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  • · Fachbeitrag · Investitionsabzugsbetrag

    Anmerkungen zum BMF-Schreiben zur Aufstockung von Abzugsbeträgen nach § 7g EStG

    von RiFG Dr. Alexander Kratzsch, Bünde

    | Das BMF (15.1.16, IV C 6 - S 2139-b/13/10001, Abruf-Nr. 146220 ) folgt der Rechtsprechung des BFH (12.11.14, X R 4/13 ) und lässt die Aufstockung eines Investitionsabzugsbetrags (IAB) in einem Folgejahr zu. Allerdings knüpft das BMF die Aufstockung an einige Voraussetzungen, die nachfolgend auf den Prüfstand gestellt werden. Ferner wird dargestellt, inwieweit das BMF-Schreiben noch relevant ist. Denn mit dem Steueränderungsgesetz 2015 wurde § 7g EStG für Wirtschaftsjahre, die nach dem 31.12.15 enden, modifiziert. |

    1. Voraussetzungen für die Aufstockung

    Nach der Entscheidung des BFH (12.11.14, X R 4/13) kann ein IAB, der bereits in einem Vorjahr abgezogen wurde, ohne dabei die absolute Höchstgrenze von 200.000 EUR je Betrieb oder die relative Höchstgrenze von 40 % der voraussichtlichen Anschaffungs- oder Herstellungskosten zu erreichen, in einem Folgejahr bis zum Erreichen der Höchstgrenzen aufgestockt werden. Das BMF wendet diese Entscheidung nun in allen noch offenen Fällen an und hebt die entgegenstehenden Anweisungen (insbesondere BMF 20.11.13, IV C 6 - S 2139 b/07/10002, Rz. 6) auf.

     

    Das BMF vertritt insoweit die Ansicht, dass IAB, die in vor dem 1.1.16 endenden Wirtschaftsjahren (§ 52 Abs. 16 EStG) in Anspruch genommen worden sind, nur unter den folgenden fünf Voraussetzungen aufgestockt werden dürfen.

     

    1.1 Betriebsgrößenmerkmale

    Ein IAB ist nur zulässig, wenn der Betrieb am Schluss des jeweiligen Abzugsjahrs die in § 7g Abs. 1 S. 2 Nr. 1 EStG genannten Größenmerkmale nicht überschreitet. Für die Erhöhung eines in einem Vorjahr beanspruchten IAB fordert das BMF, dass das maßgebende Größenmerkmal auch am Ende des Wirtschaftsjahrs der jeweiligen Erhöhung nicht überschritten wird.

     

    • Beispiel

    In 2014 beabsichtigt Einzelunternehmer A (Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG), einen zu 100 % betrieblich genutzten Pkw zu erwerben (voraussichtliche Anschaffungskosten: 60.000 EUR). A nimmt in 2014 (Gewinn: 80.000 EUR vor § 7g EStG) einen IAB in Höhe von 12.000 EUR (20 %) in Anspruch. In 2016 (Gewinn vor § 7g EStG: 110.000 EUR) erhöht er um weitere 12.000 EUR. Ist dies zulässig?

     

    Lösung: Nach Ansicht des BMF scheidet die Erhöhung aus, da der Gewinn vor Berücksichtigung des IAB 100.000 EUR überschreitet (§ 7g Abs. 1 Nr. 1 Buchst. c EStG). Dies entspricht auch dem Wortlaut des § 7g Abs. 1 EStG („kann nur in Anspruch genommen werden“). Da § 7g EStG kleine und mittlere Betriebe fördern soll, dürfte es dem Sinn und Zweck entsprechen, dass das Größenmerkmal auch am Ende des Wirtschaftsjahrs der jeweiligen Erhöhung nicht überschritten werden darf.

     

    1.2 Investitionszeitraum

    Die dreijährige Investitionsfrist beginnt mit Ablauf des Wirtschaftsjahrs, in dem ein IAB für ein begünstigtes Wirtschaftsgut erstmals geltend gemacht wird. Der Ansicht des BMF, wonach eine Erhöhung des Abzugsbetrags in einem Folgejahr den Investitionszeitraum nicht verlängert, ist zuzustimmen.

