· Fachbeitrag · Betriebsprüfung
Auch Kassen bei Heilberuflern benötigen eine technische Sicherheitseinrichtung (TSE)
von RA, FAStR Dr. Jens-Peter Damas, www.wilde-partner.de, Bergisch-Gladbach
| Das Gesetz zum Schutz vor Manipulation an digitalen Grundaufzeichnungen wird auch zur Herausforderung für die Praxissoftware. Denn auch Kassen bei Ärzten, Zahnärzten und Therapeuten benötigen eine zertifizierte technische Sicherheitseinrichtung (TSE). |
1. Von der Aufzeichnungs- zur Einzelaufzeichnungspflicht
Jeder Unternehmer mit einer Barkasse (auch wenn es sich nur um eine Geldkassette handelt) muss aus steuerlichen Gründen Aufzeichnungen über Einnahmen, Ausgaben, Einlagen und Entnahmen tätigen. Dabei hat der (Zahn-)Mediziner die Wahl, ob er die erforderlichen Aufzeichnungen digital oder auf Papier erstellen will:
- Einzelaufzeichnungen in Papierform (offene Ladenkasse)
- Elektronische Aufzeichnungssysteme mit digitalen Einzelaufzeichnungen
Einen Zwang zur digitalen Aufzeichnung (manchmal als Registrierkassenpflicht bezeichnet) gibt es nicht.
Um den sachlichen richtigen Einstieg in die Thematik zu erhalten, ist es entscheidend, sich zunächst klarzumachen, dass bei Kassenaufzeichnungen die Einzelaufzeichnungspflicht besteht. Das bedeutet, Leistung, Leistungsempfänger, Preis und Umsatzsteuer müssen für jeden Geschäftsvorfall aufgezeichnet werden. Erleichterungen gibt es nur dort, wo es aus der Natur der Branche und Verkaufssituation heraus unzumutbar ist. So muss z. B. eine Apotheke beim OTC-Verkauf (z. B. Aspirin) nicht den Namen jedes einzelnen Kunden aufzeichnen. Bei Ärzten und Zahnärzten ist die vollständige Aufzeichnung dagegen nahezu immer zumutbar, da die erforderlichen Daten ja bereits aus medizinischen Dokumentationsgründen sowie wegen der Abrechnung mit den Kassen ohne weiteres vorhanden sind. Die Art der Aufzeichnung führt dabei zu keinen inhaltlichen Unterschieden, d. h., Einzelaufzeichnungen müssen bei elektronischer und manueller Kassenführung identisch sein.
1.1 Einzelaufzeichnungen in Papierform (offene Ladenkasse)
Entscheidet sich der Heilberufler für die Aufzeichnung auf Papier, so muss er den Betrag aus dem Beleg (Eingangsrechnung, Ausgangsrechnung, Einlagebeleg, Entnahmebeleg) in die Kassenaufzeichnung übertragen und den Beleg als Anlage mit hinzunehmen. Sind auf einem Beleg mehrere Leistungen (Teilbeträge) vorhanden, so müssen nicht die Teilbeträge separat übernommen werden, da sich diese ja bereits aus dem Beleg als Anlage zur Kassenaufzeichnung ergeben.
Die Aufzeichnung auf Papier kann man auch als „offene Ladenkasse“ bezeichnen, denn dieser Fachbegriff bezeichnet die Aufzeichnung ganz ohne technische Hilfsmittel. Der Begriff führt in der Praxis aber meist nur zu Verwirrung und falschen Assoziationen und sollte daher möglichst gemieden werden. Häufig besteht nämlich die Fehlvorstellung, bei der offenen Ladenkasse in der Arztpraxis bestünden die gleichen Erleichterungen wie bei der typischen offenen Ladenkasse auf dem Wochenmarkt. Dies ist indes wegen der beschriebenen Einzelaufzeichnungspflicht nicht der Fall. Wenn man daher bei der (Zahn)Arztpraxis von einer offenen Ladenkasse sprechen will, sollte man zumindest präzisierend von einer „offenen Ladenkasse mit Einzelaufzeichnungspflicht“ reden.
1.2 Elektronische Aufzeichnungssysteme/digitale Einzelaufzeichnungen
Alternativ besteht die Möglichkeit der digitalen Aufzeichnung. Ein Kassenmodul aus der Praxissoftware ist praktisch, da Leistung, Patient, Betrag und Umsatzsteuer automatisch vom System übernommen werden, so dass lediglich Entnahmen und Einlagen zusätzlich händisch erfasst werden müssen.
2. Erfordernis einer technischen Sicherheitseinrichtung
Mit dem Gesetz zum Schutz vor Manipulation an digitalen Grundaufzeichnungen vom 22.12.16 wurde mit § 146a AO die Verpflichtung eingeführt, die Vollständigkeit der digitalen Aufzeichnungen durch eine zertifizierte TSE abzusichern. Einzelheiten werden geregelt in der Kassensicherungsverordnung und den Technischen Richtlinien des BSI.
2.1 Technische Sicherheitseinrichtung und Heilberufe
Nach § 1 der Kassensicherungsverordnung ist eine TSE bei computergestützten Kassensystemen erforderlich, nicht aber bei elektronischen Buchhaltungsprogrammen, ohne dass dieser Begriff näher definiert wird. Für die Hersteller von Praxissoftware ist es nicht unproblematisch zu klären, ob die TSE auch für die Praxissoftware erforderlich ist.
