· Fachbeitrag · DigitalE Betriebsprüfung
Wie weit geht das Zugriffsrecht des Fiskus in Apotheken?
von StB Susanne Bertling & WP StB Christian Fuhrmann, sanotax GmbH Steuerberatungsgesellachaft, Oberhausen, www.sanotax.de
| Große Verwirrung herrscht beim Thema der digitalen Betriebsprüfung in Apotheken. Der Grund hierfür ist die noch immer ungeklärte Rechtslage zum Umfang der Verpflichtung von Apothekern, den Datenzugriff bei einer laufenden Betriebsprüfung zu gewähren. Zwei Finanzgerichte beurteilen die Rechtslage komplett gegensätzlich und auch in der Beratung werden verschiedene Strategien empfohlen. Der Beitrag wägt die Vor- und Nachteile des Vorgehens ab. |
1. Der Standpunkt der Finanzverwaltung
Seit etwa zwei Jahren sind die Apotheken verstärkt in das Augenmerk der Betriebsprüfer geraten. Sie vertreten den Standpunkt, dass ihnen nach den Grundsätzen zum Datenzugriff und zur Prüfbarkeit digitaler Unterlagen (GDPdU) alle von der PC-Kasse des Apothekers erstellten Daten vorgelegt werden müssen. Die Apotheker werden daher aufgefordert, auch die Dateien mit den Einzelaufzeichnungen der Barverkäufe (Kassenauftragszeile) vorzulegen. Verweigert ein Apotheker die Datenherausgabe, wird ein Verzögerungsgeld angedroht. In Ausnahmefällen soll es bereits zu Hinzuschätzungen beim Gewinn gekommen sein.
2. Die jüngste finanzgerichtliche Rechtsprechung
Einige Apotheker sind mithilfe ihrer Steuerberater gegen diese Anforderung vorgegangen. Sie weigerten sich insbesondere, die Kassenauftragszeile dem Prüfer vorzulegen, weil für den einzelnen Warenausgang keine Einzel-Aufzeichnungsvorschrift bestehe und damit auch kein Datenzugriffsrecht der Finanzverwaltung. Mit diesem Sachverhalt haben sich daher schon zwei Finanzgerichte beschäftigt und kamen zu ganz unterschiedlichen Ergebnissen.
2.1 FG Hessen: Die Kassenauftragszeile muss nicht ausgehändigt werden
Das jüngste Urteil stammt vom FG Hessen (24.4.13, 4 K 422/12). Geklagt hatte eine Apothekerin, die die Bareinnahmen ihrer Apotheke mit einer PC-Kasse erfasste. Sie stellte die baren Tageseinnahmen durch fortlaufende Tagesendsummenbons (Z-Bons) mit anschließender Nullstellung des Kassenspeichers fest. Die Summe der Bareinnahmen wurde täglich manuell in ein Kassenbuch übertragen, das Grundlage der Buchführung war. Der Aufforderung des Prüfers, nicht nur das Kassenbuch, sondern auch die elektronische Datei mit den Einzelaufzeichnungen der Barverkäufe vorzulegen, kam sie nicht nach. Der Betriebsprüfer erhielt vom Steuerberater der Apothekerin eine CD mit den Daten des Kassensystems der Klägerin. Die Datei mit der Einzeldokumentation der Barverkäufe, die Kassenauftragszeile, hatte der Steuerberater jedoch zuvor entfernt.
Das FG Hessen entschied wie folgt: Die Apothekerin tätigt in ihrer Eigenschaft als Einzelhändlerin Verkäufe an Endverbraucher, nicht an andere gewerbliche Unternehmer. Daher ist sie von der Verpflichtung befreit, die einzelnen Verkäufe über die Ladentheke einzeln aufzuzeichnen. Es existiert keine Rechtsgrundlage für die Aufforderung des Finanzamtes, auch die Datei mit den Einzelaufzeichnungen der Barverkäufe vorzulegen. Weder nach dem Handelsgesetzbuch, noch nach der Abgabenordnung oder nach berufsrechtlichen Bestimmungen, besteht die Verpflichtung, die einzelnen Barverkäufe manuell oder auf einem Datenträger aufzuzeichnen. Dies wird zugleich durch die Rechtsprechung des BFH bestätigt, wonach es aus Gründen der Zumutbarkeit und Praktikabilität für eine ordnungsgemäße Buchführung auch im Computerzeitalter nicht erforderlich sei, Einzelaufzeichnungen zu führen, wenn der Unternehmer gegen Barzahlung Waren von geringem Wert an eine unbestimmte Vielzahl von Kunden im offenen Ladengeschäft verkaufe. In solchen Fällen sei es ausreichend, die festgestellten Tagesendsummen täglich fortlaufend in ein Kassenbuch zu übertragen. Durch die Führung des Kassenbuchs werde die Einzelaufzeichnung ersetzt.
