Praxiswissen auf den Punkt gebracht.
logo
  • Meine Produkte
    Bitte melden Sie sich an, um Ihre Produkte zu sehen.
Menu Menu
MyIww MyIww
  • · Fachbeitrag · Einkünftequalifikation

    Abfärbewirkung bei freiberuflich tätigen Mitunternehmerschaften

    von RiFG Dr. Alexander Kratzsch, Bünde

    | Der BFH hatte bereits entschieden, dass bei einem Anteil der gewerblichen Umsatzerlöse i.H. von 1,25 % ( BFH 11.08.99, XI R 12/98 ) bzw. 2,81 % des Gesamtumsatzes (BFH 8.3.04, IV B 212/03) noch eine gewerbliche Tätigkeit von „äußerst geringem Umfang“ vorliegt. Eine rechtssichere Grenze gab es bislang jedoch nicht. Nun hat der BFH in drei Entscheidungen ( BFH 27.8.14, VIII R 6/12, VIII R 16/11 und VIII R 41/11) geklärt, wann die Abfärbewirkung nach § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG eintritt. Der Beitrag erläutert die Entscheidungen und geht auf Gestaltungsmöglichkeiten ein. |

    1. Einkünfte aus freiberuflicher Tätigkeit

    Ob eine gewerbliche Tätigkeit von „äußerst geringem Ausmaß“ vorliegt, ist bei Freiberuflern anhand der relativen Grenze von 3 % der gesamten Nettoumsätze und der absoluten Grenze von 24.500 EUR zu beurteilen, wobei der Umsatz beide Grenzen nicht überschreiten darf. Nicht maßgeblich ist der Gewinn, auch wenn § 11 Abs. 1 S. 3 GewStG darauf abstellt.

    • Beispiele
    • Die Gesellschafter einer GbR waren als Rechtsanwälte und Insolvenzverwalter tätig. In einigen Fällen wurde ein angestellter Rechtsanwalt zum (vorläufigen) Insolvenzverwalter oder Treuhänder bestellt. Zwar erzielte der angestellte Rechtsanwalt gewerbliche Einkünfte, da die Gesellschafter insoweit nicht aufgrund eigener Fachkenntnisse selbst leitend und eigenverantwortlich tätig waren. Jedoch überschritten die gewerblichen Umsätze nicht 3 % der Gesamtnettoumsätze und blieben unter 24.500 EUR.
    • Die Gesangsgruppe (GbR) trat überwiegend im Rahmen des Karnevals bei Konzerten und Veranstaltungen auf und verkaufte daneben Merchandising-Artikel. Die Umqualifizierung der künstlerischen Tätigkeit unterblieb, weil die gewerblichen Umsätze weniger als 3 % der Gesamtnettoumsätze betrugen und unterhalb von 24.500 EUR lagen.

     

    • Eine originär freiberuflich tätige Werbeagentur (GbR) erhielt Provisionszahlungen mehrerer Druckereien für die Vermittlung von Druckaufträgen (gewerbliche Einkünfte). Weil die erzielten gewerblichen Umsätze die Grenze von 3 % der Gesamtnettoumsätze überschritten hatten, waren die Einkünfte insgesamt umzuqualifizieren. Auf die absolute Höhe kam es nicht mehr an.
     

    PRAXISHINWEIS | Voraussetzung für eine Abfärbung im Zusammenhang mit einer freiberuflichen bzw. selbstständigen Tätigwerden von Personengesellschaften ist, dass die Personengesellschaft neben gewerblichen auch von diesen trennbare, nicht gewerbliche Einkünfte erzielt. Die unterschiedlichen Tätigkeiten dürfen aber nicht derart miteinander verflochten sein, dass sie sich gegenseitig unlösbar bedingen. Lassen sich die Tätigkeiten nicht trennnen und sind sie einheitlich als originär gewerblich zu qualifizieren, ergibt sich die Gewerbesteuerpflicht bereits unmittelbar aus § 2 Abs. 1 S. 2 GewStG i.V. mit § 15 Abs. 1 Nr. 1 EStG.

