· Fachbeitrag · Steuergestaltung
Die Arztpraxis in der eigenen Immobilie
von StB Ekhard Kuck, Hude
| Der Erwerb von Immobilien ist durch die Unsicherheit an den Finanzmärkten und sinkende Zinsen attraktiver geworden. Für den (Zahn-)Arzt stellt sich daher die Frage, ob er (weiter) in angemieteten Räumen praktizieren oder sich zum Immobilienkauf entschließen sollte. Der Beitrag beleuchtet die vermögensplanerischen, betriebswirtschaftlichen und die steuerlichen Aspekte und bereitet damit auf das Gespräch mit dem Mandanten vor. |
1. Vorteile der eigenen Praxisimmobilie
Bei der Existenzgründung entscheiden sich die meisten Ärzte für die Anmietung von Praxisräumen. Die Realisierung eines Neubaus oder der Kauf einer Immobilie scheitern häufig aus zeitlichen Gründen. Allerdings wären eigene Praxisräume langfristig wahrscheinlich die bessere Entscheidung: Bei einem angenommenen monatlichen Mietzins von 1.500 EUR sind nach 10 Jahren bereits 180.000 EUR verbraucht. Hätte sich der Arzt für die Anschaffung einer eigenen Praxisimmobilie entschieden, wären in dem monatlichen Aufwand von 1.500 EUR bei einer Fremdfinanzierung schon erhebliche Tilgungsraten enthalten, sodass frühzeitig ein Grundstein zum Vermögensaufbau gelegt worden wäre. Wegen der aktuell niedrigen Zinsen ist es durchaus möglich, dass die Finanzierungskosten, also Tilgung und Zinsen, nicht höher ausfallen als die Mietaufwendungen für vergleichbare Räumlichkeiten.
Die hohen Anfangsinvestitionen sind weitere Gründe, die junge Ärzte zur Unterzeichnung eines Mietvertrags bewegen. Die Investition für die Praxiseinrichtung von zum Beispiel 300.000 EUR erhöht sich noch um den Wert der Immobilieninvestition von etwa 400.000 EUR bei 200 m2 Praxisfläche. Sollen in dem Gebäude auch noch die Wohnräume des Arztes untergebracht werden, kann sich die gesamte Investitionssumme leicht auf eine Million EUR addieren. Ein Kreditinstitut wird ein solches Volumen nur bei Einsatz von Eigenmitteln finanzieren, und die stehen dem jungen Arzt in der Regel nicht zur Verfügung.
2. Zeitpunkt für Immobilienerwerb
Einen Ausweg aus dieser Situation kann eine stufenweise Vorgehensweise bieten. Zu Beginn der selbstständigen Tätigkeit ist es noch nicht sinnvoll, mehr Kapital als nötig in die Praxis zu stecken. So bleibt der Arzt flexibel, auch wenn der wirtschaftliche Erfolg zunächst noch auf sich warten lässt. Sobald sich erste Erfolge zeigen, die Rückführung der Existenzgründungsdarlehen angelaufen ist und der Mietvertrag einen Ausstieg zulässt, sollte überlegt werden, ob der Standort der Praxis auf Dauer gut gewählt ist. Ist das der Fall, stellt sich für den Arzt die Frage, ob er die Praxisimmobilie erwerben sollte oder ob eher die Errichtung eines Neubaus infrage kommt.
PRAXISHINWEISE | Bei Abschluss des Praxismietvertrags sollten die Weichen richtig gestellt werden, um den späteren Erwerb der Immobilie zu ermöglichen:
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3. Vorprüfungen bei geplantem Immobilienkauf
Bevor sich der Arzt für den Erwerb einer geeigneten Immobilie entschließt, sollte er bedenken: Die Immobilie wird generell als sichere Kapitalanlage angesehen, steuerliche Vorteile tragen wesentlich zum Vermögensaufbau bei. Wegen des derzeit niedrigen Zinsniveaus ist die Rendite bei Immobilien oft höher als bei Finanzprodukten und sicherer als bei Aktien. Immobilieninvestitionen sind langfristig angelegt und somit nicht kurzfristigen Wertschwankungen ausgesetzt.