Allein die Tatsache, dass die Einzelaufzeichnung, die auf freiwilliger Basis entstand, existiert, ändere nichts und führe nicht zu einer Vorlagepflicht im Rahmen einer Betriebsprüfung. Die Kassenauftragszeile sei grundsätzlich nicht Bestandteil der nach § 147 AO aufzubewahrenden Grundaufzeichnungen. Dass diese Datei für den Betriebsprüfer interessant sein könne, sei unerheblich. Das Urteil ist vorläufig nicht rechtskräftig.
2.2 FG Sachsen-Anhalt: Der Fiskus hat ein Zugriffsrecht
Im Januar dieses Jahres hat das FG Sachsen-Anhalt (15.1.13, 1 V 580/12) in einem AdV-Beschluss gegenteilig entschieden: Kommt in einer Apotheke ein elektronisches Warenwirtschaftssystem zum Einsatz, in dem u.a. eine Verkaufsdatei mit Kassenzeile, Einzeldaten und Bewegungsdatei geführt wird, ist die Vorlagepflicht nach § 147 AO nicht anzuzweifeln. Grundsätzlich umfasst das Datenzugriffsrecht zwar nur die steuerlich relevanten Daten, d.h. Finanz-, Anlage- und Lohnbuchhaltung. Das Finanzgericht kam jedoch zu dem Schluss, das soweit die Daten des Warenwirtschaftssystems Verkaufsdaten betreffen, diese als steuerlich relevante Daten der Finanzbuchhaltung anzusehen sind und demnach dem Datenzugriff der Finanzverwaltung unterliegen. Das Urteil ist rechtskräftig.
Zu den aufbewahrungspflichtigen Unterlagen gemäß § 147 Abs. 1 Nr. 1 AO zählen nicht nur die im Rahmen der Buchführung geführten, sondern alle für steuerliche Zwecke vorzunehmenden Aufzeichnungen; dies sind Bücher und Aufzeichnungen, Inventare, Jahresabschlüsse, Lageberichte, die Eröffnungsbilanz sowie die zu ihrem Verständnis erforderlichen Arbeitsanweisungen und sonstigen Organisationsunterlagen.
Gemäß § 147 Abs. 1 Nr. 5 AO aufbewahrungspflichtig sind alle sonstigen, nicht bereits von § 147 Abs. 1 Nr. 1 bis 4 AO erfassten Geschäftsunterlagen in verkörperter Form oder als Datei, die im Unternehmen anfallen, Geschäftsvorfälle dokumentieren oder erläutern und dem Verständnis sowie der Kontrolle der gesetzlich vorgesehenen Aufzeichnungen dienen, z.B. Aussagen oder Teilaussagen über steuerlich relevante Vorgänge, Kassenunterlagen usw.
Die nach anderen als Steuergesetzen zu erfüllenden Buchführungs- und Aufzeichnungspflichten sind insbesondere dann nach § 140 AO für die Besteuerung zu erfüllen, wenn sie für diese von Bedeutung sind. Davon, so das FG, ist immer dann auszugehen, wenn sie zwar nicht darauf angelegt sind, steuerlich relevante Sachverhalte auszuweisen, ihnen aber solche zu entnehmen sind, sodass sie sich zur Verprobung der zu steuerlichen Zwecken geführten Bücher und Aufzeichnungen eignen.
3. Empfehlungen für die Beratung in einer Betriebsprüfung
Zwei Finanzgerichte haben demnach in kürzester Zeit konträr entschieden. Die derzeitige Rechtslage ist weiterhin unklar. Doch wie sollen sich der Apotheker und sein Berater konkret verhalten?
