Praxiswissen auf den Punkt gebracht.
logo
  • Meine Produkte
    Bitte melden Sie sich an, um Ihre Produkte zu sehen.
Menu Menu
MyIww MyIww
  • · Nachricht · Umsatzsteuerbefreiung

    Umsatzsteuerliche Beurteilung einer Sucht-Selbsthilfetherapie mit therapeutischer Begleitung für Arbeitnehmer

    | Arbeitgeber haben ein Interesse daran, die Gesundheit der Arbeitnehmer zu erhalten. Deswegen bieten Arbeitgeber betriebliche Gesundheitsleistungen gerade in solchen Berufen an, die einem hohen gesundheitlichen Risiko ausgesetzt sind. Dabei ist oft a priori nicht klar, ob die Gesundheitsleistungen umsatzsteuerbefreit ( § 4 Nr. 14 Buchst. a UStG ) sind oder nicht ‒ wie dieser Fall zeigt. |

     

    • Sachverhalt

    Eine Fluggesellschaft schickt alkoholauffällig gewordene Piloten zu einem niedergelassenen Psychologen, damit sie bei ihm eine Selbsthilfetherapie mit therapeutischer Begleitung machen. Der Therapeut rechnet mit der Fluggesellschaft ab. Der Therapeut darf laut Vertrag die Leistung nur persönlich erbringen. Er bittet um eine erste umsatzsteuerliche Einschätzung.

     

    Der Sachverhalt spricht 3 mögliche Problemkreise an:

    • Liegt hier eventuell eine Leistung in einer Unternehmerkette vor?
    • Wurde die Diagnose von einer Person mit Befähigung erstellt?
    • Ist die konkrete Selbsthilfe-Therapie mit therapeutischer Begleitung eine Heilbehandlung?

     

    Dass die Leistung des Therapeuten gegenüber der Fluggesellschaft abgerechnet wird, ist für die hier angesprochenen Problemkreise unerheblich.

     

    1. Liegt eine Leistung in einer Unternehmerkette vor?

    Wird eine ärztliche oder arztähnliche Leistung in der Unternehmerkette erbracht, müssen bei jedem Unternehmer in der Kette die Voraussetzungen nach § 4 Nr. 14 Buchst. a UStG geprüft werden (Abschn. 4.14.4 Abs. 10 UStAE). Eine Unternehmerkette liegt z. B. unstreitig in diesem Fall vor (BFH 30.5.11, V R 47/09, PFB-Nachricht 30.05.11):

     

    • Der Patient kommt mit Akne zum Hautarzt. Zwischen Arzt und Patient besteht ein Behandlungsvertrag.

     

    • Der Hautarzt delegiert die Therapieleistung aus dem Behandlungsvertrag an eine Kosmetikerin.

     

    • Fehlt es bei ihr an der Befähigung, ist ihre Leistung umsatzsteuerpflichtig.

     

    Im Sachverhalt wird die Heilbehandlung jedoch nicht in der Kette erbracht:

     

    • Der Pilot hat einen Arbeitsvertrag mit der Fluggesellschaft. Innerhalb des Arbeitsvertrags wird keine Heilbehandlung geschuldet/erbracht. Daher delegiert die Fluggesellschaft auch keine Heilbehandlung.

     

    • Die Fluggesellschaft beauftragt vielmehr den Therapeuten damit, die Flugtauglichkeit des Piloten zu erhalten/wiederherzustellen. Auch hier delegiert die Fluggesellschaft keine eigene Heilbehandlungsleistung an einen Auftragnehmer, sie kauft sie ein.

     

    • Der Therapeut wiederum ist verpflichtet, seine Leistung höchstpersönlich zu erbringen. Er hat also schon gar keine Möglichkeit, die Leistung zu delegieren.

     

    2. Wer hat die Diagnose gestellt?

    Nicht unwichtig ist, wer die Diagnose gestellt hat (BFH 26.8.14, XI R 19/12, PFB-Nachricht 3.12.14). Hatte diese Person eine Befähigung zur Beurteilung einer Krankheit nach ICD 10? Liegt für jeden Fall eine Einzelbefundung vor? Oder wurde der Betroffene betrunken hinter dem Steuer von der Polizei erwischt und so das Suchtproblem bekannt? Für die in § 4 Nr. 14 Buchst. a UStG genannten Katalogberufe ist der Qualifikationsnachweis kein Thema. Psychologische Psychotherapeutinnen üben eine ähnliche heilberufliche Tätigkeit nach § 4 Nr. 14 Buchst. a S. 1 UStG aus (Abschn. 4.14.4 Abs. 11 UStAE).

     

    3. Ist die konkrete Therapie eine Heilbehandlung?

    Heilbehandlungen müssen ein medizinisch-therapeutisches Ziel haben, wenn sie umsatzsteuerbefreit sein sollen. Zudem muss der Behandler über eine entsprechende Befähigung verfügen, die bei den Katalogberuflern allerdings vorausgesetzt wird (z. B. Stockhausen, PFB 16, 179). Eine Selbsthilfetherapie mit therapeutischer Begleitung kann grundsätzlich eine umsatzsteuerbefreite Heilbehandlung sein, wenn sie zur Vorbeugung, Diagnose, Behandlung und, soweit möglich, zur Heilung von Krankheiten oder Gesundheitsstörungen bei Menschen vorgenommen wird. Die befreiten Leistungen müssen dem Schutz der Gesundheit des Betroffenen dienen (EuGH 14.9.00, C-384/98). Bei der Alkoholsucht handelt es sich unstreitig um eine Krankheit (IDC-10, F10.1, F10.2).

     

    Gerade im Bereich der nicht verbotenen Drogen wie Alkohol und Zigaretten fällt jedoch oftmals die Abgrenzung zu Leistungen zur Prävention und Selbsthilfe i. S. des § 20 SGB V schwer. Leistungen, die keinen unmittelbaren Krankheitsbezug haben, weil sie lediglich „den allgemeinen Gesundheitszustand verbessern und insbesondere einen Beitrag zur Verminderung sozial bedingter Ungleichheit von Gesundheitschancen erbringen“ sollen (§ 20 Abs. 1 S. 2 SGB V), sind grundsätzlich keine nach § 4 Nr. 14 UStG befreiten Heilbehandlungen (BFH 7.7.05, V R 23/04). Hier kommt es entscheidend darauf an, dass die therapeutischen Maßnahmen auch individuell auf den Erkrankten zugeschnitten sind und nicht etwa nur die Lebensumstände und eine gesunde Lebensführung im Allgemeinen betreffen.

     

    Weiterführende Hinweise

    • Delegation von Leistungen im Heil-, im Pflege- und im Betreuungsbereich (Stockhausen, PFB 17, 217)
    • Leistungen der Primärprävention und die Außenprüfung (Stockhausen, PFB 16, 35)
    Quelle: ID 45389044