3.1 Praxisimmobilie mit geringerer Wertsteigerung
Im Gegensatz zur Wohnimmobilie steigt der Wert von Büro- und Praxisimmobilien regelmäßig langsamer. Als Sachwertanlage bieten Immobilien allerdings einen gewissen Inflationsschutz. Sie können sogar von inflationären Entwicklungen profitieren. Im Gegensatz zum Mieter ist der Grundstückseigentümer nicht dem Risiko von Mieterhöhungen und des Eigenbedarfs des Vermieters unterworfen.
3.2 Finanzieller Spielraum wird enger
Aber Vorsicht: Immobilieneigentum erfordert einen hohen Zeitaufwand. Der finanzielle Spielraum wird für den Arzt enger, da er sparen muss, um den Kredit bedienen zu können. Beim Verkauf einer Immobilie können hohe steuerliche Belastungen entstehen, insbesondere wenn in zeitlicher Nähe zur Anschaffung oder zur Herstellung veräußert wird. Sehr wichtig ist der richtige Standort: Immobilien in Ballungszentren oder zentraler Lage erzielen bessere Renditen und Verkaufserlöse als in weniger attraktiven Lagen.
Die Finanzierung der Praxisimmobilie sollte daher flexibel gestaltet werden, das heißt lange Laufzeit mit niedrigen Tilgungsraten, aber mit der Möglichkeit, Sondertilgungen zu leisten. Öffentliche Mittel müssen nicht unbedingt vorteilhafter sein als ein normales Bankdarlehen, weil relativ kurze Darlehenslaufzeiten und damit hohe Tilgungsraten die Praxisliquidität erheblich einengen können, auch wenn die Zinskonditionen eventuell günstiger sind.
PRAXISHINWEIS | Häufig werden von der Bank Lebensversicherungen oder Aktienfonds offeriert, die als Ersatz für Tilgungen dienen sollen. Hier ist allerdings große Vorsicht geboten! Grund: Die Tilgung ist bei derartigen Finanzprodukten nicht mehr planbar, sondern von Zins- und Kursentwicklungen abhängig, die weder die Bank noch der Arzt beeinflussen können. |
3.3 Kosten für Grunderwerbsteuer beachten
Beim Kauf einer Praxisimmobilie fallen je nach Bundesland zwischen 3,5 und 5 % Grunderwerbsteuer auf die Kaufsumme an. Wird ein Bauplatz für die Errichtung einer Praxisimmobilie erworben, wird die Grunderwerbsteuer nur auf den Kaufpreis für den Bauplatz fällig.
3.4 Umbau oder Neubau?
Muss das erworbene Gebäude aufwendig umgebaut werden, muss die Höhe der Umbaukosten mit eingeplant werden. Die „Altsubstanz“ sollte möglichst günstig eingekauft werden, damit die Gesamtkosten nicht wesentlich höher liegen als der Aufwand für einen vergleichbaren Neubau. Achten Sie zudem bei einem geplanten Umbau auch darauf, ob vorhandene Gegebenheiten wie zum Beispiel tragende Wände, die erhalten werden müssen, der Planung eines optimalen Praxisablaufs entgegenstehen.
PRAXISHINWEIS | Bei der Aufteilung des Kaufpreises sollte mit Blick auf den nicht abschreibungsfähigen Wert von Grund und Boden ein möglichst hoher Anteil auf das Gebäude entfallen. Hilfreich ist hierbei der Wert aus der Richtwertkartei des örtlichen Katasteramts. |
4. Steuerliche Folgen der Eigentümerstellung beachten
Wurde die Frage „Miete oder Kauf?“ zugunsten der Anschaffung oder Errichtung eines Praxisgebäudes entschieden, muss anschließend erörtert werden, wer Eigentümer werden soll. I.d.R. werden das der Praxisinhaber oder - im Falle einer Gemeinschaftspraxis - die gemeinsamen Praxisinhaber sein. Steuerlich zählt das Gebäude mit Grund und Boden dann zum sogenannten notwendigen Betriebsvermögen - möglicherweise mit später unerwünschten steuerlichen Folgen.
