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  • · Fachbeitrag · Abgabenordnung

    Jüngste Rechtsprechung zu Ausnahmen von der Pflicht zur digitalen Übermittlung

    von StB Christian Herold, Herten, www.herold-steuerrat.de

    | Alle Steuerpflichtigen mit gewerblichen oder freiberuflichen Einkünften sind grundsätzlich verpflichtet, ihre ESt-Erklärung nebst Gewinnermittlung (Bilanz, Anlage EÜR) dem FA elektronisch zu übermitteln. Dies gilt im Prinzip selbst bei äußerst geringen Betriebseinnahmen. Nur im Ausnahmefall dürfen weiterhin die Papierformulare für die Steuererklärung genutzt werden. Allerdings zeigen sich die FÄ zumeist wenig kulant und sehen nur ganz selten Härtefälle. Doch nun musste die Finanzverwaltung dreimal einen herben Dämpfer hinnehmen. |

    1. BFH: Aufwand steht in keinem Verhältnis zu den Umsätzen

    Der BFH (16.6.20, VIII R 29/19) hat entschieden, dass die digitale Abgabe der ESt-Erklärung wirtschaftlich unzumutbar ist, wenn der finanzielle Aufwand für die Einrichtung und Aufrechterhaltung einer Datenfernübertragungsmöglichkeit in keinem wirtschaftlich sinnvollen Verhältnis zu den Einkünften steht, die die Pflicht zur elektronischen Erklärungsabgabe auslösen.

     

    • Sachverhalt

    Der Kläger hatte im Streitjahr nur 14.534 EUR aus seiner selbstständigen Arbeit erzielt. In diesem Fall ist der BFH von einer Situation ausgegangen, die einem Kleinstbetrieb vergleichbar ist. Die elektronische Erklärungsabgabe dürfe daher nicht zwangsweise angeordnet werden.

     

    2. BFH: Zugleich verpflichtende ESt-Veranlagung

    In einer anderen Sache hat der BFH (28.10.20, X R 36/19) geurteilt, dass eine Verpflichtung zur elektronischen Übermittlung der ESt-Erklärung dann nicht besteht, wenn zwar einerseits gewerbliche Einkünfte aus dem Betrieb einer Fotovoltaikanlage erzielt werden, zugleich aber eine Veranlagung zur Einkommensteuer verpflichtend ist, weil beide Ehegatten Arbeitslohn bezogen haben und einer davon nach der Steuerklasse V besteuert worden ist.

     

    • Sachverhalt

    Die Eheleute wurden zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Beide Ehepartner bezogen Arbeitslohn, wobei der Lohnsteuerabzug der Ehefrau für einen Teil des Jahres nach der Lohnsteuerklasse V bemessen wurde. Der Ehemann erzielte darüber hinaus gewerbliche Einkünfte aus dem Betrieb einer Fotovoltaikanlage, die gesondert festgestellt wurden (11.600 EUR). Die Eheleute reichten ihre ESt-Erklärung 2017 in Papierform beim FA ein. Daraufhin erklärte das FA, die ESt-Erklärung gelte als nicht abgegeben. Doch der BFH sieht die Sache anders: Die ESt-Erklärung könne auch in Papierform abgegeben werden.

     

    Der BFH begründet seine Entscheidung mit § 25 Abs. 4 EStG: Trifft die Voraussetzung zur Abgabe einer elektronischen Steuererklärung wegen Gewinneinkünfte von mehr als 410 EUR auf die Pflicht zur Abgabe einer Steuererklärung bei zusammen veranlagten Eheleuten, davon einer in Steuerklasse V, dann sieht die Vorschrift keine zwingende elektronische Abgabe vor.

    3. Technische Einrichtung zu aufwendig

    Das Urteil (BFH 28.10.20, X R 36/19) gilt zunächst „nur“ für die digitale Übermittlung der Steuererklärung, nicht aber für die Übermittlung der Anlage EÜR oder gar einer Bilanz. Doch Unterstützung kommt insoweit vom FG Münster. Aktuell hat das FG Münster (28.1.21, 5 K 436/20 AO) entschieden, dass auch eine Bilanz beim FA in Papierform eingereicht werden darf, wenn die Schaffung der Technik für eine Datenfernübertragung finanziell zu aufwendig wäre.

     

    • Sachverhalt

    Die Klägerin ist eine GmbH, die Dienstleistungen in verschiedenen Bereichen erbringt. Einen Steuerberater nimmt sie für die Erfüllung ihrer steuerlichen Pflichten nicht in Anspruch. Im Jahr 2015 betrug ihr Umsatz ca. 70.000 EUR und der Gewinn ca. 300 EUR. Für 2016 beantragte die GmbH beim FA die Befreiung von der elektronischen Übermittlungspflicht und rechnete dem FA vor, dass die Schaffung der Voraussetzungen jährlich fixe Kosten von 2.300 EUR und einen jährlichen Arbeitsmehraufwand von 60 Stunden kosten würde.

     

    Hier war laut FG Münster zu berücksichtigen, dass die Klägerin angesichts ihrer Umsatz- und Gewinnzahlen als Kleinstbetrieb anzusehen war, der vom Gesetzgeber mit der Härtefallregelung geschützt werden soll. Diese Regelung selbst ist großzügig in dem Sinne auszulegen, dass wirtschaftliche Zumutbarkeit nicht mit wirtschaftlicher Leistbarkeit gleichzusetzen ist.

     

    Beachten Sie | Das FG Schleswig-Holstein (9.9.20, 3 K 6/20) hatte kürzlich entschieden, dass keine unbillige Härte vorliegt, wenn lediglich sehr geringe Kosten entstehen und im Wesentlichen nur der Zeitaufwand für die Einarbeitung in ein EDV-Programm gescheut wird, der Steuerzahler aber über einen Computer mit Internetanschluss verfügt. Die Revision hat der BFH soeben zurückgewiesen (BFH 21.4.21, XI R 29/20): 40 EUR pro Jahr für die elektronische Übermittlung einer Bilanz sei auch bei einem Kleinstunternehmen kein erheblicher finanzieller Aufwand und nicht unverhältnismäßig. Geklagt hatte übrigens ein Unternehmen, das Internetplattformen betreibt.

     

    FAZIT | Wer seine Steuererklärung und vor allem seine Gewinnermittlung für freiberufliche oder gewerbliche Einkünfte in Papierform abgeben möchte, muss beim FA einen Härtefall-Antrag nach § 5b Abs. 2 S. 2 EStG i. V. m. § 150 Abs. 8 AO stellen, diesen hinreichend begründen und sollte dabei auf die aktuellen Urteile verweisen. Wichtig: Nach Auffassung des BFH darf sich der Härtefall-Antrag aber nur auf den jeweiligen Veranlagungszeitraum beziehen (BFH 16.6.20, VIII R 29/17). Das heißt, der Antrag muss für jedes Jahr neu gestellt werden. Er darf also nicht lauten „Ich bitte um Befreiung ab dem Veranlagungszeitraum …“, sondern nur „Ich bitte um Befreiung für den Veranlagungszeitraum …“.

     
    Quelle: Ausgabe 10 / 2021 | Seite 262 | ID 47371396