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  • · Fachbeitrag · Praxisverkauf

    Die Zulassung als Kassenarzt aus ertragsteuerlicher Sicht

    von StB Alfred P. Röhrig, Bad Honnef, www.steuerberaterkanzlei-roehrig.de

    | Beim Erwerb einer Arztpraxis werden neben dem Kaufpreis für die Übertragung der materiellen Wirtschaftsgüter regelmäßig auch Zahlungen für den Praxiswert vereinbart. Problematisch ist aus ertragsteuerlicher Sicht, wie Praxisübernahmeverträge ertragsteuerlich zu beurteilen sind, in denen es auch um die Überleitung der Vertragsarztzulassung vom Praxis- und Zulassungsinhaber auf den Praxiserwerber geht. |

    1. Der Regelfall

    Beim Erwerb einer Arztpraxis werden neben dem Kaufpreis für die Übertragung der materiellen Wirtschaftsgüter regelmäßig auch Zahlungen für den Praxiswert vereinbart. Die Anschaffungskosten für das immaterielle Wirtschaftsgut „Praxiswert“ dürfen beim Erwerb einer Einzelpraxis auf einen Zeitraum von drei bis fünf Jahren gewinnmindernd abgeschrieben werden. Beim entgeltlichen Eintritt in eine Gemeinschaftspraxis ‒ unter Fortsetzung der Tätigkeit des „Altgesellschafters“ ‒ können die Anschaffungskosten für das immaterielle Wirtschaftsgut „Praxiswert“ gewinnmindernd (grundsätzlich) über einen Zeitraum von fünf bis zehn Jahren abgeschrieben werden (vgl. BFH 24.2.94, IV R 33/93, BStBl 94 II, 590; BFH 20.10.15, VIII R 33/13, BStBl 16 II, 596; BMF 15.1.95, IV B 2 - S 2172 - 15/94, BStBl 95 I, 14).

     

    Es ist jedoch darauf hinzuweisen, dass die vorstehenden AfA-Zeiträume nur im Regelfall zur Anwendung kommen. Hiervon sind individuelle Ausnahmen möglich. Ausnahmen sind aus dem Grunde denkbar, weil die Grundvermutungen des BFH ausschließlich für den Regelfall zur Anwendung gelangen. Die Grundvermutungen lauten im Ergebnis wie folgt:

     

    • Beim Erwerb einer Einzelpraxis wird der übernommene Patienten-/Mandantenstamm über einen Zeitraum von drei bis fünf Jahre erhalten bleiben.
    • Beim Eintritt in eine Gemeinschaftspraxis/Sozietät wird der Patienten-/Mandantenstamm ‒ wegen der weiteren Mitwirkung des „Altgesellschafters“ ‒ wohl fünf bis zehn Jahre erhalten bleiben.

     

    Allerdings ist die Regel nicht blind anzuwenden, wie das Beispiel verdeutlicht.

     

    • Beispiel

    Beim Eintritts eines Neugesellschafters in eine onkologische Gemeinschaftspraxis wird der eintretende Gesellschafter wegen der Tätigkeit der Praxis sicherlich nicht davon ausgehen können, dass die bereits im Zeitpunkt seines Beitritts vorhandenen Patienten über einen Zeitraum von fünf bis zehn Jahren erhalten bleiben. Hier wird sicherlich maximal ein AfA-Zeitraum von drei bis fünf Jahren angemessen sein.

     

    2. Die Ausnahme: Zulassungskauf

    Die Zulassung vermittelt das höchstpersönliche, öffentlich-rechtliche Statusrecht, gesetzlich krankenversicherte Patienten zu behandeln und die Leistungen gegenüber den gesetzlichen Krankenkassen abzurechnen. Sie wird in zulassungsbeschränkten Gebieten in einem Nachbesetzungsverfahren nach § 103 SGB V erteilt und kann durch den Zulassungsinhaber nicht direkt an einen Erwerber veräußert werden. Gleichwohl enthalten Praxisübertragungsverträge regelmäßig Regelungen zur Überleitung der Zulassung auf den Praxiserwerber und eine entsprechende Verpflichtung zur Mitwirkung des Zulassungsinhabers im Nachbesetzungsverfahren.

     

    2.1 Sicht der Finanzverwaltung

    Die Behandlung derartiger Vereinbarungen war bisher äußerst umstritten. Die Finanzbehörden haben in der Vergangenheit die Rechtsauffassung vertreten, dass „der wirtschaftliche Vorteil einer Vertragsarztzulassung“ als ein nicht abnutzbares immaterielles h‒ vom Praxiswert zu trennendes eigenes ‒ Wirtschaftsgut zu beurteilen ist.