4.1 Steuerliche Folgen bei Eigentümerstellung des Arztes
Die Eigentümerstellung des Arztes kann sich steuerlich negativ auswirken. Werden die Praxisräume nämlich wieder veräußert oder sollen sie in das Privatvermögen überführt werden, zum Beispiel zur privaten Nutzung der Räume, müssen die sogenannten stillen Reserven der Besteuerung zugeführt werden. Das kann sehr teuer werden. Wenn zum Beispiel ein Praxisgebäude mit Anschaffungswerten von 250.000 EUR nach 20 Jahren auf 120.000 EUR abgeschrieben ist und für 300.000 EUR veräußert wird, zählt der Differenzbetrag von 180.000 EUR zu den steuerpflichtigen Einkünften.
4.2 Eintragung des Ehepartners als Eigentümer vorteilhaft
Diese negative steuerliche Auswirkung lässt sich von vornherein vermeiden, wenn nicht der Praxisinhaber selbst, sondern ein naher Angehöriger, zum Beispiel der Ehepartner, Eigentümer der Praxisimmobilie wird. Für ihn wird die Immobilie steuerlich als Privatvermögen geführt, sodass nach Ablauf einer 10-jährigen Spekulationsfrist steuerunschädlich in Form von Veräußerung verfügt werden kann.
Da eine solche Konstruktion auch Fragen des Güterstandes und des Erbrechts berühren können, sollte auf jeden Fall ein Rechtsanwalt zu den Beratungen hinzugezogen werden.
PRAXISHINWEIS | Der bei Eigentümerstellung des Ehepartners abzuschließende Mietvertrag muss wie zwischen fremden Dritten verabredet werden, damit er steuerliche Wirksamkeit erlangt. Das bedeutet z.B., dass der Mietzins ortsüblich ist, der Arzt die Miete auf ein Konto seines (Vermieter-)Partners zahlt, der Partner das Darlehen aufnimmt und Mietzins sowie die jährlich abgerechneten Nebenkosten pünktlich gezahlt werden. |
4.3 Vorsteuer aus den Investitionskosten
Bei einem Praxisneubauvorhaben lässt sich ein umsatzsteuerlicher Vorteil erzielen, wenn z.B. der Heilberufler umsatzsteuerpflichtige Leistungen erbringt, wie zum Beispiel im Falle eines Zahnarztes für ein Praxislabor (auch CEREC), einen Prophylaxe-Shop oder gutachterliche bzw. schriftstellerische Tätigkeit.
PRAXISHINWEISE | Wenn die Baukosten für das Gesamtgebäude 400.000 EUR betragen und der benötigte Raumbedarf 25 % der Gesamtnutzfläche ausmacht, kann der Arzt vom Finanzamt eine Vorsteuererstattung von 15.966 EUR beantragen. Dieser Betrag errechnet sich wie folgt: 100.000 EUR minus 19 % Mehrwertsteuer ergeben 84.034 EUR. Hiervon 19 % sind 15.966 EUR. Die erbrachten Leistungen sind dann mit 7 % (für Praxislabor oder CEREC) beziehungsweise 19 % für die anderen umsatzsteuerpflichtigen Leistungen der Umsatzsteuer zu unterwerfen. Diese Steuer belastet den Arzt jedoch nicht, da er sie an die Krankenkassen bzw. Patienten weitergibt. |
Alle im Zusammenhang mit der Praxisimmobilie anfallenden Kosten sind als Betriebsausgaben steuerlich absetzbar. Dazu zählen unter anderem: Grundbesitzabgaben, Finanzierungszinsen (Tilgungsraten sind allerdings nicht absetzbar), Gebäudeversicherungen, Kosten für Energie, Gebühren, Reparaturen und Abschreibungen.
4.4 Miet- und Reparaturkosten absetzen
Der Arzt kann 3 % der Baukosten (ohne Grund und Boden) jährlich degressiv steuermindernd geltend machen. Im Falle eines Mietmodells mit dem Ehepartner beträgt dessen linearer Abschreibungssatz 2 %. Hat der Arzt als Praxis ein unter Denkmalschutz stehendes Gebäude erworben und umgebaut, kann er die Umbaukosten, die unter Umständen bis zu 75 % des Gesamtaufwandes ausmachen, in 12 Jahren vollständig abschreiben. In den ersten 8 Jahren kann er bis zu 9 % jährlich abschreiben, in den folgenden 4 Jahren bis zu 7 % pro Jahr.