Die führenden Vertreter der Finanzverwaltung in Sachen Kasse/GoBD haben sich allerdings bereits festgelegt (siehe Achilles/Danielmeyer, REthinking Tax, Sonderausgabe 1, 2020, S. 4 ff.). Die TSE ist danach z. B. erforderlich für:
- Kassenmodule der Heilberufler (Ärzte, Zahnärzte, Physiotherapeuten, u. s. w.) innerhalb komplexer Abrechnungssysteme
- Faktura mit Kassenfunktion, auch bei nur sehr seltenen Barzahlungen,
- Laptop des Apothekers mit Remote-Zugriff auf das Kassensystem im Offizin,
- elektronisches Kassenbuch bei sofortigen Eingaben in unmittelbarem zeitlichem Zusammenhang mit der Entstehung des Geschäftsvorfalls.
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Eine Zahnarztpraxis verkauft spezielle Zahnbürsten aus Bambusholz gegen Barzahlung. Die Erfassung erfolgt innerhalb des Abrechnungsprogramms „Toothfallout 3.0“, das auch zur Leistungsabrechnung gegenüber Privatpatienten und Krankenkassen genutzt wird. |
Das Kassenmodul unterliegt der TSE-, der Melde- und der Belegausgabepflicht i. S. d. § 146a AO. Die übrigen Module des Abrechnungsprogramms benötigen keine Absicherung, unterliegen aber qualitativ gleichen Anforderungen an Nachvollziehbarkeit, Vollständigkeit und Unveränderbarkeit (§ 146 Abs. 4 AO). |
Diese Auslegung ist zwar ein wenig kontraintuitiv, mit Blick auf die Zielsetzung der gesetzlichen Regelung aber dogmatisch konsequent. Für die Praxissoftwarehersteller bedeutet dies, dass sie Leistung, Patient, Betrag und Umsatzsteuer über die TSE absichern müssen. Anamnese und Diagnose sowie betriebswirtschaftliche Auswertungen müssen nicht in die TSE mit einbezogen werden, allerdings müssen auch Anamnese und Diagnose festgeschrieben und revisionssicher erfasst werden, d. h., man muss nachverfolgen können, wer und wann ggf. nachträgliche Änderungen vorgenommen hat.
Der zeitliche Druck ist dabei groß, denn die Nichtbeanstandungsregel des BMF galt nur bis zum 30.9.20. Die Bundesländer haben für die Zeit danach jeweils spezielle Bestimmungen geschaffen. Allgemein gehalten wird die fehlende Aufrüstung hier bis längstens 31.3.21 nicht beanstandet, wenn
- die TSE bis zum 30.9.20 (teils bis zum 31.8.20) bestellt, der Einbau aber nicht fristgerecht möglich ist oder
- der Einbau einer cloudbasierten TSE vorgesehen, eine solche jedoch nachweislich noch nicht verfügbar ist.
2.2 Meldepflicht für technische Sicherheitseinrichtungen
Die Überprüfbarkeit, ob eine TSE besteht, ist durch die Meldepflicht nach § 146a Abs. 4 AO gegenüber dem FA sichergestellt worden. Hiernach hat derjenige, der aufzeichnungspflichtige Geschäftsvorfälle oder andere Vorgänge mit einem elektronischen Aufzeichnungssystem i. S. d. § 146a Abs. 1 AO (Praxissoftware) erfasst (also der [Zahn]Arzt), dem zuständigen FA nach amtlich vorgeschriebenem Vordruck
- seinen Namen,
- seine Steuernummer,
- die Art der zertifizierten TSE sowie
- die Art des elektronischen Aufzeichnungssystems mitzuteilen.
Darüber hinaus muss er
- die Anzahl der verwendeten elektronischen Aufzeichnungssysteme,
- die Seriennummer des verwendeten elektronischen Aufzeichnungssystems sowie
- das Datum seiner Anschaffung und
- das Datum seiner Außerbetriebnahme mitteilen. Für die Mitteilungen wird eine Frist von einem Monat nach Anschaffung oder Außerbetriebnahme des elektronischen Aufzeichnungssystems gesetzt.
Von der Mitteilung nach § 146a Abs. 4 AO ist jedoch bis zum Einsatz einer elektronischen Übermittlungsmöglichkeit abzusehen. Der Zeitpunkt des Einsatzes der elektronischen Übermittlungsmöglichkeit soll im Bundessteuerblatt Teil I gesondert bekannt gegeben werden (BMF 6.11.19, IV A 4 - S 0319/19/10002 :001, BStBl I 19, 1010. Soweit ersichtlich ist das noch nicht geschehen.
3. Belegausgabepflicht
§ 146a Abs. 2 AO sieht zudem eine Belegausgabepflicht vor. Der (Zahn)Arzt muss also ‒ wenn er die Kassenaufzeichnungen elektronisch im System vornimmt ‒ dem Patienten bei Erhalt der Barzahlung einen Beleg ausstellen. Der Beleg kann nach § 6 S. 3 KassenSichV elektronisch oder in Papierform zur Verfügung gestellt werden und muss mindestens die in der Übersicht aufgeführten Angaben enthalten:
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Diese Angaben muss der Beleg nach § 6 S. 3 KassenSichV enthalten:
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FAZIT | Als Grundstrategie sollten alle Praxen ihre Patienten motivieren, ausschließlich per Karte zu zahlen. Soweit und solange es für jeweils eingesetzte Praxissoftware noch keine TSE gibt, sollte ‒ in Abstimmung mit dem Steuerberater ‒ überlegt werden, das Kassenmodul in der Praxissoftware abzuschalten und Kassenaufzeichnungen in Papierform vorzunehmen. |