     

    1.3 Zeitpunkt der Inanspruchnahme von Erhöhungsbeträgen

    Nach Meinung des BMF soll eine Erhöhung ausscheiden, wenn die Investitionsfrist bei Antragstellung abgelaufen ist und die Investition nicht durchgeführt wurde oder bei bereits durchgeführten Investitionen die Erhöhung erkennbar dem Ausgleich von nachträglichen Einkommenserhöhungen dient.

     

    • Beispiel (Fortführung)

    A hat bis zum 31.12.17 keinen Pkw angeschafft. Er macht für den Veranlagungszeitraum 2016 bei Abgabe der Steuererklärung am 28.2.18 eine Erhöhung des IAB um 10.000 EUR geltend. Der Gewinn vor § 7g EStG beträgt 80.000 EUR.

     

    Lösung: Da die Investitionsfrist am 28.2.18 bereits abgelaufen ist und A tatsächlich keine Investition getätigt hat, ist eine Erhöhung des IAB nicht möglich. Entsprechendes dürfte gelten, wenn der Abzug so kurze Zeit vor Ablauf des Investitionszeitraums geltend gemacht wird (hier z. B. am 30.12.17), dass nicht mehr mit einer fristgerechten Durchführung der Investition gerechnet werden kann.

     

    Ob eine Aufstockung zum Ausgleich nachträglicher Einkommenserhöhungen (z.B. nach einer Betriebsprüfung) zulässig ist, war noch nicht geklärt: Der 9. Senat des FG Niedersachsen (2.4.14, 9 K 308/12, Rev. BFH X R 28/14) lässt den im Streitfall erstmalig in Anspruch genommenen IAB für ein zwischenzeitlich fristgerecht angeschafftes anderes Wirtschaftsgut ausreichen, wenn seit Anschaffung weniger als drei Jahre vergangen sind und die Anschaffung nicht der Kompensation nachträglicher Einkommenserhöhungen dient. Der 4. Senat des FG Niedersachsen (18.12.13, 4 K 159/13; Rev. BFH IV R 9/14) lässt hingegen einen IAB gerade auch zum nachträglichen Ausgleich von Gewinnerhöhungen wegen einer Außenprüfung zu.

     

    Der I. Senat des BFH (28.4.16, I R 31/15) entschied nun, dass ein Finanzierungszusammenhang - für bis zum 31.12.15 endende Wirtschaftsjahre - nicht deshalb zu verneinen ist, weil die nachträgliche Geltendmachung des IAB lediglich ein Mehrergebnis kompensieren soll. Der I. Senat sieht den Finanzusammenhang - vorbehaltlich investitionsfremder Gründe für die nachträgliche Geltendmachung - als erfüllt an, wenn die Investition innerhalb der dreijährigen Investitionsfrist erfolgt ist. Der IV. BFH-Senat hat sich bereits weitergehend festgelegt: Danach sind die Voraussetzung eines Finanzierungszusammenhangs für § 7g EStG i.d.F. des UntStRefG 2008 nicht mehr zu prüfen.

     

    Da der Finanzierungszusammenhang für § 7g EStG n.F. entweder ganz entbehrlich oder bereits wegen der tatsächlichen Durchführung der begünstigten Investition erfüllt ist, dürfte der vom Steuerpflichtigen beabsichtigte Ausgleich von Einkommenserhöhungen - entgegen der BMF-Auffassung - einer Erhöhung generell nicht entgegenstehen und ein Finanzierungszusammenhang damit nicht mehr zu prüfen sein.

