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  • · Fachbeitrag · Verfahrensrecht

    Bekanntgabe von Feststellungsbescheiden an Freiberufler-Gesellschaft

    von Dipl.-Finanzwirt Marvin Gummels, Hage, www.steuer-webinar.de

    | Die Finanzverwaltung erlässt täglich Tausende Feststellungsbescheide gegenüber Freiberufler-Personengesellschaften. Doch wie genau sind diese Bescheide zu adressieren und wem sind sie bekannt zu geben? Ein sehr fehlerbehafteter Bereich in der Praxis, denn es gibt viele Ausnahmen und Besonderheiten. PFB informiert Sie über die geltenden Regelungen und zeigt anhand typischer Fallgestaltungen auf, wann Gesellschafter einen „eigenen“ Bescheid erhalten (müssten). Zudem erfahren Sie, welche Folgen eine fehlerhafte Bekanntgabe in der Praxis auslöst. |

    1. Feststellungsbescheid richtet sich an die Gesellschafter

    Während sich ein Umsatzsteuerbescheid z. B. an die Personengesellschaft als Steuerschuldner richtet und dieser ihr gegenüber bekannt zu geben ist, gelten bei gesonderten Gewinnfeststellungen i. S. d. § 180 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a AO Besonderheiten. Ein gesondert und einheitlicher Gewinnfeststellungsbescheid richtet sich nach § 179 Abs. 2 S. 1 AO nämlich an denjenigen Steuerpflichtigen, dem der Gegenstand der Feststellung zuzurechnen ist. Das sind die Gesellschafter bzw. Mitglieder der Personengesellschaft und nicht die Personengesellschaft selbst.

     

    Den gesondert und einheitlich festgestellten Gewinnanteil hat nämlich nicht die Gesellschaft, sondern vielmehr jeder einzelne Gesellschafter innerhalb seiner persönlichen Steuererklärung zu versteuern (§ 18 Abs. 4 S. 2 EStG i. V. m. § 15 Abs. 1 Nr. 2 EStG). Daraus folgt, dass jeder Gesellschafter einer Personengesellschaft im Feststellungsbescheid als Inhalts- und Bekanntgabeadressat aufzuführen ist. Zudem ist jeder Gesellschafter auch Empfänger des Verwaltungsakts, sofern keine Empfangsvollmacht (z. B. für einen Steuerberater) erteilt wurde. Es findet damit grundsätzlich eine Einzelbekanntgabe an jeden Gesellschafter statt.

     

    Beachten Sie | Es ist ausreichend, wenn im Bescheidkopf die Personengesellschaft als solche bezeichnet wird (Sammelbezeichnung) und sich alle Gesellschafter eindeutig als Betroffene (Inhaltsadressaten) aus dem für die Verteilung der Besteuerungsgrundlagen vorgesehenen Teil des Bescheids ergeben (BFH 7.4.87, VIII R 259/84). Im Adressfeld ist der Gesellschafter aufzuführen.

     

    • Beispiel 1

    Eine gemeinschaftlich vertretene BAG besteht aus drei Ärzten. Es soll der gesondert und einheitliche Gewinnfeststellungsbescheid adressiert werden.

    Lösung: Der Gewinnfeststellungsbescheid richtet sich an die Ärzte und nicht an die BAG. Im Bescheidkopf ist daher die BAG aufzuführen und aus dem Teil der Verteilung der Besteuerungsgrundlagen müssen sich die jeweiligen Gesellschafter ergeben. Dieser Bescheid ist jedem einzelnen Gesellschafter (nicht der BAG) bekannt zu geben und an diese zu adressieren (drei Ausfertigungen des Bescheids).

     

    2. Fehlerhafte Bekanntgabe durch „Übersehen“ eines Gesellschafters

    Ergeht der Feststellungsbescheid nur an einen (oder zwei) der BAG-Gesellschafter, so ist dieser nicht unwirksam. Mit der Bekanntgabe an einzelne Beteiligte ist der Feststellungsbescheid als entstanden anzusehen. Er hat damit gegenüber denjenigen Beteiligten Wirksamkeit erlangt, denen er bekannt gegeben wurde. Der Bescheid kann deshalb von der Finanzverwaltung nicht mehr frei geändert werden. Eine Änderung ist nur unter den Voraussetzungen der Änderungsvorschriften möglich (BFH 31.5.78, IR 76/76; 25.11.87, II R 227/84).

