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  • · Fachbeitrag · Honorarrecht

    Ärztin scheitert erstinstanzlich mit Antrag auf Ausnahme von fallzahlbedingter Abstaffelung

    von RA, FA für MedR, Wirtschaftsmediator Dr. Tobias Scholl-Eickmann, Kanzlei am Ärztehaus, Dortmund, www.kanzlei-am-aerztehaus.de

    Das SG Düsseldorf (5.9.12, S 33 KA 346/10, n.rkr.) hat die Klage einer Vertragsärztin, die eine Ausnahme von der sogenannten „fallzahlbedingten Abstaffelung“ begehrte, mit zweifelhafter Begründung abgewiesen.

    Sachverhalt

    Die Hausärztin war seit 2005 zunächst in einer Gemeinschaftspraxis vertragsärztlich tätig. Mitte 2007 verstarb ihr Praxispartner überraschend. Mehrfache Versuche einen Nachfolger zu finden, scheiterten. Seither versorgt die Ärztin die Patienten der vormaligen Gemeinschaftspraxis notgedrungen allein, ihre Fallzahlen liegen stetig über dem doppelten Fachgruppendurchschnitt. Bis zum Quartal 4/08 hatte die KV der Ärztin im Rahmen einer Ausnahmeregelung das vormalige Individualbudget des verstorbenen Praxispartners zugeordnet. Mit Einführung der Regelleistungsvolumina (RLV) zum Quartal 1/09 wurde von der KV keine weitere Ausnahmeregelung mehr gewährt, da die Fallzahlen aus den Vorjahresquartalen bei der Ermittlung des RLV berücksichtigt worden seien. Dies führte dazu, dass ein erheblicher Fallzahlanteil aufgrund der fallzahlbedingten Abstaffelung nur noch reduziert vergütet wurde. Die Honorareinbußen der Ärztin lagen aufgrund dieser Regelung in den streitbefangenen Quartalen 1/09 und 2/09 zusammen bei ca. 17.000 EUR.

     

    Die Ärztin verlangte auf Basis der maßgeblichen Regelung des zugrundeliegenden Honorarverteilungsvertrags (HVV), wonach der Vorstand der KV aus Sicherstellungsgründen Zuschläge auf das RLV bewilligen kann, wenn besondere Umstände des Einzelfalls vorliegen, eine - ggf. anteilige - Ausnahme von der fallzahlbedingten Abstaffelung. Sie habe die Patienten der vormaligen Gemeinschaftspraxis allein weiterversorgen müssen. Zwei weitere Praxen in der Umgebung seien ohne Nachfolger geschlossen worden, sodass Patienten auch nicht auf andere Praxen verwiesen werden könnten. Die Anträge wies die KV ebenso wie die nachfolgenden Widersprüche zurück, ohne die konkrete Versorgungssituation im Umfeld der Praxis der Ärztin zu prüfen oder etwaige Patientenflüsse oder Aufnahmekapazitäten in umliegenden Praxen zu klären.

     

    Anmerkungen

    Auch die erstinstanzliche Klage der Ärztin blieb erfolglos. Zuzugestehen sei der Ärztin zwar, dass in ihrem Fall durchaus besondere Umstände des Einzelfalls vorliegen, die die zu einer Reduzierung des RLV führenden, weit überdurchschnittlichen Fallzahlen erklären. Ein Anspruch auf eine Ausnahmeregelung aus Sicherstellungsgründen setze aber nach Auffassung des SG auch voraus, dass diese besonderen Umstände des Einzelfalls Honorareinbußen von einem entsprechenden Gewicht bedingen. Einen konkreten Schwellenwert gebe die maßgebliche Regelung des HVV zwar nicht vor, jedoch könne zur Orientierung auf die Ausnahmeregelungen zu überproportionalen Honorarverlusten sowie zur Einführung der Konvergenzregelung zur Beschränkung von Umsatzverlusten im Zusammenhang mit der Umstellung der Mengensteuerung auf die RLV-Systematik zurückgegriffen werden. Diese Bestimmungen setzten eine Verringerung des Honorars gegenüber dem Vorjahresquartal um mehr als 15 % bzw. unter anderem eine Unterschreitung des Fallwertes um mehr als 10 % voraus. Bei der Ärztin werden diese Werte indes nicht erreicht, das Honorar sei nur um etwa 13 %, der Fallwert nur um etwa 9 % unterschritten.

     

    Zudem sei zu berücksichtigen, dass die hohen Fallzahlen der Ärztin bei Zuweisung des RLV durchaus berücksichtigt worden seien, wenngleich auch nur mit einem abgestaffelten Fallwert. Dadurch komme die Ärztin im Ergebnis gleichwohl auf ein überdurchschnittliches RLV in Relation zur Fachgruppe.

     

    Auch die Tatsache, dass die KV die Sicherstellungsaspekte im Umfeld der Praxis weder geprüft noch den konkreten Vortrag der Ärztin näher gewürdigt habe, sei - so meinte das SG im Rahmen der mündlichen Verhandlung - aufgrund der dargelegten Umstände und mit Blick auf § 41 SGB X, wonach der Begründungsmangel eines Bescheids noch bis zur letzten Tatsacheninstanz geheilt werden könne, im Ergebnis unbeachtlich.

     

    Praxishinweise

    Soweit ersichtlich setzt sich das SG Düsseldorf als erstes Gericht mit einer Ausnahmeregelung zur fallzahlbedingten Abstaffelung auseinander. Die dabei verlangte weitergehende Voraussetzung, es müssten Honorareinbußen von einigem Gewicht vorliegen, lässt sich weder dem HVV noch den dahinterstehenden Vorgaben des (Erweiterten) Bewertungsausschusses noch dem Gesetz entnehmen. Dieses Kriterium überzeugt auch nicht: Soweit Sicherstellungsgründe vorliegen, sind die von Vertragsärzten erbrachten Leistungen mit dem vollen Fallwert zu vergüten. Eine andere Betrachtung ist auch wertungsmäßig nicht zu rechtfertigen. Abzuwarten bleibt, ob das Urteil des SG im Berufungsverfahren Bestand haben wird.

     

    • Fallzahlbedingte Abstaffelung

    Grundsätzlich berechnet sich das RLV eines Arztes in den meisten KVen - so jedenfalls auch im hier konkreten Bereich der KV Nordrhein - aus der Fallzahl des Vorjahresquartals multipliziert mit dem jeweiligen Fallwert der Fachgruppe, der für jedes Quartal im Vorfeld festgelegt wird.

    Der Fallwert wird indes nur bis zu einer Fallzahl von 150 % der Fachgruppe in voller Höhe gewährt, im Weiteren erfolgt schrittweise eine Abstaffelung. So wird bis zu einer Fallzahl von 170 % der Fachgruppe nur noch 75 % des Fallwerts, bis zu einer Fallzahl von 200 % der Fachgruppe nur noch 50 % und darüber hinaus nur noch 25 % des Fallwerts gewährt. Dadurch soll unter anderem dem Anreiz zu einer übermäßigen Ausdehnung der vertragsärztlichen Tätigkeit begegnet werden.

     
    Quelle: Ausgabe 02 / 2013 | Seite 33 | ID 37468830