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Arztbewertungsportale müssen neutral sein
von RA Christian Schmitte, FAArbR, FAMedR, Düsseldorf, www.schmitte-partner.de
| In einer aktuellen Entscheidung hat sich der BGH (20.2.18, VI ZR 30/17) mit der Löschungsklage einer niedergelassenen Dermatologin gegen das Internet-Ärztebewertungsportal jameda befasst. Die Ärztin wollte nach vorangegangenen kritischen Beurteilungen das Internetportal dazu verpflichten, den gegen ihren Willen vorgenommenen Basiseintrag mit Daten ihrer Praxis zu löschen. Die Ärztin brauchte drei Instanzen bis zu ihrem Ziel. Besonders interessant ist dabei der Wandel in der Argumentation der Gerichte. |
1. Die Entscheidungsgründe des LG Köln (13.7.16, 28 O 7/16)
Das LG Köln hat die Klage zunächst abgewiesen. Ein Löschungsanspruch gemäß § 35 Abs. 2 Nr. 1 BDSG bestehe nicht. Nach dieser Norm des Bundesdatenschutzgesetzes sei eine Löschung personenbezogener Daten nur geboten, wenn ihre Speicherung unzulässig sei. Die Speicherung der streitgegenständlichen Daten sei aber zulässig, da die gebotene Abwägung zwischen dem Schutz des Rechts der Klägerin auf informelle Selbstbestimmung einerseits und dem Recht der Beklagten auf Kommunikationsfreiheit andererseits sowie der Rechte der Nutzer des Portals nicht zugunsten der Klägerin ausfalle.
Zwar werde die Klägerin durch die Aufnahme in das Ärzteportal belastet. Diese Belastung berühre sie allerdings nur in ihrer Sozialsphäre und habe keine schwerwiegenden Auswirkungen auf ihr Persönlichkeitsrecht, wie etwa soziale Ausgrenzung oder Prangerwirkung. Zudem sei sie dem Bewertungsportal auch nicht schutzlos ausgeliefert, da sie die Möglichkeit habe, sich gegen ihrer Ansicht nach unzulässige Bewertungen zur Wehr zu setzen. Zugunsten des beklagten Portals sei zudem zu berücksichtigen, dass es sich bei den vorgenommenen Bewertungen nicht um objektive Behandlungsfehlervorwürfe handele, sondern es erkennbar um Bewertungen durch medizinische Laien gehe.
Daneben bestehe ein ganz erhebliches öffentliches Interesse an Informationen über ärztliche Dienstleistungen, dem durch das Portal der Beklagten Rechnung getragen werde. Gerade dadurch, dass die dortigen Bewertungen nicht durch Fachleute erfolgten, sondern durch Laien, stellten sie nach Auffassung der Kammer eine sinnvolle Ergänzung der bisherigen Informationsquellen dar. Auch die Möglichkeit einer anonymen Meinungsäußerung stehe dem nicht entgegen, da auch anonyme Meinungsäußerungen durch die Meinungsfreiheit von Art. 5 Abs. 1 GG geschützt seien. Ferner begründete die Kammer die erstinstanzliche Entscheidung damit, dass es gerade nicht auf eine Zustimmung der bewerteten Ärzte ankommen könne, weil dadurch der verfolgte Zweck nur noch eingeschränkt erfüllt werden könne.
Den Einwand der Klägerin, dass auf ihrem Profil stets Werbeprofile von zahlenden Premiumkunden eingeblendet werden und dadurch die Chance der Abwerbung von Patienten besteht, ließen die Richter nicht gelten. Da die eingeblendeten Premiumanzeigen der Konkurrenten als Werbung gekennzeichnet seien, sei eine Irreführung der Nutzer der Plattform nicht gegeben. Schließlich müsse die Klägerin eine gewisse Behinderung der eigenen ärztlichen Tätigkeit als Auswirkung des erlaubten Wettbewerbs akzeptieren. Es sei letztlich Sache jedes nicht zahlenden Arztes, ob er sich ebenfalls durch Abschluss eines entgeltlichen Premiumeintrags einen Wettbewerbsvorteil verschaffen wolle.
2. Die Entscheidungsgründe des OLG Köln (5.1.17, 15 U 121/16)
Das OLG Köln vermochte im Rahmen der Abwägung zwischen dem Schutz des Rechts der Klägerin auf informelle Selbstbestimmung und dem Recht der Beklagten auf Kommunikationsfreiheit sowie dem Recht auf Berufsausübungsfreiheit beider Parteien ebenfalls keinen Vorrang der Klägerin erkennen. Die Einwände der Klägerin, dass die anonyme Bewertungsmöglichkeit eine erhebliche Missbrauchsgefahr beinhalte und der Umstand, dass grundsätzlich eine durchgehende Bewertung mit der Schulnote 6,0 möglich sei und das Portal nach Ansicht der Klägerin massenhaft inhaltlich einseitige und/oder diffamierende Bewertungen enthalte, überzeugten den entscheidenden Senat nicht.
