 9a zum BewG ein Rentenbarwert von 185.880 EUR (24.000 EUR × Vervielfältiger von 7,745). Dieser ist nicht anzusetzen, da er niedriger als der nach § 14 BewG ermittelte Rentenbarwert von 338.520 EUR ist (vgl. Beispiel 3). Anhand der Höchstlaufzeit von 20 Jahren errechnet sich ein Rentenbarwert von 294.696 EUR (24.000 EUR × Vervielfältiger von 12,279). Da dieser niedriger als der nach § 14 BewG ermittelte Rentenbarwert von 338.520 EUR ist, erfolgt die Passivierung der Rentenverpflichtung mit 294.696 EUR. |
3.2 Rentenzahlungen und Anpassung des Rentenbarwerts
Wurde der Rentenbarwert entsprechend obiger Grundsätze zu Beginn der Rentenverpflichtung ermittelt und passiviert, ist dieser an den folgenden Bilanzstichtagen jeweils neu zu berechnen. Wurde keine Wertsicherungsklausel vereinbart bzw. fand diese keine Anwendung, wird der neue Rentenbarwert zwangsläufig niedriger als bisher ausfallen. Denn in die Berechnung des Rentenbarwerts wird wieder die Rentenhöhe sowie die Lebenserwartung des Rentenberechtigten einbezogen. Aufgrund des Voranschreitens des Lebensalters verringert sich die voraussichtliche Lebenserwartung und der Rentenbarwert sinkt. Auch wenn Mindest- oder Höchstlaufzeiten vereinbart wurden, reduzieren sich die Rentenbarwerte. Denn mit jedem vergangenen Jahr fallen auch die noch verbleibenden Mindest- oder Höchstlaufzeiten geringer aus. Damit verringert sich die bisher passivierte Verbindlichkeit von Jahr zu Jahr. Der zum Bilanzstichtag aufzulösende Betrag ist gewinnerhöhend als außerordentlicher Ertrag zu erfassen. Im Gegenzug werden die monatlichen Rentenzahlungen in voller Höhe als Betriebsausgabe angesetzt. Im Ergebnis bleibt deshalb der in den Rentenzahlungen enthaltene Rückgang des Barwerts („fiktive Tilgung“) ohne steuerlichen Abzug. Der übersteigende Betrag („fiktive Zinsen“) mindert den Gewinn.
Beachten Sie | Unzulässig ist es, den passivierten Rentenbarwert zunächst in voller Höhe um die Rentenzahlungen erfolgsneutral zu mindern und nach dessen völligen Verbrauch die Rentenzahlungen vollständig als Betriebsausgabe abzuziehen.
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Allgemeinmediziner Dr. Zobel ist 65 Jahre alt und hat seine Praxis am 2.1.21 an eine MVZ-GmbH übergeben. Als Kaufpreis wurde eine monatliche Leibrente i. H. v. 2.000 EUR vereinbart.
Lösung: Die Leibrentenverpflichtung ist bei der erwerbenden MVZ-GmbH in der Eröffnungsbilanz zum 2.1.21 mit einem Rentenbarwert von 276.768 EUR zu passivieren (2.000 EUR × 12 Monate × 11,532). Die im Jahr 2021 erfolgenden Rentenzahlungen von 24.000 EUR werden in voller Höhe als Betriebsausgabe erfasst und mindern den Gewinn. Zum 31.12.21 wird der Rentenbarwert neu ermittelt. Da Dr. Zobel nun 66 Jahre alt ist, beläuft sich der Rentenbarwert auf 269.928 EUR (24.000 EUR × 12 Monate × 11,247). Die passivierte Schuld ist in Höhe der Differenz von 6.840 EUR aufzulösen und erhöht den Gewinn. Damit haben sich die Rentenzahlungen effektiv mit 17.160 EUR gewinnmindernd ausgewirkt. |
3.3 Aktivierung erworbener Wirtschaftsgüter
Im Gegenzug zur Passivierung der Rentenverpflichtung mit dessen Barwert müssen die durch den Praxiserwerb übernommenen materiellen und immateriellen Wirtschaftsgüter aktiviert werden. Der ermittelte Rentenbarwert stellt die Summe aller Anschaffungskosten dar. In der Eröffnungsbilanz sind sämtliche übernommenen Wirtschaftsgüter deshalb in der Summe mit einem Betrag zu aktivieren, welcher dem Rentenbarwert entspricht (BFH 31.8.94, X R 58/92). Die Anschaffungskosten der jeweiligen Einzelwirtschaftsgüter sind dabei im Verhältnis der Teilwerte zum Rentenbarwert zu ermitteln (§ 6 Abs. 1 Nr. 7 EStG). Übersteigt der Rentenbarwert die Summe aller Einzelwirtschaftsgüter, ist der verbleibende Betrag als Praxiswert zu aktivieren (BFH 23.2.84, IV R 128/81).
