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  • · Fachbeitrag · Außenprüfung

    Zugriff auf Einzelaufzeichnungen in den Kassendaten einer Apotheke

    von StB Jürgen Derlath, Münster

    Einzelhändler müssen nach den GoB im Rahmen der Zumutbarkeit alle Geschäftsvorfälle - auch Barumsätze über die Kasse - einzeln aufzeichnen. Wird eine PC-Kasse verwendet, die detaillierte Informationen zu den einzelnen Barverkäufen aufzeichnet und speichert, sind Einzelaufzeichnungen auch zumutbar. Der Außenprüfer kann auf die Kasseneinzeldaten zugreifen. Bareinnahmen müssen aber auch weiterhin nicht einzeln gebucht werden. Es reicht, die Tageslosung zu buchen. Entscheidend ist, dass diese sich auf die einzeln erfassten Verkäufe zurückführen lässt, die ggf. über das Warenwirtschaftssystem nachweisbar sind (BFH 16.12.14, X R 42/13; BFH 16.12.14, X R 29/13; BFH 16.12.14, X R 47/13).

     

    Sachverhalt

    Die buchführungspflichtige Klägerin verwendete ein speziell für Apotheken entwickeltes PC-gestütztes Erlöserfassungssystem mit integrierter Warenwirtschaftsverwaltung. Die Tageseinnahmen wurden über PC-Registrierkassen erfasst, dann durch Tagesendsummenbons ausgewertet und als Summe in ein manuell geführtes Kassenbuch eingetragen. Bei einer Außenprüfung verweigerte die Klägerin den Datenzugriff auf die Warenverkäufe, weil sie nicht zu Einzelaufzeichnungen verpflichtet sei. Anders als die Vorinstanz (FG Hessen 24.4.13, 4 K 422/12) kam der BFH zu dem Ergebnis, dass die Klägerin nach § 238 Abs. 1 S. 1 HGB zur Aufzeichnung der einzelnen Geschäftsvorfälle verpflichtet war und die Kassendaten der Finanzbehörde in elektronisch verwertbarer Form überlassen musste. Der BFH bestätigte damit die Auffassung des FG Sachsen-Anhalt (23.5.13, 1 K 396/12, entschieden mit BFH 16.12.14, X R 29/13).

     

    Anmerkungen

    Nach § 238 Abs. 1 S. 1 HGB ist jeder Kaufmann verpflichtet, Bücher nach den GoB zu führen. Die Buchführung muss so beschaffen sein, dass sie einem sachverständigen Dritten innerhalb angemessener Zeit einen Überblick über die Geschäftsvorfälle und über die Lage des Unternehmens vermitteln kann (§ 238 Abs. 1 S. 2 HGB). Die Geschäftsvorfälle müssen sich in ihrer Entstehung und Abwicklung verfolgen lassen (§ 238 Abs. 1 S. 3 HGB). Die Eintragungen in den Büchern und die sonst erforderlichen Aufzeichnungen müssen vollständig, richtig, zeitgerecht und geordnet vorgenommen werden (§ 239 Abs. 2 HGB). Über § 140 AO gelten die Pflichten auch für die Besteuerung.

     

