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  • · Fachbeitrag · Einkünftequalifikation

    Tätigkeiten der ambulanten Kranken- und Altenpflege

    von StB Jürgen Derlath, Münster

    | Die OFD Frankfurt (2.4.15, S 2246 A - 23 - St 210) hat sich mit der Einordnung von ambulanten Pflegeleistungen in die Einkünftekategorien gewerblich/freiberuflich befasst. Sie geht dabei auf die Vergleichbarkeit mit einem Katalogberuf, gemischte Tätigkeiten, die Mithilfe qualifizierter Personen und die Ausübung der Tätigkeit in Personenvereinigungen ein. Dieser Beitrag fasst die wichtigsten Aussagen zusammen. |

    1. Geregelte Ausbildung und Berufsrecht

    Für die Abgrenzung greift die OFD grundsätzlich auf das Schreiben des BMF (22.10.04, IV B 2-S2246-3/04) zurück. Für eine Zusammenfassung wird auf das Schaubild am Ende des Beitrags verwiesen.

     

    Im Ergebnis bedeutet das für die in der ambulanten Kranken- und Altenpflege Tätigen, dass nur examinierte Pflegekräfte (§ 2 Krankenpflegegesetz, § 2 Altenpflegegesetz) grundsätzlich freiberuflich tätig sein können, Krankenpflegehelfer/innen und Altenpflegehelfer/innen jedoch nicht.

    2. Tatsächlich ausgeübte Tätigkeiten

    Zur steuerlichen Behandlung der Leistungen orientiert sich die OFD an einer Entscheidung des BFH (22.1.04, IV R 51/01, BStBl II 04, 509):

     

    • Leistungen der häuslichen Krankenpflege (§ 37 SGB V) sind mit der Tätigkeit eines Krankengymnasten vergleichbar und damit eine freiberufliche Tätigkeit. Wesentlicher Bestandteil ist immer die Behandlungspflege, die als medizinische Hilfeleistung unter Verantwortung eines Arztes erbracht wird und somit auf einer Stufe mit Leistungen anderer Heilhilfsberufe steht. Wird die Behandlungspflege im Rahmen der häuslichen Krankenpflege erbracht, prägt sie die gesamte Pflegeleistung, sodass auch gemäß § 37 SGB V zusätzlich zu erbringende Leistungen der Grundpflege und hauswirtschaftlichen Versorgung nichts an der Vergleichbarkeit der Tätigkeit mit anderen Heilhilfsberufen ändern.

     

    • Leistungen der häuslichen Pflegehilfe (§ 36 SGB XI) sind keine heilhilfsberufliche Tätigkeit, da primär Hilfeleistungen für gewöhnliche und regelmäßig wiederkehrende Verrichtungen des täglichen Lebens erbracht werden. Es handelt sich somit um eine gewerbliche Tätigkeit. Selbst wenn in diesen Hilfeleistungen die Gesundheitsvorsorge und Aufrechterhaltung von Vitalfunktionen eingeschlossen ist, so ist die Gesamtleistung doch nicht von einer medizinischen Versorgung geprägt und deshalb insgesamt einer heilhilfsberuflichen Tätigkeit nicht vergleichbar.

    3. Aufteilung gemischter Tätigkeiten

    Gemischte Tätigkeiten sind ‒ wenn möglich ‒ getrennt zu beurteilen, was unter anderem auch getrennte Aufzeichnungen voraussetzt (zu den Grundlagen s. BMF 29.9.03, IV A 6 ‒ S 2246 ‒ 37/03; BFH 8.10.08, BStBl II 09, 143). Eine Aufteilung ist auch dann möglich, wenn die unterschiedlichen Leistungen nacheinander bei denselben Personen erbracht werden (BFH 22.1.04, IV R 51/01, BStBl II 04, 509).

     

    In diesem Fall ist eine Trennung der Tätigkeiten und Einnahmen anhand der gesetzlichen Leistungsgrundlage möglich; denn die häusliche Krankenpflege (§ 37 SGB V) fällt in den Zuständigkeitsbereich der Krankenversicherung, die hauswirtschaftliche Versorgung (§ 36 SGB XI) in den der Pflegeversicherung.

     

    PRAXISHINWEIS | Eine Trennung kommt jedoch nicht in Betracht, wenn eine der Tätigkeiten derart überwiegt, dass die andere Tätigkeit sich lediglich als Ausfluss der Haupttätigkeit darstellt, oder wenn für die Tätigkeiten ein einheitlicher Erfolg geschuldet wird. In diesen Fällen ist die Einkunftsart unter Würdigung aller Umstände zu bestimmen (H 15.6 „gemischte Tätigkeit” EStH 2014).

     

    4. Mithilfe qualifizierter Personen

    Die Beschäftigung von vorgebildeten Fachkräften steht regelmäßig der Annahme einer freiberuflichen Tätigkeit nicht entgegen (vgl. H 15.6 „Mithilfe anderer Personen” EStH 2014). Unter der Mithilfe fachlich vorgebildeter Arbeitskräfte ist eine Tätigkeit zu verstehen, die die Arbeit des Berufsträgers jedenfalls in Teilbereichen ersetzt und die nicht nur von untergeordneter Bedeutung ist (BFH 21.3.95, BStBl II 95, 732).

