· Fachbeitrag · Gewerbesteuer
Gewerbesteuerbefreiung von Altenheimen und Ausbildungsbetrieben
von Dr. Stephan Peters, Warendorf
| Die Gewerbesteuer ist mit rund 42 Mrd. EUR (BMF, Steuerspirale 2020) die drittstärkste Steuer. Sie soll nach dem Willen des Gesetzgebers einen Ausgleich für die unmittelbaren und mittelbaren Lasten gewähren, die Gewerbebetriebe in den Gemeinden verursachen. § 3 GewStG befreit bestimmte Betriebe. Dabei kann es im Einzelfall zu Abgrenzungsproblemen einer gewerbesteuerrechtlich begünstigten und nicht begünstigten Tätigkeit kommen. Mit diesen Abgrenzungsfragen hat sich die Rechtsprechung in zwei Entscheidungen befasst. |
1. Befreiung von Altenheimen (BFH 1.9.21, III R 20/19)
Zur Entlastung der Sozialversicherungsträger werden bestimmte Leistungen von der Umsatzsteuer (§ 4 Nr. 14 UStG) und Gewerbesteuer (§ 3 Nr. 20 GewStG) befreit. Über den Umfang dieser steuerlichen Begünstigungen gibt es regelmäßig Streitigkeiten. Für den Bereich der Umsatzsteuer war lange umstritten, wann ein Krankenhaus i. S. d. § 4 Nr. 14 Buchst. b UStG vorliegt. Bei der Gewerbesteuer ist die Befreiung nach § 3 Nr. 20 GewStG streitanfällig.
1.1 Erträge aus dem Krankenhausbetrieb
Für die Gewerbesteuer definiert § 3 Nr. 20 GewStG konkrete Voraussetzungen, unter denen Krankenhäuser, Altenheime, Altenwohnheime, Pflegeheime, Einrichtungen zur vorübergehenden Aufnahme pflegebedürftiger Personen sowie Einrichtungen zur ambulanten und stationären Rehabilitation von der Gewerbesteuer befreit sind. Der BFH hat insoweit bereits klargestellt, dass der Träger eines Krankenhauses gemäß § 3 Nr. 20 GewStG nicht mit seinem gesamten Gewerbeertrag befreit ist, sondern nur bezüglich der Erträge aus dem Krankenhausbetrieb (BFH 22.6.11, I R 59/10). Hintergrund dieses restriktiven Verständnisses ist nach Ansicht der Rechtsprechung die Intention des Gesetzgebers, die bestehenden Versorgungsstrukturen bei der Behandlung kranker und pflegebedürftiger Personen zu verbessern und die Sozialversicherungsträger von Aufwendungen zu entlasten (BFH 22.10.03, I R 65/02).
1.2 Einrichtungen gemäß § 3 Nr. 20 Buchst a GewStG
Deswegen werden zunächst Einrichtungen gemäß § 3 Nr. 20 Buchst. a GewStG privilegiert, die von juristischen Personen des öffentlichen Rechts betrieben werden oder es sich um Krankenhäuser handelt, die im Erhebungszeitraum die in § 67 Abs. 1 oder Abs. 2 AO bezeichneten Voraussetzungen erfüllen. Danach handelt es sich bei einem Krankenhaus, das in den Anwendungsbereich des Krankenhausentgeltgesetzes oder der Bundespflegesatzverordnung fällt, um einen Zweckbetrieb, wenn mindestens 40 % der jährlichen Belegungstage oder Berechnungstage auf Patienten entfallen, bei denen nur Entgelte für allgemeine Krankenhausleistungen berechnet werden.
Fällt ein Krankenhaus nicht in den Anwendungsbereich des Krankenhausentgeltgesetzes oder der Bundespflegesatzverordnung, kommt es ebenfalls auf die 40 %-Grenze an, sofern für die Krankenhausleistungen kein höheres Entgelt als nach § 67 Abs. 1 AO berechnet wird. Für Altenheime, Altenwohnheime und Pflegeheime enthält § 3 Nr. 20 Buchst. c GewStG eigene Kriterien, wobei auch insoweit auf die aus dem Bereich der Krankenhausleistungen bekannte 40 %-Grenze angeknüpft wird.
Insgesamt gilt für die Anwendung von § 3 Nr. 20 GewStG, dass die Vorschrift keine Steuerbefreiung für Gewerbebetriebe enthält, sondern lediglich einzelne gewerbliche Tätigkeiten von der Gewerbesteuer befreit (BFH 22.06.11, I R 59/10). Entgegen der Betrachtung von Krankenhausfällen hat der BFH zur Höhe der Befreiung von der Gewerbesteuer für den Bereich ambulanter Pflegedienste bisher noch nicht Stellung genommen.