     

    2.2 Grundsatzentscheidung des BFH

    Der BFH (9.8.11, VIII R 13/08, BStBl 11 II, 875) hat der Auffassung der Finanzbehörden widersprochen: Orientiert sich der für eine Arztpraxis mit Vertragsarztzulassung vereinbarte Kaufpreis ausschließlich am Verkehrswert, ist mit dem abgegoltenen Praxiswert der Vorteil der Zulassung als Vertragsarzt untrennbar verbunden. So gelangt der BFH zur Annahme nur eines Wirtschaftsguts „Praxiswert“, der einheitlich gewinnmindernd abschreibbar ist.

     

    In Rz. 25 der Entscheidung hat der BFH jedoch ein Problem heraufbeschworen, das in den letzten Jahren zu sehr viel Unruhe in der steuerlichen Beratung geführt hat, wie auch die unterschiedlichen Entscheidungen der Finanzgerichte deutlich machen. Dort heißt es: Auch wenn der Vorteil aus der Zulassung als Vertragsarzt grundsätzlich kein neben dem Praxiswert der übernommenen Praxis stehendes oder ihn überlagerndes selbstständiges Wirtschaftsgut ist, schließt dies nicht aus, dass in Sonderfällen die Zulassung zum Gegenstand eines gesonderten Veräußerungsvorgangs gemacht und damit zu einem selbstständigen Wirtschaftsgut konkretisiert werden kann. Hierzu würde der BFH nach seinen eigenen Ausführungen dann gelangen, wenn ein Arzt an einen ausscheidenden Arzt eine Zahlung im Zusammenhang mit der Erlangung der Vertragsarztzulassung leistet, ohne jedoch dessen Praxis zu übernehmen, weil er den Vertragsarztsitz an einen anderen Ort verlegen will. Hierzu verweist der BFH auf eine Entscheidung des FG Niedersachsen (28.9.04, 13 K 412/01, s. Kanter, PFB 05, 2013). Wie er das selbstständige immaterielle Wirtschaftsgut „Vertragsarztsitzo“ ertragsteuerlich behandeln würde, hat der BFH in dieser Grundsatzentscheidung nicht gesagt.

    3. Lösung des BFH

    Aufgrund dieser offenen Situation hat es in den letzten Jahren zahlreiche Finanzgerichtsverfahren gegeben. Nun hat der BFH in zwei Entscheidungen deutlich gemacht, wie sich für ihn die Rechtslage darstellt. In beiden Fällen hatten die Beteiligten Praxisübernahmeverträge geschlossen, in denen es u. a. um die Überleitung der Vertragsarztzulassungen vom Praxisveräußerer und Zulassungsinhaber auf die Praxiserwerber ging.

     

    3.1 Erwerber mit Interesse am Patientenstamm

    Wird eine Vertragsarztpraxis samt der zugehörigen materiellen und immateriellen Wirtschaftsgüter der Praxis, insbesondere des Praxiswerts, als Chancenpaket erworben, ist der Vorteil aus der Zulassung als Vertragsarzt untrennbar im Praxiswert als abschreibbares immaterielles Wirtschaftsgut enthalten. Der BFH ist daher im konkreten Streitfall zu dem Ergebnis gelangt, dass nur ein einheitliches Immaterielles Wirtschaftsgut „Praxiswert“ angeschafft worden ist, das einheitlich abzuschreiben ist.

     

    Eine fachärztliche Gemeinschaftspraxis erwarb die Vertragsarztpraxis eines Kassenarztes. Der Kaufpreis für die Praxis orientierte sich an den durchschnittlichen Einnahmen aus der Untersuchung und Behandlung der gesetzlich und privat versicherten Patienten inklusive eines Zuschlags. Eine Besonderheit der fachärztlichen Einzelpraxis war, dass die Patienten diese im Wesentlichen aufgrund von Überweisungen anderer Ärzte aufsuchten und diese Zuweiserbindungen ein entscheidender wertbildender Faktor waren. Die Gemeinschaftspraxis übernahm einige Mitarbeiter der Einzelpraxis und das Patientenarchiv, da sie davon ausging, dass frühere Patienten der Einzelpraxis die Gemeinschaftspraxis aufsuchen würden. Sie wollte ihre Tätigkeit jedoch nicht in den Räumen des bisherigen Praxisinhabers ausüben. Der bisherige Einzelpraxisinhaber übernahm im Kaufvertrag die Verpflichtung, im Nachbesetzungsverfahren an der Erteilung der Zulassung an eine Gesellschafterin der Gemeinschaftspraxis mitzuwirken.

     

    Wie der BFH jetzt ‒ abweichend von der Rechtsauffassung der Finanzbehörden ‒ deutlich gemacht hat, findet diese Beurteilung auch dann Anwendung, wenn eine Gemeinschaftspraxis eine Einzelpraxis unter der Bedingung erwirbt, die Vertragsarztzulassung des Einzelpraxisinhabers werde im Nachbesetzungsverfahren einem Gesellschafter der Gemeinschaftspraxis erteilt.