3.1 Angst vor Hinzuschätzungen durch Herausgabe der Daten
Bei den Apothekern besteht die Angst, bei Herausgabe der infrage stehenden Daten sei es in der Vergangenheit zu horrenden Hinzuschätzungen gekommen. Diese Angst ist nicht nachvollziehbar. Unser Haus hat seit 2010 rund 25 Betriebsprüfungen in Apotheken begleitet und bei keiner dieser Prüfungen war es zu Hinzuschätzungen aufgrund der zur Verfügung gestellten Daten gekommen. Zugegeben, hierzu bedurfte es einer intensiven Begleitung der Prüfung und Kommunikation mit dem Prüfer. Denn in der Tat treten bei jeder Prüfung Fragen und falsch interpretierte Ergebnisse aufgrund der Prüfungsskripte der IDEA-Software auf. Hier ist der Steuerberater gefragt und muss konstruktiv und zielgerichtet, auch mit Unterstützung der jeweiligen Softwarehäuser, alle Fragen mit dem Prüfer besprechen und sich diesbezüglich klar positionieren. Durch eine offene Kommunikation und eine detaillierte und sachgerechte Erklärung der eigenen und der prüferischen Auswertung des Betriebsprüfers lassen sich Hinzuschätzungen verhindern.
3.2 Schlüssig argumentieren und Branchen-Statistiken vorlegen
Besonderes Augenmerk gilt in Betriebsprüfungen den Verprobungen der Finanzbeamten. Damit ist die Überprüfung der Buchführung des Steuerpflichtigen mithilfe geeigneter Rechen- und Denkschemata gemeint. Bei der Anwendung der Verprobungsmethoden werden den Daten des betrieblichen Rechnungswesens andere bekannte oder als richtig angesehene Informationen gegenübergestellt und die Ergebnisse dieser Gegenüberstellung interpretiert. Auf diesem Wege wird versucht, die Richtigkeit bestimmter Aufzeichnungen und damit die Plausibilität und Ordnungsmäßigkeit der gesamten Buchführung zu überprüfen.
Die Betriebsprüfer stützen jedoch die Verprobung bezüglich der Rohgewinne auf veraltete Daten. Irrtümlicherweise geht die Finanzverwaltung von einem durchschnittlichen Rohgewinn von 28 % aus. Jegliche Abweichung zu diesem Wert soll dem steuerlichen Gewinn hinzugeschätzt werden. Fakt ist aber, dass im Jahre 2006 ein Rohgewinn von durchschnittlich 28 % durchaus realistisch war. Leider übersehen die Prüfer die Entwicklung der Branche in den letzten Jahren, v.a. seit Inkrafttreten des Gesetzes zur Neuordnung des Arzneimittelmarktes (AMNOG) im Januar 2011. Der Rohgewinn einer typischen Apotheke lag im Jahre 2011 bei lediglich 25,5 %. Hier gilt es, dem Betriebsprüfer gegenüber schlüssig zu argumentieren und ihm die aktuelle Lage der Branche anhand von Statistiken darzulegen. So wird jeder Prüfer rasch einsehen, dass eine Hinzuschätzung auf einen höheren Rohgewinn aus der Luft gegriffen ist und jeglicher Grundlage entbehrt.
3.3 Negative Signalwirkung bedenken
Warum sollten Apotheker die Kassenauftragszeile, wenn sie verfügbar ist, bei einer Betriebsprüfung zurückbehalten? Auf Basis der aktuell geltenden Gesetzeslage und Rechtsprechung kann das Zugriffsrecht der Finanzverwaltung tatsächlich infrage gestellt werden. Trotzdem ändert das nichts daran, dass die Daten im Warenwirtschaftssystem vorhanden sind. Es stellt sich die Frage der Signalwirkung bei Zurückbehalt dieser vorhandenen Daten für die laufende Betriebsprüfung, aber auch für die künftige Zusammenarbeit der Apotheker mit der Finanzverwaltung. Hier muss ja zwangsläufig der Eindruck entstehen, die Apotheker hätten Geheimnisse. Das ist sicherlich nicht die Botschaft, die dem Betriebsprüfer vermittelt werden soll.
4. Fazit
Warum sollte ein Apotheker das Klima einer Betriebsprüfung durch Zurückbehalt bestimmter Daten gefährden? Durch eine intensive Begleitung der Betriebsprüfung durch den Steuerberater und offene Kommunikation mit dem Prüfer lassen sich viele Fragen und eventuelle Missverständnisse im Rahmen der Prüfung klären und es kommt nicht zu den gefürchteten Hinzuschätzungen.