     

    Eine Drei-Jahres-Frist gilt auch für die ab dem 1.1.16 endende Wirtschaftsjahre geltenden Fassung von § 7g EStG52 Abs. 16 EStG; vgl. (BT-Drucks. 18/4902, 49). Damit würde ein nachträglicher Abzug ausscheiden, wenn er nach Ablauf der taggenauen Frist nach Vornahme der Investition beansprucht wird. Diese Ansicht ist zweifelhaft. Ein Finanzierungszusammenhang dürfte mit der neuen Förderstruktur von § 7g EStG unvereinbar sein, da für in Anspruch genommene IAB in ab dem 1.1.16 endenden Wirtschaftsjahren der IAB nicht mehr auf ein bestimmtes Wirtschaftsgut bezogen sein muss (vgl hierzu auch unter 2.).

     

    1.4 Keine Erhöhung im Wirtschaftsjahr der Investition

    IAB können nur für künftige Investitionen beansprucht werden (§ 7g Abs. 1 S. 1 EStG), wobei das Merkmal der „künftigen” Anschaffung nach den Verhältnissen zum Schluss des Wirtschaftsjahrs zu beurteilen ist, für das der Abzugsbetrag geltend gemacht wird. Ein Abzug im Wirtschaftsjahr der Anschaffung oder Herstellung des begünstigten Wirtschaftsguts ist nach zutreffender Ansicht des BMF ebenso wenig zulässig wie eine Erhöhung. Der BFH (12.11.14, X R 19/13) hat bereits entschieden, dass im Wirtschaftsjahr der Investition ein - erstmals vorgenommener - IAB unzulässig ist. Folglich scheidet eine Erhöhung im dritten Jahr nach dem erstmaligen Abzug stets aus, da die Investition spätestens in diesem Jahr erfolgen muss.

     

    1.5 Rückgängigmachung von nicht hinzugerechneten IAB

    Der letzte Hinweis des BMF betrifft die Folgen bei einer zulässigen Erhöhung eines IAB. Dabei sind zuerst beanspruchte Teilabzugsbeträge nach Auffassung des BMF vorrangig hinzuzurechnen. Soweit die insgesamt beanspruchten IAB den Hinzurechnungsbetrag nach § 7g Abs. 2 S. 1 EStG übersteigen und auch keine nachträglichen Anschaffungs- oder Herstellungskosten innerhalb des verbleibenden Investitionszeitraums anfallen, ist der verbleibende IAB nach § 7g Abs. 3 EStG rückgängig zu machen. Dabei sind die zuletzt beanspruchten Teilabzugsbeträge vorrangig rückabzuwickeln.

     

    • Beispiel

    IAB Wirtschaftsjahr 2012

    4.000 EUR

    Erhöhung Wirtschaftsjahr 2013

    2.000 EUR

    Summe IAB

    6.000 EUR

    Investition 2015

    12.000 EUR

    Hinzurechnung (40 % von 12.000 EUR)

    4.800 EUR

    Rückgängigmachung Teilabzug aus 2013 (6.000 EUR ./. 4.800 EUR)

    1.200 EUR

     

    2. Neue Rechtslage seit 2016

    Das BMF-Schreiben vom 15.1.16 bezieht sich ausdrücklich nur auf die Erhöhung von IAB, die in vor dem 1.1.16 endenden Wirtschaftsjahren in Anspruch genommen worden sind. Der Grund liegt in der durch das Steueränderungsgesetz (StÄndG 2015; BGBl I 15, 1834) erfolgten Anpassung des § 7g EStG für nach dem 31.12.15 endende Wirtschaftsjahre (§ 52 Abs. 16 EStG).

     

    Bis dato musste das Wirtschaftsgut seiner Funktion nach benannt werden. Schaffte der Unternehmer ein funktionell anderes Wirtschaftsgut an (z. B. Lkw anstatt Pkw), war der Abzugsbetrag im Jahr der Geltendmachung mit der entsprechenden Zinswirkung aufzulösen. Nach der Neuregelung ist die Bezeichnung der Investitionen nicht mehr notwendig. Für ab dem 1.1.16 endende Wirtschaftsjahre kann ein IAB für ein beliebiges angeschafftes oder hergestelltes begünstigtes Wirtschaftsgut verwendet werden. Die Hinzurechnung ist nicht mehr zwingend, sondern ein Wahlrecht. Der Steuerpflichtige kann somit flexibel entscheiden, für welche Investitionen er den IAB verwendet. Maßgebend ist, dass die abgezogenen Beträge fristgerecht aufgrund hinreichender Investitionen hinzugerechnet werden, da anderenfalls eine Rückgängigmachung der Abzugsbeträge mit einer Verzinsung der daraus resultierenden Steuernachforderung folgt (vgl. Gesetzesbegründung zum StÄndG 2015, Drs. 18/4902, S. 43).

