· Fachbeitrag · Betriebsprüfung
Datenzugriffsrecht erstreckt sich nicht auf freiwillig geführte Unterlagen!
von Dr. Stephan Peters, Warendorf
| Ermittelt der Steuerpflichtige seinen Gewinn mittels Einnahmen-Überschussrechnung (EÜR) steht der Finanzverwaltung kein Anspruch auf Datenzugriff gemäß § 147 Abs. 6 AO zu, wenn diese Unterlagen und Daten nur „freiwillig“ geführt werden (BFH 12.2.20, X R 8/18). |
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Mit dem zunehmenden Einsatz von spezieller Prüfungssoftware im Rahmen von Außenprüfungen, insbesondere bei Betriebsprüfungen, stellt sich für die Finanzverwaltung regelmäßig die Frage, welche Daten in elektronischer Form vorliegen und eingelesen werden können.
Von den Steuerpflichtigen in geordneter Form aufzubewahren sind gemäß § 147 Abs. 1 AO die nachfolgend aufgeführten Unterlagen:
Während der Zugriff auf elektronische Buchführungsdaten unstreitig zu gewähren ist, war die Sachlage bei freiwillig gespeicherten Daten nicht eindeutig. Die Finanzverwaltung begehrte Zugriff auch auf solche Daten, die zwar elektronisch vorliegen, bezüglich derer jedoch keine Verpflichtung zur Aufbewahrung bestand. Die Verwaltung vertrat insoweit die Auffassung, dass vorhandene Daten ‒ unabhängig, ob diese freiwillig angefertigt wurden oder nicht ‒ auch elektronisch und nicht bloß in Papierform zur Verfügung zu stellen sind. Vor diesem Hintergrund bringt die nachfolgend skizzierte Entscheidung nunmehr Klarheit! |
Sachverhalt
Der Steuerpflichtige ermittelte seinen Jahresgewinn durch EÜR. Im Rahmen einer steuerlichen Außenprüfung verlangte der Prüfer die Überlassung nicht näher bezeichneter Datenträger. Nachdem der Bevollmächtigte zunächst mitteilte, dass digitale Daten nicht vorlägen, überreichte er später elektronische Aufzeichnungen u. a. für seine Betriebseinnahmen. Bezüglich der Betriebsausgaben beschränkte sich der Steuerpflichtige auf die Vorlage von Papierbelegen und vertrat die Ansicht, dass er weder nach dem Handelsrecht noch nach der Abgabenordnung buchführungspflichtig sei und er die nach § 22 UStG vorzulegenden Unterlagen vorgelegt habe. Nachdem das FG dem Kläger zustimmte, legte das FA Revision ein.
Entscheidungsgründe
Ohne Erfolg! Auch wenn der Kläger elektronische Aufzeichnungen führe, könne das FA nicht die Vorlage eines maschinell verwertbaren Datenbestands auf Datenträgern mit „allen“ elektronisch gespeicherten Unterlagen verlangen. Da der Kläger seinen Gewinn gemäß § 4 Abs. 3 EStG durch EÜR ermittelt, könne er durch das FA auch nur zur Übergabe bestimmter elektronischer Daten verpflichtet werden. Das Verlangen des FA gemäß § 147 Abs. 6 AO ist abhängig von dem Bestehen einer Aufbewahrungspflicht. Die Befugnisse aus § 147 Abs. 6 AO sind auf Unterlagen beschränkt, die der Steuerpflichtige nach § 147 Abs. 1 AO aufzubewahren hat. Es kommt nicht darauf an, ob die Unterlagen tatsächlich vorhanden sind, sondern ausschließlich darauf, ob es sich um Unterlagen handelt, die durch den Steuerpflichtigen aufzubewahren sind.
Davon abzugrenzen ist die Frage, in welchem Umfang Unterlagen, für die keine Aufbewahrungspflicht besteht, gemäß § 200 AO vorzulegen sind, die aber vorhanden sind. Insoweit genügt die Vorlage der typischerweise erwartbaren Unterlagen (BFH 28.10.09, VIII R 78/05, BStBl II 10, 455) ‒ wenn sie auch tatsächlich vorliegen ‒ in Papierform. Weil eine ordnungsgemäße Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG lediglich voraussetze, dass die Höhe der Betriebseinnahmen und der -ausgaben durch Belege nachgewiesen wird, darüber hinausgehende förmliche Aufzeichnungspflichten hingegen nicht bestehen, habe das FA auch keinen Anspruch auf Datenzugriff nach § 147 Abs. 6 AO! Freiwillig geführte Unterlagen und Daten sind nicht aufbewahrungspflichtig und damit auch nicht mittels Datenzugriffs zur Verfügung zu stellen.
Relevanz für die Praxis
Der BFH definiert klare Grenzen für den Datenzugriff der Finanzverwaltung. Bei der Gewinnermittlung durch EÜR wird die Verpflichtung zum Datenzugriff gemäß § 147 Abs. 6 AO aufgrund der Akzessorietät von Aufbewahrungspflichten und Aufzeichnungspflichten begrenzt. Der BFH schützt damit denjenigen, der mehr Daten sammelt, als er verpflichtet wäre zu sammeln. Derjenige, der nicht aufbewahrungspflichtige Dokumente elektronisch führt, soll nicht schlechter stehen als derjenige, der ggf. auch solche Dokumente erstellt hat, diese aber zeitnah wieder gelöscht hat. Streitigkeiten werden im Einzelfall dennoch nicht zu vermeiden sein. Praktisch wird sich die Finanzverwaltung auf den Standpunkt stellen, dass es sich jedenfalls um Unterlagen handelt, die für die Besteuerung von Bedeutung sind (§ 147 Abs. 1 Nr. 5 AO).
FAZIT | Wenngleich die Finanzverwaltung aufgrund des zunehmenden Einsatzes von Datenverarbeitungsprogrammen ein Interesse an der Vorlage elektronischer Daten hat, um die Programme mit entsprechenden Datensätzen füttern zu können, zeigt der BFH in dieser Entscheidung eine klare Grenze. Trotz des Einsatzes von „neuen elektronischen Prüf- und Auswertungsprogrammen“ seien über das Gesetz hinausgehende Anforderungen durch die Finanzverwaltung nicht gerechtfertigt. Zweckmäßigkeitserwägungen der Finanzverwaltung genügen hier nicht! |
Zum Autor | Dieser Beitrag wurde vom Autor nicht in dienstlicher Eigenschaft verfasst, sondern gibt ausschließlich die persönliche Auffassung des Autors wieder.