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Der Arzt erwirbt ein Gebäude, das unter Denkmalschutz steht, baut es im Jahr 2012 um und richtet dort seine Praxis ein.
Im Jahr 2023 hat der Arzt somit sämtliche Umbaukosten abgesetzt. |
4.5 Erhaltungsaufwand absetzbar
Reparaturkosten können in vollem Umfang abgesetzt werden, sofern es sich um sogenannten Erhaltungsaufwand handelt, d.h., durch die Maßnahmen wird der Substanzwert des Gebäudes nicht wesentlich erhöht, sondern es werden z.B. technisch verbrauchte Gegenstände erneuert. Dazu gehören z.B. der Austausch von Fenstern mit Einfachverglasung gegen solche mit Mehrfachverglasung, die Neuverlegung des Teppichbodens oder die Neueindeckung eines defekten Dachs. Führen die Reparaturen hingegen zu einer wesentlichen Substanzverbesserung, werden die Kosten dem Gebäudewert zugeschlagen und einheitlich abgeschrieben.
4.6 Gemischt genutzte Gebäude
Bei gemischt genutzten Grundstücken, das heißt, wenn in dem Gebäude neben der Arztpraxis auch noch Wohnungen vorhanden sind, müssen die Kosten entsprechend den Nutzflächen im Verhältnis aufgeteilt werden. Die anteiligen Praxiskosten können voll als Betriebsausgaben abgezogen werden. Ein anderer Aufteilungsmaßstab für die Kosten kann gewählt werden, wenn die auf die Praxis entfallenden Kosten nachweislich verbrauchsbedingt höher sind, zum Beispiel für die Energiekosten.
4.7 Was geschieht mit der Praxis bei Berufsende?
Am Ende der beruflichen Tätigkeit des Arztes muss überlegt werden, was mit dem Praxisgebäude geschehen soll. Hierfür kommen verschiedene Möglichkeiten in Betracht.
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Einem Nachfolger der Praxis auch das Praxisgebäude zu veräußern, ist oft schwierig, weil der Übernehmer den hohen Investitionsaufwand scheut. Hilfreich kann es hierbei sein, zweigleisig zu fahren: Die Arztpraxis wird einem Nachfolger verkauft, das Praxisgebäude als solches hingegen getrennt an einen fremden Investor veräußert.
Sofern die Bedingungen stimmen, besteht eine gute Chance, dass diese Option erfolgreich sein wird. Hierfür muss der Kaufpreis der Immobilie zwischen Praxisabgeber und Investor angemessen vereinbart werden; der Investor sollte bei einer Weitervermietung an einen Praxisübernehmer seinerseits auf ortsübliche und angemessene Konditionen achten.
Steht das Gebäude im Eigentum des Arztes und war es somit seinem notwendigen Betriebsvermögen zuzuordnen, ergeben sich sowohl im Falle der Veräußerung als auch im Falle der Überführung ins Privatvermögen steuerlich nicht unerhebliche Folgen. Der Veräußerungsgewinn (Verkaufspreis abzüglich Buchwert) bzw. der Entnahmegewinn (möglicher Veräußerungspreis abzüglich Buchwert) unterliegt der Einkommensbesteuerung. Erfolgt die Veräußerung im Rahmen des Gesamtverkaufs der Praxis, so kann unter bestimmten Voraussetzungen ein Freibetrag und der ermäßigte Steuersatz in Anspruch genommen werden.
FAZIT | Der Arzt, der sich für die eigene Praxisimmobilie entscheidet, muss viel Zeit in die Planung und Finanzierung investieren, die bei der Miete von Praxisräumen nicht nötig wäre. Aber die Mühen lohnen sich: Man kann davon ausgehen, dass der Arzt nach spätestens 30 Jahren sein Praxisgebäude aus ersparter Miete und Steuerersparnis bezahlt hat. Der Arzt, der in Mieträumen praktiziert, hat im vergleichbaren Zeitraum nicht sein eigenes Objekt, sondern das seines Vermieters finanziert und bezahlt. |