     

    Der BFH knüpft dabei an die Vorgaben des BVerfG (15.1.08, 1 BvL 2/04, unter C.II.). an, das die Verfassungsmäßigkeit der typisierenden Abfärberegelung trotz der Ungleichbehandlung zwischen Einzelunternehmen und Personengesellschaften und trotz der erheblichen steuerrechtlichen Folgen grundsätzlich bestätigt hatte, weil

    • der Abfärberegelung ausgewichen werden kann (Ausgliederungsmodell),
    • die Anrechnung der Gewerbesteuer auf die Einkommensteuer (§ 35 EStG )die Belastung i.d.R. vermindert und
    • der BFH § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG restriktiv auslegt, indem er die Vorschrift bei einer originär gewerblichen Tätigkeit von „äußerst geringem Ausmaß“ nicht anwendet.

    2. Einkünfte aus sonstiger selbstständiger Tätigkeit

    Für Einkünfte aus sonstiger selbstständiger Tätigkeit (§ 18 Abs. 1 Nr. 3 EStG, z.B. Einkünfte aus Insolvenzverwaltung) gilt im Ergebnis Ähnliches. Denn auf die auch bei der sonstigen selbstständigen Arbeit (§ 18 Abs. 1 Nr. 3 EStG) zulässige Mitarbeit fachlich vorgebildeter Arbeitnehmer wendet der BFH (15.12.10, VIII R 50/09, BStBl. II 11, 506) ebenfalls die Stempeltheorie an. Diese setzt voraus, dass der Berufsträger trotz der Beschäftigung qualifizierter Mitarbeiter auch in diesem Bereich seinen Beruf leitend und eigenverantwortlich i.S. des § 18 Abs. 1 Nr. 1 S. 3 EStG ausübt und der Tätigkeit den Stempel seiner Persönlichkeit aufdrückt.

     

    Vor diesem Hintergrund beanstandete der BFH nicht die Würdigung der ersten Instanz im Verfahren BFH (27.8.14, VIII R 6/12), dass insoweit nicht (mehr) von einer eigenverantwortlichen Tätigkeit der Gesellschafter ausgegangen werden kann, als der vom Insolvenzgericht selbst zum (vorläufigen) Insolvenzverwalter und Treuhänder bestellte angestellte Rechtsanwalt die Fälle eigenständig bearbeitete. Eine Trennung der beiden Tätigkeiten war möglich, da die Mitunternehmer im Hinblick auf die von dem angestellten Rechtsanwalt ausgeübte Tätigkeit als Insolvenzverwalter und Treuhänder nicht leitend und eigenverantwortlich tätig waren und die darauf entfallenden Umsätze auch von den Umsätzen aus selbstständiger Arbeit getrennt ermittelt werden konnten.

     

    Aufgrund des Nebeneinanders von selbstständigen und gewerblichen Einkünften kam eine Anwendung von § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG auch in dieser Konstellation in Betracht. Insoweit gelten die oben dargestellten Grenzen und eine Abfärbung tritt nicht ein, wenn - wie im Streitfall - der Anteil des auf die gewerblichen Tätigkeit entfallenden Umsatzes 3 % des Gesamtumsatzes und 24.500 EUR nicht übersteigt. Insolvenzverwalter, die in einzelnen Fällen nicht eigenverantwortlich tätig werden, können damit - zum Teil - aufatmen, da innerhalb der genannten Grenzen die Beschäftigung eigenverantwortlich tätiger qualifizierter Angestellter für die Bewertung der Einkünfte unschädlich ist.

    3. Praxishinweise

    An die leitende und eigenverantwortliche Tätigkeit sind - abhängig von der Art des freien Berufs - unterschiedlich hohe Anforderungen zu stellen. Voraussetzung für die Annahme von Einkünften gemäß § 18 EStG ist, dass die leitende und eigenverantwortliche Tätigkeit des Berufsträgers sich nicht nur auf einen Teil der Berufstätigkeit beschränkt, sondern sich auf die Gesamttätigkeit seiner Berufspraxis erstreckt. Der Berufsträger muss durch seine eigenen Tätigkeit in der Lage sein, die fachliche Verantwortung zu tragen, um nicht die Grenze zum Gewerbebetrieb zu überschreiten (vgl. BFH 2.12.80 VIII R 32/75, BStBl II 81, 170). Ist dies insgesamt der Fall, ist eine Abfärbung (§ 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG) nicht zu prüfen.