    Für Kasseneinnahmen hat der BFH (12.5.66, IV 472/60, BStBl III 66, 371) klargestellt, dass der nach den GoB aufzeichnungspflichtige Geschäftsvorfall gerade nicht nur der am Ende eines Tages insgesamt vereinnahmte Betrag (Tageslosung) ist, weil die Tatsache der sofortigen Bezahlung der Leistung es nicht rechtfertigt, die einzelnen Geschäftsvorfälle nicht auch einzeln mit Benennung des Kunden, der Art der Tätigkeit und der Bareinnahme aufzuzeichnen. Da die GoB aber nur eine Einzelaufzeichnung der Kassenvorgänge im Rahmen des nach Art und Umfang des Geschäftes Zumutbaren verlangen, hat der BFH die Einzelaufzeichnungspflicht für Einzelhandelsgeschäfte - in Betrieben, in denen Waren von geringerem Wert an eine unbestimmte Vielzahl nicht bekannter und auch nicht feststellbarer Personen verkauft werden - dahingehend eingeschränkt, dass die baren Betriebseinnahmen in der Regel nicht einzeln aufgezeichnet zu werden brauchen (BFH 12.5.66, a.a.O.). Ausschlaggebend war insoweit, dass es technisch, betriebswirtschaftlich und praktisch unmöglich war, an die Aufzeichnung der einzelnen zahlreichen baren Kassenvorgänge in Einzelhandelsgeschäften gleiche Anforderungen wie bei anderen Handelsgeschäften zu stellen, nämlich zur Identifizierung und zur Bestimmung des Inhalts des Geschäfts Namen und Anschrift des Kunden und den Gegenstand des Kaufvertrages festzuhalten.

     

    Benutzt der Steuerpflichtige aber ein Kassensystem, das alle Kassenvorgänge einzeln aufzeichnet und speichert, verzichtet er auf diese Erleichterung und kommt seiner bestehenden Verpflichtung zur Aufzeichnung der einzelnen Verkäufe nach. Er kann sich dann auch nicht mehr auf die Unzumutbarkeit der Aufzeichnungsverpflichtung berufen.

     

    Diese Aufzeichnungen unterliegen der Aufbewahrungspflicht als Grundaufzeichnungen i.S. des § 147 Abs. 1 Nr. 1 AO. Es handelt sich nicht um freiwillige Aufzeichnungen. Daran ändert es auch nichts, dass die Kasse primär aus betriebswirtschaftlichen Gründen angeschafft wurde. Daher durfte das FA in der Außenprüfung gemäß § 147 Abs. 6 S. 2 Alt. 2 i.V. mit Abs. 1 Nr. 1 AO die Daten auf einem maschinell verwertbaren Datenträger zur Prüfung anfordern.

     

    Praxishinweis

    Die Frage, ob ein Datenzugriffsrecht besteht, ist damit geklärt. Besteht das Datenzugriffsrecht, ist allerdings weiter zu prüfen, ob die Anforderung im Einzelfall ermessengerecht war. Da der Prüfer nach seinem Ermessen entscheidet, muss er sich am Übermaßverbot orientieren und die Verhältnismäßigkeit seines Vorgehens abwägen. Fordert er einen Datenträger mit der vom Kassensystem generierten Datei der Einzelumsätze an, handelt er nach Meinung des BFH nicht ermessensfehlerhaft (BFH 16.12.14, X R 47/13, Vorinstanz: FG Münster 10.10.13, 2 K 4112/12). Zur Ermessensausübung ist auch auf eine Entscheidung des FG Münster (7.11.14, 14 K 2901/13 AO) hinzuweisen. Dort hatte der Außenprüfer die Daten des Warenwirtschaftssystems nicht nur in schriftlicher Form, sondern in elektronisch aufbereiteter Form als Excel-Datei verlangt. Die Apothekeninhaberin setzte das Excel-Programmmodul aber gar nicht ein. Das FG wies das Verlangen daher als ermessenswidrig zurück.

     

    Mit Blick auf berufliche Verschwiegenheitspflichten führt der BFH (16.12.14, X R 47/13) Folgendes aus: Soweit der Steuerpflichtige meint, einzelne Daten seien nicht steuerrelevant, muss er sie selektieren (Erstqualifikationsrecht, vgl. z.B. BMF BStBl I 14, 1450, Rz 160 f.). Patientenbezogene Daten, deren Herausgabe er nach § 102 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. c AO verweigern darf, muss er selbst entfernen. Ist das nicht möglich, kann der Steuerpflichtige nicht aus diesem Grund den Zugriff verweigern. Er trägt damit die Verantwortung und auch das Risiko, wenn steuerrelevante und nicht steuerrelevante Daten ununterscheidbar vermengt sein sollten.

    Quelle: Ausgabe 05 / 2015 | Seite 124 | ID 43324487