     

    MERKE | Volle Wirksamkeit erlangt der Feststellungsbescheid nur, wenn er allen Feststellungsbeteiligten bekannt gegeben wird. Mit seiner Bekanntgabe an einzelne Feststellungsbeteiligte entfaltet er nur diesen gegenüber Wirksamkeit.

     

    3. Heilung bei fehlenden Gesellschaftern

    Diese unterlassene oder unwirksame Bekanntgabe gegenüber einzelnen Gesellschaftern kann das FA nachholen. Hierzu erlässt es einen entsprechenden Bescheid und adressiert diesen an den oder die bisher fehlenden Gesellschafter bzw. dessen Empfangsbevollmächtigte. Dadurch ergibt sich eine wirksame Bekanntgabe und es beginnt eine neue individuelle Rechtsbehelfsfrist.

     

    Zu beachten ist bei der nachträglichen Bekanntgabe, dass das FA keinen von dem bisherigen Bescheid abweichenden Bescheid erteilen darf. Denn der eigentliche Bescheid ist bereits existent. Der bisherige Bescheid ist in unveränderter Weise den entsprechenden Gesellschaftern bekannt zu geben. Sofern in dem ursprünglichen Bescheid folglich ein Fehler enthalten und der Gewinn zu gering festgestellt wurde, muss dieser zu geringe Gewinn auch in dem nachträglich erlassenen Bescheid enthalten sein (AEAO zu § 122, Tz. 2.5.1). Ein höherer Ansatz ist nur zulässig, wenn eine Änderungsvorschrift wie § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO eine Änderung auch des bisherigen Feststellungsbescheids gestattet.

     

    • Beispiel 2

    Eine gemeinschaftlich vertretene BAG besteht aus den Gesellschaftern Dr. A., Dr. B. und Dr. C. Der gesondert und einheitliche Feststellungsbescheid erging ohne Erteilung einer Empfangsvollmacht an Dr. A. Der Gesamtgewinn wurde dabei mit 500.000 EUR festgestellt, obwohl 550.000 EUR zutreffend gewesen wären.

    Lösung: Die Feststellung entfaltet nur gegenüber Dr. A. Wirksamkeit. Gegenüber Dr. B und Dr. C muss die Bekanntgabe nachgeholt werden. Lässt sich der bisher festgestellte Gewinn verfahrensrechtlich nicht ändern, muss auch die Feststellung gegenüber Dr. B. und Dr. C. einen Gesamtgewinn von 500.000 EUR enthalten. Diese nachträgliche Bekanntgabe ist zwingend erforderlich, denn eine Heilung der fehlenden Adressierung ist nicht möglich. Selbst wenn Dr. B. und Dr. C. von dem Bescheid tatsächlich Kenntnis erhalten sollten (z. B. durch eine Kopie von Dr. A.), liegt hierin keine wirksame Bekanntgabe ihnen gegenüber vor.

     

    Beachten Sie | Wurde eine notwendige Feststellung vollkommen vergessen (z. B. die Feststellung anrechenbarer Kapitalertragsteuern oder die Feststellung einer steuerlich begünstigten Praxisaufgabe), so kann diese Feststellung durch einen Ergänzungsbescheid nach § 179 Abs. 3 AO nachgeholt werden. Dies gilt auch, wenn der bisherige Feststellungsbescheid bereits in Bestandskraft erwachsen ist.