     

    Durch die nach § 7g Abs. 1 Nr. 2 EStG erforderliche Datenfernübertragung nach amtlich vorgeschriebenen Datensätzen wird es für die Finanzverwaltung (voraussichtlich) einfacher, Fehler bei der Anwendung der Vorschrift aufzudecken. Die Bekanntgabe der Datensätze durch die Finanzverwaltung steht noch aus.

     

    Vor dem Hintergrund der Neuregelung ist wie folgt zu unterscheiden:

     

    • Bei IAB, die in vor dem 1.1.16 endenden Wirtschaftsjahren in Anspruch genommen wurden, ist § 7g Abs. 1 bis 4 EStG in der am 31.12.15 geltenden Fassung weiter anzuwenden (§ 52 Abs. 16 S. 2 EStG). Demzufolge sind in diesen Fällen nach wie vor nur funktionsgleiche Wirtschaftsgüter begünstigt und die oben genannten (unter 1.) Grundsätze gelten uneingeschränkt. Soweit vor dem 1.1.16 beanspruchte IAB noch nicht hinzugerechnet oder rückgängig gemacht worden sind, vermindert sich der Höchstbetrag von 200.000 EUR (§ 7g Abs. 1 S. 4 EStG) in der am 1.1.16 geltenden Fassung entsprechend.

     

    • Die Grundsätze des BMF-Schreibens vom 15.1.16 dürften m. E. für in Anspruch genommene IAB in ab 1.1.16 endende Wirtschaftsjahre nicht mehr gelten. Denn dem IAB kann nach neuer Rechtslage keine konkret bezeichnete Einzelinvestition mehr zugeordnet werden. Daher macht die nachträgliche Erhöhung in einem Folgejahr keinen Sinn, zumal ein IAB im Folgejahr erneut - erstmalig - gebildet werden kann. Dies gilt m.E. bereits für etwaige Erhöhungen in 2016 betreffend die in 2015 oder 2014 gebildete IAB. Auch insoweit dürfte also das neue Recht gelten.

     

    • Beispiel

    Einzelunternehmer A beansprucht für 2016, 2017 und 2018 einen IAB von jeweils 20.000 EUR (insgesamt also 60.000 EUR). In 2019 erwirbt er eine Maschine für 120.000 EUR. A ordnet dieser Investition die IAB aus 2016 und 2017 in voller Höhe und aus 2018 mit 8.000 EUR zu und kommt somit auf 48.000 EUR (40 % von 120.000 EUR). Damit verbleibt von dem für 2018 beanspruchten IAB noch ein Teilbetrag von 12.000 EUR, der für Investitionen in den Jahren 2020 und 2021 genutzt werden kann.

     

    PRAXISHINWEIS | Nach Neufassung des § 7g Abs. 1 bis Abs. 4 EStG muss der Steuerpflichtigen darlegen, ob und in welchem Umfang Investitionen einem IAB zugeordnet werden. Die missbräuchliche Inanspruchnahme von Abzugsbeträgen wird hinreichend durch § 7g Abs. 3 und Abs. 4 EStG verhindert. Soweit verfahrensrechtlich möglich, ist m. E. auch eine rückwirkende Erhöhung des IAB (z. B. bei Mehrergebnissen nach einer Betriebsprüfung) innerhalb des Investitionszeitraums zulässig.

     
    Quelle: Ausgabe 11 / 2016 | Seite 292 | ID 43964987