· Fachbeitrag · Gewinnverzichtsmodell
Gewinnverzicht kann zu einer entgeltlichen Mitunternehmer-Teilanteilsübertragung führen
von RiFG Dr. Alexander Kratzsch, Bünde
| Das Gewinnverzichtsmodell ist eines von mehreren Standdardmodellen der entgeltlichen Praxisübertragung. Der BFH (27.10.15, VIII R 47/12 ) musste in diesem Zusammenhang jüngst klären, ob der Gewinnverzicht anlässlich einer unentgeltlichen oder einer entgeltlichen Übertragung eines Mitunternehmerteilanteils vereinbart worden war. Obwohl sich der Fall Mitte der 90er Jahre ereignet hatte, als die Übertragung eines Mitunternehmer-Teilanteils noch steuerlich begünstigt war, enthält das Urteil eine Reihe wichtiger Aussagen für aktuelle Gestaltungen. |
1. Das Gewinnverzichtsmodell in Grundzügen
Nach dem Gewinnverzichtsmodell, wie es in der Literatur vertreten wird, zahlt der z. B. in eine Einzelpraxis eintretende Freiberufler den Kaufpreis nicht sofort. Stattdessen wird mit dem Praxisinhaber Folgendes vereinbart:
- Der eintretende Freiberufler erhält über einen bestimmten Zeitraum einen geringeren Gewinnanteil als ihm nach dem zu erwerbenden Anteil eigentlich zusteht.
- Durch diesen Verzicht zahlt der eintretende Freiberufler den auf ihn übertragenen Teil der Praxis nach und nach ab.
Nach einer Ansicht im Schrifttum (s. Tz. 3) muss der Inhaber der Einzelpraxis den Veräußerungsgewinn nicht auf einmal als laufenden Gewinn versteuern. Vielmehr wird jedes Jahr nur der höhere Gewinnanteil als laufender Gewinn versteuert. Vor allem wenn der Praxisinhaber nicht dem Spitzensteuersatz unterliegt, führt dies wegen des progressiven Einkommensteuersatzes zu einer effektiven Steuerersparnis. Das allerdings sieht der BFH anders.
Das Gewinnverzichtsmodell hat für den bisherigen Praxisinhaber jedoch auch Nachteile:
- Er bekommt den Kaufpreis für seinen Anteil nicht sofort, sondern erst nach und nach.
- Der Praxisinhaber trägt zudem ‒ wenn kein Mindestbetrag als Kaufpreis vereinbart wird ‒ das Risiko, dass die Gewinne später niedriger ausfallen als erwartet und sein erhöhter Gewinnanteil damit hinter dem erwarteten Betrag zurückbleibt.
- Er trägt nach dem Gewinnverzichtsmodell weitere Risiken wie etwa eine eintretende Berufsunfähigkeit, bevor die Gewinnverzichtsphase abgeschlossen ist.
- Außerdem besteht das Risiko, dass der neue Gesellschafter in der Gewinnverzichtsphase den Kaufpreis neu aushandeln will, weil sich z. B. die Praxis nicht wie erwartet entwickelt hat.
2. Risiko ‒ Entgeltliche oder unentgeltliche Übertragung?
Ein weiteres Risiko des Gewinnverzichtsmodells beschreibt der Fall, den der BFH (27.10.15, VIII R 47/12) zu verhandeln hatte.
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Ein Arzt hat drei weitere Ärzte in eine GbR aufgenommen, an der er zum Schluss nur noch mit 10 % an Vermögen und Gewinn beteiligt war. Die neu eintretenden Ärzte zahlten die Kaufpreise für ihre Beteiligungen nicht sofort. Stattdessen verzichteten sie jeweils auf die Hälfte des ihnen zustehenden Gewinnanteils (15 % statt 30 %). FA und FG hatten die dem Arzt über seine 10-prozentige Beteiligung hinaus zugeflossenen Gewinne als laufenden Gewinn und nicht als Kaufpreistilgungen behandelt. Das FG meinte, es sei eine unbestimmte Gegenleistung für die Mitunternehmer-Teilanteile vereinbart worden. |
Der BFH musste nun klären, ob der Gewinnverzicht anlässlich einer unentgeltlichen oder einer entgeltlichen Übertragung vereinbart worden war. Er kam zu dem Ergebnis, dass die Mitunternehmer-Teilanteile entgeltlich veräußert worden waren, denn nur die Höhe der Tilgungen und der endgültige Tilgungszeitpunkt waren ungewiss.