Im Urteil führt der Senat aus, dass die Einblendung konkurrierender Ärzte mit einem Premiumprofil beim Aufruf des Profils der Nutzerin nicht zu beanstanden sei. Die optische Gestaltung der Einblendungen sei so gestaltet, dass für den durchschnittlichen Verbraucher, an den sich dieses Portal richte, deutlich erkennbar sei, dass es sich um die eigene Werbung anderer Ärzte handele. Für diese Bewertung spreche auch der Umstand, dass die Einblendung der anderen Ärzte nicht nach ihrer Gesamtnote sortiert werde und deshalb auch Konkurrenten dargestellt werden könnten, deren Gesamtnote schlechter als die der Klägerin sei. Auch werde gegenüber dem durchschnittlichen Nutzer nicht der Eindruck erweckt, die Einblendung von Premiumeinträgen stelle in irgendeiner Weise eine Empfehlung dar.
Weiter vertrat der Senat sogar die Auffassung, dass die Einblendungen der Werbeanzeigen der Premiumnutzer den im öffentlichen Interesse liegenden Nutzwert des Portals noch erhöhe. Dem Nutzer werde nämlich hierdurch eine ihm vielleicht noch nicht bekannte Alternative bei der Arztwahl aufgezeigt. Auch führe die Einblendung der Premiumanzeigen in der Basisanzeige der Klägerin nicht dazu, dass sich die Klägerin einem unzulässigen wirtschaftlichen Druck dahingehend ausgesetzt sehen müsse, sich von der Einblendung zahlender Kollegen durch eine kostenpflichtige Premiumanzeige freizukaufen.
Einen auch datenschutzrechtlich im Rahmen von § 29 BDSG relevanten Verstoß gegen wettbewerbsrechtliche Vorschriften vermochte der OLG Senat nicht zu erkennen.
3. Die Entscheidungsgründe des BGH (20.2.18, VI ZR 30/17)
Der BGH hat der Klage der Klägerin vollumfänglich stattgegeben (wobei sie allerdings ohnehin nicht mehr gelistet war, da sie die Praxis aufgegeben hatte). Anders als die Vorinstanzen sahen die Bundesrichter die vom beklagten Ärztebewertungsportal vorgenommene Datenspeicherung der Daten der Klägerin als unzulässig an, da das Ärztebewertungsportal durch die Bevorzugung von Premiumeinträgen seine Stellung als „neutraler Informationsmittler“ verlassen habe.
Dadurch, dass die Beklagte bei nicht zahlenden Basiseinträgen den Hinweis auf die konkurrierenden Ärzte mit einem Premiumeintrag ermögliche, diese Einblendung von konkurrierenden Ärzten aber bei den Premiumeinträgen unterlasse, ohne dieses dem Internetnutzer hinreichend offenzulegen, komme dem beklagten Bewertungsportal nicht mehr die Rolle des neutralen Informationsmittlers zu. Dieses führt bei der zu treffenden Interessensabwägung dazu, dass das Bewertungsportal seine auf das Grundrecht der Meinungs- und Medienfreiheit gestützte Rechtsposition gegenüber dem Recht der Klägerin auf Schutz ihrer personenbezogenen Daten auch nur noch mit geringerem Gewicht geltend machen kann. Dieses führe bei der Abwägung der wechselseitigen Interessen dazu, dass der Klägerin ein schutzwürdiges Interesse an dem Ausschluss der Speicherung ihrer Daten zuzubilligen sei.
4. Was ist von dem BGH-Urteil zu halten?
Die Entscheidung des BGH ist ausdrücklich zu begrüßen, da sie klarstellt, dass die Betreiber von Internetportalen nur dann berechtigt sind, einer Löschung von erhobenen Daten erfolgreich zu widersprechen, wenn die Betreiber des Internetportals bei der Darstellung der veröffentlichten Daten ein hinreichendes Maß an Neutralität zwischen erhobenen Daten und kostenpflichtigen Daten wahren. Eine unfreiwillige Datenspeicherung eigener Daten mit dem Zweck, nur „Fülldatenmaterial“ für vom Betreiber des Portals hervorgehobene kostenpflichtige Premiumeinträge zu sein, erfüllt kein vorrangig schützenswertes öffentliches Interesse.
Wird die Neutralität durch die Portalbetreiber gewahrt, bleibt es aber dabei, dass Ärzte die Veröffentlichung ihrer Daten grundsätzlich dulden müssen, ungeachtet der auch in diesem Verfahren von der Klägerin vorgetragenen grundsätzlichen Bedenken in Bezug auf eine anonym veröffentlichte Bewertung und die damit verbundenen Missbrauchsmöglichkeiten. Noch am Tag der Entscheidung ließ Florian Weiß, Geschäftsführer von jameda, wissen: „Wir begrüßen, dass die Bundesrichter nochmals bestätigten, dass eine Speicherung der personenbezogenen Daten mit einer Bewertung der Ärzte durch Patienten grundsätzlich zulässig ist und dem Informationsbedürfnis der Allgemeinheit damit ein hoher Stellenwert eingeräumt wird. Aus demselben Grund setzt sich jameda für vollständige Arztlisten ein und hat die Anzeigen auf Arztprofilen, die Grund für das Urteil waren, nach Vorgaben der Bundesrichter mit sofortiger Wirkung entfernt. Patienten finden somit auf jameda auch weiterhin alle niedergelassenen Ärzte Deutschlands. Ärzte können sich nach wie vor nicht aus jameda löschen lassen“.