    4. Besonderheiten durch Empfangsbevollmächtigte

    Dieses beschriebene Vorgehen mit Adressierung der Bescheide an jeden einzelnen Gesellschafter mag bei kleineren Gesellschaften funktionieren. Es führt bei mehreren Hundert oder gar Tausenden Gesellschaftern aber unausweichlich zu Praxisproblemen. Denn die Bekanntgabezeitpunkte und damit der Beginn und das Ende der Rechtsbehelfsfrist können von Gesellschafter zu Gesellschafter differieren ‒ von dem zusätzlichen Verwaltungs- und Kostenaufwand ganz zu schweigen. Haben die Gesellschafter nicht bereits einen Bevollmächtigten nach § 80 AO bestimmt (z. B. Steuerberater), bietet der Finanzverwaltung deshalb § 183 AO einige Vereinfachungsmöglichkeiten bei der Bekanntgabe.

     

    MERKE | § 183 AO ist eine Ermessensvorschrift (§ 5 AO) für die Finanzverwaltung. Das FA kann folglich auch in Fällen des § 183 AO nach pflichtgemäßem Ermessen den Bescheid jedem einzelnen Gesellschafter bekannt geben und von einer gemeinsamen Bekanntgabe an einen Empfangsbevollmächtigten absehen.

     

    5. Dreistufiges Verfahren zur Bestimmung eines Empfangsbevollmächtigten

    § 183 Abs. 1 AO sieht drei Möglichkeiten vor, nach denen abweichend von einer Einzelbekanntgabe an alle Gesellschafter eine Bekanntgabe an einen gesetzlich vorgeschriebenen Empfangsbevollmächtigten mit Wirkung für und gegen alle anderen Gesellschafter zulässig ist. Die Reihenfolge der Varianten 1 bis 3 ist dabei nicht variabel, sondern fest einzuhalten. Liegt bereits eine Bevollmächtigung der Variante 1 vor, scheidet eine Bevollmächtigung nach den Varianten 2 und 3 aus.

     

    PRAXISTIPP | Solange noch keine Gesellschaft besteht oder zweifelhaft ist, ob eine Gesellschaft entstanden ist, ist die vereinfachende Bekanntgabe nach § 183 Abs. 1 AO nicht anwendbar. Es kommt dann zwingend zur Einzelbekanntgabe.

     

    5.1 Bestellung eines gemeinsamen Empfangsbevollmächtigten

    Wurde kein Bevollmächtigter nach § 80 AO bestellt, sollen die Gesellschafter gemäß § 183 Abs. 1 S. 1 AO einen gemeinsamen Empfangsbevollmächtigten bestellen, der ermächtigt ist, alle Verwaltungsakte und Mitteilungen für die Feststellungsbeteiligten in Empfang zu nehmen, die mit dem Feststellungsverfahren und dem anschließenden Verfahren über einen Einspruch zusammenhängen. Es handelt sich hierbei um keine Verpflichtung, sondern um eine nicht erzwingbare Obliegenheit. Bestellen die Gesellschafter einen entsprechenden Empfangsbevollmächtigten, wird der Feststellungsbescheid diesem gegenüber mit Wirkung für und gegen alle anderen Gesellschafter bekannt gegeben (Hinweiserfordernis nach § 181 Abs. 1 S. 5 AO). Die Bevollmächtigung gilt dabei ab Erteilung der Vollmacht unbefristet für alle künftigen Verwaltungsakte, auch für zwischenzeitlich ausgeschiedene Gesellschafter. Sie erlischt erst mit Widerruf durch einen oder mehrere Gesellschafter. Der Widerruf wird dabei in dem Zeitpunkt wirksam, in dem er der Finanzbehörde zugeht.

     

    Beachten Sie | Das Gesetz sieht nur die Bestellung eines Bevollmächtigten für alle Gesellschafter vor. Die Finanzverwaltung gestattet es aber im Einzelfall, dass ein Empfangsbevollmächtigter nur für einen Teil der Gesellschafter gilt. Für die übrigen Gesellschafter erfolgt dann eine Einzelbekanntgabe (AEAO zu § 122, Tz. 2.5.2).

     

    • Beispiel 3

    Eine BAG besteht aus fünf Ärzten. Sie haben gemeinsam Dr. Albertrus gegenüber dem FA als Empfangsbevollmächtigten bestellt.