1.3 Die Entscheidung des BFH (1.9.21, III R 20/19)
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Klägerin ist eine GmbH. Geschäftsgegenstand ist die Erbringung von Pflegeleistungen im Rahmen der mobilen Hauskrankenpflege gegenüber kranken Personen entsprechend den Leistungskatalogen der gesetzlichen und privaten Krankenversicherung. 2009 erwarb Frau X sämtliche Geschäftsanteile an der GmbH. Die Finanzierung lief über die GmbH, die 2011 ein Darlehen über den Kaufpreis (250.000 EUR) aufnahm und an die neue Anteilseignerin, Frau X, zu gleichen Konditionen (Zins 7,4 %) durchleitete. Zudem gewährte die GmbH Frau X ein weiteres Darlehen aus eigenem Vermögen, das mit 4 % verzinst werden sollte. Im Jahr 2011 zahlte die GmbH Zinsen i. H. v. insgesamt rund 17.000 EUR, die zugleich als Betriebsausgaben in Abzug gebracht wurden. Zugleich erzielte sie aber auch Zinserträge.
Im Rahmen einer steuerlichen Außenprüfung für die Jahre 2009 bis 2011 kam der Prüfer zu dem Ergebnis, dass weitere Zahlungen auf dem Forderungskonto der GmbH zu erfassen waren und sich demzufolge die Zinserträge für 2009 auf 2.362,58 EUR, für 2010 auf 6.626,79 EUR und für 2011 auf 7.810,33 EUR erhöhten. Zudem war das Kaufpreisdarlehen gegenüber Frau X nur mit 4, statt mit 7,4 % verzinst worden, weshalb der erfasste Zins von 7.608,45 EUR auf 14.075,60 EUR erhöht wurde. Neben den Zinserträgen erzielte die Klägerin auch Provisionszahlungen i. H. v. insgesamt 150 EUR. Zudem wurde eine nicht weiterbelastete Bearbeitungsgebühr i. H. v. 714 EUR von der Betriebsprüfung als verdeckte Gewinnausschüttung gewertet und dem Einkommen hinzugerechnet.
In Höhe der erzielten Zinserträge und der erhaltenen Provisionszahlungen nahm die Betriebsprüfung eine partielle Gewerbesteuerpflicht an. Nachdem die Klägerin vor dem Finanzgericht obsiegte, verfolgte das FA sein Begehren im Rahmen der Revision! |
Der BFH gab dem FA recht. Das FG war zu Unrecht davon ausgegangen, dass die Klägerin die Steuerbefreiungsvorschrift des § 3 Nr. 20 Buchst. c und d GewStG auch für die von ihr erzielten Gewinne aus Darlehens- und Provisionsgeschäften in Anspruch nehmen kann.
1.4 Partielle Gewerbesteuerpflicht bei Trennbarkeit der Tätigkeit
Soweit die GmbH aus der Gewährung von Darlehen an die Anteilserwerberin Zinsgewinne erzielt hat, resultieren diese aus einer Tätigkeit, die vom eigentlichen Betrieb der Einrichtung getrennt werden kann und vom Zweck der Steuerbefreiung in § 3 Nr. 20 Buchst. c und d GewStG nicht gedeckt ist. Insoweit ist die GmbH daher partiell gewerbesteuerpflichtig. An der Trennbarkeit der Tätigkeiten und den daraus folgenden trennbaren Erträgen hatte der BFH keine Zweifel.
Zu den nicht begünstigen Erträgen zählen demnach insbesondere die Gewinne aus der Finanzierung des Anteilserwerbs: Diese Gewinne waren nicht geeignet, die bestehenden Versorgungsstrukturen bei der Behandlung kranker und pflegebedürftiger Personen zu verbessern und die Sozialversicherungsträger von Aufwendungen zu entlasten. Es handelte sich nicht um Erträge aus Leistungen im Zusammenhang mit der Behandlung kranker und pflegebedürftiger Personen. Entsprechend schied auch eine Aufwandserstattung durch die Sozialversicherungsträger aus. Eine Gewerbesteuerfreiheit dieser Erträge wäre auch nicht geeignet, zu einer Entlastung der Sozialversicherungsträger beizutragen. Dass im Bereich der Pflege keine konkreten Aufwendungen ersetzt, sondern nach dem Pflegegrad bemessene Pflegepauschalen gezahlt werden, stand der Annahme einer Entlastung der Sozialversicherungsträger nicht entgegen. Für die Bemessung der Pflegepauschalen macht es aus Sicht des Gerichts einen Unterschied, ob diese Erträge einer Gewerbesteuerbelastung unterliegen oder nicht.