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Wie Beispiel 5. Der Teilwert des Anlagevermögens beträgt 250.000 EUR, der Teilwert des Umlaufvermögens (Waren) beträgt 50.000 EUR.
Lösung: Das erworbene Anlagevermögen ist mit 230.640 EUR (276.768 ÷ 300.000 × 250.000) zu aktivieren. Abnutzbare Wirtschaftsgüter sind abzuschreiben. Das Umlaufvermögen ist mit 46.128 EUR (276.768 ÷ 300.000 × 50.000) zu aktivieren und bei Verbrauch gewinnmindernd auszubuchen. |
3.4 Berücksichtigung von Rentenerhöhungen
In vielen Leibrentenverträgen werden auch künftige Rentenerhöhungen vereinbart (Wertsicherungsklausel). Tritt eine Rentenerhöhung ein, ändert sich an der Höhe der Anschaffungskosten der erworbenen Wirtschaftsgüter nichts (BFH 27.1.98, VIII R 64/96). Zudem sind weiterhin sämtliche (erhöhten) Rentenzahlungen als Betriebsausgabe abzugsfähig (BFH 23.2.84, IV R 128/81). Die Rentenerhöhung wirkt sich aber auf den zu passivierenden Rentenbarwert aus. Durch die Erhöhung ist für die künftige Berechnung des Barwerts ein höherer Jahreswert der Rente zugrunde zu legen. Infolgedessen kommt es zum folgenden Bilanzstichtag zu einer geringeren gewinnerhöhenden Auflösung des Rentenbarwerts, als es ohne die Rentenerhöhung der Fall gewesen wäre. Sollte die Rentenerhöhung gar dazu führen, dass der neu ermittelte Rentenbarwert höher als der bisherige Wert ausfällt, ist der neu ermittelte Barwert zu passivieren und die Differenz zum bisherigen Barwert als Aufwand zu berücksichtigen.
3.5 Fortfall der Rentenverpflichtung
Fällt die Rentenverpflichtung infolge des Todes des Rentenberechtigten fort, ist der noch passivierte Rentenbarwert gewinnerhöhend aufzulösen. Es handelt sich um einen rein betrieblichen Vorfall (BFH 30.7.03, X R 12/01). Der Auflösungsbetrag stellt einen laufenden Gewinn dar. Dieser unterliegt dem normalen Steuertarif. Eine ermäßigte Besteuerung nach § 34 EStG kommt nicht in Betracht. Die Anschaffungskosten der aktivierten materiellen und immateriellen Wirtschaftsgüter bleiben wie bisher bestehen.
MERKE | Ab und an wird eine Rentenverpflichtung gegen Einmalzahlung abgelöst. Auch dann ist der passivierte Rentenbarwert gewinnerhöhend aufzulösen. Die Einmalzahlung ist als Aufwand abzugsfähig. Fällt die Ablösesumme höher als der passivierte Barwert aus, ergibt sich insgesamt eine Gewinnminderung. Ist der Barwert hingegen höher als die Ablösesumme, ergibt sich eine Gewinnerhöhung. |
4. Rentenverpflichteter ermittelt den Gewinn durch EÜR
In der Praxis wesentlich häufiger ermittelt der Erwerber seinen Gewinn jedoch durch EÜR nach § 4 Abs. 3 EStG. Hier gibt es weder Aktivierungen noch Passivierungen. Daraus folgt jedoch nicht, dass die geleisteten Rentenzahlungen sofort und in voller Höhe als Betriebsausgabe abgezogen werden dürfen. Nur der in den Rentenzahlungen enthaltene Zinsanteil kann sofort als Betriebsausgabe geltend gemacht werden (R 4.5 Abs. 4 S. 2 EStR). Deshalb hat auch hier der Praxiserwerber zunächst entsprechend der bereits dargestellten Grundsätze den Rentenbarwert zu ermitteln und anhand dessen die Anschaffungskosten der erworbenen materiellen und immateriellen Wirtschaftsgüter zu verteilen. Denn auch hier setzen sich die Anschaffungskosten aus dem Barwert der Rentenverpflichtung zusammen. Zu unterscheiden ist allerdings, ob es sich um erworbenes Anlage- oder Umlaufvermögen handelt.
