· Nachricht · Betriebsveräußerung
Darf ein Architekt danach als Sachverständiger weiterarbeiten?
| Es liegt kein begünstigter Veräußerungsgewinn vor, wenn der Veräußerer nach Übertragung des Anteils am Architekturbüro die zuvor schon ausgeübte Tätigkeit als Sachverständiger in einem Maße fortführt, das die Geringfügigkeitsgrenze überschreitet (FG Münster 4.7.14, 4 K 2898/12 F). |
Der Architekt war zunächst als Einzelunternehmer tätig, nahm später einen Angestellten als Mitunternehmer in eine GbR auf und veräußerte schließlich an diesen seinen Mitunternehmeranteil. Strittig war, ob diese Veräußerung steuerbegünstigt war, weil der Architekt seine gutachterliche Tätigkeit auch nach der Veräußerung fortsetzte. Nach Auffassung des FG Münster hatte der Architekt nicht alle wesentlichen Betriebsgrundlagen übertragen, weswegen die Vergünstigungen nicht in Betracht kamen.
Bestellung als Gutachter ist wesentliche Betriebsgrundlage
Die Frage, welche Wirtschaftsgüter zu den wesentlichen Betriebsgrundlagen gehören, richtet sich bei freiberuflichen Betrieben nach der funktional-quantitativen Betrachtungsweise. Dies sind alle wesentlichen vermögensmäßigen Grundlagen der freiberuflichen Tätigkeit einschließlich der immateriellen Wirtschaftsgüter wie die Beziehungen des Praxisinhabers zu seinen bisherigen Mandanten und das durch den Praxisnamen bestimmte Wirkungsfeld. Zu den wesentlichen Betriebsgrundlagen der GbR gehörte der Kundenstamm, der die Architektenleistungen in Anspruch nahm und - darüber hinaus - auch die öffentliche Bestellung als Sachverständiger und die durch diese langjährig ausgeübte Tätigkeit aufgebauten Kontakte zu Gerichten zu den wesentlichen Betriebsgrundlagen der GbR. Die Bestellung als Sachverständiger wurde aber weder auf den Mitgesellschafter übertragen (was auch rechtlich nicht möglich gewesen wäre) noch wurde sie zurückgegeben.
Keine steuerbegünstigte Teilpraxisveräußerung
Eine begünstigte Teilpraxisveräußerung liegt nur dann vor, wenn
- sich die freiberufliche Arbeit entweder auf wesensmäßig verschiedene Tätigkeiten mit zugehörigen unterschiedlichen Kundenkreisen erstreckt oder
- bei gleichartiger Tätigkeit in voneinander getrennten örtlich abgegrenzten Bereichen ausgeübt wird.
Handelt es sich hingegen um eine einheitliche gleichartige freiberufliche Tätigkeit, so kann regelmäßig ausgeschlossen werden, dass Teile der Praxis eine so weitgehende organisatorische Selbstständigkeit erreicht haben, dass sie Teilbetrieben im gewerblichen Bereich gleichgestellt werden können. Beide Voraussetzungen waren im Streitfall nicht erfüllt.
Keine Weiterbetätigung unterhalb der Geringfügigkeitsgrenze
Die teilweise Fortführung der bisherigen freiberuflichen Tätigkeit ist nur dann als Tätigkeit von geringem Umfang anzusehen, wenn die darauf entfallenden Umsätze in den letzten drei Jahren vor der Veräußerung weniger als 10 % der gesamten Einnahmen ausmachten. Im Streitfall machte die Gutachtertätigkeit jedoch ca. 17 bis 19 % des Gesamtumsatzes der GbR aus.