Es ist auch nicht erforderlich, dass für die nicht von § 3 Nr. 20 Buchst. c und d GewStG erfassten Tätigkeiten ein wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb i. S. d. § 14 S. 1 AO unterhalten wird, der Rahmen der privaten Vermögensverwaltung verlassen wird oder besondere organisatorische Vorkehrungen getroffen werden. Es kommt alleine darauf an, dass der Tätigkeit trennbare Erträge zugeordnet werden können!
Die Trennbarkeit ergibt sich auch daraus, dass der Tätigkeit trennbare Erträge zugeordnet werden können. Bezüglich der Provisionsleistungen ergab sich die Trennbarkeit daraus, dass die Leistungen nicht mit der Versorgung kranker oder pflegebedürftiger Personen in Zusammenhang standen.
Unter Zugrundelegung der vorgenannten Rechtsgrundsätze unterfallen die von der Klägerin erzielten streitgegenständlichen Zins- und Provisionsgewinne daher aus Sicht des Gerichts nicht der Gewerbesteuerbefreiung nach § 3 Nr. 20 Buchst. c und d GewStG.
2. Befreiung von Ausbildungsbetrieben (BFH 26.5.21, V R 25/20)
Im Bereich der Erbringung von Leistungen im Rahmen von Ausbildungsverhältnissen war lange Zeit umstritten, wann und unter welchen Voraussetzungen diese Leistungen von der Umsatzsteuer- und Gewerbesteuer befreit sind. Das FG Münster ( 31.8.15, 9 K 2097/14) hat entschieden, dass die Erbringung von Heilbehandlungen an Patienten durch Auszubildende einer berufsbildenden Einrichtung (hier Institut im Bereich der Psychotherapeutenausbildung) nicht nach § 4 Nr. 21 Buchst a. Doppelbuchst. bb UStG von der Umsatzsteuer befreit sind. Die Voraussetzungen für eine unmittelbare als auch eine analoge Anwendung von § 3 Nr. 13 GewStG lehnte das Gericht ab. Erbracht wurden die Leistungen als Ausbildungsstätte i. S. d. § 6 PsychThG aufgrund einer Institutsermächtigung gemäß § 117 Abs. 2 SGB V.
Die Vergütung der in der Ambulanz bzw. in ausgelagerten Stellen gemäß § 6 PsychThG erbrachten Leistungen richtet sich nach den zwischen der Ambulanz und den Verbänden der Krankenkassen in Westfalen-Lippe gemäß § 120 Abs. 3 S. 4 SGB V abgeschlossenen Vereinbarungen.
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Die Klägerin ist anerkannte Ausbildungsstätte für Psychotherapie und führt als solche die dreijährige Vollzeitausbildung im Bereich der Verhaltenstherapie aus. Die Klägerin ist eine GmbH. Grundlage für die Ausbildung sind entgeltliche Ausbildungsverträge. Gegenstand der Ausbildung war u.a. eine praktische Ausbildung mit Krankenbehandlung unter Supervision nach § 4 der Ausbildungs- und Prüfungsverordnung für Psychologische Psychotherapeuten (PsychTh-APrV). Aufgrund von Vereinbarungen mit den Krankenkassen war es der Klägerin erlaubt, abrechenbare psychologische Behandlungen der Versicherten durch Auszubildende unter Supervision durchführen zu lassen und diese Leistungen auch abzurechnen. Bezüglich der Zahlungen, die die Klägerin als Vergütung von den Krankenkassen für die von den Auszubildenden der Klägerin im Rahmen von § 4 PsychTh-APrV erbrachten Leistungen erhalten hat, gab die Klägerin keine Gewerbesteuererklärungen ab.
Die Betriebsprüfung vertrat die Auffassung, dass die Erlöse der Klägerin aus der Behandlung von Patienten durch Auszubildende im Rahmen der Ausbildung der Gewerbesteuer unterlägen. Die Erlöse seien daher nicht gemäß § 4 Nr. 21 Buchst. a UStG i. V. m. § 3 Nr. 13 GewStG von der Gewerbesteuer befreit. |
Auch hier stellt sich der BFH auf die Seite des FA. Das FG ist aus Sicht des BFH zu Unrecht von der Gewerbesteuerbefreiung ausgegangen. Der BFH stellte auch hier klar, dass die Behandlungsleistungen nicht als Haupt- oder Nebenleistungen zu den nach § 4 Nr. 21 Buchst. a Doppelbuchst. b UStG steuerfreien Ausbildungsleistungen zählen oder mit den steuerfreien Ausbildungsleistungen einen einzigen untrennbaren wirtschaftlichen Vorgang bilden, dessen Aufspaltung wirklichkeitsfremd wäre.
