· Fachbeitrag · Einkünftequalifikation
Freiberufliche Einkünfte aus dem Betrieb einer Kindertagesstätte
von StB Jürgen Derlath, Münster
Die Gruppenerziehung von Kindern im Vorschulalter in einer Kindertagesstätte ist eine erzieherische Tätigkeit i.S. des § 18 Abs. 1 Nr. 1 S. 2 EStG. Die weiteren Leistungen wie die Beaufsichtigung und Verköstigung der Kinder sind lediglich notwendige Hilfstätigkeiten. Die Erziehung gibt der Gesamtheit der Leistungen das Gepräge. Der Inhaber einer Kindertagesstätte wird trotz der Beschäftigung fachlich vorgebildeter Arbeitskräfte eigenverantwortlich i.S. des § 18 Abs. 1 Nr. 1 S. 3 EStG tätig (FG Hamburg 20.1.15, 3 K 157/14, rkr.). |
Sachverhalt
Die Klägerin, eine Diplom-Sozialpädagogin, eröffnete 2006 eine Kindertagesstätte mit im Streitzeitraum bis zu 45 Kinder in zwei Gruppen - einer Krippengruppe und einer Elementargruppe. In beiden Gruppen waren je drei angestellte Erzieherinnen tätig. Daneben beschäftigte die Klägerin jeweils in Teilzeit eine Verwaltungsangestellte, eine hauswirtschaftliche Kraft und eine Aushilfe im pädagogischen Bereich. Das FA meinte, die Klägerin unterliege der Gewerbesteuer. Sie sei nicht freiberuflich tätig, weil es am Tatbestandsmerkmal der Eigenverantwortlichkeit fehle. Der Kernbereich der erzieherischen Tätigkeit liege in der täglichen Einflussnahme von Bezugspersonen auf das jeweilige Kind. Bei der Größe der Einrichtung könne der erforderliche persönliche Kontakt der Leiterin zu den Kindern nicht mehr gegeben sein.
Anmerkungen
Das FG gab jedoch der Klägerin Recht. Der Inhaber einer Kindertagesstätte wird trotz der Beschäftigung fachlich vorgebildeter Arbeitskräfte eigenverantwortlich i.S. des § 18 Abs. 1 Nr. 1 S. 3 EStG tätig, wenn er durch regelmäßige und eingehende Kontrollen der Mitarbeiter maßgeblich auf die Erziehung jedes Kindes Einfluss nimmt und darüber hinaus eine persönliche Beziehung zwischen ihm und den einzelnen Kindern besteht. Werden in einer Kindertagesstätte 45 Kinder in zwei Gruppen durch insgesamt sechs angestellte Erzieherinnen betreut, kann das Merkmal der Eigenverantwortlichkeit erfüllt sein, insbesondere wenn die Leitung durch weiteres Personal von allgemeiner Verwaltungstätigkeit und sonstigen nichtpädagogischen Arbeiten entlastet wird.
Praxishinweis
Der Vortrag der Klägerin hatte hier offenbar entscheidendes Gewicht gehabt. Denn das FG war überzeugt, dass die Klägerin ihre durchgehende Anwesenheit vor Ort und ihre für die pädagogischen Aufgaben zur Verfügung stehende Zeit konsequent dazu genutzt hat, eine persönliche Beziehung zu jedem Kind aufzubauen und selbst oder über die von ihr angestellten und angeleiteten sechs Erzieherinnen auf die Erziehung jedes Kindes einzuwirken und der Erziehungsleistung auf diese Weise den „Stempel ihrer Persönlichkeit“ aufzudrücken.