     

    • Beispiel

    Ein Rechtsanwalt ist als Insolvenzverwalter tätig. Er ist in jedem einzelnen Insolvenzfall mit Hilfe eines angestellten Anwalt und einer weiteren Angestellten tätig. Der BFH sah angesichts der jährlich zwischen 3 und 48 bearbeiteten Fällen keinen Ansatzpunkt dafür, dass die Tätigkeit nicht eigenverantwortlich und leitend i.S. des § 18 Abs. 1 Nr. 1 S. 3 EStG ausgeübt wurde (BFH 15.12.10, VIII R 50/09, BStBl II 11, 506).

     

    Die Regel, dass der Selbstständige in jedem Einzelfall tätig werden muss, um Einkünfte gemäß § 18 EStG zu erzielen, wird jedoch in dreifacher Hinsicht modifiziert:

     

    • Eine Arbeitsteilung zwischen Gesellschaftern einer Sozietät ist erlaubt.
    • Eine Delegation ist nach eigenverantwortlicher Prüfung möglich.
    • Eine Vertretung im Falle vorübergehender Verhinderung ist zulässig.

     

    3.1 Arbeitsteilung zwischen Gesellschaftern einer Sozietät

    Bei einer gemeinschaftlichen Betätigung mehrerer Berufsträger reicht es, wenn jeder Berufsträger in seinem Teilbereich leitend und eigenverantwortlich tätig wird.

     

    • Beispiel

    In einer 4-köpfigen Anwaltssozietät ist für jedes Spezialgebiet ein Anwalt zuständig (Familienrecht, Steuerrecht, Erbrecht, Gesellschaftsrecht). Obwohl nicht jeder Berufsträger jeden Fall bearbeitet, liegt eine leitende und eigenverantwortliche Tätigkeit aller Berufsträger (und zwar in ihrer Gemeinschaft) vor.

     

    Nicht ausreichend wäre es m.E. demgegenüber, wenn ein Spezialgebiet (z.B. Steuerrecht) eigenverantwortlich von einem angestellten Rechtsanwalt übernommen wird, ohne dass die Tätigkeit durch einen der selbstständigen Berufsträger überwacht und eigenverantwortlich wahrgenommen wird. Die Voraussetzungen der Leitung und Eigenverantwortlichkeit bezieht sich auf die selbstständigen - mitunternehmerschaftlich tätigen - Berufsträger.

     

    3.2 Delegation nach eigenverantwortlicher Prüfung

    Die Erledigung (einfacher) Standardtätigkeiten darf auf Mitarbeiter übertragen werden, soweit der/die Berufsträger im Einzelfall tätig wird/werden. Für ein höchstpersönliches Tätigwerden reicht es z.B. bei Ärzten in der Regel aus, dass der Arzt aufgrund seiner Fachkenntnisse durch regelmäßige und eingehende Kontrolle maßgeblich auf die Tätigkeit seines angestellten Fachpersonals - patientenbezogen - Einfluss nimmt, so dass die Leistung den „Stempel der Persönlichkeit“ des Steuerpflichtigen trägt (BFH 16.7.14, VIII R 41/12). Dies bedeutet nicht, dass Gesellschafter einer Sozietät wesentliche Tätigkeiten an Angestellte übertragen könnten. Im Sachverhalt der o.g. BFH-Entscheidung übernahmen die Gesellschafter die Voruntersuchungen bei den Patienten, die Festlegung der Behandlungsmethode und behielten sich schwierige Fälle zur eigenen Behandlung vor.

     

    Die Klägerin betreibt eine Gemeinschaftspraxis für Anästhesie in der Rechtsform einer GbR und übt ihre Berufstätigkeit durch ihre Gesellschafter ohne Praxisräume als mobilen Anästhesiebetrieb in der Praxis von Ärzten aus, die Operationen unter Narkose durchführen wollen. Jeweils einer der Gesellschafter führte eine Voruntersuchung bei den jeweiligen Patienten durch und schlug eine Behandlungsmethode vor. Die eigentliche Anästhesie führte sodann ein anderer Arzt aus. Die GbR beschäftigt eine angestellte Ärztin, die solche Anästhesien nach den Voruntersuchungen der Gesellschafter in einfach gelagerten Fällen vornahm. Problematische Fälle bleiben den Gesellschaftern der GbR vorbehalten.