Der BFH stellte insoweit klar, dass sich das Unmittelbarkeitserfordernis aus § 4 Nr. 21 UStG nicht auf den Inhalt der Leistungen bezieht, sondern die Art und Weise beschreibt, in der die Leistungen bei der Erfüllung des Schul- und Bildungszwecks der Einrichtung eingesetzt werden müssen (BFH 23.8.07, V R 10/05). Danach dienen solche Leistungen unmittelbar dem Schul- und Bildungszweck, die ihn nicht nur ermöglichen, sondern ihn selbst bewirken. Zu betrachten ist, welchen Zweck der Unternehmer mit einer Leistung herbeiführen möchte. Bezweckt der Unternehmer mit einer Leistung, die er gegenüber einem anderen Empfänger als dem der Schul- und Bildungsleistung erbringt, einen gegenüber der Schul- und Bildungsleistung eigenständigen wirtschaftlichen Erfolg, ist die Leistung nicht nach § 4 Nr. 21 Buchst. a UStG steuerfrei.
Unter Berücksichtigung dieser Vorgaben dienten die vorliegend streitigen Leistungen aus Sicht des Gerichts nicht selbst dem Bildungserfolg bei den angehenden Therapeuten, sondern wurden gegenüber den Krankenkassen erbracht und waren dabei ihrer Art nach darauf gerichtet, die psychische Erkrankung der Patienten zu heilen oder zu lindern und damit für die jeweilige Krankenkasse die Dienstleistungsverpflichtung aus dem Versicherungsverhältnis zu erfüllen. Mit den Behandlungsleistungen hat die Klägerin demnach einen wirtschaftlichen Erfolg gerade gegenüber der jeweiligen Krankenkasse bezweckt.
Eine ggf. begünstigte Nebenleistung lehnte das Gericht ebenfalls ab, da die Behandlungsleistungen kein Mittel waren, um die gegenüber den angehenden Therapeuten erbrachten Ausbildungsleistungen unter optimalen Bedingungen in Anspruch zu nehmen. Vielmehr übernahm die Klägerin mit der Behandlungsleistung auf der Grundlage der Verträge mit der kassenärztlichen Vereinigung sowie der Vereinbarung nach § 120 SGB V die Erfüllung der Dienstleistungsverpflichtung gegenüber der Krankenkasse, die diese aufgrund des Versicherungsverhältnisses mit dem Patienten zu erfüllen hat (§ 2 Abs. 2 SGB V; vgl. allgemein zur Sachleistungsverpflichtung: BFH 20.5.15, XI R 2/13, BStBl II 18, 605, Rz. 42; BFH-Vorlagebeschluss 6.6.19, V R 41/17, BFHE 265, 469, BStBl II 20, 164, Rz. 38 ff.).
Damit zielten die beiden Leistungen nach dem jeweils zugrunde liegenden Rechtsverhältnis auf die Verwirklichung eigenständiger wirtschaftlicher Erfolge bei verschiedenen Leistungsempfängern und standen daher nicht in einer für Haupt- und Nebenleistung charakteristischen Mittel-Zweck-Relation.
3. Relevanz für die Praxis
Die beiden Entscheidungen verdeutlichen, dass neben den in der Praxis häufig anzutreffenden Fragen der gewerbesteuerlichen Hinzurechnung (bspw. das Dauerthema Messekosten) auch die Frage der grundsätzlichen Befreiung von der Gewerbesteuer zu Streitigkeiten zwischen Finanzverwaltung und Steuerpflichtigen führt. Der BFH legt die durch das Gewerbesteuergesetz vorgesehenen Befreiungen zutreffend restriktiv aus. Dies verhindert Wettbewerbsverzerrungen im Rahmen der Preisbildung und stellt sicher, dass tatsächlich nur solche Sachverhalte begünstigt werden, die der Gesetzgeber vor Augen hatte. Insbesondere bei gemischten Tätigkeiten mit Finanzierungsproblematiken oder bei Ausbildungsbetrieben werden diese Themen in Zukunft sicherlich auch im Rahmen von Außenprüfungen thematisiert, wenngleich sich die Gewerbesteuer aufgrund der Regelung des § 35 EStG und ihres Charakters als Gemeindesteuer primär für die Gemeinden lohnt. Es bleibt abzuwarten, ob die Gemeinden in Zukunft von ihrem Recht zur Teilnahme an Außenprüfungen häufiger Gebrauch machen werden. Für den Steuerpflichtigen ist dann wichtig zu wissen, gegenüber wem er Auskunfts- und Mitwirkungspflichten zu erfüllen hat und welche Rolle dem Gewerbesteuerprüfer der Gemeinde zukommt!
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