     

    Lösung: Grundsätzlich hätte der Feststellungsbescheid an jeden Gesellschafter gerichtet werden müssen (fünf Bescheide). Aufgrund der Empfangsvollmacht kann jedoch nach § 183 Abs. 1 S. 1 AO ein einzelner Bescheid an Dr. Albertrus gerichtet werden. Dieser wirkt dann für und gegen alle anderen Gesellschafter. Dr. Albertrus hat im Anschluss die anderen Gesellschafter über den Inhalt zu unterrichten.

     

    5.2 Fingierte Bestimmung eines Empfangsbevollmächtigten

    Wurde kein gemeinsamer Empfangsbevollmächtigter nach Nr. 1 bestellt, so gilt nach § 183 Abs. 1 S. 2 AO ein zur Vertretung der Gesellschaft Berechtigter als Empfangsbevollmächtigter. Entscheidend ist, ob und wenn ja welche Person zur Vertretung der Gesellschaft nach § 34 AO berechtigt ist (z. B. der Geschäftsführer). Sind dies mehrere Personen (z. B. mehrere Komplementäre einer KG), gilt jeder als Empfangsbevollmächtigter. Das FA entscheidet dann nach pflichtgemäßem Ermessen, an wen es den Verwaltungsakt mit Wirkung für und gegen alle anderen Gesellschafter richtet.

     

    • Beispiel 4

    Eine Steuerberatungssozietät besteht aus drei Steuerberatern. Diese vertreten die Sozietät gemeinschaftlich. Herr Freese wurde jedoch von allen Gesellschaftern als Geschäftsführer bestellt.

    Lösung: Mangels gemeinsamen Empfangsbevollmächtigten kann das FA § 183 Abs. 1 S. 1 AO nicht anwenden. Der Feststellungsbescheid kann dennoch alleine an Dr. Freese als gesetzlicher Vertreter ergehen (§ 183 Abs. 1 S. 2 AO).

     

    5.3 Aufforderung zur Bestellung eines Empfangsbevollmächtigten

    Wurde kein gemeinsamer Empfangsbevollmächtigter bestellt und ist auch kein fingierter Empfangsbevollmächtigter vorhanden, kann das FA die Beteiligten nach § 183 Abs. 1 S. 3 AO auffordern, innerhalb einer bestimmten angemessenen Frist einen Empfangsbevollmächtigten zu benennen. Diese Aufforderung ist an alle Beteiligten zu adressieren. Das FA hat hierin zugleich einen der Beteiligten (nicht einen Dritten) als künftigen Empfangsbevollmächtigten vorzuschlagen und darauf hinzuweisen, dass diesem gegenüber künftig die entsprechenden Verwaltungsakte und Mitteilungen mit Wirkung für und gegen alle Beteiligten bekannt gegeben werden (§ 183 Abs. 1 S. 4 AO). Sofern die Gesellschafter im Anschluss einen eigenen gemeinsamen Empfangsbevollmächtigten benennen, ist dieser Empfangsbevollmächtigter i. S. d. § 183 Abs. 1 S. 1 AO (sämtliche Verwaltungsakte etc. ergehen an ihn). Ohne eigene Benennung eines Empfangsbevollmächtigten gilt die vom FA vorgeschlagene Person als Empfangsbevollmächtigter nach § 183 Abs. 1 S. 3 und 4 AO. Dann ergehen an diese Person sämtliche künftigen Verwaltungsakte und Mitteilungen mit Wirkung für und gegen alle anderen Feststellungsbeteiligten.

     

    • Beispiel 5

    Die Erbengemeinschaft eines Arztes besteht aus vier Erben. Die Erben vertreten die Erbengemeinschaft gemeinsam. Einen Empfangsbevollmächtigten haben sie nicht bestellt. Das FA hat am 15.4. an alle Erben ein Schreiben gerichtet und sie aufgefordert, bis zum 15.5. einen Empfangsbevollmächtigten zu benennen. Andernfalls schlägt sie den Miterben Müller als Bevollmächtigten vor und weist darauf hin, dass ohne Bestellung eines Bevollmächtigten künftig sämtliche Verwaltungsakte und Mitteilungen an Herrn Müller ergehen.