Einer der Höhe nach bestimmten Kaufpreisforderung, die aber gewinnabhängig durch Gewinnverzicht des Neugesellschafters zu erfüllen ist, liegt eine Veräußerung zugrunde. Selbst eine Forderung, deren Entstehung rechtlich aufschiebend bedingt ist und deren absolute Höhe daher im Veräußerungszeitpunkt unbestimmbar ist, führt zu einem Veräußerungsentgelt. Der restliche Gewinn ist nach dem allgemeinen Gewinnverteilungsschlüssel zu verteilen.
PRAXISHINWEIS | Wichtig ist zu vereinbaren, dass bei vorzeitiger Beendigung der Gesellschaft die dann noch offene Kaufpreisforderung z. B. in Raten zu erfüllen ist. |
Der BFH hat das Verfahren an das FG zurückverwiesen und darauf hingewiesen, dass wegen der Anschaffungsvorgänge der beigetretenen Ärzte Ergänzungsbilanzen zu bilden sind und eine verfahrensrechtliche Änderung der angefochtenen Bescheide ‒ aber auch der Bescheide der Vorjahre, soweit sich aus dem (einheitlichen) Sachverhaltskomplex Wechselwirkungen ergeben ‒ nach § 174 Abs. 4 AO ‒ zulässig ist.
3. Erläuterungen zur Entscheidung
Im Besprechungsfall ging es um die Streitjahre 1993 bis 1995, in denen die Veräußerung des Teils eines Mitunternehmeranteils nach § 18 Abs. 3 S. 2 i. V. mit § 16 EStG begünstigt war. Nach aktuellem Recht führt eine Teilanteilsveräußerung zwingend zu laufendem Gewinn (§ 16 Abs. 1 S. 2 EStG).
Für den Inhaber der bisherigen Einzelpraxis hätte das Gewinnverzichtsmodell den Vorteil haben können, dass er nicht auf einen Schlag einen Veräußerungsgewinn als (laufenden) Gewinn hätte versteuern müssen. Vielmehr hätte er jedes Jahr nur den höheren Gewinnanteil als laufenden Gewinn der Besteuerung unterwerfen müssen. Doch diese Auffassung (Fuhrmann in Widmann/Mayer, Umwandlungsrecht, § 24 Rz 420; Schmitt in Schmitt/Hörtnagl/Stratz, UmwG, UmwStG 6. Aufl., § 24 UmwStG Rz 139, 237; Schlößer in Haritz/Menner, UmwStG, 3. Aufl., § 24 Rz 151) hat der BFH auch für den Fall verworfen, dass die Zahlungen dem Grunde und der Höhe nach gewinnabhängig zu erbringen sind.
PRAXISHINWEIS | Der BFH hatte schon zuvor eine ausschließlich oder teilweise gewinnabhängige (partiarische) Kaufpreisforderung als Veräußerungsentgelt i. S. von § 16 Abs. 2 EStG eingeordnet, die auf einer Abtretung von künftigen Gewinnanteilen aus dem Gewinnbezugsrecht des Erwerbers eines Mitunternehmeranteils beruht und dem Grunde und der Höhe nach ungewiss ist (BFH 14.5.02, VIII R 8/01, BStBl II 02, 532 und BFH 17.7.13, X R 40/10, BStBl II 13, 883). |
Bei gewinnabhängigen Zahlungen, deren absolute Höhe ‒ wie hier ‒ von vornherein feststeht, wird der Gewinn schon mit der Verschaffung des wirtschaftlichen Eigentums realisiert. Bei Gewinnabhängigkeit dem Grunde und der Höhe nach tritt die Realisation der Gewinne dagegen erst ‒ aufschiebend bedingt ‒ im Zeitpunkt des Zuflusses ein. Die Zuweisung höherer Gewinnanteile an den Altgesellschafter führt zu einer unmittelbaren Zahlung des Kaufpreises in Form von Tilgungsleistungen.
Folglich handelte es sich um die Aufnahme von Gesellschaftern in eine Personengesellschaft gegen Zuzahlung in das Vermögen des Altgesellschafters. Der BFH stuft dies als Veräußerung eines Mitunternehmer-Teilanteils ‒ verbunden mit einer Einbringung des Mitunternehmeranteils des Altgesellschafters in eine um den Neugesellschafter erweiterte ‒ Personengesellschaft ein. Er fällt unter § 24 UmwStG, soweit eine Einbringung vorliegt (BFH 17.9.14, IV R 33/11, BStBl II 15, 717; vgl. auch BMF 11.11.11, BStBl I 11, 1314 unter Rz. 01.47, 24.08 ff.).
