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  • · Nachricht · Heilmittelwerberecht/Wettbewerbsrecht

    (Zahn-)Ärzte dürfen kostenlose Leistungen weder erbringen noch bewerben

    von RA Tim Hesse, Kanzlei am Ärztehaus, Dortmund, www.kanzlei-am-aerztehaus.de

    Das LG Stade (25.6.15, 8 O 37/15) hat einer Zahnarztpraxis untersagt, „50+ Patienten“ kostenlos einen exklusiven „Vitalitätsplan“ zu erstellen und damit zu werben. Das Angebot bestand aus einem Informationsgespräch, einer Abformung der Zähne und einem „Vitalitätsgespräch“. Das LG Stuttgart (13.8.15, 11 O 75/15) verurteilte einen Zahnarzt dazu, keine Gutscheine mehr für eine kostenlose Zahnreinigung unter Neupatienten zu verteilen.

    Anmerkungen

    In beiden Fällen war eine Abmahnung der Wettbewerbszentrale erfolglos geblieben, sodass diese Klage auf Unterlassung erhoben hatte. Sowohl das LG Stade als auch das LG Stuttgart gaben ihr Recht.

     

    Beide Gerichte stellten einen Verstoß gegen § 7 Abs. 1 HWG fest und sahen Ausnahmetatbestände nicht erfüllt. Die ausgelobten Service-Leistungen für „50+ Patienten“ beschränkten sich nicht auf die Erteilung von Auskünften oder Ratschlägen, sondern stellten individuelle zahnärztliche Leistungen dar. Auch in Bezug auf die kostenlos angebotene professionelle Zahnreinigung wurde eine Werbegabe i.S. des § 7 HWG, also eine unentgeltlich geldwerte, zum Zweck der Absatzförderung von Heilmitteln gewährte Vergünstigung, bejaht. Angesichts der Tatsache, dass eine professionelle Zahnreinigung rund 100 EUR kostet, könne von einer ausnahmsweise zulässigen geringwertigen Zugabe keine Rede sein.

     

    Praxishinweis

    Das Ergebnis der dargestellten Verfahren war - nicht zuletzt angesichts der Vielzahl zum Verbot kostenloser Werbegaben in den vergangenen Jahren ergangener Gerichtsentscheidungen - rechtlich durchaus vorhersehbar. Es mag verwundern, dass das Verbot der Erbringung und Bewerbung kostenloser Leistungen weiten Teilen der (Zahn-)Ärzteschaft offenbar noch immer nicht hinreichend bekannt ist.

     

    (Zahn-)Ärzte und Therapeuten sollten die vielfach zu ihren Ungunsten ergangene Rechtsprechung jedoch nicht „auf die leichte Schulter nehmen“:

     

    • Zur kostenlosen Arztberatung im Internet (vgl. z.B. OLG Hamburg 3.3.08, 3 W 28/08) sowie zur Werbung für schönheitschirurgische Eingriffe, die zugleich das Angebot einer kostenlosen fachärztlichen Beratung enthält (OLG München 8.10.09, 6 U 1575/08);
    • zu kostenlos angebotenem klinischem Venencheck (OLG Celle 3.11.11, 13 U 167/11);
    • Zahnarzt darf nicht mit kostenloser Luxusunterbringung in seine Praxisfiliale im Oman locken (LG Koblenz 19.5.11, 15 O 176/11, Beschluss);
    • zur kostenlosen Zweitbegutachtung (LG Hamburg 14.10.14, 312 O 19/14).

     

    Wer das HWG-Verbot missachtet, riskiert eine Abmahnung oder Klage und hat die dadurch entstehenden Kosten zu tragen. Bei mehrmaligem Verstoß gegen ein womöglich gar anerkanntes Verbot drohen Strafzahlungen i.H. von bis zu 250.000 EUR und schlimmstenfalls Ordnungshaft sowie berufsrechtliche Konsequenzen. Es lohnt also, Vorsicht walten zu lassen und sich vorab über die Zulässigkeit geplanter Werbemaßnahmen zu informieren.

     

    • § 7 Heilmittelwerbegesetz (HWG) und seine Ausnahmen

    Nach § 7 Abs. 1 HWG ist es unzulässig, Zuwendungen und sonstige Werbegaben (Waren oder Leistungen) anzubieten, anzukündigen oder zu gewähren oder als Angehöriger der Fachkreise anzunehmen.

     

    Ausnahmen von diesem Verbot erlaubt § 7 HWG nur in den folgenden Fällen:

     

    • Es handelt sich bei den Zugaben deutlich erkennbar um Gegenstände von geringem Wert oder um geringwertige Kleinigkeiten.

     

    • Die Zugaben werden in einem bestimmten oder berechenbaren Geldbetrag oder einer ebensolchen Menge gleicher Ware gewährt.

     

    • Die Zugaben bestehen in handelsüblichem Zubehör zur Ware oder in handelsüblichen Nebenleistungen (z.B. angemessene Übernahme von Fahrtkosten für öffentliche Verkehrsmittel im Zusammenhang mit dem Besuch des Orts der Leistungserbringung).

     

    • Die Zugaben bestehen in der Erteilung von Auskünften oder Ratschlägen.

     

    • Es handelt sich um unentgeltliche Verbraucherzeitschriften, die der Kundenwerbung und den Interessen der verteilenden Person dienen und in ihren Herstellungskosten geringwertig sind (Kundenzeitschriften).

     

    • Es handelt sich um Werbegaben an Angehörige der Heilberufe, die zur Verwendung in der ärztlichen, tierärztlichen oder pharmazeutischen Praxis bestimmt sind.

     

    • Es handelt sich um Zuwendungen im Rahmen berufsbezogener wissenschaftlicher Veranstaltungen, die einen vertretbaren Rahmen nicht überschreiten, von untergeordneter Bedeutung sind und sich nicht auf andere als im Gesundheitswesen tätige Personen erstrecken.

     

    Die für Arzneimittel und deren Abgabe geltenden (Preis-)Vorschriften etwa des Arzneimittelgesetzes bleiben von diesen Regelungen unberührt.

    Quelle: ID 43572997