     

    Lösung: Sofern die Miterben einen Empfangsbevollmächtigten benennen, ergeht ein einzelner Bescheid an diesen mit Wirkung für und gegen alle anderen Miterben (§ 183 Abs. 1 S. 1 und 5 AO). Ohne Bestellung eines Bevollmächtigten kann das FA ab dem 16.5. sämtliche Verwaltungsakte und Mitteilungen an Herrn Müller richten und diese ihm gegenüber mit Wirkung für und gegen alle anderen Gesellschafter bekannt geben (§ 183 Abs. 1 S. 3 ff. AO).

     

    6. Ausschluss des Empfangsbevollmächtigten in Sonderfällen

    Die vereinfachende Bekanntgabe nach § 183 Abs. 1 AO setzt ein intaktes, normal funktionierendes Gesellschaftsverhältnis zwischen allen Beteiligten voraus. Liegt dieses nicht vor, ist eine gemeinsame Bekanntgabe ausgeschlossen. Deshalb ist nach § 183 Abs. 2 AO doch keine gemeinsame Bekanntgabe zulässig, wenn

    • die Gesellschaft nicht mehr besteht (Einzelbekanntgabe an alle Beteiligten),

     

    • ein Gesellschafter ausgeschieden ist (Einzelbekanntgabe an den ausgeschiedenen Gesellschafter ‒ gemeinsame Bekanntgabe an den Bevollmächtigten der übrigen Gesellschafter) oder

     

    • zwischen den Gesellschaftern ernstliche Meinungsverschiedenheiten bestehen (Einzelbekanntgabe an die Gesellschafter, bei denen ernstliche Meinungsverschiedenheiten bestehen ‒ gemeinsame Bekanntgabe an den Bevollmächtigten der übrigen Gesellschafter).

     

    Wichtig ist hierbei, dass dem FA der Ausnahmetatbestand bekannt sein muss bzw. es diese Erkenntnis hätte haben müssen (beispielsweise aufgrund eines Handelsregistereintrags). Bestehen beispielsweise Meinungsverschiedenheiten zwischen den Gesellschaftern einer Ärzte-BAG, sind diese dem FA jedoch nicht bekannt, kommt es nicht zur Anwendung des § 183 Abs. 2 AO mit daraus folgender Einzelbekanntgabe. Die Regelungen des § 183 Abs. 1 AO gelten damit fort und es kommt zur gemeinsamen Bekanntgabe an den Bevollmächtigten.

     

    Beachten Sie | Nur wenn die Gesellschafter einen Bevollmächtigten nach § 183 Abs. 1 S. 1 AO bestellt haben, gelten nach § 183 Abs. 3 AO die Regelungen zur Einzelbekanntgabe nach § 183 Abs. 2 AO nicht. Es bleibt dann bei der gemeinschaftlichen Bekanntgabe an den bestellten Empfangsbevollmächtigten ‒ z. B. auch für ausgeschiedene Gesellschafter. Voraussetzung hierfür ist allerdings, dass der Gesellschafter die erteilte Empfangsvollmacht nach § 183 Abs. 1 S. 1 AO nicht gegenüber dem FA widerrufen hat. Der Widerruf wird dabei erst wirksam, wenn er der zuständigen Finanzbehörde zugeht. Eine bestimmte Form ist nicht vorgesehen, auch ein mündlicher Widerruf ist zulässig.

     

    • Beispiel 6

    Eine BAG besteht aus fünf Ärzten. Die Ärzte haben Dr. Zunder als gemeinsamen Empfangsbevollmächtigten bestellt. Kurz vor Erteilung des Feststellungsbescheids ist einer der Ärzte, Dr. Alfonso, aus der BAG ausgeschieden. Die zugunsten von Dr. Zunder erteilte Empfangsvollmacht hat er nicht widerrufen.