4.1 Erworbenes Anlagevermögen
Soweit mit der Rente Anlagevermögen erworben wird, stellt der für diesen Teil der Rente auf den Erwerb festzustellende Rentenbarwert die Anschaffungskosten der jeweiligen Wirtschaftsgüter dar. Mit diesen Werten sind die Wirtschaftsgüter im Anlageverzeichnis nach § 4 Abs. 3 S. 5 EStG aufzunehmen. Handelt es sich um abnutzbare Wirtschaftsgüter, ist die sich aus den Anschaffungskosten errechnende Abschreibung als Betriebsausgabe abzugsfähig (§ 4 Abs. 3 S. 3 EStG). Bei nicht abnutzbaren Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens gilt § 4 Abs. 3 S. 4 EStG. Ein Betriebsausgabenabzug ist erst bei Ausscheiden des jeweiligen Wirtschaftsguts aus dem Betriebsvermögen zulässig. Der in den Rentenzahlungen enthaltene Teil für erworbenes Anlagevermögen ist nicht als zusätzliche Betriebsausgabe abzugsfähig.
4.2 Erworbenes Umlaufvermögen
Werden hingegen Wirtschaftsgüter des Umlaufvermögens erworben (z. B. Medikamente, Verbandsmittel, Waren), welche nicht unter § 4 Abs. 3 S. 4 EStG fallen, so ist der darauf entfallende jährliche Kapitalanteil der Rentenzahlung in voller Höhe als Betriebsausgabe abzugsfähig (R 4.5 Abs. 4 S. 6 EStR).
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Zahnarzt Dr. Freund ist 65 Jahre alt und hat am 2.1.21 seine Praxis an seinen Nachfolger Dr. Glanz übergeben. Als Kaufpreis wurde eine monatliche Leibrente i. H. v. 2.000 EUR vereinbart. Die Teilwerte des Anlagevermögens betragen 250.000 EUR und die Teilwerte des Umlaufvermögens 50.000 EUR.
Lösung: Der Rentenbarwert zum 2.1.21 beträgt 276.768 EUR (2.000 EUR Rente × 12 Monate × Vervielfältiger von 11,532). Dieser Betrag stellt für Dr. Glanz die Anschaffungskosten des Anlage- und Umlaufvermögens dar. Auf das Anlagevermögen entfallen entsprechend dem Verhältnis der Teilwerte 230.640 EUR (276.768 ÷ 300.000 × 250.000). Soweit das Anlagevermögen abnutzbar ist, sind die Abschreibungen als Betriebsausgabe abzugsfähig. Auf das Umlaufvermögen entfallen 46.128 EUR (276.768 ÷ 300.000 × 50.000). Hier ergeben sich (zunächst) keine Betriebsausgaben. Zum 31.12.21 beläuft sich der Rentenbarwert auf 269.928 EUR (2.000 EUR × 12 Monate × 11,247). Der Barwert hat sich also um 6.840 EUR reduziert. Deshalb sind von den im Jahr 2021 geleisteten Rentenzahlungen von 24.000 EUR zunächst 17.160 EUR als Zinsanteil (24.000 EUR Renten abzgl. 6.840 EUR „Tilgung“) als Betriebsausgabe abzugsfähig. Die „Tilgung“ von 6.840 EUR entfällt zu 250.000/300.000 (5.700 EUR) auf das erworbene Anlagevermögen und berechtigt nicht zum Betriebsausgabenabzug. Zu 50.000 ÷ 300.000 (1.140 EUR) entfällt die Tilgung hingegen auf das erworbene Umlaufvermögen und ist als Betriebsausgabe zu berücksichtigen (§ 11 Abs. 2 EStG). |
4.3 Rentenerhöhungen bei EÜR
Erfolgt bei Gewinnermittlung durch EÜR in künftigen Jahren eine Rentenerhöhung, ist der Erhöhungsbetrag in voller Höhe als Betriebsausgabe abzugsfähig (BFH 23.2.84, IV R 128/81). Wird die Rente im vorherigen Beispiel 7 von bisher 2.000 EUR auf nun 2.200 EUR angehoben, ist der Erhöhungsbetrag von 200 EUR in voller Höhe gewinnmindernd zu berücksichtigen. Der ursprünglich vereinbarte Betrag von 2.000 EUR ist nach den bereits beschriebenen Grundsätzen auf Zinsanteil (gewinnmindernd), Tilgungsanteil von Anlagevermögen (gewinnneutral) und Tilgungsanteil von Umlaufvermögen (gewinnmindernd) aufzuteilen. Die Anschaffungskosten der übernommenen Wirtschaftsgüter bleiben unverändert.