ZWISCHENFAZIT | Die wichtigsten Folgen sind:
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4. Konsequenzen der Entscheidung
Die Auffassung des BFH führt dazu, dass der Gewinn bei einem zeitlich begrenzten Gewinnverzicht nach dem allgemeinen und nicht nach dem für die Tilgungsdauer geänderten Gewinnverteilungsschlüssel zu verteilen ist. Die Zuweisung höherer Gewinnanteile an den Altgesellschafter steht der unmittelbaren Zahlung der Entgelte außerhalb des Gesellschaftsvermögens gleich. Die Anschaffungskosten in den positiven Ergänzungsbilanzen dürften von vornherein ‒ also nicht erst mit Abfluss des verringerten Gewinnanteils ‒ i. H. der insgesamt aufzubringenden Gewinnanteile anzusetzen sein, da sie der Höhe nach feststehen.
Im Unterschied zu einer Behandlung als unentgeltlicher Vorgang führt die Bewertung als entgeltlicher Vorgang dazu, dass die beitretenden Gesellschafter zwar höhere Gewinnanteile zu versteuern, andererseits aber auch ein höheres Abschreibungspotenzial durch die positiven Ergänzungsbilanzen haben. Der aufnehmende Gesellschafter hat den Vorteil, dass die Gewinne zunächst mit den anteiligen Buchwerten (= Kapitalkonto) zu verrechnen sind. Die praktischen Folgen der Entscheidung werden durch nachfolgende Berechnung deutlich:
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Arzt J beteiligt zum 1.1.15 drei Kollegen/innen (S, R und E) mit je 30 % an einer Ärzte-GbR. Das Kapital beträgt 0 EUR. Der Gewinn 2015 beträgt 1,6 Mio. EUR. S, R und E verzichten vorübergehend auf den halben Gewinnanteil. Die Summe der unstreitig angemessenen Gewinnanteile zur Tilgung der Kaufpreisforderungen beträgt 3 x 1 Mio. EUR. Die Zahlungen sind auch nach Ausscheiden des J und bei Beendigung der Gesellschaft i. H. des nicht getilgten Restkaufpreises zu zahlen.
Lösung: Ein Veräußerungsentgelt für den Mitunternehmeranteil liegt auch bei einer der Höhe nach feststehenden oder sogar insgesamt gewinnabhängigen Kaufpreisforderung vor, die durch Gewinnverzicht des Neugesellschafters zu erfüllen ist. Die Gewinnrealisation tritt laut BFH bei Gewinnabhängigkeit erst im Zeitpunkt des Zuflusses, hier aber (da die absolute Höhe mit 3 Mio. EUR feststeht) mit Verschaffung des wirtschaftlichen Eigentums ein. Der laufende Gewinn ist nach dem allgemeinen Gewinnverteilungsschlüssel zu verteilen. Die Zuweisung höherer Gewinnanteile an den Altgesellschafter ist eine unmittelbare Kaufpreiszahlung. | ||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
Der Gewinn aus der Veräußerung der drei Teilanteile ist gemäß § 16 Abs. 1 S. 2 i. V. mit § 18 Abs. 3 S. 2 EStG nicht begünstigt, führt also zu laufendem Gewinn. Da das Kapitalkonto 0 EUR beträgt, ist der Gewinn in voller Höhe anzusetzen. S, R und E stellen positive Ergänzungsbilanzen i. H. von jeweils 1 Mio. EUR auf, die ‒ entsprechend der Laufzeit der jeweiligen Wirtschaftsgüter ‒ um AfA-Beträge zu verringern sind.
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S, R und E verzichten über zehn Jahre auf einen Teil (15 %) des ihnen zustehenden Gewinns. Die Kaufpreisforderung ist dem Grunde und der Höhe nach gewinnabhängig.
Lösung: Es kommt nicht mit Verschaffung des wirtschaftlichen Eigentums zur Realisation, sondern erst mit dem Zufluss bei J:
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Wie Abwandlung 1, aber das Kapitalkonto des J beträgt zum Zeitpunkt der Teilanteilsveräußerung 1 Mio. EUR.
Lösung: Der laufende Gewinn aus der Veräußerung ist m.E. mit den anteiligen Buchwerten (90 % x 1 Mio. EUR = 900.000 EUR) zu verrechnen, so dass die an J zusätzlich abgeführten Gewinnanteile in Höhe von 720.000 EUR (noch) nicht zu einem Gewinn führen.
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