     

    Die Aussagen zur Beschäftigung qualifizierter Mitarbeiter stützt die OFD im Wesentlichen auf eine ältere Entscheidung des BFH (5.6.97, IV R 43/96, BStBl II 97, 681) zu einem Krankenpfleger, der Pflegeleistungen weitgehend seinen Mitarbeitern überlassen hatte: Nach § 18 Abs. 1 Nr. 1 S. 3 2. HS EStG ist die Mithilfe fachlich vorgebildeter Arbeitskräfte für die Freiberuflichkeit des Berufsträgers unschädlich, solange er bei der Erledigung der einzelnen Aufträge leitend und eigenverantwortlich aufgrund eigener Fachkenntnisse tätig wird (Stempeltheorie). Werden Krankenpfleger, Krankenpflegehelfer oder Altenpfleger im Bereich der ambulanten Krankenpflege eingesetzt, sind diese als fachlich vorgebildete Arbeitskräfte zu sehen.

     

    Bei der Kranken- und Altenpflege reicht es für eine eigenverantwortliche und aufgrund eigener Fachkenntnisse leitende Tätigkeit aus, wenn der Berufsträger aufgrund seiner Fachkenntnisse durch regelmäßige und eingehende Kontrolle maßgeblich auf die Pflegetätigkeit der Mitarbeiter bei jedem einzelnen Patienten Einfluss nimmt, sodass die Leistung den „Stempel seiner eigenen Persönlichkeit” trägt.

     

    PRAXISHINWEIS | Nicht ausreichend ist hingegen, wenn der Berufsträger die Pflege am einzelnen Patienten angesichts des Umfangs der zu erbringenden Leistung nach einem Erstgespräch weitgehend seinen Mitarbeitern überlässt. Den am einzelnen Patienten zu erbringenden Pflegeleistungen wird nach Ansicht des BFH nicht dadurch der Stempel der persönlichen Arbeit des Pflegedienstbetreibers aufgedrückt, dass dieser ‒ bei im Übrigen organisatorischer Tätigkeit ‒ nur in Urlaubs- und Krankheitsfällen die Pflegearbeiten der Mitarbeiter übernimmt.

     

    5. Personenvereinigungen

    Die freiberuflichen Einkünfte einer Personengesellschaft werden insgesamt zu gewerblichen Einkünften, wenn ein Fall der Abfärbung eintritt. Dies gilt auch, wenn ein ambulanter Kranken- oder Altenpflegedienst in der Rechtsform einer Personenvereinigung betrieben wird. In diesem Zusammenhang sind zwei Unterfälle von Bedeutung:

     

    • Einer der Gesellschafter erzielt keine freiberuflichen Einkünfte: Alle Gesellschafter müssen die Merkmale eines freien Berufs erfüllen (vgl. H 15.6 „Gesellschaft” EStH 2014). Jeder Gesellschafter muss also den Vergleich mit einem ähnlichen Beruf i.S. des § 18 Abs. 1 Nr. 1 S. 2 EStG in Form einer ähnlichen heilberuflichen Tätigkeit bestehen.

     

    • Es werden (auch) Leistungen erbracht, die zu gewerblichen Einkünften führen: Übt eine Personenvereinigung neben Leistungen der häuslichen Krankenpflege ‒ und der in diesem Zusammenhang ggf. anfallenden Leistungen der Grundpflege und hauswirtschaftlichen Versorgung ‒ zusätzlich gewerbliche Leistungen der häuslichen Pflegehilfe aus, so erzielt die Personenvereinigung in vollem Umfang gewerbliche Einkünfte (§ 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG).

     

    PRAXISHINWEIS | Allerdings lässt die OFD an dieser Stelle den Hinweis vermissen, dass geringfügige gewerbliche Einkünfte nicht zwingend zur Abfärbung führen. Sie unterbleibt, wenn die Nettoumsatzerlöse aus der gewerblichen Tätigkeit 3 % der Gesamtnettoumsatzerlöse der Gesellschaft und den Betrag von 24.500 EUR nicht übersteigen. Damit werden eine absolute (feste Grenze von 24.500 EUR) und eine relative (3 %-Anteil) Grenze miteinander verknüpft (BFH 27.8.14, VIII R 6/12 ; VIII R 16/11; VIII R 41/11; Scur, PFB 15, 109).

     

    Weiterführende Hinweise

    • Pflegedienste ‒ Ein Überblick über die Besteuerung ambulanter Pflegedienste (Wenhardt, PFB 15, 195)
    • Abfärbung ‒ BFH setzt Bagatellgrenze für die Abfärbung von geringfügigen gewerblichen Einkünften fest (Scur, PFB 15, 109)
    • Neues BMF-Schreiben zur Zuordnung der Einkünfte bei Heil- und Heilhilfsberufen (Kratzsch, PFB 05, 3)

     

    HINWEIS | Interaktive Grafik: Berühren Sie die roten Punkte in der Grafik für Informationen zu den Rechtsnormen.

     

     

    Quelle: Ausgabe 08 / 2015 | Seite 214 | ID 43422103