4.4 Fortfall der Rentenverpflichtung bei EÜR
Entfällt bei Gewinnermittlung durch EÜR die Rentenverpflichtung durch den Tod des Rentenberechtigten, führt dies in Höhe des entfallenden Rentenbarwerts, den die Rentenverpflichtung im Zeitpunkt ihres Fortfalls hatte, zu einer Betriebseinnahme (BFH 31.8.72, IV R 93/67). Dies gilt jedoch auch hier nur insoweit, wie der Rentenbarwert auf erworbenes Anlagevermögen entfällt. Denn hier steht dem Praxiserwerber weiterhin die Abschreibung zu. Soweit hingegen Umlaufvermögen erworben wurde, ist deshalb der entfallende Rentenbarwert nicht gewinnerhöhend anzusetzen (R 4.5 Abs. 4 S. 7 EStR).
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Wie Beispiel 7, aber Dr. Freund (Veräußerer) verstarb am 31.12.21.
Lösung: Der Rentenbarwert zum 31.12.21 beläuft sich auf 269.928 EUR. Hiervon entfallen 50.000/300.000 (44.988 EUR) auf das erworbene Umlaufvermögen. Betriebseinnahmen und Betriebsausgaben ergeben sich insoweit nicht. 224.940 EUR (269.928 × 250.000 ÷ 300.000) entfallen auf das Anlagevermögen. Dieser Betrag ist als Betriebseinnahme anzusetzen. Eine steuerliche Begünstigung nach § 34 EStG ist nicht zu gewähren (laufender Gewinn). Dafür sind die Abschreibungen des Anlagevermögens weiterhin als Betriebsausgabe abzugsfähig. |
4.5 Praxistaugliche Vereinfachung bei EÜR
Eine durchaus praxistaugliche Vereinfachung der steuerlichen Behandlung einer Rentenverpflichtung bei Gewinnermittlung durch EÜR gestattet R 4.5 Abs. 4 S. 4 EStR. Danach wird es zur Vereinfachung nicht beanstandet, wenn zunächst lediglich der Rentenbarwert ermittelt und anhand dessen die Anschaffungskosten der erworbenen Wirtschaftsgüter aufgeteilt werden. Erfolgen sodann die einzelnen Rentenzahlungen, sind diese erfolgsneutral und in voller Höhe mit dem Rentenbarwert zu verrechnen (auch der Zinsanteil). Sobald die Summe der Rentenzahlungen den zu Beginn ermittelten Rentenbarwert übersteigt, sind alle darüber hinausgehenden Zahlungen in vollem Umfang als Betriebsausgabe abzusetzen und mindern den laufenden Gewinn.
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Wie Beispiel 7, nur wendet der Erwerber die Vereinfachung an.
Lösung: Der Rentenbarwert beträgt weiterhin 276.768 EUR. Anhand dessen errechnen sich die Anschaffungskosten für das abzuschreibende Anlagevermögen (230.640 EUR). Das erworbene Umlaufvermögen ist nicht zu berücksichtigen. Die Rentenzahlungen von monatlich 2.000 EUR werden in voller Höhe erfolgsneutral behandelt und mit dem Rentenbarwert von 276.768 EUR verrechnet. Damit ergibt sich für die ersten 138 Monate neben der Abschreibung des Anlagevermögens kein Betriebsausgabenabzug. Nach 138 Monaten sind vom Rentenbarwert noch 768 EUR übrig. Die nächste Zahlung von 2.000 EUR ist deshalb i. H. v. 1.232 EUR als Betriebsausgabe abzugsfähig (2.000 abzgl. 768 EUR). Sämtliche im Anschluss folgenden Zahlungen sind sofort und in voller Höhe gewinnmindernd anzusetzen. |
PRAXISTIPP | Wendet der Praxiserwerber die Vereinfachung an, gilt dies auch für künftige Rentenerhöhungen. Auch diese sind mit dem noch verbleibenden Rentenbarwert zu verrechnen. Bei einem Fortfall der Rentenverpflichtung durch Tod des Rentenberechtigten ist zudem lediglich der Betrag als Betriebseinnahme anzusetzen, der nach Abzug aller bis zum Fortfall geleisteten Rentenzahlungen von dem ursprünglichen Rentenbarwert verbleibt (R 4.5 Abs. 4 S. 5 EStR). Bezogen auf das Beispiel 9 heißt das: Verstirbt der rentenberechtigte Veräußerer nach 139 Monaten des Rentenbezugs, ergeben sich keine Betriebseinnahmen. |