     

    Lösung: Dr. Zunder ist Empfangsbevollmächtigter nach § 183 Abs. 1 S. 1 AO, sodass das FA nur einen Feststellungsbescheid an ihn richten kann (mit Wirkung für und gegen alle anderen Gesellschafter). Da Dr. Alfonso ausgeschieden ist, gilt dies gemäß § 183 Abs. 2 AO nicht für ihn. Dr. Alfonso erhält damit einen eigenen Feststellungsbescheid (Einzelbekanntgabe). Da Dr. Alfonso jedoch eine Empfangsvollmacht zugunsten von Dr. Zunder erteilt und diese nicht widerrufen hat, findet § 183 Abs. 3 AO Anwendung. Damit kommt es doch nicht zur Einzelbekanntgabe, sondern auch für Dr. Alfonso zu einer Bekanntgabe über den Empfangsbevollmächtigten Dr. Zunder.

     

    Checkliste / Bekanntgabe bei Personengesellschaften

    Grundsatz: Einzelbekanntgabe an alle Gesellschafter. Ausnahme:

    Bevollmächtigung
    Wirkung
    Beachten Sie

    Vollmacht nach § 80 AO (z. B. Steuerberater)

    Bekanntgabe des Verwaltungsakts an diese Person mit Wirkung für und gegen alle Gesellschafter.

    Haben einzelne Gesellschafter die Vollmacht widerrufen? Dann Einzelbekanntgabe an diese Gesellschafter ab Zugang des Widerrufs beim FA.

    Empfangsvollmacht nach § 183 Abs. 1 S. 1 AO

    Bekanntgabe des Verwaltungsakts an diese Person mit Wirkung für und gegen alle übrigen Gesellschafter.

    Fingierte Empfangsvollmacht nach § 183 Abs. 1 S. 2 AO (zur Vertretung befugter Gesellschafter ‒ § 34 AO)

    Bekanntgabe des Verwaltungsakts an diese Person mit Wirkung für und gegen alle übrigen Gesellschafter.

    Ist ein Gesellschafter ausgeschieden, erfolgt an diesen eine Einzelbekanntgabe. Ebenfalls erfolgt eine Einzelbekanntgabe an Gesellschafter, zwischen denen ernstliche Meinungsverschiedenheiten bestehen. Eine Einzelbekanntgabe erfolgt an alle Gesellschafter, wenn die Gesellschaft nicht mehr besteht. Wichtig: Ereignis muss dem FA bekannt sein!

    Vom FA vorgeschlagener Bevollmächtigter nach § 183 Abs. 1 S. 3, 4 AO

    Bekanntgabe des Verwaltungsakts an diese Person mit Wirkung für und gegen alle übrigen Gesellschafter, sofern die Gesellschafter keinen eigenen Bevollmächtigten benannt haben.

     

    Beachten Sie | Der Verwaltungsakt muss bei gemeinschaftlicher Bekanntgabe immer den Hinweis enthalten, dass die Bekanntgabe mit Wirkung für und gegen alle Feststellungsbeteiligten erfolgt (§ 183 Abs. 1 S. 5 AO).

    7. Empfangsvollmacht und Einspruchseinlegung

    Von der Bekanntgabe des Feststellungsbescheids und einer etwaigen Empfangsvollmacht ist strikt zu trennen, welcher der Gesellschafter befugt ist, Einspruch gegen den Feststellungsbescheid einzulegen. Hierfür gelten nach § 352 AO gesonderte Regelungen. Auch ein Empfangsbevollmächtigter kann je nach Fallgestaltung nicht dazu befugt sein, Einspruch einzulegen. Erhält allerdings ein Gesellschafter einen Feststellungsbescheid (Einzelbekanntgabe), obwohl dieser einem Empfangsbevollmächtigten nach § 183 Abs. 1 AO bekannt zu geben gewesen wäre, ist der Gesellschafter ohne Einschränkung nach § 352 AO und § 48 FGO rechtsbehelfsbefugt. Er kann Einspruch und Klage erheben. Denn in diesen Fällen richtet sich direkt an den Gesellschafter ein belastender Verwaltungsakt, woraus sich die erforderliche Beschwer ergibt.

     

    Weiterführender Hinweis

    Quelle: Ausgabe 09 / 2021 | Seite 237 | ID 47449899