     

    Die GbR erzielt freiberufliche Einkünfte. Da Ärzte eine höchstpersönliche, individuelle Arbeitsleistung am Patienten schulden, müssen sie einen wesentlichen Teil der Dienstleistungen selbst übernehmen, was hier auch der Fall war.

    Der BFH kam wie schon das FG zu dem Ergebnis, dass die patientenbezogene leitende Eigenverantwortlichkeit der GbR-Gesellschafter wegen der ausschließlich von ihnen geführten Voruntersuchungen, der Festlegung der Behandlungsmethode sowie des Vorbehalts der Selbstbehandlung in schwierigen Fällen erfüllt sei.

     

    Berater (z.B. Rechtsanwälte, Steuerberater, Wirtschaftsprüfer) müssen m.E. zwar nicht jedes einzelne Schreiben überprüfen, aber doch in jedem einzelnen Auftragsverhältnis durch einen der Sozien die Verantwortung übernehmen. Die vollständige Übertragung der Verantwortung in einzelnen Fällen auf einen angestellten Berufsträger (Rechtsanwalt, Steuerberater etc.) führt insoweit zu gewerblichen Einkünften und zur Anwendung der Abfärbewirkung, soweit die o.g. Umsatzgrenzen (3 %, 24.500 EUR) überschritten werden. Gelegentliche fachliche Überprüfungen der Mitarbeiter reichen nicht (BFH 20.12.00, XI R 8/00, BFH/NV 01, 858).

     

    PRAXISHINWEIS | Eine rein leitende Tätigkeit ohne Übernahme der Eigenverantwortung im einzelnen Fall (mandanten- bzw. patientenbezogen) reicht somit nach wie vor nicht für eine freiberufliche Tätigkeit. In solchen Fällen ist somit die Abfärbung nach § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG zu prüfen.

     

    3.3 Vorübergehende Verhinderung

    Aus § 18 Abs. 1 Nr. 1 S. 4 EStG ergibt sich, dass eine Vertretung im Falle vorübergehender Verhinderung der Annahme einer leitenden und eigenverantwortlichen Tätigkeit nicht entgegensteht. Daraus folgt im Umkehrschluss, dass eine dauernde Vertretung zu gewerblichen Einkünften führt. Der Berufsträger und Betriebsinhaber darf also weder die Leitung noch die Verantwortung dauerhaft einem nur angestellten Geschäftsführer oder Vertreter übertragen.

    4. Beteiligung von Berufsfremden/Nicht-Berufsträgern

    Abzugrenzen von der Anwendung der Abfärbewirkung ist die Beteiligung von Nicht-Berufsträgern. Die Beteiligung eines Berufsfremden ist stets - und zwar unabhängig von der Beteiligungshöhe - schädlich für selbstständige bzw. freiberufliche Einkünfte. Auch eine geringfügige Beteiligung führt zu gewerblichen Einkünften, wenn der Berufsfremde Mitunternehmer ist. Eine Steuerberatungs- und Wirtschaftsprüfungs-KG mit einer GmbH als alleiniger Komplementärin erzielt z.B. Einkünfte aus Gewerbebetrieb, und zwar auch dann, wenn die GmbH lediglich eine Haftungsvergütung erhält und am Vermögen und Gewinn der KG nicht teilhat (BFH 10.10.12, VIII R 42/10, BStBl II 13, 79). Dies gilt unabhängig davon, ob an der GmbH ausschließlich Berufsträger beteiligt sind.

     

    Weiterführende Hinweise

    • Einkünftequalifikation - Abfärbung bei gewerblichen Beteiligungseinkünften und abweichendem Wirtschaftsjahr (Kratzsch, PFB 14, 321)
    • Insolvenzverwaltung - Angestellte Mitarbeiter und das gewerbesteuerliche Infektionsrisiko (PFB 10, 176)
    Quelle: ID 43209671