     

    PRAXISTIPP | Maßgebliches Indiz für einen beabsichtigten Erwerb der Praxis als Chancenpaket ist nach Auffassung des BFH, dass Veräußerer und Erwerber einen Kaufpreis in Höhe des Verkehrswerts der Praxis oder sogar einen darüber liegenden Wert vereinbaren. Der Umstand, dass die Gemeinschaftspraxis nicht beabsichtige, die ärztliche Tätigkeit in den bisherigen Räumen des Einzelpraxisinhabers fortzusetzen, stehe dem nicht entgegen.

     

    3.2 Erwerber ohne Interesse am Patientenstamm

    Der BFH verneint die AfA-Berechtigung des Erwerbers in vollem Umfang, wenn der nur den wirtschaftlichen Vorteil aus der auf ihn überzuleitenden Vertragsarztzulassung gekauft hat und weder am Patientenstamm der früheren Einzelpraxis noch an anderen wertbildenden Faktoren ein Interesse hat.

     

    Hier schloss der Inhaber einer Einzelpraxis mit dem Neugesellschafter einer Gemeinschaftspraxis einen Praxisübernahmevertrag. Dieser stand unter der Bedingung der erfolgreichen Überleitung der Vertragsarztzulassung auf den Erwerber. Der Veräußerer verpflichtete sich im Nachbesetzungsverfahren an der Überleitung der Zulassung auf den Erwerber mitzuwirken. Zudem verlegte der Veräußerer seine Vertragsarztpraxis für eine kurze Zeit an den Ort der Gemeinschaftspraxis. Allerdings wurde er tatsächlich nicht für die Gemeinschaftspraxis tätig.

     

    Der BFH verneinte hier die AfA-Berechtigung des Erwerbers in vollem Umfang. Der Neugesellschafter habe nur den wirtschaftlichen Vorteil aus der auf ihn überzuleitenden Vertragsarztzulassung gekauft, da er weder am Patientenstamm der früheren Einzelpraxis noch an anderen wertbildenden Faktoren ein Interesse gehabt habe. Dieses Wirtschaftsgut sei nicht abschreibbar, da es keinem Wertverzehr unterliege. Der Inhaber könne eine ihm unbefristet erteilte Vertragsarztzulassung, solange er sie innehabe, gleichbleibend in Anspruch nehmen. Er könne zudem den aus ihr resultierenden wirtschaftlichen Vorteil im Rahmen eines Nachbesetzungsverfahrens gemäß § 103 SGB V durch eine Überleitung der Zulassung auf einen Nachfolger verwerten. Aus diesem Grund erschöpft sich der Wert des immateriellen Wirtschaftsguts des wirtschaftlichen Vorteils aus der Vertragsarztzulassung nicht in einer bestimmten bzw. bestimmbaren Zeit.

    4. Gestaltungstipp

    Ob die Anschaffungskosten für eine kassenärztliche Zulassung gewinnmindernd geltend gemacht werden können, hängt davon ab, welche konkreten Vereinbarungen zwischen den Vertragsparteien getroffen wurden. Wichtig ist, dass die Vertragsarztpraxis als Chancenpaket erworben wird. Dann ist der Vorteil aus der Zulassung als Vertragsarzt untrennbar im Praxiswert als abschreibbares immaterielles Wirtschaftsgut enthalten. Maßgebliches Indiz für den Erwerb der Praxis als Chancenpaket ist, dass Veräußerer und Erwerber einen Kaufpreis in Höhe des Verkehrswerts der Praxis oder sogar einen darüber liegenden Wert vereinbaren.

     

    Bei vertraglichen Regelungen ist daher ab sofort darauf zu achten, dass die durch den BFH nunmehr vorgegebenen Regeln beachtet werden, wenn eine gewinnmindernde Geltendmachung der Anschaffungskosten für den „Kassensitz“ angestrebt wird.

     

    FAZIT | Die vertraglichen Regelungen zwischen den Parteien sind für die ertragsteuerliche Beurteilung also von entscheidender Bedeutung. Soweit Mandanten daher von der vorstehenden Problematik betroffen sind oder in der Zukunft betroffen sein sollten, sollte der Berater in jedem Fall das Gespräch mit den Mandanten suchen, damit die vertraglichen Gestaltungen ‒ und die daraus resultierende Behandlung ihrer Anschaffungskosten ‒ unter Berücksichtigung der aktuellen Rechtsprechung getroffen werden.

     
    Quelle: Ausgabe 10 / 2018 | Seite 265 | ID 45265137